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Die gute alte Küche - in neuem Gewand _ Politik & Wirtschaft _ Die Kategorisierung der Flüchtlinge

Geschrieben von: Schräubchen am 10.Sep.2015 - 13:50

Hallo ihr Lieben,

ich weiß nicht, ob das Thema hier richtig ist, ansonsten liebe Strösen, verschiebt es bitte flowers.gif

Ein Bekannter von mir hat sich neulich auf dem großen blauen Socialnetwork über die sogenannten "Wirtschatsflüchtlinge" ausgelassen. Ich habe eine Diskussion mit ihm angefangen, weil ich das, was er dazu geschrieben hatte, nicht so stehen lassen konnte und wollte. Vor allem auch deshalb nicht, weil er rechtspopulistische Internetseiten zitierte und diese als Wahrheiten darstellte. Letztendlich kann ich sagen, dass mit ihm und mir, zwei Welten aufeinander geprallt sind.

Daher einfach mal meine Frage an euch. Was haltet ihr von diesem Thema. Ist es für euch in Ordnung, dass z.Z. viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen, oder seht ihr das skeptisch. Und vor allem, was haltet ihr von dieser Kategorisierung der Flüchtlinge in Kriegs- und Wirtschaftsflüchtende?

Ich bin gespannt, was ihr von all dem haltet.

Geschrieben von: meandmrsjohns am 10.Sep.2015 - 14:16

Ich glaube, Probleme entstehen, wenn sich Nicht-Asyl-berechtigte unter die Flüchtlinge mischen und sie, verfassungsgemäß, abgewiesen und letztendlich, auch gesetzeskonform, in ihre sicheren Herkunftsländer abgeschoben werden.

Asylrecht ist in unserem Grundgesetz verankert und Ausländern vorbehalten, die in ihrer Heimat bedroht und/oder verfolgt werden.

Wir haben kein klares Einwanderungsgesetz. Demzufolge finde ich es richtig zwischen Asylanten und Einwanderer zu unterscheiden.
Die einen haben einen gesetzlichen Anspruch aufgenommen zu werden, die anderen nicht.

In vielen Teilen der Erde gibt es strenge Vorgaben um in dieses Land Einwänden zu dürfen. Dazu zählt z.B. ein bestehender Arbeitsvertrag, Eigenkapital, Bürgen etc. und niemand regt sich deswegen auf. Es wird halt akzeptiert.
Klar, wenn ich in meinem Wunschland keinen Job und kein Geld habe, was soll ich da, bzw. warum sollen die mich aufnehmen sollen?
Ohne Job, Wohnung und Geld kann ich auch bleiben wo ich gerade bin, solange mich niemand verfolgt und ich nicht von Krieg bedroht bin, oder?


Geschrieben von: So What am 10.Sep.2015 - 15:32

Liebe Schräubchen,

ich verstehe dein Bedürfnis, so etwas nicht einfach so stehen zu lassen. Das kann ich auch in den wenigsten Fällen, das ist einfach zu menschenverachtend.
Die Kategorisierung, die du gerade aufmachst, geht noch etwas weiter. Man unterscheidet zwischen den Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (politische Verfolgung), de-facto-Flüchtlingen, die humanitären Schutz genießen (sollten), also denen, die vor (Bürger)Kriegen oder Ähnlichem fliehen (selbst diese Menschen sind keine Flüchtlinge im Sinne der GFK!), na ja, und es gibt noch "den Rest".

Die Menschen, die so argumentieren, die sich anmaßen, zu entscheiden, wer ein Recht auf Schutz hat und wer nicht, nur weil sie das Glück haben, in einem nicht ganz so unsicheren Land geboren zu sein und leben zu dürfen, lehnen die Menschenrechte ab. Entweder alle haben Rechte oder niemand. Es gibt kein Recht auf Bessergeborensein. Es heißt Menschenrechte, nicht Altdeutschenrechte.
Sollen sie doch woanders einfach verhungern, erfrieren, an Gewalt oder heilbaren Krankheiten sterben, oder was?

Es gibt nicht nur politische Menschenrechte. Es gibt soziale Rechte, auf Wohnung, Nahrung, Gesundheitsversorgung etc. Wenn ein Staat diese Rechte verletzt, ist es ein gutes Recht einer jeder Person, aus diesem Staat zu fliehen. Wer keine Wohnung hat, ist nicht sicher. Und es gibt keine sicheren Herkunftsstaaten, da es in jedem Staat Menschenrechtsverletzungen gibt. Das Konzept gehört in die Mülltonne. Es gibt nur mehr oder weniger unsichere Staaten. Menschen verhungern oder erfrieren lassen in einer Welt, wo es genügend Essen und Wohnraum gibt, ist nichts Anderes als politische Verfolgung.

Ja, es gibt Wirtschaftsflüchtlinge. Gerard Depardieu, der Frankreich verlassen hat, um Steuern zu sparen, ist einer. Nur werden nicht diese Menschen so genannt, sondern andere, die einfach nur versuchen, sich selbst und ihre Nächsten am Leben zu erhalten.

Genau dieselbe Argumentation wurde übrigens in den 30er Jahren in der Schweiz verbreitet, um die Grenzen dichtzumachen und keine jüdischen Flüchtlinge aus dem Nazi-Deutschland mehr ins Land zu lassen. Wo die vermeitlichen "Wirtschaftsflüchtlinge" dann endeten, wissen wir, denke ich, alle. Eine Schande gerade für dieses Land, dass solche "Argumentations"muster wieder in Mode sind.

Warum können nicht alle Menschen, die gerade "Wirtschaftsflüchtling" sagen, nicht eine ganz einfache Denkleistung erbringen, einfach mal überlegen, aus welchen Gründen sie sich doch vorstellen könnten, ihre ganzen Sachen in drei Taschen zu packen und Hals über Kopf in ein weit entferntes Land aufzubrechen, dessen Sprache sie vielleicht nicht sprechen, ohne Visum, auf unsicheren Wegen, um dort dann so empfangen zu werden? Also z.T. jahrelang in einer Sammelunterkunft dahinvegetieren, ohne Privatsphäre, ohne Arbeits- oder Ausbildungsgenehmigung, von Behörden erniedrigt und von den Nachbarn angepöbelt werden, jeden Tag Angst haben müssen, dass die Polizei die Tür einschlägt und dich und deine Kinder in Handschellen abführt und in ein Flugzeug "nach Hause" packt. Sieht so eine freiwillige Einwanderung aus? Etwas, was sich Menschen wünschen würden, wenn sie denn eine Wahl hätten?
Das Asylsystem ist der schwierigste, unwürdigste, unsicherste Einwanderungsweg überhaupt. Alle, die es sich leisten können, nutzen andere Wege.
Eine Flucht ist keine Urlaubsreise. Niemand tut sich so etwas an ohne einen guten Grund. Es leuchtet nur vielen Menschen wohl nicht ein, weil sie sich gar nicht die Mühe machen, überhaupt mal darüber nachzudenken.

Das ist meine Überzeugung, und ich lebe sie, artikuliere sie und kämpfe für sie und werde das auch weiterhin tun.

Liebe Grüße
so what

PS: Ich bitte alle Teilnehmerinnen sehr darum, auf die Bezeichnung "Asylant" zu verzichten. Es ist ein Schimpfwort, das von extremen Rechten extra eingeführt wurde, um Geflüchtete abzuwerten, und es verletzt mich und andere Menschen sehr, es als quasi-neutralen Begriff zu hören oder zu lesen.

Geschrieben von: meandmrsjohns am 10.Sep.2015 - 16:18

Dass das Wort "Asylant" abwertend aufgenommen werden kann, war mir nicht bewusst.
Ich bin mir sicher, diesen Begriff schon in der "Tagesschau" gehört zu haben.
Wollten sie Menschen mit dieser Bezeichnung tatsächlich herabwürdigen? gruebel.gif

Ich verwende gerne eine andere Bezeichnung wavey.gif

Geschrieben von: So What am 10.Sep.2015 - 16:42

ZITAT(meandmrsjohns @ 10.Sep.2015 - 17:18) *
Ich verwende gerne eine andere Bezeichnung wavey.gif

Danke dir! Ich hab natürlich nicht gedacht, dass du das abwertend meintest, und vielleicht kommen ja noch die Zeiten, wo das Wort umgedeutet und zur Selbstbezeichnung wird, schließlich war "schwul" doch früher auch eine Beschimpfung und heute... na ja, vielleicht manchmal... rolleyes.gif
Im Moment kenne ich aber noch zu viele Leute, denen das Wort Bauchschmerzen bereitet.

Geschrieben von: Cassia am 10.Sep.2015 - 17:56

Ein interessantes und vermutlich noch für lange Zeit ziemlich kontroverses Thema.

Ich habe in meinem Nebenjob, den ich mittlerweile seit knapp 17 Jahren machen, vor allem in den letzten Monaten jede Woche
mit hunderten von Flüchtlingen zu tun. Ein paar Gedanken dazu:

- Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass vermutlich niemand sein Heimatland verlassen würde, wenn er nicht einen guten Grund hat.
Sich auf eine - teils monatelange - Odyssee mit ungewissem Ausgang zu wagen, ist nichts, was einem mal so nebenbei einfällt.

- Ist es korrekt, einen Unterschied zwischen den Flüchtlingen zu machen? Strenggenommen nein, denn, wie So What sagte, hat
jeder (im Idealfall) das Recht (zumindest theoretisch) seine Grundbedürfnisse befriedigen zu dürfen.
Aber: Das ist, wie gesagt, das Ideal. Die Realität sind allerdings anders aus.

Es ist nun einmal so, dass sich diese gigantische Flüchtlingswelle schon vor Jahren abgezeichnet hat. Man musste nur regelmäßig einen
Blick in die entsprechenden Länder werfen, um sich denken zu können, dass dies früher oder später passieren würde.
Nur war und ist es Gang und Gäbe, nur dann zu handeln, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Und seien wir mal ehrlich:
Es wäre doch ein Aufschrei der Entrüstung durch Deutschland gegangen, wenn irgendein Politiker vor zehn Jahren gesagt hätte, wir
müssten zig Millionen für eine Situation bereitstellen, die noch gar nicht eingetreten ist.

Jedes Land, nicht nur Deutschland, hat beschränkte Kapazitäten - und wir machen uns etwas vor, wenn wir glauben, wir könnten
Millionen von Menschen aufnehmen. Das ist - auch wenn der Vergleich ein bisschen hinkt - ähnlich wie bei den Leuten, die aus Mitleid
Straßenhunde in Massen in ihre Zwei-Zimmer-Wohnung packen, wo diese Tiere vielleicht in der Wärme sind, aber dafür unter entsetz-
lichen Bedingungen dahinvegetieren müssen.
Wir nehmen also die Flüchtlinge mit offenen Armen auf ... Und dann? Ich kenne einige der Flüchtlingsunterkünfte und ich würde es
dort nicht einmal eine Nacht aushalten. Für die meisten ist das ein ziemlicher Schock, wenn sie sehen, wie sich die Realität in
Deutschland zu ihrer Vorstellung verhält, die sie bisher von dem Land hatten.

- Es geht nicht nur darum, Menschen aufzunehmen. Man muss auch wissen, warum sie hier sind, was sie planen, ob sie wieder in
ihre Heimat zurückwollen usw. Außerdem sind gerade diejenigen, die aus Kriegsgebieten kommen, zum Teil schwer traumatisiert
und müssten eigentlich in Behandlung. Es gibt Kinder und Jugendliche, die jede Nacht schreiend aufwachen, weil sie im Traum
wieder und wieder das erleben müssen, was in ihrem Dorf, ihrer Stadt geschehen ist.
Es reicht nicht zu sagen "Herzlich Willkommen" und Blümchenplakate hochzuhalten. Diese Menschen sind keine Straßenhunde, die
schon dankbar sind, wenn sie ein bisschen Futter bekommen. Sie brauchen sehr viel mehr und das kann man ihnen, soweit ich das
bisher mitbekommen habe, nicht geben - zumindest nicht unter den bisherigen Bedingungen.

- Es gibt viele Hilfsorganisationen, aber die sind in der Regel darauf spezialisiert, die Leute mit mehr oder weniger passendem Essen
zu versorgen (viele haben übrigens immer noch nicht begriffen, dass Muslime nun einmal kein Schweinefleisch essen) und sie an
irgendwelche Einrichtungen weiterzureichen. Das genügt aber nicht.
Soweit ich das sehe, fehlt es vor allem an kulturellem Verständnis. Viele Leute würden nicht einmal das Land auf der Karte finden,
aus dem die Flüchtlinge kommen. Und mit den jeweiligen Sitten, Gebräuchen usw., von der Sprache ganz zu schweigen, kennt
sich ebenfalls kaum einer aus.
Auch wenn es uns nicht gefällt: Wenn wir in Europa dieses Geschichte auch nur ansatzweise in den Griff bekommen wollen, müssen
wir sehr viel tiefer in die ganze Sache eintauchen, als uns lieb ist. Aber letztlich bleibt uns keine andere Wahl, denn wir stecken
bereits mittendrin und die Probleme beispielsweise der Länder des Nahen Ostens sind nun einmal auch unsere - egal, ob uns das
jetzt in den Kram passt oder nicht.
Und ohne diese ganz spezielle Thema vertiefen zu wollen: Wir in Europa wären sehr gut beraten, möglichst schnell eine Lösung,
vor allem für letztgenannte Probleme zu finden, bevor es andere tun und möglicherweise entweder die Ängst und die Frustration
der Flüchtlinge oder die der "besorgten Bürger" für ihre Zwecke missbrauchen.

