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Die gute alte Küche - in neuem Gewand _ Coming-out und andere LesbenLebenslagen _ Vor Schmerz schützen?

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 09:25

Hallo, die Damen.

http://www.lesbenforen.de/iv/index.php?showtopic=11401&st=0&#entry1094850763 stammt diese Aussage von mandelbäumchen, die ich zum Anlass nehmen möchte, um mit Euch in den Austausch darüber zu treten, ob und in welcher Form Ihr möglicherweise schmerzhaften Erfahrungen ausweicht, Euch ihnen durch Entscheidung entzieht oder ob Ihr eine solche vielleicht in dem Bewusstsein trefft, dass Schmerz zum Leben gehört, Euch weiterbringt auf Eurem persönlichen Weg und ein, wenn auch unwahrscheinliches, "gutes Ende" das Risiko wert ist, vermutlich "auf die Nase zu fallen".

QUOTE

Und gelegentlich tut's weh, und am Ende kommt doch etwas Gutes dabei heraus, wenn auch vielleicht nicht das Erwartete. Mit mehr Übung und Erfahrung umso öfter.

Letztendlich sind es die vertanen Chancen, die am schwersten wiegen. Das ist zumindest meine Erfahrung.

Um es mal ganz flapsig auszudrücken: Leben tut gelegentlich heftig weh, so what?  wink.gif


Ich selbst bin nicht sehr risikobereit, wenn mir auch klar ist und ich in dem Bewusstsein lebe, dass Schmerz durchaus Bestandteil des Lebens ist. Allerdings versuche ich, wenn ich erkenne, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Schmerz die Freude überwiegen wird oder nach einer bestimmten Entscheidung unausweichlich kommen wird, mich gegen diesen Weg zu entscheiden, wenn es in meiner Macht liegt.

Wie ist das bei Euch?

Ich freue mich darauf, von Euren Erfahrungen zu lesen,

Viele Grüße,


shark





Geschrieben von: Alfalfa am 18.Jun.2008 - 09:29

hallo shark

wenn ich auf den unterstrichenen Thread klicke offnet sich ein Zitatfenster und kann gleich einen Beitrag schreiben

kann es sein das du einen falschen Link gesetzt hast?

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 09:30

Ja, ich verbessere das sofort. Der Fehler ist wegen des Zitierens entstanden. Danke für den Hinweis.

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 09:36

Also diese Aussage kann man ja auf alles mögliche beziehen,auf Partnerschaft,oder Familie,oder Freundschaften....ich denke dass ist auch so allgemein gemeint,oder?

Also ich bin durch viele Schmerzen gegangen um für mich klar zu haben,dass eine Person in meinem Leben nur darauf bedacht ist mir Steine zwischen die Füße zu schmeißen und mir weh zu tun.... Hätte ich das früher für mich klar gehabt,hätte ich schon viel früher einen Strich darunter gezogen um mich dem nicht weiterhin auszusetzen...
Es gehört bestimmt dazu,zum Leben,auch mal negative Erfahrungen zu machen,aber wenn ich das vorher weiß,dass ich dabei nur - für mich und mein Leben - verlieren kann,dann muß ich mich dem nicht unbedingt aussetzen,denn es werden im Leben noch genug Situationen kommen,wo ich das nicht von vornherein weiß und reinschlittere...
Ich denke es wird im Leben noch genug Situationen geben wo ich sagen werde "ja,manchmal tut das Leben weh".....also kann ich den Situationen oder Menschen aus dem Weg gehn,wo ich das weiß,dass sie so sind - um mich zu schützen....

Ich hoffe das war jetzt nicht am Thema vorbei und ich habe das richtig verstanden...


Geschrieben von: sonnenstrahl am 18.Jun.2008 - 09:38

Sehr spannendes, wie ich finde wichtiges Thema. Ich war auch schon kurz davor, was zu dem o.g. Zitat zu schreiben. Jetzt muss ich allerdings erst mal zur Arbeit - aber ich werd einstweilen (mal wieder) wohl drüber nachdenken ...

Geschrieben von: Nordlicht am 18.Jun.2008 - 09:40

Ich bin ein Bauchmensch smile.gif

Entscheidungen treffe ich (fast) immer aus dem Bauch heraus. Dabei riskiert frau allerdings auch so mache Fehlentscheidung, manchen Schmerz. Aber den nehme ich dann gerne auf mich.

Hätte ich so manche Dinge vom Kopf her entschieden, wäre ich zwar um einigen Schmerz ärmer, aber auch um manch schöne Erfahrung. Deshalb...ich würde jederzeit den schmerzvolleren Weg gehen, wenn er auch Schönes birgt. Durch ihn findet ja auch immer ein Lernprozess statt, der für Lebensentscheidungen unter Umständen wichtig sein kann smile.gif

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 09:42

@Nordlicht

Also ich bin auch ein Bauchmensch....und zwar durch und durch....aber trotzdem muß ich mir nicht "absichtlich" weh tun....
Finde ich...

