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Die gute alte Küche - in neuem Gewand _ Politik & Wirtschaft _ Arbeitslosengeld II

Geschrieben von: Kérridis am 24.Aug.2004 - 19:01

so, ich hole dann auch hier mal den letzten Beitrag rüber, damit dieser spannende Thread nicht 4 Wochen lang im Sande versinkt...

QUOTE
Grad mal ein wenig gegooglet hat:


http://tabu.sw2.euv-frankfurt-o.de/Tabu_pdf/Euphemismen_Politik.pdf


Wir waren beim Stichwort Euphemismus in der Politiksprache... da hatte ich mal was ergoogelt...smile.gif

Geschrieben von: Leonie am 26.Aug.2004 - 11:29

Ich wünschte, ich hätte es so formulieren können wie der wunderbar Helmut Schmidt *sich einmal mehr verneigt*.

Nie werde ich meine Freudentränen über die friedliche Öffnung der Berliner Mauer vergessen. Sie war gefallen dank der Gesinnung der Demonstranten, dank der Vorarbeit der polnischen Solidarność, dank der friedlichen Vernunft Gorbatschows und auch der kommunistischen Führungen in Budapest, in Prag und in Ost-Berlin. Heute, anderthalb Jahrzehnte später, bin ich traurig über die unbefriedigenden wirtschaftlichen Zustände in Ostdeutschland – und besonders darüber, dass so viele Menschen dort sich dazu verleiten lassen, ihr heute selbstverständlich risikofreies Demonstrationsrecht zu benutzen, um gegen ein notwendiges Gesetz zu protestieren.

Allerdings kann ich ihre Ängste gut verstehen, auch den Zorn, der sich seit langen Jahren aufgestaut hat. Denn seit 1995 ist der wirtschaftliche Aufholprozess in den ostdeutschen Ländern zum Stillstand gekommen. Die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie im Westen, die Wertschöpfung liegt bei weniger als zwei Dritteln. Zwar haben inzwischen viele ein Auto und fast alle ein Telefon. Aber viele der Jüngeren, die zu Hause keine Arbeit gefunden hatten, sind in den Westen abgewandert. Die Zurückgebliebenen leiden seelisch unter der anscheinend ausweglosen Arbeitslosigkeit.

den rest bitte auf der verlinkten seite nachlesen!

Quelle: http://www.zeit.de/2004/36/Was_der_Osten_wirklich_braucht

Geschrieben von: Kérridis am 26.Aug.2004 - 12:38

Danke für diesen interessanten Beitrag, Leonie *wirken läßt* smile.gif

Geschrieben von: Bilana am 27.Aug.2004 - 09:49

Hi Kérridis,
wenn ich mich recht erinnere hast du gefragt was es mit dem Übergang von der Industrienation zur Wissengesellschaft auf sich hat.

Das Stichwort lautet "sektoraler Wandel". Er beschreibt ganz allgemein wie und warum Nationen von einer Agrargesellschaft zu einer Industriegesellschaft zu einer DL Gesellschaft werden. Der Prozess unterscheidet sich zwischen heutigen Entwicklungsländern und entwickelten Ländern, sowie zwischen Transformationsökonomien (ehemalige Ostblockstaaten, incl. DDR) und marktwirtschaftlichen Ökonomien.
(Leider habe ich jetzt nicht die Zeit das alles näher zu erläutern, aber hier ein paar Links:
http://www.initiativkreis-wirtschaft.de/10_Thesen/frame_10Thesen.htm
http://www.ba-ca.com/informationspdfs/Services-Sectors-in-CEE.pdf).
)

Ich schieb ja bereits, das Schweden diese Herausforderung wesentlich besser meistert, als Deutschland. Irgendjemand schrieb, Deutschland wäre doch schon ein Dienstleistungsland. Ja schon, wir haben ca. 60 Prozent Beschäftigte im tertiären Sektor, aber zB. noch 10 Prozent weniger als Schweden.

