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Die gute alte Küche - in neuem Gewand _ Politik & Wirtschaft _ Hmm ... ich bin doch nicht die Einzige, die derzeit beunruhigt ist, oder?

Geschrieben von: Mausi am 23.Mar.2011 - 10:52

Hallo ihrs,

ich bin etwas verwundert - dass da bisher noch kein Thread aufgetaucht ist - also "trau" ich mich mal und versuche einen zu eröffnen.

Mich beunruhigt dass derzeit massiv, was so in der Welt passiert.

Es hört ja auch garnicht mehr auf.
Es war, für mich, klar, dass irgend ein Dikatator (nach Tunesien und Ägypten, zeitgleich jetzt mit dem Jemen) nicht mehr "mitmachen" wird & friedlich das Feld räumen.
Daher hab ich mich zwar einerseits für die Menschen gefreut, die einen Umsturz haben herbeiführen können, andererseits (aufgrund von Besorgnis/Angst vor einem Krieg) Sorgenvoll zugeschaut und sehr mit den Menschen in Libyen gelitten & mir aber auch gedacht "Da muss doch mal einer eingreifen".
Und jetzt ist es soweit - es ist Krieg.
Deutschland hält sich raus - zuerst war ich da nicht sonderlich erfreut darüber, inzwischen bin ich geteilter Meinung.

Tatsache ist, dass mir der "Flächenbrand" allgemein ein wenig Sorgen macht & der Krieg sowieso.
Ich glaub ich kann es garnicht richtig in Worte fassen - es beunruhigt mich nur massiv - so sehr, dass ich, sobald ich das Internet anschalte erstmal auf Informationsseiten gehe (was sonst bisher nicht zu meinen ersten Interessen gehört hat wink.gif ).

Und dann noch Japan dazu - das Erdbeben, was schon schlimm genug ist, dann der Tsunami, der alles noch viel schlimmer machte & nun das AKW was im Endeffekt, finde ich, nicht sonderlich unter Kontrolle zu bekommen ist. Mal abgesehen von der Informationspolitik Japans(Tepco) und den Beschwichtigungsversuchen.

Irgendwie finde ich, hat sich im letzten halben Jahr - oder eigentlich seit der Weltwirtschaftskrise- die Lage in der Welt immer mehr zugespitzt. Im Moment empfinde ich es als sehr bedrohlich.

Sonderlich fundiert kann ich hier nun nicht schreiben - aber mein Unbehagen wollte ich ausdrücken & fragen, ob - weil eben bisher noch nichts geschrieben wurde - es andere denn genauso beunruhigt wie mich?

Mausi

Geschrieben von: LadyGodiva am 23.Mar.2011 - 12:02

Wenn ich so fernab des Molochs Berlin von der heimischen Terasse den Blick über grüne Wiesen schweifen lasse und mir mein früherer Hunger nach Unmittelbarkeit eigentlich nur durch die momentane Efülltheit gewahr wird, fällt mir auf, wie analog ich doch konstruiert bin.
Ich habe kein Bedürfnis (mehr) nach ständig aktualisierter Informiertheit - oder gar bemühtem Verständnis für so vieles, was mir Karen Mioska et al. permanent hinterher tragen. Weil ich einfach glaube, dass das Informationsangebot gestiegen ist, nicht aber dessen Qualität für mich. Und damit meine ich sicher nicht, dass ich intellektuell gerade in bürgerlicher Romantik baden gehe, sondern eher, dass es inzwischen kaum noch Medien gibt, von denen ich mich adäquat informiert fühle - also eher engagiert denn aufgeregt.
Gestern scherzten wir sogar, dass sich das Erste langsam einen 30 minütigen Lückenfüller für den fast schon etablierten 20:15 Uhr Brennpunkt ausdenken muss, wenn mal keine Plage durch die Medienlandschaft gescheucht wird. Heute geht es mir auch gut, wenn ich einen Tag lang keine Nachrichten aus der "weiten Welt" konsumiert habe.
Das muss ja nicht unbedingt gleich "mehr echte, weniger virtuelle Sorgen" bedeuten, aber manchmal tut einer etwas weniger Verbindung zu Dingen, zu denen ohnehin kein konkreter eigener Zugang besteht, erheblich besser.
Die Welt ist nicht schlimmer geworden, nur weil die eigenen Dimensionen schwimmen.

Geschrieben von: Mausi am 23.Mar.2011 - 12:13

ZITAT(LadyGodiva @ 23.Mar.2011 - 12:02) *
Die Welt ist nicht schlimmer geworden, nur weil die eigenen Dimensionen schwimmen.


Das habe ich auch nicht behauptet!

Mein Leben hier ist weiterhin soweit gut und geordnet - jedoch habe ich trotzdem das Gefühl - unabhängig davon, wie schlimm die Welt ist - dass es sich zuspitzt in den letzten Jahren und DAS beunruhigt mich - auch mit der Frage, wo das hinführt.
Ich kann nichts tun, außer zuschauen - aber die Augen verschließen will ich nunmal nicht.

Mal abgesehen davon, bin ich nie jemand gewesen, der soo viel Nachrichten geschaut hätte - gerade deswegen ist es für mich von Belang, was da gerade passiert - weil ich durchaus denke, dass die Folgen dessen "größer" sein könnten, als sie nun absehbar sind.

Mausi

Geschrieben von: miriam am 23.Mar.2011 - 12:33

Hallo Mausi,

ich habe mich ehrlich gesagt auch schon darüber gewundert, daß hier vor allem zum Thema Japan und Atomkraft kein Wort geschrieben wurde, wohl aber zum Tod von Eisbär Knut (natürlich auch sehr traurig aber m.E. doch ziemlich belanglos im Vergleich mit den Ereignissen in der Welt...)

Dann habe ich darüber nachgedacht, ob ich zu den Ereignissen in Japan einen Thread eröffnen soll und mußte feststellen, daß mir schlichtweg die Worte fehlten um meine Gefühle und Gedanken auszudrücken. Und das geht möglicherweise vielen so. Auch erfahre ich mit einigem Befremden, daß das Thema beispielsweise im Schulunterricht häufig totgeschwiegen wird, daß Lehrer abwiegeln, wenn ihre Schüler darüber sprechen wollen. Ein klassischer Fall von Verdrängung?

Da Du nach unserem Unbehagen bezüglich der Brandherde der Welt fragst, will ich Dir rückmelden, daß auch ich mich fürchte, und zwar nicht zu knapp:

Japan oder die Auswirkungen der Finanzkrise (siehe Euro-Rettungsschirm) beschäftigen mich dabei allerdings weitaus mehr als die Angriffe auf das ölreiche Lybien/Gaddhafi, die mir fürchterlich verlogen vorkommen da es besonders in Afrika immer wieder verheerende Massaker gab, bei denen 'der Westen' nichts oder zumindest nicht viel getan hat, um die Opfer zu schützen (z.B. Ruanda, Dafur etc.) Aber das ist ein anderes Thema...