Geschrieben von: Nordlicht am 18.Jun.2008 - 09:46

Leah, nein, absichtlich würde ich mir auch nicht weh tun, aber bei manchen Entscheidungen lässt es sich vorher ja nicht abschätzen, ob es schmerzvoll wird oder nicht. Eine Bauchentscheidung treffen heisst doch auch immer, ein kleines Wagnis eingehen....mit dem Kopf entscheiden heisst, vorher alle Risiken ausschliessen, soweit sich das vorhersehen lässt. Ich möchte mir natürlich auch nicht unnötig Schmerz zufügen, aber bei einer Bauchentscheidung gehe ich doch ein größeres Risiko dessen ein wink.gif

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 09:46

Ja, Leah, Du hast das richtig verstanden.
Mir ist beim Lesen des anderen Threads einfach aufgegangen, dass das, was ich für unabdingbar halte (nämlich ziemlich sicher voraussehbaren Schmerz durch Entscheidung zu vermeiden), womöglich nicht "der Weisheit letzter Schluss" sein könnte. Ich vermeide damit ja auch eine Erfahrung, die vielleicht wichtig für meine persönliche Entwicklung wäre und nehme mir selbst die Möglichkeit, an dieser Erfahrung zu wachsen... gruebel.gif

Eigentlich sehe ich es so wie Du...
Wenn ich kann, vermeide ich Schmerz - weil ich denke, dass Freude, Glück, Zufriedenheit erstrebenswerter ist. Aber ich weiß auch, dass mich großer Schmerz in der Vergangenheit mir selbst näher gebracht hat, ich viel lernen konnte daraus.

Und ich denke gerade auch an einen Beitrag von DTaM im http://www.lesbenforen.de/iv/index.php?showtopic=5207&st=40&#entry1094849899, in dem der Satz "Wir bekommen nicht, was wir wollen, sondern was wir brauchen" zu lesen ist...

Brauchen wir manchmal schmerzhafte Erfahrungen, auch wenn wir sie absehen können? Oder sind wir, wenn wir erkennen, dass Schmerz durch eine bestimmte Entscheidung zu erwarten ist, schon "weiter"?

Geschrieben von: ToBeAnnounced am 18.Jun.2008 - 09:47

Mir ist dieser Satz von @mandelbäumchen gestern auch aufgefallen, und so ein bisschen hat er mich auch zum Nachdenken gebracht.

Wobei damit wohl weniger der körperliche Schmerz gemeint war. Den suche ich nämlich irgendwie sogar, beim Footballspielen geh ich immer direkt und volle Kanne rein, beim Biken kanns gar nicht lang und steil genug sein, beim Joggen will ich nicht wegen ein oder zwei schmerzender Blasen aufgeben... So Sachen.

Aber seelischer Schmerz ist da was ganz anderes. In letzter Zeit stelle ich immer mehr fest, dass ich davor davonlaufe, bzw versuche mich nicht den Situationen auszusetzen, die solchen Schmerz hervorrufen könnten. Sprich, ich versuch bestimmten Leuten, die mein Herz zerrissen haben, auszuweichen, obwohl ich sie vermisse. Geh nicht auf Parties, auf die ich extrem gern gehen würd, weil ich weiß dass diejenige dort ist & ich nach dem Hochgefühl der Party wieder wochenlang nicht davon wegkomme.
Oder, andere Baustelle, ich hab den Kontakt zu meinem Bruder vor kurzem mal für Wochen komplett aufgegeben, weil ich mit seinem Lebenswandel nicht klarkomme. Bei jeder Meldung von einem Autounfall oder einer Schlägerei oder versuchtem Selbstmord hatte ich Angst, dass er darin verwickelt ist, und ich hatte Alpträume Ende nie. Weil Zureden schon die letzten Jahre nichts genutzt hat, hab ich auch hier die Notbremse gezogen, weil ich diesen zusätzlichen Schmerz zu dem Zeitpunkt einfach nicht mehr ertragen hätt.
Und solche Begebenheiten häufen sich in letzter Zeit.

Und ich stell mir auch immer die Frage: versäume ich durch das Ausweichen, Verstecken nicht auch etwas? Geht nicht das halbe Leben ungelebt an mir vorbei? Die Antwort ist leider: natürlich tut es das.
Aber es ist so schwer, zu unterscheiden zwischen Schmerz, der dann von den guten Dingen aufgewogen wird; und Schmerz, dem man sich unsinnigerweise/unnötigerweise aussetzt. So wie @Leah gemeint hat: es werden noch soviele Situationen kommen, in denen der Schmerz nicht vorhergesehen wird, dass ich dem, den ich weiß, doch ausweichen kann.


Aber man kann alles übertreiben, und ich befürchte dass ich jetzt schön langsam soweit bin.

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 09:48

QUOTE (Nordlicht @ 18.Jun.2008 - 10:40)


Entscheidungen treffe ich (fast) immer aus dem Bauch heraus. Dabei riskiert frau allerdings auch so mache Fehlentscheidung, manchen Schmerz. Aber den nehme ich dann gerne auf mich.