- Zu Wirtschaftsflüchtlingen: Gérard Depardieu überhaupt in diesem Zusammenhang zu nennen, halte ich für ziemlich unpassend.
Es ist doch ein großer Unterschied, zwischen jemandem, der sein Land verlässt, weil er keine Arbeit findet und seine Familie nicht
ernähren kann, und jemandem, der sein Land verlässt, weil er es nicht einsieht, die Hälfte seines Vermögens dem Fiskus zu geben.

Die Menschen, die aus dem Kosovo oder Mazedonien kommen, von Rumänien und Bulgarien mal ganz abgesehen, stammen i. d. R.
aus extrem armen Gegenden. In vielen Dörfern leben nur noch alte Leute und kleine Kinder. Die jungen sind allesamt im Westen
in der Hoffnung auf Arbeit und der Möglichkeit, ihre Familien nachzuholen. Ich habe von einigen gehört, dass sie überhaupt nur
nach Deutschland gekommen sind, weil man sie in ihrem Dorf schräg angesehen hat, da sie die einzigen jungen Erwachsenen waren,
die "ihren Familien offenbar nicht helfen wollten" ...

Wie oben bereits gesagt, jeder hat das Recht auf die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse. Aber: Wenn die Mittel eingeschränkt sind,
und das ist der Fall, dann muss man einfach Prioritäten setzen. Und wenn ich die Wahl habe jemandem zu helfen, der Krieg, Folter
und Verfolgung entflohen ist und jemandem, der Arbeitslosigkeit und Armut entfliehen möchte, dann entscheide ich mich für ersteren.
Ist hart, aber es geht nun einmal nicht anders.

- Letzter Punkt: "Reiches Deutschland". Dazu sage ich nur: Geld ist nicht alles - man muss auch damit umgehen können. Außerdem
ist oft nicht das Geld das Problem, sondern Bürokratie, Uneinigkeit, Unsicherheit, Ängste usw. Das in den Griff zu bekommen wird
dauern.



Das sollte eigentlich kein Roman werden, aber wenn ich mal anfange zu schreiben ... ^^


edit kawa: auf Wunsch der Userin eine unglückliche Formulierung geglättet

Geschrieben von: McLeod am 10.Sep.2015 - 23:17

Nach einigen ausgefallenen Ernten ist von der Bevölkerung Irlands ein Teil einfach verhungert im 19. Jahrhundert. Viele retteten sich per Schiff in die USA. Auf demselben Weg flohen Deutsche jüdischen Glaubens oder mit jüdischgläubigen Vorfahren vor und während des zweiten Weltkriegs. Oft zunächst erstmal nur in europäische Nachbarstaaten. Nach dem Krieg, der die Staatengrenzen veränderte, mussten viele im ehemaligen Ostpreußen, Schlesien, Pommern die Heimat ihrer Familie seit Generationen verlassen und sich im zerbombten Deutschland mit den dortigen Überlebenden Essen, bewohnbare Ruinen und unbeschädigte Gebäude teilen. Nach dem Mauerfall hat es 15-20% der Menschen von Ost nach West bewegt. Zu wenig berufliche Perspektiven, zu viel Sanierungsstau oder einfach die Zusammenführung getrennter Familienzweige. Der Zuzug in die Städte ist seit der Industrialisierung im Gange, Speckgürtel sind die einzigen ländlichen Gebiete mit Zuwachszahlen. Auch hier: wovon leben auf dem Land, wo arbeiten? Landmaschinen, Zusammenlegung von Höfen... Ein Landwirt bewirtschaftet heutzutage mindestens das zehnfache an Fläche, wie noch vor 50 oder 100 Jahren. Seine Familie ist nicht so kinderreich. Und trotzdem langt es geradeso zum Leben...

Warum hätte irgendjemand einen guten Grund gehabt, diese Menschen aufzuhalten, an ihren Ursprungsorten zu belassen? Welchen Sinn hätte es gehabt?

Sie wären verhungert, umgebracht worden, gelyncht oder ausgegrenzt worden, verarmt und arbeitslos...

Reisefreiheit, Wahlfreiheit der Lebensgestaltung, es woanders versuchen... Berlin ist zu laut, München zu teuer geworden? Umziehen. Vielleicht auch dahin, wo der nächste Job ist oder die nächste Beziehung.

Es ist schon sehr schwierig, Grenzen zwischen Ländern als unüberwindbar zu gestalten, finde ich. So rein moralisch und ethisch. Gerade wenn die Begründung ist: zu arm, zu unnütz. Oder auch: geh doch woanders hin.

Die Greencard-Initiativen der Regierung haben eindrucksvoll bewiesen: wer nach Skandinavien oder in die USA kann, geht mit dem Fachwissen lieber dorthin als in unser Land. Aus Indien, aus China... Die meisten klugen Köpfe wollen nicht hierher. Zu wenig willkommen, zu distanziert, zu bürokratisch, zu unfreundlich.

Und Postings wie die von Dir angerissenen gehören zu der alltäglichen Unfreundlichkeit, die sich Menschen hierzulande ständig anhören müssen, wenn sie nicht weiß genug sind. Egal ob sie hier in der xten Generation leben. Da reicht ein Urgroßvater, der in den 50ern als G.I. die deutsche Urgroßmutter kennen und lieben lernte.

Da verändern auch Steffi Jones, Dunja Hajali, Cem Özdemir oder Dr. Phillip Rösler nicht mal eben was...

Es liegt an uns, uns da zu ändern. Alte Gewohnheiten zu brechen. Sich Selbstverständlichkeiten bewusster zu machen und weniger selbstverständlich zu nehmen.

Egal aus welchem Geund ich umziehe: es ist immer ein guter. Weil ich am neuen Ort, im neuen Land was finde, bin, lebe, das ich an vorheriger Stelle so nicht war oder sein konnte. Eigentlich gibt es nur wenig Rechte, die mit meiner Staatsangehörigkeit zusammenhängen: Wahlrechte zum Beispiel. Oder es gibt Pflichten, wie die Visumpflicht. Mit der beginnt die Einschränkung der freien Ortswahl.

Wir nehmen das so selbstverständlich hin. Weil es alle Länder tun. Weil es immer so war. Weil es ein Zeichen von Zugetan-Sein von Staaten ist, wenn sie es lockern/anders handhaben. Zum Beispiel als Europäische Union. Oder Schengenraum. Das verschiebt manche Grenzen, nämlich die weniger durchlässigen.

Für Waren machen wir die Tore weit auf. Sollenie Hosen von New Yorker doch in Bangladesh zusammengenäht werden, die Fußbälle von adidas in Indien, der VW in Brasilien oder China gefertigt... Da nehmen wir(!!!) gern die Armut in Kauf, die wir damit auslösen. Zu Hause, wo Menschen Arbeit verlieren oder nur noch schlecht bezahlt werden (zynisch: sonst lagern wir das auch aus) und in den Ländern, in denen die Migrationswilligen dann zahlreicher werden.

Auch hier sind vor allem wir es, die den Kreislauf starten und befeuern.

Und welchen guten Grund haben wir wohlhabenden westlichen Staaten, Menschen die Wahl über ihre Geschicke einzuschränken? Eine Einschränkung, die unsere Wirtschaft und damit unseren Alltag nicht betreffen soll (denn genau das ist ja der Ansatz der Fremdenfeinde: es könnte sich was ändern hier. Mehr Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, um die günstigeren Wohnungen, um die Möglichkeiten, sich nach eigenem Gusto zu entfalten, zu konsumieren, das aLeben zu genießen)...

Frag doch mal. Warum soll eine Deutsche in Paris studieren und arbeiten dürfen, eine Albanerin aber nicht? Warum war es gut, dass die USA jüdische Flüchtlinge aufegnommen haben (obwohl es nicht die Mehrheitsreligion dort war) und warum sind Muslime die vor Krieg fliehen in Europa keine gute Idee? Warum kann ich eine Einreiseerlaubnis samt Arbeitsmöglichkeit in Kanada beantragen (und ggf nicht bekommen), aber ein albanischer junger Mann soll sich hierzulande gar nicht wrst melden und es versuchen?

Nachtgrüße
McVorLeod

Geschrieben von: Cassia am 11.Sep.2015 - 00:11

ZITAT(McLeod @ 11.Sep.2015 - 00:17) *
Und Postings wie die von Dir angerissenen gehören zu der alltäglichen Unfreundlichkeit, die sich Menschen hierzulande ständig anhören müssen, wenn sie nicht weiß genug sind. Egal ob sie hier in der xten Generation leben. Da reicht ein Urgroßvater, der in den 50ern als G.I. die deutsche Urgroßmutter kennen und lieben lernte.


Meinst Du damit mich? Falls ja, wäre es mir ganz recht, wenn Du schreibst, auf welche Postings Du Dich genau beziehst. Es mag sein, dass einiges
davon - wenn man den Text eher emotional liest - evtl. anders verstanden werden könnte, als ich es gemeint habe.
Ich würde gerne unklare Stellen erklären, damit ich den Einwand rassistisch und diskriminierend zu sein, ausräumen kann.

Ein wenig habe ich das Gefühl, Du hast meinen Text nicht wirklich vom Anfang bis zum Ende gelesen, sondern nur überflogen, Dir ein paar
"rassistische" bzw. "unfreundliche" Stellen rausgepickt und den Kontext ignoriert. Anders kann ich es mir nicht erklären, wir Du auf das
kommst, was Du mir da vorwirfst.

Dass ich aber weder rassistisch noch sonstwas bin, sollte eigentlich durch meine bisherigen Statements deutlich geworden sein und ich lasse mir
nicht gerne "alltägliche Unfreundlichkeit" unterstellen.

Ich selbst habe Migrationshintergrund, mein Vater ist ausgewandert, meine Großmutter ist selbst ein Flüchtling gewesen. Und wie gesagt, ich
arbeite seit vielen Monaten mit Flüchtlingen zusammen und von denen hat mir bisher niemand unterstellt, ich sei "unfreundlich" - und sie würden
es sagen, wenn es so wäre.

In vielen Punkten stimme ich Dir zu, aber es wäre vielleicht gut, wenn Du - anstatt mir sonstwas zu unterstellen - vielleicht einfach mal nach-
fragen würdest, warum ich dieses oder jenes behaupte.

Außerdem schreibst Du immer, was alles schief läuft, aber nicht, was "wir alle" dagegen tun können. Natürlich wäre es erstrebenswert, wenn wir
uns alle lieb hätten, es keine Ausbeutung und Hungersnöte mehr gäbe, sämtliche Kriege abgeschafft würden und gegen jede einzelne Krankheit
ein Heilmittel zur Verfügung stünde.
Da wir aber nun einmal in dieser Welt leben so wie sie ist und vor allem, so wie die Menschen sind, muss man mit dem arbeiten, das man hat.
Um den Leuten helfen zu können, muss man mit realistisch umsetzbaren Zielen arbeiten und nicht mit idealisierten.

Im ernst: Was weißt Du denn von Albanern oder Rumänen? Mit wie vielen hast Du Dich unterhalten? Oder mit Syrern oder syrischen Kurden.
Oder mit wie vielen Afghanen hast Du über ihre Flucht gesprochen, mit wie vielen Männern und Frauen vom afrikanischen Kontinent?
Sich seine Meinung aus den Nachrichten zu bilden reicht nicht aus, um auch nur ansatzweise zu kapieren, was da draußen in der Welt los ist.

Ein wenig Wissen über die tatsächlichen Zustände erlangt man am besten, wenn man (so wie ich) aktiv vor Ort mit den Leuten arbeitet und nicht
(wie Du) andere mal nebenbei als Rassisten beschimpft.

An dieser Stelle beende ich den Post besser, weil ich gerade ziemlich sauer bin.

Geschrieben von: Cassia am 11.Sep.2015 - 02:04

@ McLeod:

Nachtrag

Ich überlege gerade, ob ich mich nicht vielleicht verlesen bzw. schlichtweg überreagiert habe. McLeod: Meintest Du mich oder doch
jemand anderen? Dein Post folgt direkt auf meinen und es war beim Lesen nicht ganz klar, an wen er sich richtet.

Solltest Du nicht mich gemeint haben und sollte ich die komplett Falsche mit meiner Tirade erschlagen haben, dann entschuldige ich
mich.
Bin bei dem Thema wohl ein bisschen empfindlich - Du glaubst gar nicht, wie oft ich mir schon dumme Sprüche anhören musste.
Da wird man irgendwann unnötig reizbar.




Geschrieben von: kenning am 11.Sep.2015 - 13:10

ZITAT(McLeod @ 11.Sep.2015 - 00:17) *
Die Greencard-Initiativen der Regierung haben eindrucksvoll bewiesen: wer nach Skandinavien oder in die USA kann, geht mit dem Fachwissen lieber dorthin als in unser Land. Aus Indien, aus China... Die meisten klugen Köpfe wollen nicht hierher. Zu wenig willkommen, zu distanziert, zu bürokratisch, zu unfreundlich.

Hallo McLeod!