Vor allem Angesichts der havarierten Reaktoren in Japan (die mir aus privaten Gründen ganz besonders Sorgen machen) bin ich erfüllt von einer Mischung aus Entsetzen, hilfloser Wut und einem gefährlichen Gefühl der Resignation: 'die Menschen' sind wie sie sind und werden sich niemals wirklich ändern, jedenfalls nicht en Gros...

Miriam

PS: A. Einstein sagte einmal, er halte zwei Dinge für unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. Beim ersteren sei er sich aber nicht ganz sicher....

Geschrieben von: LadyGodiva am 23.Mar.2011 - 13:14

Aber was spitzt sich zu in den letzten Jahren?

Vielleicht einfach grösstenteils dein Bemühen um und Vermögen an Anteilnahme?

Geschrieben von: Sägefisch am 23.Mar.2011 - 14:36

Deutschland hält sich aussenpolitisch und militärisch nicht mehr so ausgeprägt raus, sondern ist in die Interessenwahrung eingestiegen, das ist schon mal ein Grund für mehr empfundenen Zunder - für andere Länder ist das ganz normal, in der bundesdeutschen Blasenzeit hatten die Franzosen ja weiterhin die Legion in Schwarzafrika stehen, Grossbritannien hat Kriege ausgefochten, die Amerikaner sind in diverse Länder einmarschiert usw. Vielleicht müssen wir uns erst wieder daran gewöhnen dass uns alles mögliche plötzlich etwas anzugehen hat?

Und dann ist die Welt vielleicht wirklich kleiner geworden. Vor 40 Jahren war so ein Tsunami etwas was ein paar Fischer in Fernost betroffen hat, heute ist das "doch nicht etwa der Strand zu dem Klaus und Gisela immer hinfliegen?".

Drittens ist medial vorgeführter Konsumwohlstand auch an der Peripherie derjenigen Regionen vernehmbar, in denen selbiger überhaupt erreichbar ist. Irgendwann musste es ja so kommen dass die EU-Aussengrenzen unter diesem Druck leiden - soweit jedenfalls meine bescheidene Theorie, ich glaube nämlich nicht dass gerade ein orientalisches 1848 mit humanistischer Leitidee stattfindet, sondern dass es schlichtweg um mehr Wohlstand nach westlicher Manier geht. Verständlich, aber auch heikel.

Dass das alles auf einmal passiert halte ich für beeindruckenden Zufall.

Geschrieben von: Yemaia 43 am 23.Mar.2011 - 19:49

Hallo Mausi,

ich denke, Angst ist genau das, was wir jetzt nicht haben sollten.
Natürlich bin ich auch besorgt. Ich erinnere mich an die Phrophezeiungen der Mayas. Nun Prophezeiung heißt, ein Geschehen kann, muß aber nicht eintreffen.
Am besten ist, jede sorgt für sich selbst gut. Ändern können wir eh nicht viel. Wir können lediglich über politische Entscheidungen unseren Unmut kundtun in Form von Protesten und Demos.
In Bezug auf Naturkatastrophen sage ich nur:
Ruhe bewahren, beobachten, auf das Bauchgefühl hören und wenn es einen selbst trifft Handeln!

Geschrieben von: Mausi am 23.Mar.2011 - 20:44

@Miriam

hm, fürchten tu ich mich (noch) nicht - befürchten tu ich vielleicht, dass es größere Kreise zieht & seit der Weltwirtschaftskrise hat sich, finde ich, viel verändert.
Sei es Haltung, sei es persönliche Schicksale, sei es die (gefühlte) Skrupellosigkeit von Firmen, die vorher mit Sicherheit auch bestand war.
In Japan finde ich es fürchterlich, dass bei allem Bemühen um das AKW eben den anderen Menschen nur geringfügig geholfen werden kann.
Gleichzeitig eben dieser Flächenbrand in Afrika/Arabien - zeitgleich - das schockt mich und es sind so viele Baustellen.
Auch wenn ich selbst, persönlich, nichts tun kann.
Aber die Entwicklung - sei es der Natur oder sei es eben der Menschen die Umstürze verhindern wollen - ist einfach massiv und hat beides mit Gewalt zu tun.
Wie gesagt - das besorgt mich.

@LG

Hm - ich finde es schwierig gerade mit Dir zu kommunzieren, da ich mich von Deinen 2 Beiträgen in diesem Thread stets bewertet fühle.
Rein von meinem Gefühl her, hat sich in Deutschland (seit der letzten Weltwirtschaftskrise) die Gewaltbereitschaft sowie die Gleichgültigkeit der Menschen erhöht - was mich auch schon an sich sehr geschockt hat.

Gefühlsmässig bleibt bei mir einfach vom Weltgeschehen her hängen, dass dies sich ebenfalls auch darauf z.T. übertragen lässt.
Konkrete Beispiele kann ich Dir nun ausdem FF nicht nennen & möchte nun aber auch nicht googlen.

Jedoch würde ich Dich einfach bitten, Deine Fragen vielleicht weniger wertend zu gestalten?
Meine Einfühlsamkeit/Achtsamkeit/Anteilnahme war stets da - mal mehr, mal weniger formuliert - von dem her finde ich es gerade sehr herb - so wie es bei mir ankommt - unterstellt zu bekommen, dass ich dies eben "vorher" nicht war sondern nur "stumpf" stetig gehandelt/gelebt hätte.
Wie gesagt - die Formulierungen rufen in mir (ab)wertende/wegwischende Emotionen hervor und das finde ich dann schwierig einfach zu beantworten. (und habe es nun trotzdem zeilenreich getan)

@Sägefisch
Vielleicht ist es so, dass ich eben mehr das Gefühl habe, weil D einfach mehr "mitmischt" (oder jetzt in Libyen eben nicht) - es eben mehr "betrifft".
Oder eben wg. der Informationen - das kann alles sein - aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass man mehr "mittendrin" statt "nur dabei" ist (um mal einen Slogan eines öffentlich/rechtlichen zu nutzen wink.gif )

Ja & der Zufall, dass dies alles gemeinsam geschieht - wo doch jedes für sich schon eine Katastrophe wäre (in Japan) und eben der Umsturzgedanke (in den arabischen Ländern) so große - wenn auch für die Menschen hoffentlich langfristig gute- Kreise zieht. Es ist so viel, was vorher irgendwie "nacheinander" ablief.

Dass die Natur "zurückschlägt" ist ja nix neues, aber irgendwie häuft sich das eben immer mehr.

@Yemaia
Nein Angst in dem Sinne habe ich nicht. Aber es besorgt mich trotzdem, es lässt mich nicht kalt.
Natürlich kümmere ich mich um meins, doch bin ich einfach jemand, der eben sehr besorgt ist, wenn Krieg geführt wird, in dem D evtl. beteiligt sein könnte, und wenn es "nur" als Nachbarland wäre.
Die Ruhe bewahre ich - aus meinen Gedanken ist es jedoch trotzdem nicht gestrichen.
Zumal ich denke, dass das - was in Japan ist - evtl. doch auch indirekt D betreffen könnte, wobei ich schon hoffe, dass es zu weit weg ist, aber das kann ich eben nicht beurteilen, bin kein Experte für Radioaktivität oder Wetter oder was auch immer.