Hätte ich so manche Dinge vom Kopf her entschieden, wäre ich zwar um einigen Schmerz ärmer, aber auch um manch schöne Erfahrung. Deshalb...ich würde jederzeit den schmerzvolleren Weg gehen, wenn er auch Schönes birgt. Durch ihn findet ja auch immer ein Lernprozess statt, der für Lebensentscheidungen unter Umständen wichtig sein kann smile.gif

Das hatte ich gemeint, Nordlicht. thumbsup.gif


Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 09:56

QUOTE (ToBeAnnounced @ 18.Jun.2008 - 10:47)


Oder, andere Baustelle, ich hab den Kontakt zu meinem Bruder vor kurzem mal für Wochen komplett aufgegeben hab, weil ich mit seinem Lebenswandel nicht klarkomme. Bei jeder Meldung von einem Autounfall oder einer Schlägerei oder versuchtem Selbstmord hatte ich Angst, dass er verwickelt ist, und ich hatte Alpträume Ende nie. Weil Zureden schon die letzten Jahre nichts genutzt hat, hab ich auch hier die Notbremse gezogen, weil ich diesen zusätzlichen Schmerz zu dem Zeitpunkt einfach nicht mehr ertragen hätt.


Danke TBA. smile.gif
das kenne ich auch - bei mir gehts um meine Schwester dabei und um ihr Verhältnis zu meiner Mutter... Lange habe ich versucht, zu vermitteln zwischen den beiden: ohne Erfolg. Und nun habe ich beschlossen, dass ich, wenn ich schon nichts tun kann, um die Situation für alle angenehmer zu machen, wenigstens für mich selbst sorgen muss. Der Kontakt zu meiner Schwester hatte ich eine Zeitlang ganz abgebrochen und inzwischen ist es so, dass ich zwar ab und an mit ihr telefoniere, ihr aber auch klar gemacht habe, dass es Themen gibt, die ich mit ihr nicht mehr besprechen will. Zu meinem Schutz.
Das bedeutet zwar, dass wir nicht mehr so unbefangen miteinander umgehen können, was ja auch schmerzt, aber auch, dass ich mich mit einem bestimmten Schmerz nicht mehr auseinandersetzen muss.
Ich habe abgewogen...
Und genauso habe ich es mit anderen Menschen/Beziehungen/Umständen gemacht: wenn ich weiß, dass ich leiden werde, breche ich Kontakte/Aktivitäten ab.

Du schreibst: "Aber es ist so schwer, zu unterscheiden zwischen Schmerz, der dann von den guten Dingen aufgewogen wird; und Schmerz, dem man sich unsinnigerweise/unnötigerweise aussetzt"

Das geht mir auch so...


shark


edit: wieder mal eine Menge fehlender Vokale...

Geschrieben von: Liane am 18.Jun.2008 - 10:01

Ein sehr kluger Mensch, dem ich viel verdanke, hat einmal gesagt "Man kann nicht nur das Schöne erleben. Wenn man sich dem Schmerz verweigert, kann man auch das Glück nicht empfinden." (vermutlich nicht wortwörtlich wiedergegeben).
Das war in einem etwas anderen Zusammenhang gemeint, es ging um Gefühle, die bereits in einem stecken durch früher Erlebtes. Aber ich denke, es passt trotzdem hierher. Wenn ich ständig mit halbem Fuß auf dem Bremspedal lebe, dann kann ich nicht zur selben Zeit das Glückspedal voll bedienen.

Ich denke, wie weit frau von der Bremse herunter kann, hängt von den Lebensumständen ab. Manchmal ist man stark genug, Negatives zu erleben, manchmal muss man sich schützen und sich vor allem (Schmerz, aber dadurch auch Freude) abschirmen.

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 10:04

QUOTE (shark @ 18.Jun.2008 - 09:46)
Ja, Leah, Du hast das richtig verstanden.
Mir ist beim Lesen des anderen Threads einfach aufgegangen, dass das, was ich für unabdingbar halte (nämlich ziemlich sicher voraussehbaren Schmerz durch Entscheidung zu vermeiden), womöglich nicht "der Weisheit letzter Schluss" sein könnte. Ich vermeide damit ja auch eine Erfahrung, die vielleicht wichtig für meine persönliche Entwicklung wäre und nehme mir selbst die Möglichkeit, an dieser Erfahrung zu wachsen... gruebel.gif

Eigentlich sehe ich es so wie Du...
Wenn ich kann, vermeide ich Schmerz - weil ich denke, dass Freude, Glück, Zufriedenheit erstrebenswerter ist. Aber ich weiß auch, dass mich großer Schmerz in der Vergangenheit mir selbst näher gebracht hat, ich viel lernen konnte daraus.

Und ich denke gerade auch an einen Beitrag von DTaM im http://www.lesbenforen.de/iv/index.php?showtopic=5207&st=40&#entry1094849899, in dem der Satz "Wir bekommen nicht, was wir wollen, sondern was wir brauchen" zu lesen ist...