Außerdem geht es hierbei auch nicht um Lehrer und dergleichen, sondern um hochqualifizierte Arbeit, um Wissenschaftler, hochwertige unternehmensorientierte DL usw. Deshalb spreche ich auch von Wissensgesellschaft und nicht von Dienstleistungsgesellschaft.
Solche höchstqualifizierten DL haben wir in Deutschland zu wenig. Gründe sind vielfältig. Durch unsere besondere (zu?) dezentrale Raumstruktur, dadurch das nur wenige wirtschaftliche "Global Player" ihren Hauptsitz in Dland haben. Und ich wage zu behaupten, insbesondere für den Osten gilt, dass die Arbeitskräfte einfach nicht qualifiziert genug sind. Das ist tatsächlich einer der Hauptgründe warum Unternehmen in Ostdeutschland sich schwer tun.
Gerade im Osten,aber nicht nur hier passt das Profil der Arbeitskräfte nicht mehr zu den Anforderungen. Natürlich ist es nicht die Schuld der Leute, aber es ist auch nicht die Schuld der Wirtschaft, dass sie nicht so viele Industriearbeiter und DL Arbeiter der unteren Segmente (zB konsumentenorientierte DL) mehr braucht.

Deshalb erscheint es mir in absehbarer Zukunft unmöglich den Aufholprozess im Osten abzuschließen. Selbst Optimisten gehen heute davon aus, das es noch 80 bis 120 Jahre dauern wird. Pessimisten sagen, das Regionen wie Meckpom, Brandenburg und Teile Sachsen-Anhalts dauerhaft vom nationalen Fortschritt abgekoppelt sein werden. Und Berlin scheint ja jetzt schon eine nette aber nicht sonderliche rentable Nische als Kulturmetropole in Europa gefunden zu haben.

Und wo ich schon bei so theoretischem Geschwaffel bin, will ich darauf hinweisen, das es gerade bei Arbeitslosenzahlen müßig ist zu Vergleichen. Wärend in Deutschland man zB als arbeitslos ab dem ersten Tag gilt, gehen in Portugal erst leute ein, wenn sie länger als 3 Monate ohne Beschäftigung sind.
Theoretisch und methodisch kann man keine der Varianten als richtiger oder falscher benennen. (Höchstens politisch. tongue.gif )


Geschrieben von: Laura am 30.Aug.2004 - 16:51

Nanu was ist mit manchen Politikern los?

Sie ändern endlich ihren Sprachstil und suchen das schwierige Gespräch mit aufgebrachten Demonstranten; ja selbst spätere Änderungen an Hartz-IV werden nicht mehr völlig ausgeschlossen.
Anlässlich des geforderten Referendums über die EU-Verfassung wird eine Gesetzesänderung angestrengt, um mehr Basisdemokratie zu ermöglichen.
Die privat zu finanzierende Zahnersatz-Zusatzversicherung wird schnell gekippt und die Eckpunkte der Bürgerversicherung werden mit Begriffen wie Gerechtigkeit und Solidarität plaziert.

Ein geschicktes taktisches Manöver, um kritischen Stimmen den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Opposition in die Defensive zu drängen, oder etwa die ersten vagen Ansätze dafür, dass auch Politiker in der Lage sind, Einsicht zu erlangen?

Dass zuletzt die verzweifelten Bemühungen gestiegen sind, auch im engen Umfeld der Regierung, auf die Politik doch noch Einfluss zu nehmen, zeigt sich durch einen offenen Brief an H. Schröder:
'Wenn die Reformpolitik so weitergeht, dann wirst Du als jener Bundeskanzler in die Geschichte eingehen, der sich in unwirksamen Reformen verstrickt hat, statt die Wirtschaft zu beleben, der dabei das Vertrauen in den solidarischen Charakter unseres Gemeinwesens endgültig zerstörte und zugleich seinen möglichen Nachfolgern die Schleusen dafür öffnete, die Sozialstaatlichkeit vollends auszuhöhlen und so unsere Verfassung ungeniert zu brechen.'
http://www.nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=6&idart=208

Ich bleibe weiterhin skeptisch; frühestens im nächsten Jahr könnte sich abzeichnen, was wirklich dahinter steckt.
Und bis dahin rotiert die BA, weil ihnen die Probleme über den Kopf zu wachsen drohen.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 30.Aug.2004 - 19:53

@Laura
Nanu was ist mit manchen Politikern los?