Die Naturkatastrophen oder dass das Wetter "verrückt" spielt kommen, meinem Gefühl nach, auch immer häufiger vor. Irgendwann ist es eben soweit, dass die Menschen das, was sie mit der Natur angerichtet haben, eben doch auf die ein oder andere Weise zu spüren bekommen.

Aber es ist, für mich, nachwievor, besorgniserregend.

Danke auf jeden Fall, für Eure Beiträge!

Mausi

Geschrieben von: kröpi am 23.Mar.2011 - 20:53

ZITAT(Mausi @ 23.Mar.2011 - 10:52) *
Mich beunruhigt dass derzeit massiv, was so in der Welt passiert.
Es hört ja auch garnicht mehr auf.
Irgendwie finde ich, hat sich im letzten halben Jahr - oder eigentlich seit der Weltwirtschaftskrise- die Lage in der Welt immer mehr zugespitzt. Im Moment empfinde ich es als sehr bedrohlich.

Sonderlich fundiert kann ich hier nun nicht schreiben - aber mein Unbehagen wollte ich ausdrücken & fragen, ob - weil eben bisher noch nichts geschrieben wurde - es andere denn genauso beunruhigt wie mich?

Mausi


Hallo Mausi,
ich bin auch beunruhigt. Allerdings nicht wirklich mehr als schon mein Leben lang. Und ich habe derzeit ein merkwürdiges Deja-vu-Erlebnis, was ich nun wiederum schwer in Worte fassen kann. Aber mir kommt es so vor, als hatten wir das alles genau so schon einmal, in einer Zeit, als ich sehr empfänglich war für Ängste:
1985 empfahl ich mich für ein Jahr in's Ausland im Rahmen eines Schüleraustausches, und wenige Wochen, nachdem ich das fremde Land betreten hatte, passierte dort ein schreckliches Erdbeben, bei dem tausende Menschen ums Leben kamen. Wir mußten damals in der Schule Trinkwasser in Flaschen abfüllen, jeder dort kannte Tote oder hatte persönliche Verluste erlitten von der dortigen Bevölkerung. Meine Eltern hier waren plötzlich sehr in Sorge und weil die Telefone alle nicht funktionierten hatten sie auch erst keine Meldung über meine Befindlichkeit. Internet gab es noch nicht, wenigstens nicht im Hausgebrauch.
Anfang 1986 kamen dann die Ereignisse Schlag auf Schlag: Krieg zwischen Libyen und USA, damals noch R. Reagan, aber Gaddafi war schon der selbe! Und in unmittelbarer zeitlicher Nähe Tschernobyl. Im Ausland kamen die Meldungen im Wortlaut von "In 3 Monaten gibt es Europa nicht mehr!" "Ganz Europa ist verstrahlt!" "Gaddafi wird ganz Europa verbrennen!" "Erste Bomben in Italien gefallen!" In meiner Gastfamilie war man sich einig, d. ich nie mehr nach Deutschland zurück könne und die Bewerbung ihres Sohnes für das Austauschjahr nach Deutschland wurde wegen der Unruhen zurück gezogen. Deutschland galt damals als unsicheres Reiseland! Zu gefährlich für Austauschschüler! Ich dachte, ich würde meine Familie nie mehr wieder sehen...

Das war sehr schlimm für mich damals und als ich endlich Telefonkontakt zu meiner Mutter bekam, fragte ich nur, ob alle noch leben würden. Das war krass. Mein Vertrauen in die Medien ist seit dem ziemlich erschüttert. Aber die Komination "Erdbeben-Radioaktivität-Gaddafi" habe ich schon einmal erlebt - und überlebt.

Es ist alles sehr schlimm. Aber es war schon einmal schlimm und in Wahrheit ist es auf dieser Erde permanent irgendwo schlimm. Und das ist besorgniserregend. Nur sehe ich keine Verschlimmerung. Falls Dich das tröstet irgendwie...

Geschrieben von: LadyGodiva am 24.Mar.2011 - 08:15

Mausi, so ganz erschliesst sich mir nicht, inwiefern meine Beiträge als "wertend" empfunden werden - aber an dieser Stelle gerne deutlich: sie drehen sich im Kern um mein Medienkonsumverhalten.
Nur, weil dich heute mehr erreicht, heisst es ja nicht, dass du früher stumpfer warst. Oder anders: weniger anfechtbar.

Daher hätte es mich einfach interessiert, was in etwa zu deiner steigenden Beunruhigung beiträgt, da ich Gefühle bevorzugt dort reflektiere, wo sie vermutlich herrühren, bei mir und anderen.

Ansonsten denke ich nach wie vor, zur eigenen und der Beruhigung anderer, dass der Mensch an sich wohl immer das gleiche Wesen bleibt - nur, dass es davon immer mehr gibt und uns immer grössere Möglichkeiten offenstehen, Anteil an Schicksalen anderer zu nehmen.
Schlägereien mit Todesfolge, Kindesmissbrauch, Genozid, Erdbeben, kalte Winter, technische Unglücke hat es wohl immer schon gegeben - manchmal denke ich, der Mangel an konkretem eigenen Existenzkampf provoziert gerade den Blick auf die, denen dieses Glück nicht hold ist, anstatt die eigene Unbill zu relativieren.

Geschrieben von: Lucia Brown am 24.Mar.2011 - 08:43

Gute Morgen Mausi und danke für diesen Beitrag.

Auch ich hatte schon ein paar mal den Gedanken: "Warum schreiben wir denn hier nichts über die vielen Tsunamies, Kriege und atomaren Supergaus." Meine Finger und meine Gedanken waren nahe daran, auch eine Thread damit zu eröffnen. Doch immer wieder als ich hierher kam und mit las, war ich über die wunderbare zwischenmenschliche Energie erfreut und so lies ich meine Finger hier ruhen.

An anderer Stelle schreibe ich ganz viel, tausche mich aus und gehe zu Demos. Die Zeitungen schaue ich seit Tagen nicht mehr an. Ich fühle mich über meine anderen Informationen-quellen (übers Internet und persönlichen Gesprächen), besser informiert und das ist für mich ausreichend.

Zur Beruhigung meiner inneren Tsunamies, gehe ich in die Natur zur Erholung.

Die AKW-Bewegung hat wieder Aufwind bekommen. Leider gehen wir nach 30 Jahren wieder und immer noch auf die Straße und leider gibt es immer noch so viele Menschen, die uns als Exoten betrachten.


Die Medien manipulieren uns. Ich bin sehr vorsichtig damit geworden.

lg

Lucia B.