Eigentlich wollte ich zu diesem Thema gar nichts schreiben, aber das was Du hier geschrieben hast konnte ich einfach nicht so stehen lassen. Bzgl Skandinavien weiß ich nicht bescheid, aber die USA hier als leuchtendes Vorbild hinzustellen halte ich für grundverkehrt. Richtig müßte es heißen: nur wer Fachwissen hat, hat eine Chance in die USA auszuwandern. Zusätzlich braucht man vorher auch noch einen Job inkl Brief des Arbeitgebers, daß man für den Betrieb unbedingt benötigt wird. Nur dann hat man eine Chance dort einzuwandern. Kommt man ohne derartiges an, wird man an der Grenze postwendend angewiesen, ohne Asylverfahren oder sonst irgendwas. Ja, die Grenzbehörden sind dort sogar so restriktiv, daß manchmal sogar Leute mit einem gültigen Touristenvisum zurückgeschickt werden, sofern der Verdacht besteht, daß die Leute ev das Land nicht mehr verlassen wollen. Manchmal reicht es dafür, wenn dem Grenzbeamten einfach Deine Nase nicht gefällt. Verdächtige wirst Du vorrangig wenn Du kein Rückreiseticket hast, eine dunkle Hautfarbe hast, aber teilweise auch schon wenn Du vorher arabische Länder bereist hast. Arme Leute, die ein besseres Leben suchen, werden in den USA schon lange nicht mehr aufgenommen. ... Abgesehen ev von der Greencard-Lotterie. Wird nämlich das Einreisekontingent in einem Jahr nicht ausgeschöpft, dann werden die restlichen Greencards verlost... völlig ohne jeglichen humanitären Gedanken. Es kann einen Verfolgten treffen, oder jemand der eh alles hat - völlig gleich. Den einzigen Weg illegal in die USA zu kommen - über die mexikanische Grenze - sollte man sich auch gut überlegen, denn wenn man Pech hat wird man da einfach von schießwütigen Bürgermilizen erschossen.

Ich bin oft in den USA. Allein die Einreise als Tourist ist mühsam. Wenn Du zb kein gültiges Touristenvisum hast, läßt man Dich nichtmal ins Flugzeug Richtung USA einsteigen. Und ich kenne auch Leute, die erfolgreich in Amerika eingewandert sind und was die durchmachen mußten.

LG

kenning

Geschrieben von: Schräubchen am 11.Sep.2015 - 15:22

Wow, da sind einige interessante Gedanken verfasst worden. Dafür danke ich euch schon einmal flowers.gif

Meine Familie ist so deutsch, wie eine Familie nur sein kann. Bin ich stolz darauf? Warum sollte ich, denn ich kann nichts für meine Herkunft. Vielleicht liegt es mir aber im Blut gegen rechtspopulistisches Gedankengut anzukämpfen, denn meine beiden Großväter haben das in den 30er/40er Jahren getan, so gut sie konnten.

Auch wir haben hier bei uns Flüchtlingsunterkünfte. Die Uni hat die Sporthalle während der Semesterferien als Notunterkunft zur Verfügung gestellt und wird dies auch während des Semesters weiterhin machen. Ich habe viele Menschen dort kennengelernt, habe geholfen, wo ich helfen konnte. Eine Freundin ist mit ihrer Familie aus dem Kosovo geflüchtet, als sie noch ein kleines Mädchen war. Allein, was sie erlebt, gesehen, gefühlt hat, ist unbeschreiblich. Was mich einfach an dem Begriff "Wirtschaftsflüchtling" nervt, ist, dass dieser (oftmals) pauschal für alle Menschen aus den Balkanstaaten verwendet wird. Doch auch dort ist die Lage nicht für alle Bevölkerungsgruppen einfach. Ich habe einige Roma gekennengelernt und die haben mehr erlebt, als "nur" keine Arbeit zu finden.

Mir ist klar, dass wir "nicht die ganze Welt" aufnehmen können, das verlangt auch keiner. 2014 hat Frankreich die meisten Flüchtlinge aufgenommen, Deutschland stand da an Rang sechs der europäischen Länder. Außerdem haben die Flüchtlingszahlen 2007 (meine ich, korrigiert mich gern) einen Tiefpunkt erreicht und steigen seitdem wieder an. Klar reicht es nicht, Flüchtende herzlich zu begrüßen und mit dem Notwendigsten zu versorgen. Hier werden nur Symptome behandelt, aber nicht die Krankheit, die in den Herkunftsländern steckt und die Menschen zur Flucht treibt. Eine Lösung hab ich sicherlich nicht, ich bin im Moment eher ratlos. Aber soweit ich kann, werde ich mich weiterhin gegen eine solche Hetze, wie ich sie im Eingangspost erwähnt habe, auflehnen. Da kommt einfach meine christliche und humanistische Erziehung durch biggrin.gif

Geschrieben von: McLeod am 11.Sep.2015 - 15:56

ZITAT(kenning @ 11.Sep.2015 - 14:10) *
ZITAT(McLeod @ 11.Sep.2015 - 00:17) *
Die Greencard-Initiativen der Regierung haben eindrucksvoll bewiesen: wer nach Skandinavien oder in die USA kann, geht mit dem Fachwissen lieber dorthin als in unser Land. Aus Indien, aus China... Die meisten klugen Köpfe wollen nicht hierher. Zu wenig willkommen, zu distanziert, zu bürokratisch, zu unfreundlich.

Hallo McLeod!

Eigentlich wollte ich zu diesem Thema gar nichts schreiben, aber das was Du hier geschrieben hast konnte ich einfach nicht so stehen lassen. Bzgl Skandinavien weiß ich nicht bescheid, aber die USA hier als leuchtendes Vorbild hinzustellen halte ich für grundverkehrt.


Oh, so herum meinte ich es nicht. Es ging um die Attraktivität für Auswandernde. Gehen die lieber nach D oder in die USA...? Das ist da bei den High Potentials recht eindeutig, *wenn* sie die Wahl haben.

Liebe Grüße
McLeod

Geschrieben von: Cassia am 11.Sep.2015 - 16:37

ZITAT(Schräubchen @ 11.Sep.2015 - 16:22) *
Hier werden nur Symptome behandelt, aber nicht die Krankheit, die in den Herkunftsländern steckt und die Menschen zur Flucht treibt. Eine Lösung hab ich sicherlich nicht, ich bin im Moment eher ratlos. Aber soweit ich kann, werde ich mich weiterhin gegen eine solche Hetze, wie ich sie im Eingangspost erwähnt habe, auflehnen.


"Symptome" trifft es ganz gut. Auch ich habe keine Antwort bzw. Musterlösung parat - und vermutlich auch sonst keiner.
Sich gegen Hetze (egal von welcher Seite sie kommt und egal gegen wen sie sich richtet) sollte in der Tat etwas unternommen
werden, denn gerade in der heutigen Zeit kann jedes falsche Wort wie ein Bumerang zurückkehren.

Zu den USA und den Juden: Ich gehöre nicht zu den Leuten, die bestimmte Länder als Feinde bzw. Freunde abstempeln ohne
Rücksicht auf tatsächliche Verhältnisse. Aber: Sowohl die USA wie überhaupt die meisten Länder haben sich nicht gerade mit
Ruhm bekleckert, als es darum ging, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen.
Das war ja u. a. auch mit ein Grund, warum es so wichtig war, einen eigenen Staat zu gründen (was daraus für Probleme ent-
standen, ist wieder eine andere Geschichte). Kein Jude sollte jemals wieder abgewiesen werden, wenn er Hilfe vor Verfolgung
und Völkermord sucht. Und genau das ist aber damals passiert: Irgendwann haben die USA die Grenzen dicht gemacht und
die Schiffe mussten auf Umwegen ins Deutsche Reich zurück. Den Ausgang kennen wir ja.

Geschrieben von: So What am 11.Sep.2015 - 16:51

ZITAT(McLeod @ 11.Sep.2015 - 16:56) *
Oh, so herum meinte ich es nicht. Es ging um die Attraktivität für Auswandernde. Gehen die lieber nach D oder in die USA...? Das ist da bei den High Potentials recht eindeutig, *wenn* sie die Wahl haben.

Liebe Grüße
McLeod


Ich habe dich auch sofort so verstanden, dass das nicht als Lob an das US-amerikanische Asyl- oder Einwanderungssystem gedacht war, sondern nur als Beleg dafür, dass Deutschland nun mal nicht das attraktivste Zielland ist. Ich fand deine Argumentation überhaupt sehr gut nachvollziehbar und überzeugend, rational wie emotional (was für mich nicht notwendigerweise ein Widerspruch ist smile.gif ) Danke dafür.

Ich würde jetzt noch ein paar allgemeine Sachen loswerden.
Nach meiner Erfahrung (und die habe ich tatsächlich nicht nur in einem Land gemacht) wollen die meisten Menschen ihr Geburtsland nicht verlassen. So flexibel, dass sie sich den Stress einer anderen Sprache und eines anderen Rechts- und Gesellschaftssystems antun, sind viele eben nicht. Diejenigen, die dann doch migrieren, haben meistens einen guten Grund dafür, und es steht niemandem von uns zu, über diese Menschen zu urteilen. Also ja, ich bin idealerweise für das Recht auf Mobilität und die freie Wahl des Wohnorts. Wenn sich der Idealzustand nicht sofort herstellen lässt, was in diesem Fall offensichtlich ist, dann sollen wir dennoch darauf hinarbeiten, uns dem Ideal so gut wie möglich zu nähern.

Es gibt keine "gigantische Flüchtlingswelle". Überhaupt von Wellen und Strömen in Bezug auf Menschen, also Individuen, zu sprechen halte ich für unangemessen, weil sie dadurch ein Stück weit entmenschlicht und zu einer Art Naturgewalt degradiert werden. Die meisten Geflüchtete aus Syrien sind immer noch in den Nachbarländern, wenn also irgendwelche Länder überfordert sind, dann diese. Der vermeintliche Notstand in Deutschland ist künstlich erzeugt und möglicherweise sogar politisch gewollt. Man wusste eigentlich, dass es so kommen kann, und hat dennoch nicht die nötige Infrastruktur geschaffen, nicht das nötige Fachpersonal an Sozialarbeiter(inne)n, Dometscher(inne)n und Therapeut(inn)en ausgebildet. Wieso sollen also woanders Menschen sterben, weil sich einige in Deutschland und anderen wohlhabenden Ländern vor der Verantwortung drücken? Städte, gerade in Ostdeutschland, die einen riesigen Leerstand haben, bauen trotzdem Zelte auf. Als ob man wirklich irgendeine Überbervölkerung simulieren möchte. In einem Land, in dem man sich davor noch über den demographischen Wandel beklagt hat. In einem Land, das allein im letzten Jahr fast 217 Milliarden Exportüberschüsse erzielt hat - auf dem Rücken der anderen Länder, auf Kosten vieler der Menschen, die jetzt fliehen müssen.
Nicht die Mittel fehlen, sondern der Wille.

Es ergibt auch wenig Sinn, Menschen aus Nicht-EU-Ländern mit EU-Bürgern, z.B. solchen aus Bulgarien und Rumänien durcheinander zu bringen. Letztere betrifft das Asylsystem gar nicht, weil sich EU-Staaten gegenseitig als sichere Staaten anerkennen. Die EU-Bürger stellen also keine Asylanträge, weil sie sofort abgelehnt wären.

Menschen, die "einfach nur" keinen Job finden, können daran sterben. Man sollte nicht vergessen, dass es in anderen Ländern oft keine funktionierenden Systeme der sozialen Sicherung gibt, keine Tafeln oder Volksküchen, keine Obdachlosenunterkünfte usw. Wenn wir uns hier also anmaßen, zu entscheiden, welche Gründe, vorzeitig und unfreiwillig zu sterben, noch okay sind und welche nicht, betreiben wir eine Lotterie mit Menschenleben.

Als ich vor etwas über einem Jahr vor einer Flüchtlingsunterkunft stand, um eine Abschiebung einer Roma-Familie zu verhindern, wurde die Mutter vor laufenden Kameras gefragt, was sie in ihrem (ach so sicheren!) Heimatland fürchtet. Sie hat das Bewusstsein verloren, bevor sie die Frage beantworten konnte. Sie verbrachte die Nacht im Krankenhaus, und die Familie wurde doch nicht abgeschoben. Als Erfolg kann ich das beim besten Willen nicht verbuchen. Es ist einfach nur peinlich. Nicht ihre Menschenwürde, nicht ihr Recht auf Unversehrtheit hat die Abschiebung verhindert, sondern ihr Zusammenbrechen und vor allem die Tatsache, dass sie beim Zusammenbrechen von der Presse gefilmt wurde. Wieso muss ein Mensch erst im Krankenhaus landen, um überhaupt als Mensch wahrgenommen zu werden?

Geschrieben von: kenning am 12.Sep.2015 - 03:33

ZITAT(McLeod @ 11.Sep.2015 - 16:56) *
Oh, so herum meinte ich es nicht. Es ging um die Attraktivität für Auswandernde. Gehen die lieber nach D oder in die USA...? Das ist da bei den High Potentials recht eindeutig, *wenn* sie die Wahl haben.


Ok. Sorry, dann habe ich das wohl falsch verstanden. Ich dachte es gehe hier um Flüchtlinge und die Migration von High Potentials fällt nach meiner Begriffsdefinition nicht in diese Kategorie. Bisher dachte ich, daß Flüchtlinge Personen sind, die sich aufgrund einer Notlage - sei es Krieg, Verfolgung, wirtschaftliche Zwänge usw - gezwungen sehen ihr Land zu verlassen und woanders ihr Glück zu versuchen. Sogenannte High Potentials haben ja die Wahl und suchen sich daher freiwillig das Land aus, welches ihnen am besten zu Gesichte steht. Da besteht meiner Meinung nach ein gewaltiger Unterschied.

lg

kenning

Geschrieben von: McLeod am 12.Sep.2015 - 14:44

ZITAT(Cassia @ 11.Sep.2015 - 01:11) *
ZITAT(McLeod @ 11.Sep.2015 - 00:17) *
Und Postings wie die von Dir angerissenen (...)


Meinst Du damit mich?


Hallo Cassia.

flowers.gif Nein, ich meinte ganz und gar nicht Dich, sondern Hetzpostings, wie ich sie manchmal auf FB oder Twitter vorfinde oder in den Kommentarbereichen von Zeitungs-Webseiten. Die hatte *Schräubchen* in ihrem Eingangsposting erwähnt. Ich habe mich gar nicht konkret auf Dein Posting bezogen, sondern meine Sicht auf die Situation beschrieben. Vermutlich hier und da etwas schwurbelig. Manchmal wird mir selbst etwas blümerant, wenn ich nachlese, was ich sonst aufschreibe, während ich es in meinem Kopf betont und damit angereichert um Tonfall usw. "höre". Manchmal muss ich da selbst nachdenken, was ich wie meinte.