Erinnerst du dich noch an die http://www.gifart.de/gif231/kuehe/00004692.gif? Nach wie vielen Jahren bricht das im Schnitt aus?

Geschrieben von: René am 01.Sep.2004 - 00:04


Zuerst Österreich, jetzt auch Frankreich :

Montagsdemos und symbolische Proteste in Frankreich

http://www.labournet.de/internationales/fr/montag.html

thumbsup.gif framiwufi.gif

Geschrieben von: Laura am 02.Sep.2004 - 20:40

Nicht oft ist es so offensichtlich, wie sehr sich die Struktur der Probleme und die Reaktionen darauf in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen gleichen:

QUOTE
... Gleichwohl regt sich bei den Weißkitteln Unmut darüber, dass zwar bei den Assistenzärzten munter gekürzt wird, die meisten Chef- und Oberärzte und auch die Klinikleitung plus Verwaltung vom Rotstift nicht betroffen sein sollen. "Wenn schon gespart werden soll, dann doch bei allen", forderte nun die Initiative...  (http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,316308,00.html)

Tja, nur zu dumm für die nicht betroffenen Verantwortlichen, dass in Deutschland Ärztemangel herrscht. rolleyes.gif

Geschrieben von: René am 12.Sep.2004 - 00:11


Der Kanzler hält an seinem Kurs fest. Hier schreibt ihm Albrecht Müller, Ex-Berater von Willy Brandt und Helmut Schmidt, dass er das für falsch hält

Offener Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder, veröffentlicht am 23.8.2004 im "Tagesspiegel" Berlin

http://www.nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=6&idart=208

morgen.gif

Geschrieben von: Laura am 15.Sep.2004 - 07:25

Was sich die Erfinder der Ein-Euro-Jobs wirklich gedacht haben, wird wohl weiterhin im Dunkel bleiben. Vielleicht haben sie sich auch gar nicht so viel dabei gedacht – einfach nur pragmatisch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und nicht finanzierbare Tätigkeiten durch ein entstandenes Reservepool an verfügbaren Menschen 'bezahlbar' zu machen.

Doch zu welch abstrusen Vorstellungen dabei so manche 'BürgervertreterInnen' (wie z.B. in Frankfurt) fähig sind, enthüllt eine erschreckend trübe Geisteshaltung:

QUOTE
Die SPD-Römerfraktion wünscht sich in einem Antrag an die Stadtverordnetenversammlung eine einheitliche Kleidung der Ein-Euro-Jobber in Frankfurt. Wenn diese beispielsweise die Parks säubern, könnten sie so auch noch das Sicherheitsgefühl der Besucherinnen und Besucher erhöhen.  http://www.fr-aktuell.de/ressorts/frankfurt_und_hessen/frankfurt/?cnt=504594 (fr)

Puh - durchatmen...

Geschrieben von: Leonie am 15.Sep.2004 - 08:59

@ Laura

QUOTE
Was sich die Erfinder der Ein-Euro-Jobs wirklich gedacht haben


Ein "1EuroJob" macht aus einem Arbeitslosen einen Arbeitnehmer. Ergo sinkt die Zahl der Arbeitslosen. Die Statistik ist verschönert, der Wahlkampf hat ein Argument mehr....

Aber mal im Ernst.... Wenn der eine Euro / Stunde zum Arbeitslosengeld dazu verdient werden kann, der Arbeitslose dann nicht mehr zu Hause sein muß, finde ich die Idee nciht ganz so abwegig...

Beschäftigung ist zumindest eine Möglichkeit, einer Depression vorzubeugen / entgegen zu wirken. Weiterhin gibt sie zumindest die Möglichkeit eine Festanstellung zu finden.

Geschrieben von: Rafaella am 15.Sep.2004 - 13:12

QUOTE (Laura @ 15.Sep.2004 - 08:25)
Doch zu welch abstrusen Vorstellungen dabei so manche 'BürgervertreterInnen' (wie z.B. in Frankfurt) fähig sind, enthüllt eine erschreckend trübe Geisteshaltung:
QUOTE
Die SPD-Römerfraktion wünscht sich in einem Antrag an die Stadtverordnetenversammlung eine einheitliche Kleidung der Ein-Euro-Jobber in Frankfurt. Wenn diese beispielsweise die Parks säubern, könnten sie so auch noch das Sicherheitsgefühl der Besucherinnen und Besucher erhöhen. http://www.fr-aktuell.de/ressorts/frankfurt_und_hessen/frankfurt/?cnt=504594 (fr)

Puh - durchatmen...

