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Beitrag
#1
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Gut durch ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 1.112 Userin seit: 14.09.2007 Userinnen-Nr.: 4.995 ![]() |
« Leaving the life » von Ann E. Menasche handelt nicht, wie es der Titel auf den ersten Blick nahe legt, vom Freitod. Es handelt sich um Interviews von Lesben, die zur Heterosexualität (zurück)gefunden haben.
Das Buch, mir zufällig in die Hände geraten, interessierte mich nicht besonders, nach kurzem Durchblättern wollte ich es schon aus der Hand legen, als mich die Besitzerin des Buches, eine Bekannte, darauf aufmerksam machte, dass 72% der befragten Ex-Lesben als Grund für ihre „Bekehrung“ NICHT die Anziehung zu Männern als Grund angegeben haben. Nein, der überwältigende Teil der Frauen behauptete, es sei der Druck der Umwelt gewesen, die Norm der Gesellschaft, die sie zur Aufgabe ihrer Identität bewogen hat. Ich schwankte zwischen Ungläubigkeit und Entsetzen. Immerhin waren die Interviews in den 90er Jahren geführt worden, und nicht etwa in den obskuren fünfziger oder sechziger Jahren, und es handelte sich bei den Interviewten um Amerikanerinnen. Mir als Sandkastenlesbe, die ihre Sexualität immer frei und sehr glücklich ausgelebt hat, kam es immer absolut unverständlich und absurd vor, wie jemand seine Gefühle von seiner Umwelt reglementieren und kontrollieren lassen konnte. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, lehnte ich es ab, mir das Buch auszuleihen. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, ich war im beruflichen Stress und wollte lieber etwas Vergnüglicheres lesen. Und überhaupt war all dies zu seltsam und zu weit weg, es betraf niemanden, den ich kannte. Einige Wochen später erfuhr ich vom Selbstmord einer meiner Exen. Ich hatte seit Ewigkeiten keinen Kontakt mit ihr, wusste, dass sie vor paar Jahren einen Mann geheiratet hatte und hatte damals darüber kopfschüttelnd gelacht. Es sah ihr nicht ähnlich, aber ich hatte mir darüber keine Gedanken gemacht. Menschen können sich ändern, ich hatte keinen Kontakt mehr mit ihr und überhaupt… das Leben ist eben kein gerader, ruhiger Fluss. Die Details ihres Freitods waren schockierend. Weder ihr Mann noch ihre Freunde wussten, dass sie depressiv war. Alle schienen von allen Wolken zu fallen, als sie erfuhren, dass er lange und sorgfältig im Voraus vorbereitet worden war. So sorgfältig, dass sie erst zwei Wochen nach ihrem Tod gefunden wurde, vom Hund eines Spaziergängers. Sie hatte mich immer angerufen, als es ihr schlecht ging. Als wir uns aus den Augen verloren, schien diese Rolle niemand übernommen zu haben. Nachdem ich das genaue Datum ihres Todes rekonstruiert hatte, erinnerte ich mich, dass ich in den Wochen zuvor öfter seltsame Anrufe erhalten hatte. Wenn ich mich meldete, hörte ich jemand am anderen Ende der Leitung atmen und dann rasch auflegen. Es ging Wochen lang so und schließlich hob ich nicht mehr ab, wenn die Nummer unterdrückt war. War sie es? Höchstwahrscheinlich, meine Festnetznummer ist seit Jahren die gleiche geblieben, und niemand sonst hatte Anlass zu diesem seltsamen Verhalten. Nun, ich konnte nichts Näheres über die letzten Jahre und Monate ihres Lebens erfahren, außer dass sie ihrem Mann und ihrer Umgebung in der heimatlichen Kleinstadt fremd geblieben war. So fremd, dass sie niemandem einen Brief hinterlassen hatte. Ich hatte auch erfahren, dass ihre Mutter schon lange auf eine standesgemäße und heterosexuelle Heirat gedrängt und sie mit ihrer (eingebildeten?) Krankheit erpresst hatte. Dass meine Ex meinen Weggang (dies ist mehr als zwei Jahrzehnte her) nie verwunden und dass ihre Mutter mich als das Paradebeispiel weiblicher Wankelmütigkeit hingestellt und dagegen die männlich Standhaftigkeit gelobt hatte. Nun, ihr sagt euch vielleicht, wozu noch über all dieses vergeudete Leben schreiben. Ich weiß es selbst nicht. Schuldig fühle ich mich nicht, oder zumindest nicht wirklich. Es schmerzt mich aber, dass sie, eine intelligente, interessante Frau, sich derartig von den herrschenden Normen verbiegen, am Ende sogar von ihnen hatte brechen lassen. Und im Zusammenhang mit „Leaving the life“ frag ich mich, ob sie jemals als offizielle Hete glücklich gewesen war. Und wenn diese 72% der unglücklichen Ex-Lesben auf Deutschland (zum Beispiel) übertragbar sind, sind vielleicht viele der jetzt so hoch gepriesenen freien Bisexuellen oder Neu-Heten viel weniger frei, als wir denken. Dies nur als Gedanke, nachdem hier öfter mal über die intoleranten Lesben und über die universale Bisexualität, die ganz bestimmt in jedem von uns schlummern müsse, geschrieben wurde. Das Schreiben hat nun doch gut getan. edit: -zig Fehler Der Beitrag wurde von malene bearbeitet: 30.Oct.2011 - 13:19 |