ZITAT
Außerdem schreibst Du immer, was alles schief läuft, aber nicht, was "wir alle" dagegen tun können.


"Immer", so so... ;-) Ich mag es, dass jede.r sich da mit den eigenen Möglichkeiten auseinandersetzt. Mein les.bi.schwuler Verein hier kümmert sich zum Beispiel um Männer, die weil sie Männer lieben um ihr Leben fürchteten und auf die Bearbeitung ihres Asylantrags warten. Beim Sonntagscafé unterhalte ich mich auf französisch oder englisch mit einem von ihnen, stelle ihm auf dem CSD-Wagen den anderen Menschen vor, versuche für die Zeit, die er nicht in der überfüllten Erstaufnahmestation in seinem Einzelzimmer (aus Sicherheitsgründen) ist, etwas zu einem ganz normalen Alltag wie er hier so ist, beizutragen.

Ich bedanke mich bei den Leuten, die auf FB die Spendensammlungen koordinieren. Und im Moment überlege ich, mein freies Zimmer unterzuvermieten an eine Studentin oder einen Studenten, weil das Stuendentenwerk (die Leute dort kenne ich auch und finde sie toll) viele Wohnheimzimmer als Zwischenlösung für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt haben. Da stand vor ein paar Tagen in der Zeitung, dass sie Support brauchen hier in der Stadt.

Was meinen Konsum/mein Kaufverhalten angeht, finde ich es sch... gelinde gesagt, wie schwer und aufwändig es ist, fair zu kaufen und Zeichen zu setzen für meinen Wunsch nach einer anderen Art der Herstellung. Ich trage die Konsequenz als Staatsbürgerin eines reichen Landes sehr gerne, dass von meinen Steuern oder Sozialabgaben Vertriebenen oder Menschen die der Armut mit Auswandern begegnen das Ankommen und gesund bleiben erleichtert wird. Ich möchte meine Mitmenschen daran erinnern, dass wir mit Kleiderspenden die Textilindustrie in Tansania zerstört haben, dass wir Verantwortung für jedes 5€-T-Shirt tragen oder jedes 5€/kg-Hähnchenbrustfilet. Darum schreibe ich so, wie ich schreibe. "Wir" haben ein bequemes Leben. Und der Preis ist, dass es Menschen anderswo nicht ansatzweise so gut geht. Oder Tieren in LandWirtschafts-Betrieben in unserem Land.

Ich finde in meiner Familie oder in den Ländern die ich aus ganz unterschiedlichen Gründen für manches mag und deshalb etwas besser kenne (zB Irland, USA) oder in meinem internationalen, multiamoren Freundeskreis ganz viele Beispiele für einzelne oder massenhafte Wanderbewegungen. Für dramatische, schmerzhafte Erfahrungen, für Verlust und Trauma. Darüber schreibe ich. Manchmal klingt es vielleicht nicht so konkret. Ich hätte auch schreiben können: ich habe mit meiner Lieblings-Komilitonin mitgelitten, als während unserer Diplomphase im Libanon, ihrer Heimat, Krieg ausbrach. Um Verwandte gebangt. Auf Nachrichten gehofft. Oder dass ich während der Ausschreitungen von Lichtenhagen 1992 jeden Abend Tagesschau geguckt habe und auf einen Anruf meiner Mutter wartete, die dort gerade hingezogen war. Und es gab kaum Telefone und Leitungen und wer einem Flüchtling das Handy oder den Internetzugang neidet, ist ein verdammtnochmal herzloser Affena...*piep* Das Trauma meiner Großmutter, als sie auf der Flucht einem russischen Soldaten in die Hände fiel, hat ihre Kinder seelisch verkrüppelt und wirkt bis zu mir, obwohl ich nur eineinhalb Jahre bei ihr lebte und das schon 20 Jahre her ist. Und das mit dem Russen 70...

Könnte ich schreiben. Mach ich nur selten. Insofern mag Dein Vorwurf, "immer" täte ich was ich tat, stimmen.

ZITAT
Im ernst: Was weißt Du denn von Albanern oder Rumänen? Mit wie vielen hast Du Dich unterhalten? Oder mit Syrern oder syrischen Kurden.
Oder mit wie vielen Afghanen hast Du über ihre Flucht gesprochen, mit wie vielen Männern und Frauen vom afrikanischen Kontinent?
Sich seine Meinung aus den Nachrichten zu bilden reicht nicht aus, um auch nur ansatzweise zu kapieren, was da draußen in der Welt los ist.


Ich glaube, Du hast meine Meinung etwas anders verstanden, als sie ist. Auch wenn ich tatsächlich von den 1980ern und poltisch verfolgten Tschechoslowaken (da gab es Mauer und Tschechoslowakei noch) aus meinem Umfeld oder von historischeren Beispielen ableite und transferiere. Auch wenn ich nicht selbst Wasserflaschen an Flüchtlinge verteile oder auf bayrischen Bahnhöfen stehe und applaudiere. Ich habe sicherlich nicht denselben Zugang zum Thema, wie es jemand wie Du hat, die direkt hilft, spricht, erfährt, miterlebt. Ich unterstütze einen Bekannten bei der Suche nach Germanistik-Studenten für Deutschkurse. Ich mach so Einzelfall-Kram, wenn er meinen Weg kreuzt. Ich gehe respektvoll mit den Menschen um, die mir begegnen; halte Gegenrede, wenn eine.r hetzt auf FB (und wenn es so bleibt, ist er/sie nicht mehr mein Freund und ich nicht sein/ihr Publikum).

Es ist alles sehr indirekt im Vergleich zu Dir, aber auf eine andere Art direkt, denn es speist sich ebenfalls aus vielen persönlichen Erfahrungen... Mein Alltag wird eher von vielen anderen Themen geprägt in denen ich aktiv bin oder die ich mitgestalten kann. Ich habe Auszeichnungen für #aufschrei oder "Jeder 6. ein Flüchtling" angeschoben. Ich bewundere die vietnamesischen Freunde meiner Mutter, weil sie damals in dem brennenden Sonnenblumen-Haus Türen aufbrechen mussten, um ihr Leben zu retten. Ich bin für ein paar Jahre beim CSD hier aktiv gewesen, habe Tierheimhunde aufgenommen und zu meinem Rudel gemacht. Aber ich bin in der Tat keine Ehrenamtlerin rund um die Erstaufnahmestelle oder ein Flüchtlingsheim. Ich bin nur eine, die allen die dort aktiv sind dankbar ist. Die alle die dort sind, hier willkommen heißt und ein Tropfen in der Strömung ist, die in der Politik etwas bewegen möchte. In unserer Politik. Das Thema Flüchtlinge, über das ich schrieb, hat ganz viele Anknüpfungspunkte zu meinem Alltag. Ohne dass ich in der Tat persönlich mit einer oder einem (bis auf den netten Nordafrikaner in unserer kleinen Szene) aktuell Angekommenen gesprochen habe.

ZITAT
Ein wenig Wissen über die tatsächlichen Zustände erlangt man am besten, wenn man (so wie ich) aktiv vor Ort mit den Leuten arbeitet und nicht
(wie Du) andere mal nebenbei als Rassisten beschimpft.


Hab ich ja gar nicht. Wirklich nicht. Nicht mal in Ansatz. Es tut mir total leid, dass mein schwafeliges Posting für Dich wie eine direkte Replik auf Deinen Erfahrungsbericht gewirkt haben muss. Er war es nicht. Du bist in meinen Augen keine Rassistin, ich hab hier überhaupt keine Fremdenfeindlichkeit o.ä. gelesen... Bei keiner.

Ich hoffe, wir können dieses Missverständnis klären?

Liebe Grüße, herzliche!
McLeod

Geschrieben von: McLeod am 12.Sep.2015 - 14:54

ZITAT(kenning @ 12.Sep.2015 - 04:33) *
ZITAT(McLeod @ 11.Sep.2015 - 16:56) *
Oh, so herum meinte ich es nicht. Es ging um die Attraktivität für Auswandernde. Gehen die lieber nach D oder in die USA...? Das ist da bei den High Potentials recht eindeutig, *wenn* sie die Wahl haben.


Ok. Sorry, dann habe ich das wohl falsch verstanden. Ich dachte es gehe hier um Flüchtlinge und die Migration von High Potentials fällt nach meiner Begriffsdefinition nicht in diese Kategorie. Bisher dachte ich, daß Flüchtlinge Personen sind, die sich aufgrund einer Notlage - sei es Krieg, Verfolgung, wirtschaftliche Zwänge usw - gezwungen sehen ihr Land zu verlassen und woanders ihr Glück zu versuchen. Sogenannte High Potentials haben ja die Wahl und suchen sich daher freiwillig das Land aus, welches ihnen am besten zu Gesichte steht. Da besteht meiner Meinung nach ein gewaltiger Unterschied.

lg

kenning


Hmmm... das sehe ich ein wenig anders. Zum einen unterscheide ich wenn es geht gar nicht, ob jemand einen "guten Grund" hat herzukommen (wegzugehen) oder es "freiwillig" tut. Das war eins der Hauptanliegen meines weitschweifigen Posts. Der offenbar echt nicht so einfach zu verstehen ist. Sorry. roetel.gif Und indem ich diese Unterscheidung weglasse, beende ich für mich schonmal die implizite Unterscheidung: darf kommen, darf nicht kommen (respektive woanders weggehen).

Wenn aktuell über die Lösung der logistischen Katastrophe in den Mittelmeerstaaten, auch durch das von unserem(!) Land angezettelte Dublin-Verfahren, geht... dann finde ich Quoten nicht ganz so menschenwürdig. Das finde ich schon beim Asylverfahren hierzulande, wo es nach Bundeslandsquoten geht, extrem unschön. Ich finde es menschenwürdiger, wenn die Menschen dorthin gehen dürfen, wo sie sich wohl fühlen, wo sie vielleicht schon jemanden kennen oder Verwandte haben und auch, wo sie eigenverantwortlich feststellen, ob es einen Job für sie gibt oder nicht. (Das machen wir alle doch genau so, wenn wir umziehen/auswandern... oder?) Dann soll mensch doch bitteschön die Kosten entsprechend umlegen, innerhalb der Bundesländer oder innerhalb der EU...

Darum ging es im ersten Schritt meines Mitredens hier: Menschen als Menschen in Bewegung wertfrei anzuerkennen. Und daraus ergeben sich andere Konsequenzen, als wenn mensch sie als Zahlenmaterial und "Fälle" zu verwalten versucht.

Liebe Grüße
McLeod

Geschrieben von: Cassia am 12.Sep.2015 - 15:10

ZITAT(McLeod @ 12.Sep.2015 - 15:44) *
Ich hoffe, wir können dieses Missverständnis klären?


Konnten wir. Dieser unglückliche Post kann jetzt zwar nicht mehr gelöscht werden, nachdem Du Dich doch so ausführlich
dazu geäußert hast - aber auf jeden Fall: Danke Dir für Deine Antwort und DU hast überhaupt keinen Grund Dich zu
entschuldigen. Du hättest ja auch sagen können "Du kannst mich mal, Idiot" und es dabei belassen.

Bin gerade im Aufbuch, werde aber später noch etwas (Reflektiertes !) dazu schreiben - das sich auf das Thema bezieht.

Aber wie gesagt: Es war ein Missverständnis und ich habe mich dabei gewaltig im Ton vergriffen. So, und jetzt höre ich
auch auf mit dem Gespame.


Noch ein Nachtrag, damit es hier spamtechnisch nicht ausufert: Wie ich in meinen PNs schon sagte, kann ich ja durchaus mal etwas
falsch verstehen, aber der Ton macht die Musik - und diesbezüglich habe ich hier als einzige gewaltig ins Klo gegriffen.
Wie auch immer - danke Dir, dass wir das klären konnten und ja, es ist vermutlich besser, die Sache auszudiskutieren, als das Ganze
einfach nur zu löschen.

Geschrieben von: McLeod am 12.Sep.2015 - 15:26

Mir ist klären lieber, als löschen.

Und als beruflich ambitionierte schreibkraft darf ich mich sehr wohl entschuldigen, wenn ich so texte, dass es nicht gut auf den Punkt kommt. Wollte ja einen Dialog, es war aber zu sehr Monolog. Also nur mir verständlich, was ich eigentlich meinte wink.gif

Geschrieben von: kenning am 12.Sep.2015 - 16:30

ZITAT(So What @ 11.Sep.2015 - 17:51) *
ZITAT(McLeod @ 11.Sep.2015 - 16:56) *
Oh, so herum meinte ich es nicht. Es ging um die Attraktivität für Auswandernde. Gehen die lieber nach D oder in die USA...? Das ist da bei den High Potentials recht eindeutig, *wenn* sie die Wahl haben.

Liebe Grüße
McLeod


Ich habe dich auch sofort so verstanden, dass das nicht als Lob an das US-amerikanische Asyl- oder Einwanderungssystem gedacht war, sondern nur als Beleg dafür, dass Deutschland nun mal nicht das attraktivste Zielland ist.


@McLeod: Ok. Ich habe mir Deinen Post unter dem von So What geäußertem Gesichtspunkt nochmal durchgelesen. Ich muß ehrlich dazu sagen, daß ich das anfänglich einfach nicht so verstanden habe. Ich fand einfach den Spagat zwischen Kriegsflüchtlingen aus Syrien oder anderen Ländern und der Einwanderungspolitik der USA etwas wenig nachvollziehbar.