Das erinnert ja fast schon an den "Arbeitsdienst" zu anderen Zeiten der deutschen Geschichte dry.gif

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 15.Sep.2004 - 13:18

Hatte heute ein sehr interessantes Erlebnis in der U-Bahn. Ein Mann stieg ein und bettelte um Kleingeld- mitten in seiner Rede über die Armut klingelte sein Handy. Marketingstrategisch äußerst ungünstig, wenn man es mal bedenken will.
Der Mann, der nach ihm kam- und der wirklich arm war- hatte natürlich schlechte Karten, weil die Leute sich hochgenommen fühlten.

@ Laura- Einheitskleidung? Na das bietet doch Aufstiegchancen für Jungdesigner- mein Vorschlag wäre ja dieser "Hinter-Gitter"- Streifen- Style. Das sorgt doch gleich für die richtige Stimmung. ph34r.gif

Geschrieben von: René am 17.Sep.2004 - 03:31


Ein interessanter Beitrag aus dem Tacheles-Forum. Rede von Prof. Dr. Helga Spindler, Universität Duisburg-Essen, Studiengang Soziale Arbeit

http://www.tacheles-sozialhilfe.de/gast/default.asp#1986

cat.gif

Geschrieben von: Laura am 17.Sep.2004 - 07:04

QUOTE (Leonie @ 15.Sep.2004 - 09:59)
Beschäftigung ist zumindest eine Möglichkeit, einer Depression vorzubeugen / entgegen zu wirken. Weiterhin gibt sie zumindest die Möglichkeit eine Festanstellung zu finden.

@ Leonie,

denke, ich weiß, was du sagen möchtest, und der unvermeidbare (Neben)Effekt der Debatte, jedenfalls so wie das Thema plaziert wurde, ist die Möglichkeit, dass sich jeder überlegen darf (und soll?), wie Ein-Euro-Jobs Sinn machen könnten, völlig unabhängig davon, welcher Zweck damit innerhalb der Regierungskreise verfolgt wird.

Auch ich kann mir vorstellen, dass Arbeitsgelegenheiten, mit Bedacht eingesetzt, zuminderst einen gewissen Teil von Langzeitarbeitslosen eine Chance bietet, aus frustrierender Untätigkeit eine Zeit lang herauszukommen und wieder zu spüren, wie es ist, im Umfeld von berufstätigen Menschen einer Arbeit nachzugehen und dem Alltag eine Struktur zu verleihen, die für den ersten Arbeitsmarkt benötigt wird.
Doch im luftleeren Raum bewegen sich solche Maßnahmen nicht, und spätestens, wenn sich die möglichen Arbeitsfelder herauskristallisiert haben (da stehen schon einige in den Startlöchern) und die BA Erfolge vorweisen muss, wird sich zeigen, wer davon wirklich profitiert und inwieweit dabei die Interessen von Arbeit suchenden Menschen überhaupt eine Rolle spielen, zumal der Sanktionsmechanismus den Behörden effektive Steuerungsmöglichkeiten bietet.

@ Rene,

Danke für diesen interessanten Artikel, in dem aufgezeigt wird, wie weit sich die Praxis von dem einstigen Gedanken sozialer Rechtsstaatlichkeit entfernen kann.

Mit 'nem Begriff wie Scham hab' ich eigentlich nie so recht was verbinden können. Doch als ich gelesen hab', dass sich Stimmen gemeldet haben, Haushaltshilfen für gut situierte Familien über Ein-Euro-Jobs zu realisieren (von bis zu 80.000 war die Rede), bekam ich zuminderst einen Eindruck davon, wie sich der Mangel an Schamgefühl äußern kann.

Geschrieben von: René am 18.Sep.2004 - 01:46


@ Laura: Gern geschehen ! smile.gif

"Schamgefühl" und "Mangel an -" : Da sagste was !