Geschrieben von: dandelion am 24.Mar.2011 - 09:23

ZITAT(LadyGodiva @ 24.Mar.2011 - 08:15) *
Schlägereien mit Todesfolge, Kindesmissbrauch, Genozid, Erdbeben, kalte Winter, technische Unglücke hat es wohl immer schon gegeben - manchmal denke ich, der Mangel an konkretem eigenen Existenzkampf provoziert gerade den Blick auf die, denen dieses Glück nicht hold ist, anstatt die eigene Unbill zu relativieren.

thumbsup.gif
Zum Thema Genozid gibt es beeindruckende Berichterstattung in der Bibel, weite Teile des AT.
Ich erinnere mich, dass es vor gut zehn Jahren mal ein Gespräch mit irgendwem gab, in dem mir zum ersten Mal klar wurde, wie satt und friedlich wir hier leben. Keine Kriege vor der Tür, keine Hungersnöte, und die grassierendste Seuche ist die Erkältung. Die apokalyptischen Reiter galoppen anderswo, während wir in Sicherheit grasen.
Vielleicht beunruhigt mich das Ganze deshalb etwas weniger, weil ich seit Jahren auf die Rechnung für diesen Frieden warte. Sie wird kommen, da bin ich sicher; Leben pendelt erfahrungsgemäß immer irgendwie um ein Gleichgewicht.

Momentan bin ich informationstechnisch etwas behindert, deshalb habe ich die Medienhysterie nur sehr am Rande mitbekommen. Aber eigentlich bin ich froh darüber, weil es mich lähmen, aber niemandem helfen würde, wenn ich sämtliche Neuerungen verfolge. Resultat: in meiner kleinen Welt, wo es unmittelbar auf mich ankommt, bin ich leistungsfähiger und kann tatsächlich was bewirken, das mir und anderen hilft. Gerade angesichts einer Atomkatastrophe auf der anderen Seite der Welt oder (wiederholter) Bürgerkriege auf einem anderen Kontinent fühle ich mich hinreichend machtlos, um den Gedanken "da muss man was tun" recht zügig mit "kannst du aber nicht - dafür hier um so mehr" beiseite zu schieben.

Was das Thematisieren von Knut, nicht aber Fukushima angeht, gab es einen vermutlich recht treffenden Cartoon bei http://www.der-flix.de/index.php?preselect=761. Der Aspekt, dass mensch nicht in Worte fassen kann, was mensch nicht versteht, spielt da sicherlich mit rein.

Geschrieben von: Sägefisch am 24.Mar.2011 - 11:00

Ihr könnt mal meinen Knut-Thread in Ruhe lassen - oder wenigstens die Metaebene darin gelten lassen. Ich hab das jedenfalls nicht geschrieben weil ich zu schlicht für Libyen bin. sleep.gif

Klar gibt es wichtigere Themen, aber die kann Madame selber eröffnen wenn ihr die Gewichtung nicht passt. Und schlicht kann es auch bei den wichtigen Diskussionen zugehen. "Atom doof" und "Gaddafi weg" sind ja auch nicht weniger reflexhaft als "armer Eisbär".
wink.gif

Geschrieben von: dandelion am 24.Mar.2011 - 11:03

war ja auch nicht so gemeint sondern andersrum wink.gif
bluemele.gif

Geschrieben von: Liane am 24.Mar.2011 - 11:08

ZITAT(dandelion @ 24.Mar.2011 - 09:23) *
Ich erinnere mich, dass es vor gut zehn Jahren mal ein Gespräch mit irgendwem gab, in dem mir zum ersten Mal klar wurde, wie satt und friedlich wir hier leben. Keine Kriege vor der Tür, keine Hungersnöte, und die grassierendste Seuche ist die Erkältung. Die apokalyptischen Reiter galoppen anderswo, während wir in Sicherheit grasen.

Genau das habe ich unlängst auch gedacht. Wie kann es sein, dass ich mich über eine verpasste Straßenbahn oder eine neugekaufte, aber dennoch verdorbene Mango aufrege und an anderen Orten geht permanent die Welt beinahe unter? Womit habe ausgerechnet ich das Paradies verdient? (Wobei ich es schaffe, mir dieses Paradies selbst madig zu machen.)

Ich bin sprachlos in angesichts der Vorgänge in der Welt - sprachlos, machtlos, hilflos. Ich überweise Spendenbeiträge an Hilfsorganisationen, aber das ist nur ein Pflästerchen zur Notfallbehandlung der Symptome.
Während ich hier sitze und den Beitrag schreibe, verbrauche ich Strom und gieße damit Wasser in die Mühlen derer, die hier (auf erdbebengefährdetem Gebiet - auch wenn in den Medien "Sicherheit" vorgegaukelt wird, weil ja die Wahrscheinlichkeit gering ist) die Unmöglichkeit des Atomausstiegs propagieren.
Alle sprechen vom Stromsparen, gleichzeitig werden aber immer mehr strombetriebene Geräte auf den Markt gebraucht und rund um mich auch mit Begeisterung gekauft (zum Teil absolut sinnlose Dinge wie z.B. elektrische, beleuchtete Pfeffermühlen). Menschen benutzen tagsüber den Aufzug und gehen abends ins Fitnesscenter, um dort auf dem strombetriebenen Laufband die fehlende Bewegung nachzuholen. Ich erleben den Großteil der Menschheit, wenn es ihm gut geht, leider als dumm und gleichgültig. Und dadurch resigniere ich.

Geschrieben von: Sägefisch am 24.Mar.2011 - 11:09

@ dandelion: Hab schon verstanden. Gleichfalls.

Geschrieben von: Sägefisch am 24.Mar.2011 - 11:14

QUOTE(Liane @ 24.Mar.2011 - 11:08) *
Ich erleben den Großteil der Menschheit, wenn es ihm gut geht, leider als dumm und gleichgültig.


Ich glaube man bleibt man selbst, ob es einem gut oder schlecht geht. Man ist nur mit jeweils unterschiedlichen Dingen beschäftigt und muss verschiedene Facetten zeigen.

Geschrieben von: malene am 24.Mar.2011 - 11:19

ZITAT(Sägefisch @ 24.Mar.2011 - 11:00) *
Klar gibt es wichtigere Themen, aber die kann Madame selber eröffnen wenn ihr die Gewichtung nicht passt.


Ich denke auch, frau kann nicht Betroffenheit gegen Betroffenheit ausspielen. Manches wird mit sprachlosem Entsetzen registriert, manches mit trauernden Worten kommentiert. Hieraus lässt sich meiner Meinung nach keine „Bestürzungshierarchie“ ableiten. wink.gif


edit: ein i vergessen

Geschrieben von: Sägefisch am 24.Mar.2011 - 11:27

Libyen und Kernschmelze sind meinetwegen schon wichtiger als ein Eisbär im Zoo. Nur lässt sich über das kleine manchmal mehr sagen als über das grosse.