Bzgl Flüchtling / High Potential Einwanderer: Ich denke es macht wenig Sinn alle Personen, die es egal aus welchen Gründen in fremde Länder zieht in einen Topf zu werfen. Natürlich haben beide Gruppen legitime Gründe für ihr Vorhaben und es liegt mir fern irgendwem ein Recht für irgendwas abzusprechen bzw zu beurteilen wer jetzt mehr oder bessere Gründe hat. Ich seh die Probleme bei den beiden Gruppen nur deutlich an anderen Stellen.

Lg

kenning

Geschrieben von: Lucia Brown am 14.Sep.2015 - 22:36

Als ich heute Abend von der Arbeit nach Hause ging, mein Weg führte mich dabei quer durch die Innenstadt, hörte ich kaum Deutsch. Mir kam der Gedanke, dass ich nicht weiß, wie die Dialekte, Sprachen der Menschen aus Syrien, Kosovo, Albanien, Irak usw. überhaupt klingen. Wie soll ich dann überhaupt noch unterscheiden, warum die Menschen hierher geflüchtet sind.

Ich kann gar nicht alle Sprachen lernen. Doch ich kann Musik.

Die Musik ist eine Sprache, die Menschen und Welten miteinander verbinden. Zu meinen Musikangeboten kommen Flüchtlinge und wir können voneinander lernen, indem wir unsere kulturellen musikalischen Wurzeln austauschen.



Geschrieben von: Schräubchen am 02.Nov.2015 - 19:35

Irgendwie wird mir mein Kommilitone immer suspekter. Bis Anfang letzter Woche veröffentlichte er täglich mehrere Artikel diverser Onlinezeitungen, die sich allesamt gegen die Asylpolitik richteten, bzw. in denen Menschen einer bestimmten Partei zu Wort kamen, die alles andere als fremdenfreundlich sind. Einmal habe ich auf einen seiner Post geantwortet. Er hatte dort geschrieben, dass es Zeit würde "geeignete Mittel" einzusetzen. Das hatte mich irritiert, weshalb ich nachgefragt habe, was er denn damit meine. Seine Antwort hat mich noch mehr aus dem Konzept gebracht. Er meinte, dass "dies (also die öffentliche Seite von FB) nicht der geeignete Raum sei um über diese Mittel zu referiern".
Letzte Wochen haben die Dozenten unserer Fakultät eine eigene FB-Seite aufgemacht und uns als gute Studenten biggrin.gif gefällt das natürlich. Direkt danach hat der Kommilitone einige seiner Post von seiner Seite entfernt, u.a. auch den, zu dem ich die Frage gestellt hatte. Ein Schelm, der böses dabei denkt!?
Gestern habe ich dann einen Bericht der Tageschau geteilt. Anstelle direkt unter meinem Post zu antworten, hat er mich persönlich angeschrieben. Dabei hat er mir einen Link geschickt, dass einer dieser oben genannten Partei zu Waffengewalt rät, wenn die Situation an den Grenzen nicht besser wird. Dazu schrieb mir der Kommilitone, dass er genau dies "prophezeit" habe und dass es früher oder später zu Neuwahlen komme und dies somit nur eine Frage der Zeit wäre. Er sagte, "es ist demokratischer, wenn unsere Polizei das macht, als dass Merkel das an Erdogan und die Türkei delegiert".
Ehrlich gesagt, bin ich grad fassungslos. Ich hab ihm nur geantwortet, dass ich mit ihm nicht über dieses Thema weiter diskutieren möchte, weil wir da eh nicht auf einen grünen Zweig kommen und jetzt schreibt er mich pausenlos an. Kommt mir mit Statistik, die er aber nicht belegt (und das obwohl er immer alles belegt). Meint, dass es egal wäre, wenn es sich bei den Flüchtlingen um Österreicher oder Holländer handelte, aber dass es doch nicht geht, dass die alle aus einer so fremden Kultur kommen.

Was mich am meisten schockiert, ist, dass dieser Kommilitone auch Theologie studiert und mit mir im selbigen Gremium ist. Das heißt, wir vertreten die Studierenden unserer Fakultät und darunter sind eben nicht nur Deutsche, Österreicher oder Holländer. Ehrlich gesagt, weiß ich grad nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich euch damit belästige und mir das hier von der Seele schreibe. Verzeiht.

Geschrieben von: Cassia am 03.Nov.2015 - 00:19

Ich glaube, dass bei vielen Menschen hinter der Fremdenfeindlichkeit eher die Kompensation eigener Probleme steckt. Die wenigsten,
die mit sich und ihrer Situation im Großen und Ganzen zufrieden sind, neigen zu verbaler oder tatsächlicher Gewalt.
Von daher würde es gar nichts bringen, wenn Du mit ihm diskutierst. Entweder wird er auf jedes Argument mit einem Gegenbeispiel
antworten oder, wenn ihm kein passendes einfällt, mir irgendwelchen Phrasen daherkommen.

Einerseits halte ich es für falsch, solche Leute komplett zu ignorieren, aber auf der anderen Seite, weiß ich auch nicht so recht, wie man
mit ihnen umgehen soll.
Sie als dumme Rassisten zu bezeichnen würde sie vermutlich nur ermuntern, jetzt erst recht loszulegen. Mit ihnen zu reden ist wahrscheinlich
auch nicht besonders ergiebig (siehe oben) ...

Dass er Theologie studiert, sagt doch eigentlich gar nichts. Ein kluger Mensch hat mal gesagt "man wird ja auch kein Auto, nur weil man in
eine Garage geht". So gesehen sagt das Studium, die Ausbildung, der Beruf oder was auch immer, nichts über den Charakter oder das Weltbild
eines Menschen aus.

Mein Vorschlag auf Deine Frage wäre folgender: Es ist wohl das beste, sich überhaupt nicht mehr groß mit diesem Studenten auszutauschen.
Vielmehr würde es Sinn machen, die aktuelle Situation neutral und vor allem von allen Seiten zu beleuchten, und dabei auch auf die Ängste der
Leute einzugehen.
Ich glaube, dass viele im Grunde gar keine allzu negativen Tendenzen gegenüber Ausländern/Asylsuchenden etc. haben, sich aber unverstanden
fühlen und bei jeder Äußerung gleich in die rechte Ecke geschoben sehen. Das führt dann oft zu der sogenannten self-fulfilling prophecy und "Peng"
sind neue Anhänger gewisser Parteien geboren.

Geschrieben von: -Agnetha- am 03.Nov.2015 - 23:42

Mich machen die vielen Kommentare gegen Flüchtlinge in den sozialen Netzwerken traurig. Wenn ich kann, schreibe ich auch meistens etwas dazu.

Leider hetzt in Österreich die FPÖ gegen Flüchtlinge und verbreitet viele Unwahrheiten, die leider auch geglaubt werden.

Mir kommt es so vor als würden sich zwei Lager bilden, aber beide schießen über das Ziel hinaus.

Viele, die eigentlich grundsätzlich meine Einstellung haben (Flüchtlinge sind willkommen, sie hatten gute Gründe her zu kommen), bezeichnen Menschen die sich negativ über Flüchtlinge äußern gleich als Nazis.
Das finde ich persönlich auch nicht richtig und vor allem nicht sinnvoll.

Wenn ein Mensch die Meinung hat, dass wir in Österreich/Deutschland keinen Platz für Flüchtlinge haben und sie wo anders hin gehen sollen, dann ist man alleine durch diese Aussage für mich kein Nazi.
Die Aussage ist zwar nicht sehr warmherzig, sagt für mich aber eigentlich (noch) nicht aus, dass Menschen anderer Herkunft weniger wert sein sollen.

Ein Beispiel:

Person A: Ich finde wir haben jetzt genug Flüchtlinge. Mehr können wir nicht aufnehmen! Wo soll das enden?
Person B: Schon wieder so ein Nazi, halt die Klappe.

Person A wird durch die Antwort von Person B ihre Meinung sicherlich nicht ändern. Sie ärgert sich nur.

Leider gibt es natürlich schon auch Kommentare die deutlich in eine antisemitische Richtung gehen, das steht außer Frage.

Aber wenn man von diesen absieht, frage ich mich eben ob es sinnvoll ist den "besorgten Bürgern" auf der "Keine Nazis"-Schiene entgegen zu kommen.
Til Schweiger setzt sich ja zB sehr ein, was ich auch toll finde. Aber ob das unbedingt die richtige Methode ist, weiß ich nicht.
Eher halte ich es für sinnvoll immer wieder aufzuklären, Fakten zu nennen, Hetz-Artikeln mit den richtigen Fakten den Wind aus den Segeln zu nehmen.....

Was meint ihr?





Geschrieben von: Cassia am 04.Nov.2015 - 00:06

ZITAT(-Agnetha- @ 03.Nov.2015 - 23:42) *
Eher halte ich es für sinnvoll immer wieder aufzuklären, Fakten zu nennen, Hetz-Artikeln mit den richtigen Fakten den Wind aus den Segeln zu nehmen.....


Ich stimme Dir voll und ganz zu und würde jeden Satz unterschreiben.

Dennoch finde ich es wichtig, sich langfristig Gedanken zu machen - und dies schließt auf jeden Fall die Herkunftsländer sowie die
dortige Situation mit ein. Wie geht es dort weiter, wie lässt sich die Infrastruktur wieder aufbauen (wenn jemals die Gelegenheit
dazu kommt), wie kann man die Menschen vor Ort langfristig dazu bringen, in ihrem Land zu bleiben und dort eine Perspektive zu
sehen?

Mir wird hierzulande von Politikerseite viel zu sehr von Zäunen, Grenzüberwachung u. Ä. gesprochen. Konkrete Aktionen in den
Herkunftsländern, wie man die Lage dort stabilisieren kann usw. werden dagegen überhaupt nicht diskutiert.
Besonders schlimm finde ich es, dass diverse Organisationen schon vor Jahren die Zustände in den Flüchtlingslagern z. B. im Irak
oder im Libanon angeprangert haben. Hätten wir damals reagiert, dann würden sich heute nicht so viele Menschen genötigt
sehen, tausende von Kilometern bis nach Europa zurückzulegen - so spaßig ist das nämlich auch nicht.

Geschrieben von: So What am 04.Nov.2015 - 01:06

Ich fände es sehr schön und nicht ganz so verletzend, wenn man aufhören würde, von Menschen, die zufälligerweise nicht hier geboren sind, als willen- und rechtslosen Objekten oder Marionetten zu reden. Vor allem, anstatt mit ihnen selbst zu reden, als wären sie keine Menschen.
Wie wäre es, wenn ich den selbsternannten "echten" Deutschen jetzt verbieten würde, ihre Staatsgrenzen zu verlassen?
Es ist absolut richtig, an die Situation in anderen Ländern zu denken und zu versuchen, sie zu verbessern. Aber niemand, aber auch wirklich NIEMAND hat das Recht, andere Menschen dazu zu "bringen", gefälligst in ihrem "Herkunftsland" zu bleiben. Wo soll das bitte denn sein? Migration ist NORMAL. Jeder Mensch hat einen so genannten "Migrationshintergrund", wenn man nur lange zurück schaut. Was heute passiert, ist nichts Besonderes, und auch die Debatten und die Panikmacherei gab es vor Jahrzehnten schon, und zwar in erschreckend ähnlicher Form.
Diese Debatten sind willkürlich und zutiefst rassistisch. Menschen werden wie Bäume behandelt, die Wurzeln haben und schön in ihrem Biotop bleiben sollen. Man sagt "Migration" und meint selbstverständlich transnationale Migration. Das, was heute Deutschland heißt, bestand früher aus mehreren kleinen Staaten, machen wir doch am besten gleich die Grenze zwischen Preußen und Sachsen wieder zu! Wir sind alle Migranten, auch solche, die sich anmaßen, keine zu sein. Ein Umzug von Hamburg nach München ist auch Migration. Dass das nicht so gesehen wird, ist ein Ergebnis von gewaltvollen, oft tödlichen Machtverhältnissen.
Es sollte ein Recht jeder Person sein, selbst zu entscheiden, wo sie hingehört, und nicht nach ihrer Geburt beurteilt zu werden. Alles Andere ist Ausgrenzung und Chauvinismus. Und wer ein ganzes Territorium mit seinem Schlafzimmer verwechselt und so tut, als würde ihm hier alles gehören, leidet an massivem Realitätsverlust und völkischem Wahn.


@Schräubchen: Diese besagte Partei, die zu Waffengewalt aufrief, hat daraufhin mehrere Hundert Strafanzeigen kassiert, was mich sehr beruhigt. Ich weiß leider keinen Rat, da mein Pazifismus bei solchen Aussagen wie denen deines Kommilitonen einfach an seine Grenzen stößt. Ich würde ihm Kontaktaufnahme verbieten, alles dokumentieren, auf die Möglichkeit einer Strafanzeige hinweisen und bei Zuwiderhandlung das auch umsetzen. Ich habe nur den Eindruck, dass das nicht der richtige Weg für dich wäre. Es tut mir unheimlich leid, dass du dich mit solchen Menschen und Aussagen herumschlagen musst.

Geschrieben von: Cassia am 04.Nov.2015 - 01:50

Mit "wie kann man die Menschen vor Ort langfristig dazu bringen, in ihrem Land zu bleiben und dort eine Perspektive zu sehen?"
meinte ich nicht, den Leuten zu verbieten ihr Land zu verlassen.
Vielmehr ging es mir um Folgendes: Warum verlassen so viele Menschen in diesen Tagen ihre Heimat? Nicht, weil sie das Reisefieber
gepackt hat, sondern weil sie in ihrem Land beruflich keine Perspektive sehen oder weil die Zustände z. B. wegen Bürgerkrieg/Terrorismus
so schlimm geworden sind, dass sie um ihre Leben fürchten müssen. Diese Menschen reisen nicht freiwillig um die halbe Welt.