Brauchen wir manchmal schmerzhafte Erfahrungen, auch wenn wir sie absehen können? Oder sind wir, wenn wir erkennen, dass Schmerz durch eine bestimmte Entscheidung zu erwarten ist, schon "weiter"?

Also dazu denke ich,dass Menschen die schon viel ertragen mußten in ihrem Leben....vielleicht irgendwann an einen Punkt kommen,wo sie sagen,dass sie sich schützen wollen/müssen....

Ich bin auch sehr gewachsen an dem was ich erlebt habe...ganz sicher und es ist gut so wie das jetzt für mich ist! Einiges hätte ich mir sicher anders gewünscht,aber ich hatte viele Jahre einen sehr böse Mensch in meinem Leben,der/die mich nur in den Dreck gestoßen hat....ich habe lange gebraucht diese Erfahrung zu verarbeiten....
Nun gehört diese Person nicht mehr in mein Leben und wird da auch nie wieder einen Platz haben....mit dieser Entscheidung habe ich mich geschützt....auch gegen alle Angriffe die jetzt noch kommen,denn sie interessiert mich nicht mehr....

Bei manchen Erfahrungen ist das sicher die Schlußfolgerung,dass man irgendwann im Leben an einen Punkt kommt,wo man sich sagt....okay ich bin daran gewachsen....aber jetzt ist es einfach gut...

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 10:13

Ich denke gerade an Erfahrungen, die sich im Leben von Menschen auf die eine oder andere Weise zu wiederholen scheinen... das immerwiedereinlassen auf einen bestimmten Typ Mensch, der einer noch nie gut getan hat, das immerwiederversuchen von Beziehungen, die einander in wesentlichen Punkten ähneln... Natürlich kann frau da auch sagen "Menschen, Zeiten, Umstände sind anders/können sich ändern" und hat damit nicht unrecht...

Und vielleicht ist noch nicht "zuende gelernt" in diesem Bereich... Oder ist es dann genug, wenn Eine sagt "Das will ich nicht mehr!"? Ist das dann eine innere Entscheidung oder nur der Versuch, sich vor mehr Schmerz zu schützen? Oder beides?

Geschrieben von: Liane am 18.Jun.2008 - 10:17

QUOTE (shark @ 18.Jun.2008 - 11:13)
Und vielleicht ist noch nicht "zuende gelernt" in diesem Bereich... Oder ist es dann genug, wenn Eine sagt "Das will ich nicht mehr!"? Ist das dann eine innere Entscheidung oder nur der Versuch, sich vor mehr Schmerz zu schützen? Oder beides?

Vielleicht hat man dann abgewogen zwischen Freud und Leid - Leid überwiegt in solchen Situation. Die "Kosten-Nutzen-Rechnung" geht nicht auf.
Ich glaube aber, dass wir solche Entscheidungen später auch widerrufen können, je nachdem, wie unser Leben und Fühlen sich verändert hat.

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 10:19

Ich denke dass kann auch eine innere Überzeugung sein....

In Bezihungen hatte ich das auch mal,als ich noch mit Männern zusammen war - ohne zu wissen warum... Es war immer der selbe Typ Mann....man kann mich nicht fragen was ich an diesem Typ Mann fand.... Eigentlich mochte ich ihn gar nicht.... Nach der letzten Beziehung habe ich mir auch gesagt "NEIN,dass kann es nicht sein...."

Danach war ich nicht mehr mit einem solchen Menschen zusammen....ich denke dass man das vielleicht einige Male erleben muß,aber dann irgendwann der Punkt kommt,wo man das aus voller Überzeugung nicht mehr will,weil man auch erkennt,dass da eigentlich nichts liebenswertes ist....dass man sich an einer Illussion festhält...

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 10:26

QUOTE (Liane @ 18.Jun.2008 - 11:17)
QUOTE (shark @ 18.Jun.2008 - 11:13)
Und vielleicht ist noch nicht "zuende gelernt" in diesem Bereich... Oder ist es dann genug, wenn Eine sagt "Das will ich nicht mehr!"? Ist das dann eine innere Entscheidung oder nur der Versuch, sich vor mehr Schmerz zu schützen? Oder beides?

Vielleicht hat man dann abgewogen zwischen Freud und Leid - Leid überwiegt in solchen Situation. Die "Kosten-Nutzen-Rechnung" geht nicht auf.
Ich glaube aber, dass wir solche Entscheidungen später auch widerrufen können, je nachdem, wie unser Leben und Fühlen sich verändert hat.

Das stimmt. Ich war aufgrund mehrerer, ganz mieser Erfahrungen an einem Punkt angekommen, zu dem ich mir sicher war, dass etwas ganz Bestimmtes in einer Beziehung zu einem anderen Menschen nie wieder ohne die sofortige Konsequenz des Beziehungsabbruchs vorkommen durfte. Heute weiß ich, dass ich es mir mit diesem Beschluss zu leicht gemacht hatte und dass es auch andere Wege gibt (was ich natürlich aber auch vorher "wusste", was aber für mich aus eigener Entscheidung und nicht aufgrund von "Erdulden" nie in Frage kam), damit fertig zu werden. Ds hätte ich mir vor ein paar Jahren niemals zugetraut. Aber ob ich mich da weiterentwickelt habe oder ob ich bei der Kosten/Nutzenrechnung bloß auf ein anderes Ergebnis gekommen bin... ich weiß es nicht...