Geschrieben von: LadyGodiva am 24.Mar.2011 - 14:40

Schlicht ist ein gutes Stichwort, wenn ich z.B. streiflichtartig auf den kokelnden Meiler blicke - da ist am anderen Ende der Welt eine megakomplizierte Apparatur in die Luft gegangen, von der ich schon rein intuitiv Abstand halte. Ich kann es nur schlimm finden. Noch unmittelbarer kann ich aber die Blüten beobachten, die die Live-Schalte in den Kern verursacht: so mancher deutsche Technikversand wird sich über den Absatz seiner ollen Geigerzähler gefreut haben und in den Apotheken gingen offenbar en masse irgendwelche Jodpräparate über den Tisch.
Das ist, wenn sich der Mensch zum eigenen Experten gegen in der Konfrontation mit dem Unsichtbaren, Unwirklichen wird - oder glaubt, es werden zu müssen. So ein bisschen hat das was von Live-Rollenspiel, nur dass es für andere bittere Realität ist. Und wieder kann ich es nur schlimm finden, ganz schlicht.


Geschrieben von: Hortensie am 24.Mar.2011 - 16:04

Tja, was soll ich sagen? Mehr als zu "Anti Atom-Demos" gehen und politisch Stelllung beziehen zu den Kriegshandlungen ist mir in der letzten Zeit auch nicht eingefallen....

Irgendwie war es dann aber auch soviel, von dem ich das gefühl hatte, es stürmt auf mich ein, dass ich auch ein bisschen in so eine "Verweigerungshaltung" reingerutscht bin.

Vielen Dank für diesen Therad und für das nochmal darauf aufmerksam machen, dass ein "Dagegenhalten" nicht aufhören darf und der Frieden für alle immer noch ein Ziel sein muss, für dass frau kämpft.

flowers.gif

...aber auch für das Bewusstmachen durch den Blick auf Japan, wie zerbrechlich unser leben ist und das frau achtsam mit sich und ihrem Leben umgehen sollte, um am Ende nicht soviele "ich wollte doch" übrig zu behalten.

Geschrieben von: malene am 24.Mar.2011 - 16:24

ZITAT(dandelion @ 24.Mar.2011 - 09:23) *
Vielleicht beunruhigt mich das Ganze deshalb etwas weniger, weil ich seit Jahren auf die Rechnung für diesen Frieden warte. Sie wird kommen, da bin ich sicher; Leben pendelt erfahrungsgemäß immer irgendwie um ein Gleichgewicht.


Das hatte ich vorhin überlesen...

Woher kommt diese Sicherheit, dandi ? gruebel.gif Könnte es nicht auch sein, dass Du zu den Ausnahmegenerationen gehörst, bei denen diese bittere Rechnung nicht aufgeht? Wenn Du Dir die Menschheitsgeschichte anschaust, gab es durchaus friedliche Epochen, oder zumindest jahrzehntelange Perioden, in denen große Bevölkerungsteile vom Krieg und Elend verschont wurden.

Falls Dir das Gewissensbisse verursacht oder Du glaubst, es widerspreche universalen Gesetzen, denke daran, im nächsten Leben wird vielleicht alles ganz anders. wink.gif

Geschrieben von: miriam am 24.Mar.2011 - 20:44

ZITAT(Liane @ 24.Mar.2011 - 11:08) *
Wie kann es sein, dass ich mich über eine verpasste Straßenbahn oder eine neugekaufte, aber dennoch verdorbene Mango aufrege und an anderen Orten geht permanent die Welt beinahe unter? Womit habe ausgerechnet ich das Paradies verdient? (Wobei ich es schaffe, mir dieses Paradies selbst madig zu machen.)

Ich bin sprachlos in angesichts der Vorgänge in der Welt - sprachlos, machtlos, hilflos. Ich überweise Spendenbeiträge an Hilfsorganisationen, aber das ist nur ein Pflästerchen zur Notfallbehandlung der Symptome.
Während ich hier sitze und den Beitrag schreibe, verbrauche ich Strom und gieße damit Wasser in die Mühlen derer, die hier (auf erdbebengefährdetem Gebiet - auch wenn in den Medien "Sicherheit" vorgegaukelt wird, weil ja die Wahrscheinlichkeit gering ist) die Unmöglichkeit des Atomausstiegs propagieren.
Alle sprechen vom Stromsparen, gleichzeitig werden aber immer mehr strombetriebene Geräte auf den Markt gebraucht und rund um mich auch mit Begeisterung gekauft (zum Teil absolut sinnlose Dinge wie z.B. elektrische, beleuchtete Pfeffermühlen). Menschen benutzen tagsüber den Aufzug und gehen abends ins Fitnesscenter, um dort auf dem strombetriebenen Laufband die fehlende Bewegung nachzuholen. Ich erleben den Großteil der Menschheit, wenn es ihm gut geht, leider als dumm und gleichgültig. Und dadurch resigniere ich.


Ganz meine Meinung! Und ich möchte noch hinzufügen, daß ich nicht die Naturgewalten fürchte sondern den Menschen, der sich einbildet, sie berechnen oder gar beherrschen zu können.

Gruß, Miriam

Geschrieben von: Hortensie am 25.Mar.2011 - 05:58

Meistens fehlen mir Angesicht der Massivität und der Ausmasse dieser Katastrophe in Japan auch einfach die Worte. Ich finde einfach keine Worte, die meine Betroffenheit angemssen ausdrücken könnten.
Da ich mich dadurch sehr blockiert fühle, schalte ich einfach auf Abwehr und vermeide einen Austausch, wenn es geht.
Ich versuche, einfach mein kleines Leben weiterzuleben und mir und meiner Umgebung gegenüber etwas großzügiger und gelassener zu sein, weil ich gerade massiv vor Augen habe, wie schnell alles zerbrechen kann und vorbei sein kann.

...ständig sich wiederholende Fassungslosigkeit angesichts im Minutentakt auf mich einprasselnder Horrormeldungen ...

verstärkt eher meine Verunsicherung und macht gleichzeitig jeden Moment der zwischenmenschlichkeit umso kostbarer.

Geschrieben von: Lucia Brown am 25.Mar.2011 - 09:31

Gestern las ich in einer Zeitung, dass die Anwohner einer Straße um drei gefällte Bäume trauern. Wie ich finde, zurecht!

Japan ist sehr weit weg und für viele unfassbar. All zu menschlich ist es doch, wenn wir unsere Gefühle bei nahe liegenden Ereignissen zeigen können. Zugleich finde ich dass es gar keinen Sinn macht, das Nahe-stehende derzeit nicht mehr zu achten.

Was sollen wir tun? Alle nach Japan fliegen und das Land dort wieder aufbauen? Ist es das?
Oder hier in diesem Land bzw. Europa dafür kämpfen, dass endlich dieser Atomare Wahnsinn aufhört. Und dann stellt sich mir die Frage, ob gerade dies dann für die Welt Vorbildcharakter haben könnte?

Ganz sicher ist, dass es noch vielen Menschen hier im Lande völlig egal ist, woher der Strom kommt. Hauptsache dieser kommt aus der Steckdose und ist billig. Eine Betroffenheit ist schon zu spüren und zugleich Verunsicherung.