Geschrieben von: Rafaella am 18.Sep.2004 - 10:18

QUOTE (René @ 17.Sep.2004 - 04:31)
Ein interessanter Beitrag aus dem Tacheles-Forum.  Rede von Prof. Dr. Helga Spindler, Universität Duisburg-Essen, Studiengang Soziale Arbeit

http://www.tacheles-sozialhilfe.de/gast/default.asp#1986

cat.gif

Interessant - die anderen Beiträge in dem Link übrigens auch

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 28.Sep.2004 - 14:23

Meldung bei n-tv:
Attac steigt aus Montagsdemonstrationen aus. Sprecher erklärten, der "Funke sei nicht auf den Westen übergesprungen" und der Osten schaffe es nicht allein.
Eine bedenkliche Wende- eine Resignation, die nur allzu verständlich erscheint. Aber für viele Demonstranten bedeutet dies eine zusätzliche Schwächung- denn hier geht eine der wenigen ernsthaften (und ernstzunehmenden) Reform-Kritikergruppierungen. Was bedeutet dies- insbesondere in Verbindung mit dem Aufschwung der NPD...
http://www.n-tv.de/5430127.html


edit- link:
http://www.n-tv.de/5430336.html

Geschrieben von: blue_moon am 28.Sep.2004 - 14:54

der rückgang der anzahl der demonstranten kann viele ursachen haben. der 3.10 ist als 'grosskampftag' angekündigt, beibt abzuwarten, wie die dort resonanz sein wird. die bisherigen montagsdemos haben ganz sicher unter der tatsache gelitten, dass die unterschiedlichsten (eben auch nicht immer ernstzunehmenden) gruppierungen und profilneurotiker versucht haben, ihr eigenes süppchen zu kochen und die demonstranten zu vereinnahmen. die resignation wächst - und zusätzlich hat der osten vermutlich positivere erinnerungen an demos gehabt als der westen - zumindest was die forderungen der demonstranten angeht (wenn diese zumindest etwas wandelbar sind: wir sind DAS volk -> wir sind EIN volk).

die hoffnungslosigkeit wird wachsen und das bedient ganz sicher die grosse partei der nicht-wähler genauso wie die wachsende rechte brut, die neuerdings nicht mehr mit glatzen 'wirbt', sondern mit ordentlich aussehenden deutschen biedermännern, die nach wie vor weit weg vom boden des grundgesetzes klammheimlich den rechten arm recken und solche stimmungen immer zu nutzen wussten.


Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 28.Sep.2004 - 15:23

@blue_moon
Das ist ein ziemlich ernstzunehmender Hinweis- die optische Veränderung im öffentlichen Auftreten der NPD. Man versucht halt "salonfähig" zu werden und Wähler von CDU/CSU abzuzweigen, die mit dem Irrfahrtkurs dieser Partei nicht mehr zurechtkommen. Umso interessanter wird es für mich zu beobachten, welchen Kurs die CDU nun einschlagen wird und ob man sich am Verhalten der Rechten orientieren wird, um Wählerstimmen zurückzuerobern. Bleibt abzuwarten- denn gleichzeitig muss erstienmal die erneute Kanzlerkandidatendebatte überstanden werden. Nocheinmal und die CDU zerreist es bald- und ihr Wählerschaft wandert ab.
Gerade das Verhalten der anderen Parteien beunruhigt mich zutiefst- wenn von "Wahlerfolgen" gesprochen wird, obwohl ein Großteil der Wähler nicht gewählt oder sich abgewendet hat.
Das Problem besteht m.M. darin, dass man sich scheut Position zu beziehen und Tacheles zu reden. Es stimmt vorn und hinten nicht- und da greifen Parolen der Rechten leichter. Anstatt einen Weg der Ignoration des Wählers zu begehen, soltle man sich endlich auseinandersetzen- eben auch mit jenem Unmut- der nur neue Extreme födert.