Geschrieben von: Liane am 18.Jun.2008 - 10:40

@shark
Was verstehst Du genau unter der "Weiterentwicklung"?

Für mich ist da nicht so ein großer Unterschied, denn wenn ich mich weiterentwickle, sieht die Kosten/Nutzen-Bilanz auch wieder anders aus.



Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 10:41

Das ist mir auch gerade in den Sinn gekommen...

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 10:45

Ich denke eben,wenn man sich weiterentwickelt,dann merkt man auch was einem gut tut oder was nicht und wenn man dann eine Entscheidung,für sich trifft,die positiver ist,als das was man sonst getan hat....dann hat man wirklich gelernt auf sich und seine Bedürfnisse zu hören.....und vielleicht auch hat man dann ein Stück weit verstanden,warum man vorher so "gegen sich" gearbeitet hat...

Also ich für mich weiß warum das so war....ob ich sonst so denken würde - heute - das kann ich nicht sagen....

Geschrieben von: Mausi am 18.Jun.2008 - 10:47

Hm, vor Schmerz schützen.

Ja - ich tue es, wenn ich es vorraus sehen kann.
Bei bestimmten Typ Mensch weiß ich, wieweit ich gehen kann und inwieweit ich mich darauf einlassen will.
Es gibt einige Typ Menschen, bei denen ich weiß, dass in meinem Leben kein (engerer) Platz mehr ist, aber bestimmte Eigenschaften durchaus ok sind.

Allerdings die Situation aus dem Thread - ich weiß nicht, inwieweit ich da reagieren würde.
Wenn es um Gefühle, Verliebt sein geht ist es nochmal etwas anders. Ich denke da wäge ich ab - bis zu einem bestimmten Punkt - ich setze mir da wohl eine Grenze.
Es war so, dass ich auch in der "Beziehung" zu meiner Ex-"Freundin" sagte "Bis hierhin und nicht weiter" - und sie ging bis dahin - und ich ging nicht weiter - schluss wars - und geschmerzt hat es trotzdem - und wenn sie den Schritt zurück gegangen wäre, weiß ich nicht, wie lange das hin und her gegangen wäre, ob ich nicht auch zurück gegangen wäre. Heute wäre es undenkbar, heute gäbe es aber für mich auch andere Lösungen als zu gehen - so leichtfertig wäre ich bei meiner Frau nicht wink.gif *wär ich ja doof!*

Die letzte wirklich schmerzhafte Erfahrung die ich machte, war bzgl. meiner ehemals besten Freundin - 10 Jahre waren wir befreundet - und von diesen 10 Jahren kann ich 5 wirklich als "vergeudet" ansehen - freundschafstmäßig einfach voll von schmerzhaften Erfahrungen und voll von Mustern aus der Vergangenheit, die sie anrüttelte und ich leider noch drauf ein ging - und in den 10 Jahren fügte sie mir immer wieder den Selben Schmerz zu - mit anderen Darstellern sozusagen.
Jedoch gefangen in einem bestimmten Anspruch und das Offen sein für anderes nicht mehr möglich.

Da brauchte ich lange, um wirklich sagen zu können "Das wars" - und richtig ausgesprochen ist es bis heute nicht - kommt aber noch wink.gif .

Bis ich das so wirklich verarbeitet habe - ich denke bis dahin wird es für mich schwierig sich auf tiefe Freundschaft einzulassen.
Und mit jemanden, die mich an sie erinnert - sowieso nicht.

Was ich sagen will - die Narben aus dem Schmerz den ich erfuhr - sie sind mein Wegweiser zur Schmerzverhütung.
Viele Narben weise ich auf, viele alte - die unter der Oberfläche Bluten und viele die aber eben schon zu sind, wo Narbenschmerzen (wie dandi mal schrieb) aber noch da sind.
Abwägen, was an den Narben Erfahrungsreich war und was eben heute noch Schmerzhaft ist - aber ausweichen, tu ich nur, wenn ich 1. mal kann (nicht auf Arbeit oder so) und 2. wirklich sehe, dass mehrere Punkte in die Selbe Richtung laufen, die eine Verletzung einst auch aufwies.

War das noch verständlich?
Ich bin ein Gefühlsmensch - mit vielen Zweifeln - und doch der Verstand ist noch da um Gefühle zu übertrumpfen - wenn sie nicht zu stark sind.
Und mein Bauchgefühl warnt mich oft, je mehr ich darauf höre um so besser sind die Verletzungen einzugrenzen, und wenn ich nicht darauf höre und mir trotzdem Schmerz zugefügt wird - dann verbuche ich es für mich unter "Selber schuld, ich habs vorher gewusst, hätte ich nur auf mich gehört!" (wenn es wirklich vorhersehbar war) - allerdings passiert es mir heute nicht mehr so oft!