Ich kann in 1:1 Gesprächen gerade solche Menschen informieren. Viele wundern sich hinterher, wie leicht ein Umdenken doch auch sein kann.

Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Liebe Grüße

Lucia B.

Geschrieben von: dandelion am 25.Mar.2011 - 10:40

ZITAT(malene @ 24.Mar.2011 - 16:24) *
ZITAT(dandelion @ 24.Mar.2011 - 09:23) *
Vielleicht beunruhigt mich das Ganze deshalb etwas weniger, weil ich seit Jahren auf die Rechnung für diesen Frieden warte. Sie wird kommen, da bin ich sicher; Leben pendelt erfahrungsgemäß immer irgendwie um ein Gleichgewicht.


Das hatte ich vorhin überlesen...

Woher kommt diese Sicherheit, dandi ? gruebel.gif

Ist ein bißchen sowas wie meine Religion. Schließlich glaube ich auf dem selben Prinzip auch an das Ende von Krisen, selbst wenn sie gerade nicht absehbar erscheinen wink.gif

Geschrieben von: miriam am 25.Mar.2011 - 17:28

ZITAT(Sägefisch @ 24.Mar.2011 - 11:27) *
Libyen und Kernschmelze sind meinetwegen schon wichtiger als ein Eisbär im Zoo. Nur lässt sich über das kleine manchmal mehr sagen als über das grosse.



@Sägefisch

Da hast Du sicher Recht! Ich habe mich auch nicht über die Eröffnung Deines Threads über Knuts Tod an sich gewundert sondern mich vielmehr gefragt, warum es über Japan keinen gab. Und die Antwort darauf schließlich bei mir selbst gefunden.

Im Übrigen finde ich es keineswegs schlicht, seinem Bedauern über den Tod eines Tieres Ausdruck zu verleihen, im Gegenteil!

Gruß, Miriam

Geschrieben von: Deirdre am 25.Mar.2011 - 20:15

Ich fand die Existenz des Eisbärenthreads neben der Abwesenheit eines Japanthreads auch sehr interessant, ohne dem EBT seine Berechtigung absprechen zu wollen. Ehrlich nicht.

Was Japan angeht, war ich einfach sehr, sehr damit beschäftigt. Emotional, rational ... zeitlich ... privat ... über die Arbeit ... Ich hatte nicht das Bedürfnis, mich in einem Forum darüber zu äußern.

Ich war mir auch ganz sicher, dass alle Menschen um mich herum durch die Japankatastrophe anfänglich einen großen Energieverlust erlitten haben - und in den ersten Tagen stimmte das so auch, wie ich spürte und auf Nachfragen bestätigt bekam. Niemand wollte übrigens viel dazu sagen ... genausowenig wie in den Foren, die ich besuche.

Das Gefühl einer "Zeitenwende" hat mich ebenfalls angeweht, allerdings haben mich Kröpis Ausführungen über die Jahre 1985 und 1986 etwas von diesem Anflug der Schicksalsgläubigkeit befreit. Heißen Dank, Kröpi! flowers.gif

Normalerweise bin ich der festen Ansicht, dass unsere Aufgaben in unserem eigenen Lebensumkreis zu suchen und zu bewältigen sind - aber es gibt Ausnahmen, denen zumindest ich mich offensichtlich nicht entziehen kann. Gegenwehr zwecklos. wink.gif Da fand ich es auch völlig legitim, mich in sämtliche Medien zu vergraben, um mich mehr in die Situation hineindenken und -fühlen zu können. Meine persönliche Bewältigungsstrategie, nehme ich an.

Jedenfalls, doch: Japan geht mich etwas an, auch wenn es praktisch auf der anderen Seite der Erde ist. Und dabei rede ich nicht von der Reststrahlung, die hier ankommt, sondern von einer tiefen, nicht zu verleugnenden Betroffenheit.

Geschrieben von: Sägefisch am 25.Mar.2011 - 20:43

Im Grunde zeigt der Verlauf dieses Threads, dass jede mit ihren Empfindungen schon reichlich zu tun hat. Möglich, dass da für eine Sachdiskussion gerade wenig Platz übrig bleibt.

Geschrieben von: Lucia Brown am 26.Mar.2011 - 10:47

ZITAT(Sägefisch @ 25.Mar.2011 - 20:43) *
Im Grunde zeigt der Verlauf dieses Threads, dass jede mit ihren Empfindungen schon reichlich zu tun hat. Möglich, dass da für eine Sachdiskussion gerade wenig Platz übrig bleibt.

Ich habe Mausi so verstanden, dass es ihr hier um unsere Gefühle zu diesem Thema geht.

Wie stellst du dir eine Sachdiskussion vor?

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 26.Mar.2011 - 11:26

Ich glaube, dass Mitleid eine unverzichtbare menschliche Eigenschaft ist.
Ich weiß, dass meine empathischen Kapazitäten begrenzt sind.
Ich sehe, dass das Leid der Welt unbegrenzt ist und meine Möglichkeiten maßlos übersteigt.
Ich glaube nicht an einen Gott, der all diesem Leid standhalten, der es lindern, begründen oder ihm einen Sinn geben könnte.

Also scheiter ich.
Ich kann mich entscheiden alles zu lesen und zu sehen, was ich in die Finger bekomme und meine Gefühle, meine Menschlichkeit abspalten, mich in Zynismus retten und sachlich bleiben.
Und ich kann eine Zeitung lesen. An einem Tag in der Woche. Unter Tränen. Und mich dann wieder erholen und Kraft für die nächste Reportage sammeln.
Oder ich kann meinen Focus ganz pragmatisch darauf richten, was ich TUN kann. Strom sparen, an Demos teilnehmen, Politik machen.

Glücklicherweise bin ich nicht allein.
Es gibt Menschen, die hinsehen können, wenn andere nur noch weinen und welche, die anpacken, wo andere erstarren oder beten. Nur zusammen können wir der Wirklichkeit gerecht werden. Allein ist es einfach viel zu viel und zu schrecklich und zu ungerecht.

Geschrieben von: Sägefisch am 26.Mar.2011 - 12:56

QUOTE(Lucia Brown @ 26.Mar.2011 - 10:47) *
Ich habe Mausi so verstanden, dass es ihr hier um unsere Gefühle zu diesem Thema geht.

Wie stellst du dir eine Sachdiskussion vor?


Ist gut und richtig, aber vielleicht kam der Thread so spät, weil viele zögern wegen Befindlichkeiten einen Thread aufzumachen. Besonders dann, wenn der Anlass so gross ist und man selbst gerade extra klein.

Irgendwie wird alles profan angesichts solcher Situationen.


Geschrieben von: Lucia Brown am 27.Mar.2011 - 00:29

ZITAT(Sägefisch @ 26.Mar.2011 - 12:56) *
ZITAT(Lucia Brown @ 26.Mar.2011 - 10:47) *
Ich habe Mausi so verstanden, dass es ihr hier um unsere Gefühle zu diesem Thema geht.

Wie stellst du dir eine Sachdiskussion vor?