Geschrieben von: blue_moon am 28.Sep.2004 - 15:47

das schlingert inzwischen ein bisschen zwischen on- und off-topic hier. allerdings lassen sich die zusammenhänge auch nicht ignorieren

die auseinandersetzungen um den kurs der union schwelen ja nun schon länger. plötzlich steht ein csu-politiker (seehofer) deutlich links von der merkelschen parteilinie, und die cdu-verantwortlichen ringen ums vergessen dessen, was sie oder ihre kollegen gestern gesagt haben. würde sich die spd nicht dermassen borniert und arrogant (clement: die fragebögen sind doch ganz einfach auszufüllen. wenn sie schwierigkeiten haben, rufen sie mich an!) präsentieren, hätte sie längst wieder nachgelegt. - passend dazu ist auch die reaktion der nrw-wählerInnen auf all die selbsterklärten wahlsieger der kommunalwahlen. das unverständnis für politik im allgemeinen wächst und die distanz zu den politikern eben auch. nicht unsonst haben die rechten ja auch gerade da zulauf, wo sie auf die bedürfnisse der menschen/wähler (auch der in spe) eingehen und ihre gut gefüllten taschen benutzen um z.b. freizeitangebote zu machen. ein bereich aus dem sich kommunen, kirchliche und soziale träger immer weiter zurückziehen, weil deren kassen leer sind.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 28.Sep.2004 - 15:52

QUOTE (blue_moon @ 28.Sep.2004 - 15:47)
ein bereich aus dem sich kommunen, kirchliche und soziale träger immer weiter zurückziehen, weil deren kassen leer sind.

Dazu fällt mir aber dennoch ein, dass die Teile der evangelische´n Kirche einen Aufruf gestartet hatten, die Menschen zum Wählen aufzufordern, um rechtsextremen Parteien demokratisch entgegenzutreten.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 30.Sep.2004 - 13:39

@all, die hier mitlesen
muss grade etwas richtig stellen-
mir wurde gerade ein Hinweis gegeben, dass der Berricht von n-tv nicht ganz zutreffend war. http://www.attac.de/presse/presse_ausgabe.php?id=367 belief sich darauf, sich nicht allzu sehr nur auf Montagsdemontrationen zu versteifen, sondern auch auf andere Protestformen zurückzugreifen. Sorry von mir.
Dennoch ist die Tatsache, dass Demonstrationen selten noch einen aussagekräftigen- demokratischen Charakter besitzen allein für sich schon ziemlich traurig. Daher ist die Entwicklung, die sich hier abzeichnet dennoch bedenklich- und allzu viele Protestformen, um eine größere Bandbreite vder Bevölkerung anzusprechen, gibt es leider nicht unbedingt. Insofern kann man zumindest vielleicht von einem kleinen Rückzug attacs sprechen.
Liebe korrigierende Grüße, Gilgamesch

Geschrieben von: blue_moon am 30.Sep.2004 - 16:36

womit sich ja im grunde wieder die frage stellt, wie denn überhaupt auf politische entscheidungen einfluss genommen werden kann, wenn man mal von den paar kreuzchen alle vier jahre absieht. und dass die vier kreuzchen auf bundesebene irgendwas verbessern würden, wenn sie denn jetzt zu machen wären, erschliesst sich mir nicht. - rechtzeitg vor der demo am sonntag werden auch gar wundersam verbesserte konjunkturdaten angeboten. und die kommentare sind hocherfreut und weisen auf die notwendigkeit hin, bloss nicht an den anlaufenden reformen zu wackeln...

Geschrieben von: Najida am 30.Sep.2004 - 16:51

Hi Blue,
ja so ein Gefühl mit dem "Wählen" heft ik auch. Das Problem ist glaube ich sehr vielschichtig.
Je nach Standpunkt sieht jeder die "Reform" anders.
Nur das gemeine an der sache ist, wenn einmal die "Arbeitsgelegenheiten" (fälschlicherweise "1-Euro-Job" bezeichnet ) salonfähig werden, was passiert dann mit den (Noch)Arbeitnehmern.
Mal ganz provokant gesagt:
Ich müßte ja als Arbeitgeber nicht klar im Kopf sein, wenn ich Fachleute für billiges Geld kriegen kann aber das ablehne und die "teueren" Leute behalten will.