Viele Schmerzen sind auch einfach so "Ich kenne es, kann damit umgehen" und wenn Situationen nicht zu verändern sind - ja gut - dann nehme ich es an - radikale akzeptanz sozusagen wink.gif

edit: wobei der Satz

QUOTE
"Wir bekommen nicht, was wir wollen, sondern was wir brauchen"
eine treffende Wahrheit darstellt - aus der Perspektive, das viele Muster erst durchlebt und entschlüsselt werden müssen, um damit umgehen zu können oder sich zu schützen

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 10:48

Ich schätze, dass meine Denkweise die ist, dass ein Mensch bestimmte Erfahrungen sammelt, um künftig den Schmerz, den er selbst vermeiden kann, rechtzeitig zu erkennen, um ihm entgehen zu können. Dahinter steckt wohl die Idee, dass Schmerz etwas ist, dem man sich nicht freiwillig aussetzt/aussetzen sollte.

Deshalb ist es schwierig und oft unverständlich für mich, wenn ich erlebe, dass Personen, die eigentlich genau wissen, was auf sie zukommen wird, sich trotzdem für den schmerzhaften Weg entscheiden.

Aber seit gestern überlege ich, ob das nicht auch eine ganz bewusste Entscheidung sein kann... nicht eine, die eine Person trifft, weil sie nicht anders kann....

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 10:50

QUOTE (Mausi @ 18.Jun.2008 - 11:47)

Und mein Bauchgefühl warnt mich oft, je mehr ich darauf höre um so besser sind die Verletzungen einzugrenzen, und wenn ich nicht darauf höre und mir trotzdem Schmerz zugefügt wird - dann verbuche ich es für mich unter "Selber schuld, ich habs vorher gewusst, hätte ich nur auf mich gehört!" (wenn es wirklich vorhersehbar war) - allerdings passiert es mir heute nicht mehr so oft!


Das ist bei mir genauso. thumbsup.gif

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 10:51

QUOTE (shark @ 18.Jun.2008 - 10:48)
Ich schätze, dass meine Denkweise die ist, dass ein Mensch bestimmte Erfahrungen sammelt, um künftig den Schmerz, den er selbst vermeiden kann, rechtzeitig zu erkennen, um ihm entgehen zu können. Dahinter steckt wohl die Idee, dass Schmerz etwas ist, dem man sich nicht freiwillig aussetzt/aussetzen sollte.

Deshalb ist es schwierig und oft unverständlich für mich, wenn ich erlebe, dass Personen, die eigentlich genau wissen, was auf sie zukommen wird, sich trotzdem für den schmerzhaften Weg entscheiden.

Aber seit gestern überlege ich, ob das nicht auch eine ganz bewusste Entscheidung sein kann... nicht eine, die eine Person trifft, weil sie nicht anders kann....

Wenn es eine bewußte Entscheidung ist,dann hat das ja einen Selbstverletzungscharakter....und ist nicht wirklich gesund....

Menschen die immer wieder das Gleiche tun....es irgendwie wissen,aber denken nicht anders zu können,haben noch nicht verstanden warum das so ist und ich denke sie wissen noch nicht was sie sich wert sein sollten.... Vielleicht suchen sie irgendwas,ohne es benennen zu können und es ist ihnen selbst nicht klar...so schlittert man unweigerlich immer wieder in ähnliche Situationen....

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 10:54

QUOTE (Leah @ 18.Jun.2008 - 11:51)
QUOTE (shark @ 18.Jun.2008 - 10:48)


Aber seit gestern überlege ich, ob das nicht auch eine ganz bewusste Entscheidung sein kann... nicht eine, die eine Person trifft, weil sie nicht anders kann....


Wenn es eine bewußte Entscheidung ist,dann hat das ja einen Selbstverletzungscharakter....und ist nicht wirklich gesund....


Vielleicht ist es aber auch ein tieferes Wissen um den Gewinn durch schmerzhafte Erfahrung...?

Das frage ich mich gerade...

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 18.Jun.2008 - 11:02

Von einem Tag am Meer wird ja schon recht früh erwartet, dass er schwimmen lernt und so ein hübsches "Seepferdchenabzeichen" ergattert. Ich war allerdings von der ängstlichen Sorte und konnte mich nicht überwinden, vom Beckenrand zu springen. Also hab ich den Bademeister gebeten, mich ins Wasser zu werfen. Für das Abzeichen hat es gereicht - meine Angst bin ich so allerdings nicht los geworden. Schließlich fürchtete ich nicht den möglicherweise schmerzhaften Aufprall sondern den Sprung.

Später hab ich Menschen kennengelernt, die genau umgekehrt "tricksten" und ihr Leben damit zubrachten an Gummibändern in jeden verfügbaren Abgrund zu hüpfen, um ihre Angst vor einem wirklichen Aufprall zu besänftigen. Das hat genauso wenig geklappt wie mein "pseudokühner" Fatalismus.