Und darauf wollte ich hinaus. Denjenigen, die eigentlich gerne in ihrem Land bleiben würden, soll die Chance gegeben werden, dies auch
gefahrlos tun zu können. Die meisten mit denen ich gesprochen habe, würden nur allzu gerne sofort wieder in ihr Heimatland zurück-
kehren. Vielen ist es in Deutschland zum Beispiel viel zu kalt. Doch das geht erst dann, wenn sich die Lage in ihren jeweiligen Ländern
stabilisiert hat - und das wird kaum von selbst passieren.

Geschrieben von: So What am 04.Nov.2015 - 02:19

Ok, wenn du nur diejenigen meintest, die eine erzwungene Migration hinter sich haben und eigentlich zurück gehen wollen, finde ich das völlig richtig. Ach, Frieden ist doch was Tolles biggrin.gif

Es ist so schwer, das zu unterscheiden. Menschen sind eben sehr komplex, migrierende Menschen erst recht. Bei vielen gibt es so viele Faktoren und Motive, manche selbstbestimmt und freiwillig, manche nicht, bei den meisten scheint es eine Mischung zu sein. Ich habe vor Kurzem eben mit einigen gesprochen, die geflohen sind hier arbeiten oder studieren wollen, aber nicht dürfen, und das macht mich echt fertig. Die wollen eine Perspektive, und zwar hier und jetzt. Und andere wollen dann lieber zurück. Und wieder manche (wie meine Wenigkeit) sind seit Jahren hier, haben sich ein Leben aufgebaut oder sind sogar hier geboren und haben einfach keinen Bock mehr, bewertet, inspiziert und verdächtigt zu werden für ihre bloße Existenz, die eigentlich selbstverständlich sein soll.
Kulturen sind fließend und wandelbar. Staatsgrenzen sind nichts Dauerhaftes, wir alle sehen alle paar Jahre mal, wie sie sich verändern. Es ist nichts, wofür mensch sterben oder sterben lassen sollte.

Geschrieben von: Sägefisch am 04.Nov.2015 - 02:26

Deutsche Hybris. Selten gut gegangen.

Geschrieben von: Cassia am 04.Nov.2015 - 02:43

ZITAT(So What @ 04.Nov.2015 - 02:19) *
Ok, wenn du nur diejenigen meintest, die eine erzwungene Migration hinter sich haben und eigentlich zurück gehen wollen, finde ich das völlig richtig. Ach, Frieden ist doch was Tolles biggrin.gif


Genauso habe ich es gemeint und ja, ich stimme Dir zu, Frieden ist wirklich etwas Tolles. flowers.gif

ZITAT(So What @ 04.Nov.2015 - 02:19) *
Es ist so schwer, das zu unterscheiden. Menschen sind eben sehr komplex, migrierende Menschen erst recht. Bei vielen gibt es so viele Faktoren und Motive, manche selbstbestimmt und freiwillig, manche nicht, bei den meisten scheint es eine Mischung zu sein. Ich habe vor Kurzem eben mit einigen gesprochen, die geflohen sind hier arbeiten oder studieren wollen, aber nicht dürfen, und das macht mich echt fertig. Die wollen eine Perspektive, und zwar hier und jetzt. Und andere wollen dann lieber zurück. Und wieder manche (wie meine Wenigkeit) sind seit Jahren hier, haben sich ein Leben aufgebaut oder sind sogar hier geboren und haben einfach keinen Bock mehr, bewertet, inspiziert und verdächtigt zu werden für ihre bloße Existenz, die eigentlich selbstverständlich sein soll.
Kulturen sind fließend und wandelbar. Staatsgrenzen sind nichts Dauerhaftes, wir alle sehen alle paar Jahre mal, wie sie sich verändern. Es ist nichts, wofür mensch sterben oder sterben lassen sollte.


Im Idealfall sollte jeder die Möglichkeit haben selbst zu entscheiden, wo und wie er leben möchte. Vermutlich wäre in der Tat einiges
leichter, wenn nicht ständig Vorurteile, Nationalismus, Extremismus usw. vielen Menschen ein selbstbestimmtes Leben unmöglich
machen würden.

Geschrieben von: McLeod am 04.Nov.2015 - 09:44

Vor 10 Jahren hat mein Vater kapituliert vor den Sozialsystemen, den Arbeitsagenturen, aufgezwungenen Bewerbungstrainings, wirtschaftspolitischer Hilfslosigkeit in einem ehemals agrargeprägten Flächenland das nur noch vom Tourismus 7 Monate im Jahr zu leben versucht und vielen Absurditäten der Agenda 2010, vor allem der Tatsache, dass seine Arbeitgeber fürs Einstellen Geld bekamen, nicht fürs Angestellt-halten. Es hat ihn entwürdigt. Ein kluger Kopf, der aber nicht gut in so sonderbare Regelwerke passt und der in seienr Unangepasstheit lange auch immer wieder ein gutes Berufsleben und ein gutes Leben hatte. Und dann hat er frustriert, fahrig und perspektivlos auf einen Teil seiner Rente verzichtet und ist früher in selbige gegangen. Ich bin sehr froh, dass er als Generation68 dieser Anti-Naziväter-Haltung treu geblieben ist. Seine Paranoia und Wut lebt er im Bereich Patientenverfügung und Entrechtung dementer Menschen aus, die verschwörungstheoretisch von irgendwelchen umherziehenden, vorträge-haltenden Professoren und Dr. Dr. irgendwas genährt wird.

Und auch wenn es wirklich Unsympathen sind, von denen viel zu viele kriminell werden und un-glaub-lich menschenfeindlich agieren, keifen, sprechen... Ich glaube es wäre ganz gut, wenn wir zusätzlich zu den Stabilisierungs-Maßnahmen in den Herkunftsregionen der Menschen die hierher kommen auch über die Gründe nachdenken, warum es Menschen hierzulande so geht, dass sie so saumäßig wütend werden und sich an den vermeintlich noch Schwächeren abreagieren. Und mal ehrlich: mir geht es ja ganz gut, wirtschaftlich. Und trotzdem fühlt sich das aktuelle Wirtschaftssystem für mich so an, dass es nicht sonderlich fair zugeht. Und das Sozialsystem als eins, in das ich lieber nicht geraten möchte. Ein Labyrinth aus Teufelskreisen. Nur von außen betrachtet. Wenn wir denken, wir könnten in der Fremde für eine Stabilität sorgen, dann müssten wir das hierzulande doch auch können. Es würde das Land befrieden.

Behaupte ich. Was denkt Ihr? Herzlich
McLeod

Geschrieben von: Cassia am 04.Nov.2015 - 12:40

ZITAT(McLeod @ 04.Nov.2015 - 09:44) *
Und auch wenn es wirklich Unsympathen sind, von denen viel zu viele kriminell werden und un-glaub-lich menschenfeindlich agieren, keifen, sprechen... Ich glaube es wäre ganz gut, wenn wir zusätzlich zu den Stabilisierungs-Maßnahmen in den Herkunftsregionen der Menschen die hierher kommen auch über die Gründe nachdenken, warum es Menschen hierzulande so geht, dass sie so saumäßig wütend werden und sich an den vermeintlich noch Schwächeren abreagieren. Und mal ehrlich: mir geht es ja ganz gut, wirtschaftlich. Und trotzdem fühlt sich das aktuelle Wirtschaftssystem für mich so an, dass es nicht sonderlich fair zugeht. Und das Sozialsystem als eins, in das ich lieber nicht geraten möchte. Ein Labyrinth aus Teufelskreisen. Nur von außen betrachtet. Wenn wir denken, wir könnten in der Fremde für eine Stabilität sorgen, dann müssten wir das hierzulande doch auch können. Es würde das Land befrieden.


Das sehe ich ähnlich. Vor Jahren habe ich mal ein junges Pärchen in der Trambahn belauscht. Damals war gerade das Thema
Fair-Trade wieder groß im Gespräch - da meinte die Frau, dass es sicher wichtig sei, Bauern in sog. Dritte-Welt-Ländern zu
unterstützen, aber wieso denkt z. B. niemand an die heimischen Bauern, denen die Konzerne mit ihrem Niedrigpreis für Milch
das Wasser abdrehen?

Oder: Mir hat vor kurzem ein Mann einen Räumungsbescheid des Wohnungsamtes vorgelegt. Er muss seine Wohnung, in der
er mehr als dreißig Jahre gelebt hat, verlassen und in eine billigere 1 1/2-Zimmer-Wohnung ziehen. Der "Witz" bei der Sache
ist, dass seine Wohnung das Wohnungsamt ca. 650 Euro gekostet hätte, die neue Wohnung dagegen über 850 Euro.
Dem Amt war seine alte Wohnung aber zu groß und da es nach Quadratmetern geht, musste er raus ...

Meistens bekommt man zu hören, dass es uns - trotz allem - doch gar nicht so schlecht geht und wenn wir uns mit denjenigen
vergleichen, die aus wirklich armen Ländern kommen, dann sollten wir uns für unser "Gejammer auf hohem Niveau" gefälligst
in die nächste Ecke stellen und schämen.

Ich glaube, dass es falsch ist, Probleme miteinander zu vergleichen, um dann die größeren ernst zu nehmen und die im Kontext
weniger wichtig erscheinenden unter den Teppich zu kehren.
Dem Obdachlosen hier geht es auch nicht besser wenn man ihm sagt, dass es seinem Pendant in Afghanistan viel schlechter geht
und er doch froh sein muss, zumindest nicht um sein Leben fürchten zu müssen.
Es sind einfach zwei verschiedene Dinge, die hier auf's Tablett kommen, die beide gleichwertig und aktuell in ihrer Brisanz sind.

Es wäre wichtig, Zweigleisig zu fahren - d. h., auf der einen Seite die Dinge in Angriff zu nehmen, von denen ich oben gesprochen
habe, damit zumindest einige von denjenigen, die in ihr Land, zu ihren Familien zurückkehren wollen, dies irgendwann auch können.
Auf der anderen Seite muss aber auch hier vor Ort einiges getan werden, damit das, was wir Sozialstaat nennen, nicht bald
Geschichte sein wird - und das meine ich jetzt NICHT im Kontext mit der Flüchtlings-Debatte. Das Sozialsystem war vorher schon
am abkacken und ich schiebe hier NICHTS auf Asylsuchende, Migranten oder sonstwen.
Nur für's Protokoll. wink.gif

Und - auch wenn es evtl. nicht gut ankommt - ich denke auch, dass man die Befürchtungen und Ängste der Leute ernst nehmen muss,
selbst wenn sie einem auf den ersten Blick blödsinnig, vorurteilsbehaftet und fremdenfeindlich vorkommen.
Beispielsweise wurde ein älterer Mann indirekt als Nazi und Rassist bezeichnet, weil er seiner Sorge Ausdruck gegeben hat, ob
die Kosten für die Flüchtlinge evtl. irgendwann Einfluss auf seine Rente hätten.
Ich glaube, dass - wie ich oben schon sagte - solche Reaktionen kontraproduktiv sind und eher dazu führen, diese Leute erst recht
in die Arme gewisser Parteien zu treiben.

Geschrieben von: regenbogen am 09.Nov.2015 - 19:28

ZITAT(So What @ 04.Nov.2015 - 01:06) *
Migration ist NORMAL. Jeder Mensch hat einen so genannten "Migrationshintergrund", wenn man nur lange zurück schaut. Was heute passiert, ist nichts Besonderes, und auch die Debatten und die Panikmacherei gab es vor Jahrzehnten schon, und zwar in erschreckend ähnlicher Form.

Ich stieß gerade auf ein interessantes Interview mit einem Historiker zu der Frage, ob da gerade eine "Völkerwanderung" stattfindet, und zum Vergleich mit früheren "Völkerwanderungen":
http://www.berliner-zeitung.de/wissen/interview-mit-historiker-michael-borgolte-zu-fluechtlingsstroemen--voelker-sind-niemals-gewandert-,10808894,32347904.html. Der Tenor: Ja, ähnliche Bewegungen gab es früher auch schon. Dabei sind wir heute wesentlich besser aufgestellt, sie zu bewältigen. Wir müssen aber aufpassen, keine Parallelgesellschaften entstehen zu lassen.