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Beitrag
#2
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don't care ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Admin Beiträge: 34.734 Userin seit: 21.01.2005 Userinnen-Nr.: 1.108 ![]() |
Vermutlich werden es inzwischen weniger sein - aber ich kann mir schon vorstellen, dass manche Menschen es einfach nicht dauerhaft aushalten, sich "anders" zu fühlen und dass unter sogar denselben oder vergleichbaren Umständen die Einen ganz fröhlich sie selbst sein können und die Anderen das nicht schaffen. Und unter wirklich schlimmen Umständen, unter viel Druck, unter Gewalt vielleicht oder aufgrund der restriktiven Haltung "wichtiger" Menschen mag sich diese Last noch deutlich schwerer anfühlen. Am Allermeisten hat das aber wohl gar nicht mit den Erfahrungen in einer heteronormativen Gesellschaft zu tun, sondern mit dem eigenen, ganz persönlichen Empfinden dafür, ob es OK ist, zu sein wie mensch eben ist. Ob das Berechtigung hat, ob "anders" gleich auch als "schlechter" wahrgenommen wird oder ob klar ist, dass alle Menschen "gleich und anders zugleich" sind. Frauen mit einem positiven Selbstbild und Selbstbewusstsein werden vermutlich weniger stark auf negative Erlebnisse reagieren als solche, die sich eh schon als "verkehrt" wahrnehmen und denen das Gefühl dafür fehlt, dass sie ein Recht darauf haben, so zu sein und zu leben wie sie es wollen und fühlen. (IMG:style_emoticons/default/thumbsup.gif) Mir fällt dazu das Frauenpaar ein, das in einem kleinen, hochkonservativen Dorf im Sauerland völlig geoutet ist und einen Laden für Nutz- und Haustierbedarf führt. Der Laden wird angenommen, trotz Alternativen. Da die beiden mit ihrer Partnerschaft in einer Weise umgehen, die der Dorfgemeinschaft als "völlig normales Paar" vorkommt, werden sie akzeptiert. Vielleicht tuschelt der eine oder andere, aber sie haben dadurch, soweit ich sehe, weder einen gravierenden wirtschaftlichen noch sozialen Nachteil. Und dann war da noch die Mitschülerin, die seit zehn Jahren fröhlich im Schrank lebt, obwohl sie ansonsten eigentlich immer recht laut ihre Dinge vertreten konnte... Und sich damit langsam, aber sicher in eine mittelschwere Depression manövriert, sofern sich das aus der Ferne wahrnehmen lässt. Was nützt es sich selbst anzunehmen, wenn die Gesellschaft mitteilt, dass es unerwünscht ist. Man entwickelt mit der Zeit eine verbissene Freude an dem, was eine glücklich macht. Man wird unabhängiger. Man entwurzelt zwar ein wenig, findet aber recht einfach Gleichgesinnte - irgendwo bestimmt. Allein dieses Gefühl "wir gegen den Rest der Welt" - man könnte danach süchtig werden. Ein Stück weit habe ich das so erlebt, weil nicht nur mein lesbisches, sondern auch mein modefernes, Mathe-affines und comicbegeistertes Selbst mich in ziemliche Nischen getrieben haben. An einem gewissen Punkt war es seltsam, in einem Aspekt zum Mainstream zu gehören... Man gewöhnt sich daran (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) Nicht alles, was wir befürchten, muss auch so eintreten. Und ganz oft ist das, was wir erwarten, fürchten und in unserer Angst zusammenphantasieren, nicht deckungsgleich mit dem, was real passieren würde, wenn wir einfach und deutlich dazu stehen würden. Aber es macht Angst. Und Angst macht unfrei. Und wenn ein Mensch unfrei ist, wirkt er auch angreifbar. Und wird angegriffen, womit sich der Kreis wieder schließt, weil das Gefürchtete eingetreten ist und die Angst bestätigt hat. (IMG:style_emoticons/default/thumbsup.gif) Nichts ist so schlimm wie Angst, und manche erleben die Aussonderung, die Anderssein mit sich fühlt, als schwerwiegende Katastrophe. Manche verstehen sie als Abschied von den Menschen, die nicht mit einer klarkommen, und dem Freiwerden von Kapazitäten für andere Menschen, die mit einer klarkommen. Höchstwahrscheinlich eine Frage des Typs, aber auch der rechtzeitigen und passenden Initialzündung. |
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Vereinfachte Darstellung | Aktuelles Datum: 08.05.2025 - 16:23 |