Deshalb glaube ich mittlerweile, dass im Leben nur zählt, was selbst durchlebt - nicht was berechnet/befürchtet/phantasiert/umgangen/herbeigedacht wurde.

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 11:02

Dann ist es trotzdem selbstverletzendes Verhalten.... Ich tu mir weh um daran zu wachsen???? was.gif

Also gesund is das nicht....


Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 11:05

QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jun.2008 - 12:02)


Deshalb glaube ich mittlerweile, dass im Leben nur zählt, was selbst durchlebt - nicht was berechnet/befürchtet/phantasiert/umgangen/herbeigedacht wurde.

Ich kann nachvollziehen, was Du meinst.

Aber ist nicht vielleicht auch die Erfahrung, etwas nicht zu tun in der Sorge um das eigene psychische oder physische Wohl und dafür eine andere Erfahrung zu machen, ebenso "erhellend"?

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 18.Jun.2008 - 11:16

Glaube ich nicht.
Allerdings kann durch eine (aus Trotz, Verzweiflung oder Angst) getroffenen Vermeidung eine Richtung eingeschlagen werden, die eine wirkliche Alternative zum vermiedenen Schmerz darstellt. Die löst das Problem aber nicht, sondern macht eine Lösung überflüssig, weil sich das Problem dort einfach nicht mehr stellt (was ja wunderbar und nicht hoch genug zu schätzen ist). Andernfalls ist das Problem eh ganz schnell wieder da und macht durch Wiederholung deutlich, dass es gelöst - nicht umschifft werden möchte wink.gif

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 11:19

Und was ist - frage ich provokativ - mit Vermeidung (die dann ja eigentlich eher eine bewusste Entscheidung FÜR einen anderen Weg ist) aus Vernunft, Erfahrung, Einsicht?

edit: Gemeint ist:

"Ich werde nicht warten, bis sich diese Frau die nächste Ausrede dafür ausgedacht hat, weshalb sie ihren Mann jetzt nicht verlassen kann. ich habe schon zuviele Ausreden gehört."

"Ich möchte mein Leben nicht zusätzlich durch diese unerquickliche Freundschaft erschweren - ich brauche meine Kraft für andere Dinge und Schmerz raubt mir diese."

"Ich erkenne ein gewisses Muster im Umgang mit dieser Person und möchte diesem nicht weiter nachgehen."

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 11:21

Ich würde das nicht Vermeidung nennen....ich nenne das Selbstschutz....aber selbst wenn ich schlimme Situationen vermeide....daran ist nichts schlimmes,oder verwerfliches,man achtet auf sich...das ist doch nur positiv zu bewerten!

Geschrieben von: shark am 18.Jun.2008 - 11:25

Ich möchte ja auch gar nichts "bewerten"; einfach verschiedene Wegge nebeneinander stellen, weil ich mireben gewisse Gedanken gemacht habe, die relativ neu für mich sind.

Geschrieben von: charleene am 18.Jun.2008 - 11:26

Eine interessante Dikussion.
Ich versuche, mein Leben nach dem Lustfaktor zu leben. Wenn ich in mir spüre, diese Erfahrung möchte ich leben, dann versuche ich sie zu leben. Vorher berechne ich allerdings alles, was mir passieren könnte. Dann wäge ich ab, hole mir Meinungen von anderen Menschen ein und gehe das Risiko ein. Das Risiko, das mein Bauch wünscht.
Ich denke sonst, vielleicht etwas verpasst zu haben. Nicht ausreichend gelebt zu haben.
So habe ich schon viele Verletzungen empfunden, aber auch sehr viele interessante Menschen und sehr interessante Erfahrungen kennen gelernt.
Aber mit meiner mittlerweile zunehmender "Weisheit", überlege ich mir auch mehr, was andere Menschen für mich wagen, damit ich mein Risiko eingehe. Früher habe ich oft nur auf meine Wünsche geachtet und mich ausprobiert. Mittlerweile möchte ich auch von den Menschen ein Zeichen, dass es sich lohnt...für mich wie auch für sie.

In meiner Berufswelt erlebe ich Menschen, die in vieler Art verletzt worden sind und es trotzdem schaffen, ihr Leben weiter zu leben. Ich bewundere diese Menschen und denke, mit möglichst vielen Erfahrungen bildet sich der Charakter und die eigene Identität aus und macht uns zu den Persönlichkeiten die wir sind.

Es gibt diese interessante Theorie, wo es um den eigenen Sicherheitsbereich geht und die Möglichkeit, diese Komfortzone zu verlassen. Um in eine Risikozone einzutretten. Dann kommt das Gefühl, zu leben...
Danach versuche ich zu leben, nicht nur beruflich sondern vor allem emotional. Ich erinnere mich ab und zu an Verletzungen und schöne Erfahrungen und bin froh, sie eingeganen zu sein. Denn sie machen mich zu der, die ich bin.