Geschrieben von: pfefferkorn am 10.Nov.2015 - 17:02

was ich unerträglich finde, ist das wort "wirtschaftsflüchtling" - weil es imho suggeriert , dass mensch nur kommt, weil sie nichts zu essen mehr hat ... und das ist dann nicht ok.... weil nicht schlimm genug...

das finde ich zynisch - ich finde, wenn leute keine möglichkeit haben in ihrem land eine perspektive aufzubauen, ist es völlig legitim dahin zu gehen, wo das geht - und wo ... das ist wiederum meine moral bei der sache, die leute wohnen, deren wohlstand sich darauf gründet - oder ist es nicht der französische uranabbau, der den leuten im niger land und ressourcen nimmt? sind es nicht die deutschen waffen, die heckler und koch gerade wieder in den nahen osten liefern, von denen menschen hier leben?

mir wäre es lieb, die menschen hier möglichst schnell was arbeiten oder was lernen zu lassen, statt sie hier mit almosen ruhigzustellen - wer da ist, soll möglichst schnell deutsch lernen können und dann versuchen arbeit zu finden - ... ich war letzte woche im flüchtlingsheim, ich würde es nüchtern dort keine woche aushalten - und bewundere jede, die da noch energie hat, sich für sich einzusetzen -

die lage ist ziemlich kompliziert, meine vorbehalte ängste und befürchtungen bei aller politischen korrektness für mich zu sortieren hat auch gedauert, ich habe lange anlauf gebraucht , um zu wissen, wo ich denn überhaupt mal hingehen kann, um zu gucken, was ich tun kann - so easy ist das für mich nicht - ich fahr da "nicht eben mal vorbei" ... aber ich habe sehr viele erkenntnisse gesammelt -

ich bin kein fan von ihrer schreibe in dem buch, aber ich finde, sie trifft den richtigen ton

https://www.perlentaucher.de/buch/jenny-erpenbeck/gehen-ging-gegangen.html

und ich habe da vieles von mir wiedererkannt - wie ich mich in dieser situation fühle, wie privilegiert, hilflos, ängstlich, be-fremdet - und wie ich mir selbst dabei peinlich bin :-)










Geschrieben von: dandelion am 10.Nov.2015 - 19:32

ZITAT(pfefferkorn @ 10.Nov.2015 - 17:02) *
was ich unerträglich finde, ist das wort "wirtschaftsflüchtling" - weil es imho suggeriert , dass mensch nur kommt, weil sie nichts zu essen mehr hat ... und das ist dann nicht ok.... weil nicht schlimm genug...

das finde ich zynisch - ich finde, wenn leute keine möglichkeit haben in ihrem land eine perspektive aufzubauen, ist es völlig legitim dahin zu gehen, wo das geht

thumbsup.gif Der Begriff an sich trifft auch für mein Empfinden ein völlig legitimes Anliegen der Neuankömmlinge. Diese Menschen fliehen vor dem, was die Kriegstreiberei, die wirtschaftliche Schieflage, ausbeuterische Kredit- und Handelssysteme und Waffenlieferungen an den Meistbietenden aus ihrem Zuhause gemacht haben.
[an dieser Stelle habe ich mich ursprünglich ganz schön in Rage geschrieben flaming.gif ]
Perfiderweise wird dann von uns als den "einfach besseren" gesprochen, die von Neidern überrannt werden.

so leicht kann man einen treffenden Begriff zu einer Wertung in die Gegenrichtung machen.

So wie bei "Gutmensch". Seit wann ist es schlimm, etwas Gutes zu wollen?
Oder "nett". Der Duden sagt "hübsch und ansprechend", "freundlich und liebenswert". Der Volksmund sagt "kleine Schwester von... Verdauungsendprodukten".



Danke für den Buchtipp smile.gif

Geschrieben von: McLeod am 10.Nov.2015 - 22:27

Ich habe letzte Woche spontan zwei Afghanen vom Bahnhof der nächsten Stadt zum Hbf hier und von dort mit dem Bus bis ins Aufnahmelager geholfen. Handschrift auf dem Zettel, Großbuchstaben an der Zuganzeige, dazu eine Uhrzeit an der der Bus nicht fuhr. Wie soll das jemand ohne Englischkenntnisse und eventuell aus einer andern Schrift-"Welt" stammend hinbekommen? Ab der Bushaltestelle vergrößerte sich die Gruppe um eine Familie mit zwei Kindern, so um die 3-4 Jahre alt. Der Vater konnte Englisch. Dazu: Zwei Afrikaner, mit denen lief es gut auf Französisch. Im Bus dann auch jede Menge Asylbewerber und solche die es noch werden möchten, die schon länger da sein dürften. Es entwickelten sich rege Gespräche. Ein Südosteuropäer versuchte es auch mit Zeichensprache. Studis und Einwohner stiegen ein und aus, am Ende ruckelte der Bus am Stadtrand durch ein Waldstück. An der ehemaligen Kaserne(?) machte ich den beiden Afghanen ein Zeichen. Sie hatten sich einfach weiter an mir orientiert, nicht an den anderen. Erleichtert, vom ersten Augenblick an, da ich veruschte per Geste zu zeigen: ich helfe Euch, ich kenne den Weg.

Als sich die Bustüren schlossen, blieb ich allein im Bus. Wir fuhren noch viele hundert Meter entlang an erleuchteten Fenstern, in denen es weiße Wände und Doppelstockbetten gab. Manchmal hing ein Tuch im Fenster, als provisorischer Vorhang. Eine Halle, offen einsehbar, mit Feldbetten über Feldbetten. Dann tauchten wir ab ins Dunkel des Industriegebiets. Hinter der Autobahn plötzlich die Forschungseinrichtungen, ebenfalls Lichter hinter Glas: ein leerer Hörsaal, dessen stylische Bestuhlung geschickt beleuchtet in Szene gesetzt war. Am Flughafen die Autos der Konzernmanager, die von hier losfliegen zu ihren Weltkonzern-Meetings. Polierte Limousinen. An der Endhaltestelle unterhielt ich mich kurz mit dem Busfahrer, dann fuhren wir zurück. Als wir wieder entlang des Aufnahmelagers fuhren, war alles, wie zuvor. Menschen in kargen Räumen, alle möglichen Hautfarben. Die Afghanen hatten nicht mal Gepäck dabei gehabt, die Familie zwei große blaue Ikea-Tüten auf denen die Kinder im Sitzen Kopf vornübergefallen eingeschlafen waren, am Hbf. Hinter dem Tor war es nun menschenleer. Doch schon eine Ecke weiter kamen zwanzig, vielleicht dreißig Menschen zu Fuß. Die andere Buslinie biegt vor dem Waldstück ab. Vermutlich auch darunter wieder welche, für die es das erste Mal auf dieser Strecke war.

Die Menschen helfen sich gegenseitig. Monate stehen ihnen bevor mit Bürokratie, Warten, vielleicht in ein Flüchtlingsheim, dann ins nächste.

Unsere Verwaltungen arbeiten nicht mal so zusammen, dass es einen strukturierten Weg gibt. Die Bundespolizei hatte am Bahnhof der nächsten Stadt ein Ticket ausgestellt und einen handschriftlichen Zettel mitgegeben, auf dem das Wichtigste fehlte: was hier in der Stadt auf den Wegweisern und am Bus in großen Buchstaben steht, um weiterzuhelfen. Ab Hauptbahnhof hier findet sich das erste Schild im(!) halbdunklen Pavillon der Verkehrsbetriebe. Ich war nicht der einzige Mensch, der bei der Orientierung half. Die Familie war von einem Mann begleitet, man erkennt das an dem unsicheren Blick immer zurück: "seid Ihr noch da, trete ich Euch nicht zu nah mit meiner unverlangten Hilfe, was denkt Ihr von uns?" Die beiden Afrikaner waren von einem zugewanderten Schwarzwälder mit Bierfahne zum Busbahnhof gebracht worden. Beide Männer gaben erleichtert an mich weiter. Ich hatte halt Zeit für eine Ehrenrunde im Bus raus an den Stadtrand.

Niemand am Bahnhof fühlte sich verantwortlich dafür, dass die Menschen am Abend gut weiterfinden. Es gibt keine Ketten, keine einheitlichen Symbole, die BuPo hatte es gut gemeint, die Verkehrs-AG, der Busfahrer winkte alle durch auf meine Frage, ob es noch Ticket bräuchte weil nicht alle ein Länderticket der Bahn hatten, das auch in der Stadt gilt.

Ehrenamtlerin für ne Stunde. Es war irgendwie einfach, aber auch sehr sonderbar. Hatte ich anfangs nur bis zum Busbahnhof helfen wollen, erschien es am einfachsten, noch mitzufahren. Was ich erlebte und sah, war nur ein klitzekleiner Ausschnitt. Zu keinem Moment habe ich mich unwohl gefühlt. Vielleicht bis auf die surreale Alleinfahrt durch die spätabendliche Glitzerwelt hinter dem Lager. Es ist dreifach überbelegt. Die Polizei ist bei den Supermärkten mit Infoständen präsent, damit sich die Einwohner des Stadtteils besser fühlen. Auf FB kann ich dann lesen, dass sie Präsenz als Indiz dafür nehmen, dass es krimineller wird, bei ihnen. Dabei ist die Ladendiebstahlrate nicht mal im gleichen Maß mitgewachsen wie die Zahl der Menschen, die aktuell dort im Stadtteil die Tage und Nächte verbringen. Einbrüche gibt es sogar gar keine. Geschweige denn Vergewaltigungen.

Aber in der Innenstadt, da pöbeln Freitags und Samstags Abends die guten, betrunkenen Deutschen, dass es nur so kracht. Der PEG*DA-Ableger besteht hier aus 30-40 Menschen, die jeden Montag Hundertschaften und berittene Polizei für ihre Meinungsfreiheit bemühen. Dann fahren oft auch keine Busse durchs Zentrum. Zum Glück liegt die Route Hbf-Aufnahmelager außerhalb der City. Gewaltbereit aus einer Gruppe heraus ist hier in der Stadt nach meinem Empfinden am stärksten die antifaschistische Jugend. Mit Polizei und Pegidingsens haben sie gleich zwei Gruppen, die sie bekämpfen wollen. Und die alltäglichen Streitereien, Prügeleien und Eskalationen, auch in seltenen Fällen mit Todesfolge, die rund um etwas heruntergekommene Kneipen wohl in jeder Stadt die regionale Zeitung für ein, zwei Wochen beschäftigen. Mord im Familienumfeld oder in verkrachten Beziehungen. Ehrenmorde übrigens bislang Null.

Mein Alltag ist durch die "Flut" bis auf jenen Abend unberührt. Keine "Welle" brach bislang auf meinen Wegen über die Menschen herein. Im Zug sehe ich jetzt etwas aufmerksamer hin und entdecke einige, die quer durchs Land geschickt werden und sich dort wieder durchfragen und -suchen müssen. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich ja gar nicht weiß, ob das nicht die zweite Generation mit Pass von hier oder einfach ein indischer Software-Spezialist bei seinem Wochenend-Outdoor-Trip ist mit dem Rucksack...

Je weniger ich vor dem Rechner oder Fernseher sitze, um mir ein Bild zu verschaffen, umso ruhiger werde ich in Sachen "Menschen die zu uns kommen, weil sie woanders keine Lebensperspektive haben".

McLeod, einfach mal so.

Geschrieben von: So What am 11.Nov.2015 - 01:33

Ich habe vor einigen Wochen mit den Menschen gesprochen, die diese Mini-Dokumentation gemacht haben (Betroffene und deutsche Unterstützende)
http://yalla-connect.de/video/
und finde sie ziemlich gut. Wenn jemand also 18 Minuten Zeit hat und sich ein Bild von einer Erstaufnahestelle machen möchte... Das Schlimmste ist, der Film ist im Frühjahr, also vor der sogenannten "Krise" entstanden.

Ich sehe es ähnlich wie pfefferkorn: Es ist wichtig, Menschen, die hier ankommen, möglichst schnell die Möglichkeit zu geben, Deutsch zu lernen (außer sie können es schon). Nicht nur weil sie dann was arbeiten oder lernen können (was auch richtig ist), sondern vor allem, weil sie dann für sich selbst sprechen können. Wenn man über andere Menschen dauerhaft in der dritten Person redet, anstatt mit ihnen zu reden, schließt man sie symbolisch aus dem Kreis von Personen aus und macht sie zu Objekten. Sie wissen selbst am besten, was sie brauchen. Die Helfer_innen bei uns in der Gegend berichten, dass Geflüchtete weniger nach Essen und Kleidung fragen (die reichen mittlerweile), dafür aber massenweise nach Deutsch-Lehrbüchern.


Geschrieben von: regenbogen am 11.Nov.2015 - 13:00

ZITAT(So What @ 11.Nov.2015 - 01:33) *
dafür aber massenweise nach Deutsch-Lehrbüchern.

Oh - bei der Gelegenheit weise ich sehr gerne mal auf ein ehrenamtliches Projekt hin, an dem viele Bekannte von mir mitgearbeitet haben: ein Anfänger-Selbstlern-Deutschkurs mit Musik, den sich Geflüchtete runterladen können, mit Übersetzungen in sehr vielen relevanten Sprachen:
http://www.welcomegrooves.de/ flowers.gif

Geschrieben von: So What am 11.Nov.2015 - 14:37

ZITAT(regenbogen @ 11.Nov.2015 - 13:00) *
ZITAT(So What @ 11.Nov.2015 - 01:33) *
dafür aber massenweise nach Deutsch-Lehrbüchern.

Oh - bei der Gelegenheit weise ich sehr gerne mal auf ein ehrenamtliches Projekt hin, an dem viele Bekannte von mir mitgearbeitet haben: ein Anfänger-Selbstlern-Deutschkurs mit Musik, den sich Geflüchtete runterladen können, mit Übersetzungen in sehr vielen relevanten Sprachen:
http://www.welcomegrooves.de/ flowers.gif

Ist das cool biggrin.gif Danke! Ich treffe häufiger welche, die geflüchtet sind und/oder versuchen zu helfen, daher kann ich so was bestimmt gut weitergeben. Ich kenne sonst noch das Refugee Phrasebook, mit dem die Leute auch and der Osteuropa-Route arbeiten, aber es hat keine Audios, und allein durch Raten kann mensch sich die deutsche Aussprache und Leseregeln nicht erschließen.

Geschrieben von: pfefferkorn am 13.Nov.2015 - 09:45

danke regenbogen für den wertvollen link -

hier probieren gerade meine kollegen apps aus, die vielleicht helfen können - in den heimen ist ja leider oft kein wlan - wobei es bei uns in der stadt freies wlan an einigen stellen gibt - wußte ich vorher auch nicht :-)

hier noch zwei links.... das "spiel" für die kinder kommt wohl supergut an.... auch bei erwachsenen...

https://www.planet-schule.de/index.php?id=13609

https://www.planet-schule.de/wissenspool/deutsch-als-zweitsprache/inhalt.html

ich freu mich, dass der thread helfen kann, infos weiterzugeben!



Geschrieben von: pfefferkorn am 13.Nov.2015 - 09:53

.. wenn noch eine was lesen will, ... mich hat es sehr aufgerüttelt und bewegt

http://www.edition-nautilus.de/programm/belletristik/buch-978-3-89401-820-7.html

das trifft die absurdität .... des systems gut... und ist grob "ehrlich" ...