Diese Gefahr ist arg groß. Und davor haben viele Angst. Arbeitslose und Arbeitnehmer.
Aber warum klappt es beim besten Willen nicht eine guten organisierten Widerstand auf die Beine zu stellen.
In einigen Foren wird behauptet, daß sich selbst bei den kleinen Leuten etliche Postenjäger aufhalten en sich nur profilieren wollen.
Oder
auch zu lesen: Wenn die Deutschen nicht sofort einen Erfolg sehen geben sie auf. (Gefunden in einem Forum der Arbeitslosen)

Wollen hoffen, daß sich die Leute besinnen und nicht auf jede Propaganda reinfallen, auch nicht auf die von Wolfgang Clement.
bis bald
Najida

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 30.Sep.2004 - 19:19

@Najida,
worin siehst du die Gründe oder Veränderungsmöglichkeiten- sei es der angesprochene mangelnde Widerstand oder das Wahlverhalten?
Du hattest etwas gesagt, auf das ich gerne näher eingehen würde-

QUOTE
auch zu lesen: Wenn die Deutschen nicht sofort einen Erfolg sehen geben sie auf. (Gefunden in einem Forum der Arbeitslosen)

Um mal mal das schwarze Schaf zu mimen- Fakt ist, dass Deutschland im Sozialen, Gesundheitswesen und auch in der Wirtschaft in der Mitte noch immer noch gut gestellt ist. Und da macht sich ein Abstieg immer eher bemerkbar als ein Aufwind.
Die Bevölkerung ist teilweise auf der einen Seite noch sehr gesättigt und daher träge- und das wird politisch natürlich genutzt. Auf der anderen kämpft jeder um sein tagtägliches Überleben- und da hat man nicht mehr die Lust/ Kraft/etc. sich weiteren Konfrontationen zu stellen. Nicht umsonst wird ein schrittweiser, bereichspezifischer (damit sich die einzelnen Betroffenengruppen ausspielen und nicht zusammenschließen) Abbau durchgeführt- und das meist zu Haupturlaubszeit, wo ein Platz unter der Sonne eher im Interesse der Bevölkerung steht...

Weshalb die Stimmung allgemein eher unpolitisch ist, obwohl so viele Bereiche inzwischen politisiert werden? Hm- nun, manch einer würde sagen, die Lifestyle-Gesellschaft ist ein wunderbares Narkotikum- Brot und Spiele für das Volk?- und politische Debatten bleiben eben was sie sind- Debatten. Öffentlich scheut man sich Position zu ergreifen- aus Angst vor Konfrontation, Auseinandersetzungen- und vor allem Konsequenzen. Und da greifen polemische Schlagworte einfacher, wenn nur Grausuppe herrscht.
Böse gesagt, jeder noch so lange Weg beginnt mit dem ersten Schritt- aber wenn man dabei zu lange überlegt, welchen Fuß man als erstes setzt, bleibt man dennoch stehen.
Heute ein wenig resignative, politisch deprimierte Grüße.

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 10.Oct.2004 - 18:31

Es war ja an sich nur eine Frage der Zeit bis die Krise um Hartz IV salongfähig bei Boulevard-Psychologen wird. Ein Kreisen um das Fallobst, während man sich wohl nie dem Stamm nähern wird/ will...

http://www.gmx.net/de/themen/wellness/medizin/themaderwoche/97752.html?CUSTOMERNO=21776384&t=de1553148405.1097288003.3a1cc6d1

Geschrieben von: Gilgamesch.Minerva-ath am 10.Oct.2004 - 18:42

Über-
http://www.netzeitung.de/wirtschaft/wirtschaftspolitik/308402.html

kommt ihr auf einen sehr interessanten Artikel über die http://www.netzeitung.de/spezial/sozialreformen/307827.html zu Hartz IV.
Immer wieder Interessant ist die statistische Schere zwischen West und Ost.
Unter diesem Aspekt bleibt die Frage- was Hartz IV eigentlich auch hinsichtlich deutsch-deutscher Geschichte verdeutlicht bzw. verdeutlichen kann...


edit- geht grad zu offtopic- Siehe neues Thema http://www.lesbenforen.de/iv/index.php?showtopic=740&st=0&#entry26606

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