Ist gut und richtig, aber vielleicht kam der Thread so spät, weil viele zögern wegen Befindlichkeiten einen Thread aufzumachen. Besonders dann, wenn der Anlass so gross ist und man selbst gerade extra klein.

Irgendwie wird alles profan angesichts solcher Situationen.

thumbsup.gif

Die Medien berichten, dass 250 000 Menschen heute auf der Strasse waren, um zu demonstrieren. flowers.gif

Geschrieben von: Mausi am 27.Mar.2011 - 12:32

Hallo ihrs,

danke Euch, dass Ihr Euch an dem Thread beteiligt!

@LG
Ich schreibe Dir, die nächsten Tage, wenn hier wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, eine PN - was ich als Wertend empfand. Danke aber nochmal, für die Klarstellung!

@all
Natürlich ist das, was nahe an meinem Leben liegt ebenfalls von Bedeutung - für mich, meine Existenz natürlich weit mehr, als das, was "am anderen Ende der Welt" geschieht.
Trotzdem darf & ist eben auch Betroffenheit bei mir - sehr starke Betroffenheit - spürbar geworden. Und erst kröpis Beitrag (vielmals Danke dafür flowers.gif) hat mir die (wenn auch traurige) Wiederholung bewusst gemacht.
Auch ich musste, obwohl ich damals noch so jung war (6 oder 7) an Tschernobyl denken (gleichzeitig aber auch an einen Beitrag, den ich vor 1 Jahr sah - in dem klar gemacht wurde, dass Tschernobyl zwar weiterhin verstrahlt ist, die Natur sich aber die Stadt & die Gegend "zurückerobert" hatte. Die Tiere dort weiterhin leben, z.T. auch altersschwache Tiere dorthin ausgesiedelt wurden und eben doch länger , als in der "unverstrahlten" Natur überlebt haben. Ein verstrahltes Naturschutzgebiet quasi - in dem trotzdem ganz viel wieder und noch lebt. Die Genmutationen selbst waren jedoch in Generationen der Mäuse klar sichtbar - aber es war trotzdem nicht deren "Ende").

Vielleicht hat sich nun bei mir einfach auch viel vermischt aus der damaligen Zeit und jetzt. Trotzdem ist es jetzt furchtbar & ganz furchtbar an Japan ist, dass (zumindest mir) klar war, dass ganz viel getan wird um den Gau/Super-Gau zu verhindern, ich mir aber nicht vorstellen konnte, dass er verhindert werden konnte. Heißt - das Unglück wurde heraus gezögert, abgesehen davon, dass die Menschen nicht informiert wurden richtig (in Japan - also die direkt Betroffenen).

Mir ging es wirklich nur rein um die Gefühle, die das bei mir machte.
Sachlich können wir hier nicht wirklich was beitragen - außer es ist jemand hier Experte für Atomwissenschaften, aber selbst dann würde sie wahrscheinlich auch nicht hier sein sondern in Japan wink.gif

Den Atomausstieg in D setze ich nun nicht unbedingt mit Japan gleich - weil Tschernobyl (und lange vorher Hiroshima) schon zeigte, was Atomenergie für Schäden und Gefahren hat. Japan hat nun eine derzeitige Protestwelle hervorgerufen die, leider, wahrscheinlich wieder verebben wird, wenn es aus den Köpfen verschwunden ist.

Was Libyen angeht - stagniert es bei mir derzeit irgendwie. Allerdings geht der "Flächenbrand" ja weiter. Ich finde es weiterhin bedrohlich, bin inzwischen jedoch erleichtert, dass D sich raushält, die Nato übernommen hat. Krieg ist es weiterhin, v.a. von Frankreich wird er ja geführt - aber nun nicht mehr unter einem "Deckmantel".
Auch das beunruhigt mich weiterhin, bin aber wohl wieder mehr hier angekommen.
Wahrscheinlich gibt es einfach irgendwann, bei mir, eine Überfrachtung die ein Stimmungsmäßiges Auspendeln zur Folge hat.

Trotzdem bin ich froh und dankbar, dass ich von Euch ebenfalls Stimmungen/Meinungen und Gefühle hab hören dürfen.


Geschrieben von: sonnenstrahl am 29.Mar.2011 - 19:20

(Ich habe die Flut der Beiträge nach dem Eingangs-Post nur überflogen, und gehe daher hiermit nur auf diesen ein)

Bin ich beunruhigt?

???


Ich habe in den letzten Wochen wieder einmal festgestellt, dass es Ereignisse gibt, die mich persönlich unruhiger, wütender, fassungsloser, hilfloser machen als andere Ereignisse.

So abgebrüht es vielleicht zunächst klingen mag:
Kriege, diese Kriege der letzten Jahre, wo auch immer sie stattfanden, fühlen sich für mich eher wie etwas an, was zwar entsetzlich klingt ... aber weit weg ist. Mein Verstand nimmt wahr: Da sterben Menschen gewaltsam. Und mein Land ist irgendwie - handgreiflich oder geschäftlich - daran beteiligt. Eine Instanz in mir verurteilt jeden Krieg. Gefühlsmäßig erreicht es mich nur peripher. Es triggert sozusagen nichts in mir, was zur Zündung bereit liegt.

Ich registriere also: Immerzu bekämpfen sich irgendwo auf der Welt Menschen im mehr oder weniger großen Stil unter Einsatz von tödlichen Waffen.
Denke: So war es bereits vor Jahrtausenden.
Ja, Scheiße.
Menschen kommen, Menschen gehen. Menschen kommen. ...
Manche leiden. Andere triumphieren.
Manchmal wendet sich das Blatt.
Manchmal nicht.
Es gibt viel Ungerechtigkeit.
Nicht immer zu meinen Ungunsten, z.T. ob ich will oder nicht.
Das ist der Lauf der Welt.

Würde der Krieg vor meiner Haustür oder gar in dem Haus, in dem ich lebe stattfinden, würde er mich sicherlich massiv beuinruhigen.
So wie es momentan ist, entrüstet es mich - gelegentlich.
Hier und da spende ich was - an medica mondiale z.B.

Natürlich wünschte ich, die Welt wäre friedlicher, alle Menschen gingen achtsam miteinander um, alle wüssten, wie sie ihre aggressiven Impulse in Kreativität umsetzen statt in Killerei, und Profitgier würde sich in Liebe zum Leben wandeln.
Es ist jedoch wie es ist.



Ähnlich geht es mir mit Naturgewalten und den menschlichen Katastrophen, die durch diese ausgelöst werden.
Es gibt sie nun mal.
Es hat sie seit jeher gegeben.
Bis jetzt hat mich keine persönlich betroffen, und mein Leben, sowie das Leben um mich herum geht weiter.