Geschrieben von: Françoise am 27.Aug.2018 - 17:48

ZITAT(McLeod @ 04.Nov.2015 - 10:44) *
Und auch wenn es wirklich Unsympathen sind, von denen viel zu viele kriminell werden und un-glaub-lich menschenfeindlich agieren, keifen, sprechen... Ich glaube es wäre ganz gut, wenn wir zusätzlich zu den Stabilisierungs-Maßnahmen in den Herkunftsregionen der Menschen die hierher kommen auch über die Gründe nachdenken, warum es Menschen hierzulande so geht, dass sie so saumäßig wütend werden und sich an den vermeintlich noch Schwächeren abreagieren. Und mal ehrlich: mir geht es ja ganz gut, wirtschaftlich. Und trotzdem fühlt sich das aktuelle Wirtschaftssystem für mich so an, dass es nicht sonderlich fair zugeht. Und das Sozialsystem als eins, in das ich lieber nicht geraten möchte. Ein Labyrinth aus Teufelskreisen. Nur von außen betrachtet. Wenn wir denken, wir könnten in der Fremde für eine Stabilität sorgen, dann müssten wir das hierzulande doch auch können. Es würde das Land befrieden.



Ich finde dieses Statement aktueller denn je.
Mir macht das hier Angst http://www.spiegel.de/politik/deutschland/chemnitz-nach-den-ausschreitungen-alle-boesen-sollen-wieder-gehen-a-1225166.html

Geschrieben von: june am 27.Aug.2018 - 18:36

Der mutmaßliche Totschlag durch zwei Geflüchtete oder die Reaktionen darauf?

Geschrieben von: Hortensie am 27.Aug.2018 - 19:10

Ungemeint geantwortet:
@ June: Mir macht beides Angst.

Geschrieben von: Françoise am 27.Aug.2018 - 23:53

ZITAT(june @ 27.Aug.2018 - 19:36) *
Der mutmaßliche Totschlag durch zwei Geflüchtete oder die Reaktionen darauf?



Beides finde ich äußerst beängstigend. Gewalt ist , wie ich finde, immer beängstigend, vollkomen egal wer sie ausübt.
Mein Eindruck ist, dass die physische und verbale Gewalt auf allen Seiten, bei Rechten und Linken, Deutschen und Flüchtlingen/Migranten beängstigend zunimmt, sich die Stimmung in unserer Gesellschaft sehr ungut immer weiter aufzuheizen scheint.

An dem verlinkten Artikel speziell macht mir Angst, dass anscheinend zunehmend normale Bürger mit rechter Gewalt zu sympathisieren scheinen und ich frage mich, wie es so weit kommen konnte und was integrierende, versöhnliche Schritte sein könnten.


mellow.gif

Geschrieben von: june am 28.Aug.2018 - 07:08

Ihr beiden,

so geht es mir auch - und ich verstehe mich als dezidiert links.
Wir führen in Deutschland zu wenige Gespräche darüber, dass viele geflüchtete Menschen höchst traumatisierte sind und eine Gewalt gesehen und erlebt haben, wie wir sie uns nicht vorstellen können. Dazu die Massenunterkünfte mit vielen Männern unter 40 und verschiedener Nationalität - eine explosive Mischung, wenn dies a) auf einen unbekannten Lebensstil oder cool.gif auf Pöbeleien trifft.
Nun darf man wie immer nicht vergessen, auch Deutsche töten und 98 Prozent aller geflüchteten Menschen sind friedlich.
Und trotzdem haben wir hier ein Gewaltpotenzial, über das wir offen reden müssen und das nur durch Trauma-Therapie und Sozialarbeit sowie durch angemessene Wohnverhältnisse irgendwie einzudämmen ist - selbst das ohne Garantie...

Geschrieben von: McLeod am 28.Aug.2018 - 10:45

Woher kommt eigentlich dieses Gewaltpotenzial der Menschen hierzulande, die nicht geflüchtet sind? Und auch deren Eltern nicht...?

Wie kommt es, dass die junge Frau in dem Artikel ein Gefühl beschreibt, das ich nachvollziehbar finde (auch wenn ich Absolutheit nicht teile): "Wenn wir Frauen auf die Straße gehen, dann interessiert das ja niemanden"?

Wie kommt es, dass es für immer mehr Menschen nachvollziehbar und akzeptabel erscheint, anhand des Aussehens (das nicht eine Form von Machtdemonstration, wie eine Glatze und Springerstiefel es zB sein können ist) zu entscheiden: "Ist diese Person potenziell gefährlich?" Oder auch "Lebt diese Person nicht nach den richtigen Regeln?" Und dass es akzeptabel scheint, jene die womöglich ein anderes (aber durchaus friedliches, den Gesetzen entsprechendes) Leben führen... Dass es irgendwie okay scheint, die zu maßregeln. Oder anzugehen. Oder anzugreifen? Und was bedeutet das für eine, wie mich, die sehr sichtbar anders lebt? Ich höre diese Aggression näher rücken, wenn im queeren Zentrum die Trans*frau, die mit ihrem roten Lippenstift und der tiefen Stimme und dem Adamsapfel noch eine Spur auffälliger ist, als ich, von ihren Straßenbahnerlebnissen erzählt. Aus den Vierteln, in denen ich gar nicht unterwegs bin, weil mein Geld für eine citynahe Wohnung im hippen Quartier reicht...

Wer sind wir, dass wir es für selbstverständlich halten, unsere Mitmenschen in Töpfe zu werfen und mit einem Wort (Herkunftsland, Religion, Geschlecht, politische Haltung) einen kompletten Verhaltenskanon abzuleiten? Was macht das mit uns... Verhalten wir uns entsprechend der Kategorien? Ist es deutsch, über "ausländisch aussehende Menschen" nachzudenken, als ob in unserer Kindheit nicht längst zweite und dritte Generationen oder die Kinder binationaler Eltern aufgewachsen wären? Verquicken wir Fundamentalismus mit einer Religion oder einem ehemaligen Heimatland lieber, als mit unserem Land, das eins der extremsten fundamentalistischen Systeme seit der Industrialisierung etabliert hatte? Wie können wir mot dem Finger auf die Kinder anderer Nationen zeigen und denen einen Hang zum gewaltvollen Fundamentalismus unterstellen und die Gewalt aus unserer eigenen Heimat nicht in derselben Form betrachten? Wohin weisen wir bloß die Nazis aus? Was für eine sonderbare Strategie, die Gewaltpotenziale zu senken...?

Strukturelle Diskussionen führen können ist zur Zeit wohl nicht unsere Kernkompetenz. Es springt zwischen persönlicher/individueller Ebene oft hin und her in die Beschreibung von Strukturen und analysierbaren Zzsammenhängen. Wenn es vor allem Männer sind, die sich Luft verschaffen, die einschüchtern und zuschlagen... Wenn es im Umfeld aogenannter Volksfeste oder einst unterhaltsamer Sportveranstaltungen zu erhöhter Gewaltausübung kommt... Wie entkommen wir der inneren Pauschalisierung, dass jeder Fußballfan ein Hooligan, jeder phänotypisch nicht-weiße Mann ein Frauenunterdrücker und jeder katholische Priester einer Kinderschänder sei? Wie kommen wir weg davin, Verurteilen und Ausgrenzen als Weg zu einer Lösung zu leben? Wenn es doch auch eine Selbstschutz-Komponente hat? Aus dem Weg gehen... Klare Kante zeigen... Ich sehe da noch nicht, dass diese Strategien und Taktiken wirklich nutzbringend sind. Es wird keine friedlichere, sicherere Welt dadurch, scheint mir. Denn die Aggression rückt näher. Auf Twitter ist sie Alltag, in der Straßenbahn in manchen Vierteln ist sie es. Und sie kommt aus allen Kulturkreisen, alle Geschlechter mischen mit, alle Hautfarben, alle Religionen werden zur Begründung herangezogen.

Gewaltlosigkeit - kann sie durch Gewalt herbeigeführt und gestärkt werden?

Ich hab Fragen, noch keine Antworten... Die Einteilung in Gruppen, um persönliche Konsequenzen zu ziehen, erscheint mir eine ungünstige Schlussfolgerung aus den strukturellen Beobachtungen. Das verschärft die Strukturen. Oder?

McNachdenklich

Geschrieben von: june am 28.Aug.2018 - 16:59

Ich glaube, dass Gewaltbereitschaft immer von Menschen ausgeht, die zu wenig Liebe und Geborgenheit erfahren (haben).

Geschrieben von: Françoise am 28.Aug.2018 - 17:14

ZITAT(june @ 28.Aug.2018 - 08:08) *
Wir führen in Deutschland zu wenige Gespräche darüber, dass viele geflüchtete Menschen höchst traumatisierte sind und eine Gewalt gesehen und erlebt haben, wie wir sie uns nicht vorstellen können.


ZITAT(McLeod @ 28.Aug.2018 - 11:45) *
Woher kommt eigentlich dieses Gewaltpotenzial der Menschen hierzulande, die nicht geflüchtet sind? Und auch deren Eltern nicht...?


Flucht und Krieg sind ja nur zwei von unendlich vielen möglichen traumatischen Erlebnissen


Ich denke, dass sie sich in ihren Geschichten alle gleichen- die zornigen jungen Männer in aller Welt.


Denn auch diejenigen jungen deutschen Männer, die sich dissozial, gewalttätig, delinquent, impulsiv, mitleidslos verhalten und über ein hohes Gewaltpotenzial "verfügen" sind, wenn man sich die Biographien anschaut, meist (ich glaube sogar zu 100%) schwer, früh und anhaltend traumatisiert. Opfersein und Tätersein liegt so unfassbar nah zusammen.
Nicht jeder traumatisierte Mensch wird zum Täter.
Aber Täter sind so gut wie immer traumatisiert.

Durch schwere Vernachlässigung, schwere physische Gewalt, grausame sexuelle Gewalt, Unberechenbarkeit und ängstigende Verhalten aller Bezugspersonen, psychische Gewalt wie Demütigung, Herabwürdigung, Beschämung.
So behandelt von Eltern, die vielleicht selbst schon traumatisiert waren.
Durch Großeltern, die ebenfalls traumatisiert waren (womit wir dann schon langsam im Bereich des 2. Weltkrieges wären Nicht umsonst sprechen wir von transgenerationalen Traumata.)
Dazu vielleicht schlimmstenfalls noch eine Sozialisation, in der eine Sprache der Gewalt und das Gesetz des Stärkeren herrschen und Frauen sowieso Freiwild, Nutzvieh und Menschen zweiter KLasse sind und Homosexuelle "geklatscht" gehören....-
#das gab und gibt es ja auch in Deutschland und unter Deutschen, pfeif.gif ...... auch wenn es viele nicht wahr haben wollen und solche Einstellungen nur muslimischen Männern zuschreiben wacko.gif )

Viele der entstehenden psychischen Störungen (v.a. die dissoziale Persönlichkeitsstörung und ihre extreme Ausformung- die Psychopathie) gelten als untherapierbar oder bei immensem Zeit (wir reden von vielen Jahren)-und KOstenaufwand für jeden einzelnen als vielleicht ein ganz klein bisschen therapierbar mit nur kleinen möglichen Veränderungen.

Das sind genauso verlorene, traumatisierte Seelen.


Ich bin rat- und auch mutlos, weil es viele Hilfsangebote und immer wieder neue Chancen gibt.
Trotzdem beißt sich die Gesellschaft schon allein an diesen zornigen, dissozialen deutschen Männern Zähne aus, wie wir gerade wieder mal sehen.....

Geschrieben von: McLeod am 28.Aug.2018 - 18:13

Danke, Francoise. flowers.gif

Geschrieben von: june am 28.Aug.2018 - 19:06

Danke für die eloquente Longversion meiner viel zu kurzen Antwort!

Grüße aus dem Superstress, june

Geschrieben von: Françoise am 05.Sep.2018 - 16:40

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/regierungserklaerung-chemnitz-sachsen-michael-kretschmer

Ich bin erleichtert, dass es wohl doch nur einzelne rassistische Übergriffe einzelner gewaltbereiter Leute waren.
Schlimm genug!!!!, aber dennoch gottseidank etwas anderes, als nach den ersten Berichten zunächst befürchtet werden musste. private.gif

Geschrieben von: McLeod am 12.Sep.2018 - 08:15

Die Kommunikation der Polizei vom Abend und der Angriff/Überfall auf das Restaurant "Schalom" lesen sich anders. Die Nachtichtenlage ist noch in Bewegung, während über sie diskutiert wird. https://www.zdf.de/politik/frontal-21/pressemitteilung-interner-polizeibericht-chemnitz-100.html

Geschrieben von: Françoise am 24.Sep.2018 - 19:07

ZITAT(McLeod @ 12.Sep.2018 - 09:15) *
Die Kommunikation der Polizei vom Abend und der Angriff/Überfall auf das Restaurant "Schalom" lesen sich anders. Die Nachtichtenlage ist noch in Bewegung, während über sie diskutiert wird. https://www.zdf.de/politik/frontal-21/pressemitteilung-interner-polizeibericht-chemnitz-100.html




eek.gif

wird wohl immer mehr zum Problem, nicht erst seit Chemnitz
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-12/charlotte-knobloch-juedisches-leben-berlin-antisemitismus

Eine Berliner Freundin berichtet seit längerem von immer zahlreicheren Übergriffen und v.a in Berliner Schulen und im Bezirk Neukölln


letzt von einer Münchner Freundin geteilt....
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/vorurteile-und-straftaten-wie-muenchner-juden-antisemitismus-erleben-1.4001683



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