Ich habe mich sehr bewusst vor ca. 30 Jahren gegen das Vorhandensein eines Fernsehapparates in meinen privaten 4 Wänden entschieden.
Denn ich weiß: Ich bin alles mögliche - aber eben nicht abgebrüht.
Bilder, Musik, Gerüche können mich z.T. wochen- wenn nicht monatelang begleiten und beeindrucken.
V.a. was Bilder angeht, sorge ich deswegen dafür, dass ich mir manches erspare, was mich erstarren lassen könnte. Was ganz und gar nicht bedeutet, dass ich mich der Thematik von Krieg, Grausamkeit, Gewalt, Zerstörung ... verschließe. Im Gegenteil.

Seit über 20 Jahren arbeite ich therapeutisch, und seit Ende der Neunziger zunehmend mit traumatisierten, verängstigten, erstarrten, verstörten Menschen. Etliche von ihnen haben hier oder anderswo Krieg(e) erlebt, und/oder sind mit Eltern, Großeltern, Vertrauenspersonen aufgewachsen, die kriegstraumatisiert waren oder sind. Wahrscheinlich könnte ich ihnen nicht weiterhelfen, wenn ich mich allzusehr vom Schrecken in der Welt absorbieren ließe.
Ich geh dem aus dem Weg, was meinen Fluss vorübergehend stocken lassen könnte. Soweit es mir möglich ist. Denn ich möchte diesen Fluss, diese fließende Energie für mein Leben zur Verfügung haben. Und für das, was ich bewegen bzw. bewegen helfen kann.
Nur so ist mir jede Menge einfühlende aufbauende Begleitung und Unterstützung dieser Menschen möglich - weil ich in der Regel nun mal nicht mitleide und mich nicht lähmen lasse.



Ganz anders als das eben Beschriebene erlebe ich menschlich herbeigeführte Umweltkatastrophen:

Seien es durch die Blumenindustrie komplett verseuchte Lanstriche und Gewässer in Afrika und Mittel- und Südamerika. Sei es das größte Süßwasserreservoir der Erde - der Baikalsee - das mit Gift aus der Zellulosefabrikation verseucht worden ist - und weiter verseucht wird.
....
Ich weiß um ölverseuchte Meere. Um Unmengen von Plastikmüll und dessen Zersetzungsteile in den Ozeanen. Ich weiß: Tier- und Pflanzenarten sterben aus - weil Menschen ihren Lebensraum zerstören. Der Super-GAU von Tschernobyl wird noch lange - sehr sehr lange - lebensbedrohend, lebensvernichtend, lebensumbauend nachwirken.
Und nun Fukushima. ...
Bröckchen für Bröckchen trudelten Informationen darüber in mein normalerweise gut filterndes Bewusstsein. Über´s Radio. Über die Presse. Über Gespräche. Über den stummen, bewegte Bilder servierenden Bildschirm in der Deckenecke "meiner" napoletanischen Espresso-Bar.
"Hast du schon gehört ...?"
Mir ist der Atem gestockt.
Und ich habe sofort einen unbändigen Schmerz, eine unbändige Wut in mir gespürt.
Es ging mir durch und durch.
Das ist für mein Empfinden nicht weit weg.
Das erreicht mich unmittelbar.
Sowas geht ziemlich ungefiltert durch.
Es haut mir persönlich in den Magen. Wummmm!
Es bedroht mich persönlich.
Es ist, als würde man mir ins Bein schießen.
Denn diese Erde, die da für Jahrzehnte, Jahrhunderte, vielleicht für immer von uns sukzessive kaputt gemacht wird - das ist das Ganze. Das sind nicht nur einzelne ihrer Zellen, die absterben und durch neue ersetzt werden - wie wenn Menschen oder Tiere sich gegenseitig umbringen, wie sie es nun mal tun. Oder wie wenn eine Kuh einen Haufen Gras wiederkäut und verdaut und guten Dünger kackt.
Das ist kein Kreislauf mehr.
Noch nichtmal mehr ein grausamer, beschleunigter Kreislauf.
Jedenfalls nicht, solange ich meinen Blickwinkel aus der Sicht einer Erdbewohnerin beibehalte.
Das ist - verdammt nochmal - der Ast, auf dem ich sitze! Der einzige bewohnbare Ast weit und breit.
Der knirscht und wackelt.
Und es ist nicht nur der Ast, auf dem ich sitze: Es ist alles. Ich bin ein Teil von dieser Erde. Und sie ist ein Teil von mir.

Vielleicht sieht die Große Grundgütige das von ihrer kosmosumfassenden Warte aus anders.
Klar, was ist unser kleiner blauer Planet schon angesichts des ganzen unendlichen Universums ... ?

Was sind wir Menschen schon angesichts des ganzen Universums ... ?
Aber ich bin nun mal einer!
Zumindest auch.
Und ich will leben!
Hier! Jetzt!


Und nun?

Ich lebe.
Hier. Jetzt.

Nein, ich bin nicht erstarrt. Das war nur einen Moment lang so.
Ich habe mich sehr bald ausgetobt. Mir den Schock vom Leib geschüttelt.

Und dann habe ich weiter gelebt. Weiter meine Arbeit getan.
Ich war auf keiner einzigen Mahnwache oder Demo bis jetzt, weil ich am ersten Wochenende lieber in Ruhe spazieren gegangen bin, und mich von der Woche erholt habe. Und am vergangenen Wochenede hatte ich eine Fortbildung.
Ich war mit dem Herzen dabei.
Selbstverständlich.

Mehr noch als das verbinde ich mich täglich und stündlich und so oft es irgend geht bewusst mit allem, was lebt und schwingt. Das tu ich sowieso. Ob nun grade irgendwo ein AKW explodiert oder nicht. Aber nun tu ich es erst recht.
Ich schenke meinem erweitertzen Organismus - der Erde mit all ihren Bewohnern, meinen schuppigen, haarigen, blättrigen, samigen und auch menschlichen Geschwistern sozusagen - meine volle, wache und liebevolle Aufmerksamkeit. So gut es mir im jeweiligen Moment gelingt. Ich spüre hin. So, wie ich es mit meinem Körper tu, wenn er sich mit Schmerzen oder Niesanfällen oder was auch immer meldet.

Das ist das, was ich seit Jahren versuche, meinen Patienten beizubringen:
"Hör hin, was dein Körper dir sagen will. Sei einfach da. Setz dich im Geiste zu ihm - wie zu einem kranken Kind. Lausch einfach. Ohne verändern zu wollen. Ohne zu beurteilen. Ohne zu analysieren. Fühl einfach mit. Sei bei dir. Das ist es, was dein Körper von dir will.
Sei einfach da.
Lass deinen Körper spüren, dass du für ihn da bist."

Sei bei dir ... das kannst du letztlich nicht, ohne zugleich bei allem zu sein.


Lass deinen Mitmenschen spüren, dass du ihn wahrnimmst.
Lass die Erde spüren, dass du dich ihr zuwendest.
Sei einfach da.
Ganz still.
Nimm wahr.

Ja, das tu ich. So gut ich kann.

...



So geh ich damit um.





Und ich bin immer noch froh darüber, dass bei mir zuhause keine Schreckensbilder über den Bildschirm laufen.

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