Gruß Charleene

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 11:28

Ich verurteile das auch nicht,denn ich habe solche Phasen auch alle durch,es hat einfach lange gedauert,bis ich sie verstanden habe....ich denke es ist ein Lernprozess,den jeder mehr oder weniger erlebt und durch macht....ich denke das bringt das Leben und das älter werden irgendwie mit sich - auch die Gedanken die man sich macht...

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 18.Jun.2008 - 11:30

Mpf ... das kommt davon, erst zu posten und dann zu edieren ... sorry.

Stimmt, ich hatte erst "Entscheidung" geschrieben. In "Vermeidung" geändert hab ich es, weil beim diesem "Entscheiden" vor Augen steht, was NICHT gewollt wird. Frei nach dem Motto der Bremer Stadtmusikanten: Etwas Besseres als den Tod können wir überall finden! Wenn danach die eigentliche Geschichte erst beginnt: Umso besser! Trotzdem entschied sich keines der Tiere für den Traum vom Superstar ... sie sind allesamt ins Ungewisse aufgebrochen.

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 11:33

QUOTE (charleene @ 18.Jun.2008 - 11:26)
In meiner Berufswelt erlebe ich Menschen, die in vieler Art verletzt worden sind und es trotzdem schaffen, ihr Leben weiter zu leben. Ich bewundere diese Menschen und denke, mit möglichst vielen Erfahrungen bildet sich der Charakter und die eigene Identität aus und macht uns zu den Persönlichkeiten die wir sind.

Es gibt diese interessante Theorie, wo es um den eigenen Sicherheitsbereich geht und die Möglichkeit, diese Komfortzone zu verlassen. Um in eine Risikozone einzutretten. Dann kommt das Gefühl, zu leben...
Danach versuche ich zu leben, nicht nur beruflich sondern vor allem emotional. Ich erinnere mich ab und zu an Verletzungen und schöne Erfahrungen und bin froh, sie eingeganen zu sein. Denn sie machen mich zu der, die ich bin.

Gruß Charleene

Ich finde auch nicht jedes Risiko bedrohlich,oder gefährlich.....ich mag Risikos....es kommt immer darauf an in welche Richtung sie gehen....


Und Deinen einen Satz finde ich wirklich hervorhebenswert....man kann weiter leben und auch viel Spaß am Leben haben....egal wie viel Mist man erlebt hat....dass ist die Kunst daran....die Kurve zu bekommen....zu merken,dass das Leben trotz allen Widrigkeiten auch viele schöne Seiten zu bieten hat....

edit : Fehler behoben

Geschrieben von: Amelia am 18.Jun.2008 - 11:46

Ich finde es wichtig, zu unterscheiden, ob man sich für etwas entscheidet, obwohl man aus Erfahrung weiß, dass Schmerz damit verbunden sein könnte, oder ob man es tut, weil man den Schmerz sucht. Wie wohl fast alle Menschen habe ich schon eine Menge Schmerz verschiedenster Art erfahren, und wo immer möglich, versuche ich, aus der Erfahrung zu lernen, um denselben Schmerz in der Zukunft zu vermeiden. Ich kann und will mich dadurch jedoch nicht vom Leben abhalten lassen. Ich hatte im letzten Herbst einen üblen Unfall mit dem Fahrrad, aber selbstverständlich fahre ich immer noch Rad, obwohl ich weiß, dass es wieder passieren könnte. Und ich habe wirklich, *wirklich* schon schlimm unter Liebeskummer gelitten, aber ich werde mich trotzdem wieder auf eine neue Beziehung einlassen, wild entschlossen und starrköpfig, in der vielleicht naiven Hoffnung, dass diesmal alles anders sein wird.

Schmerz bewusst zu suchen, um daran zu wachsen, das habe ich, glaube ich zumindest, noch nie getan, und ich bin auch nicht sicher, ob das in dieser Form überhaupt sinnvoll ist. Der Schmerz, den man auf diese Weise findet, ist womöglich nicht derjenige, an dem man wirklich wachsen kann. Vielleicht kann nur der Schmerz, dem wir voller Hoffnung, mit offenen Armen und ohne ihn zu erwarten entgegengehen, uns wirklich verändern und unseren Horizont erweitern.

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 18.Jun.2008 - 12:08

Ihr seid mir einfach zu schnell ... ohmy.gif

Und irgendwie hab ich Schwierigkeiten, die abstrakte Vorstellung einer "Schmerzvermeidung" zu konkretisieren. Wie sehen solche Entscheidungen denn bei Euch praktisch aus?

In meinem eigenen Leben fällt mir eine einzige Situation ein, in der ich mich ganz bewusst gegen den Schmerz und für den ungelösten Knoten entschieden habe. Mittlerweile ist das etliche Jahre her. Ich bereue weder die forcierte Trennung noch den Zeitpunkt. Trotzdem würde ich - beförderte mich eine Zeitmaschine zurück an den Tag der ersten Begegnung - alles ganz genauso wieder tun - auch im Wissen um den Ausgang. Darum hat der Knoten im Tschentuch für mich seine Berechtigung und erinnert mich daran, dass ein Stück von mir in dieser unabgeschlossenen Geschichte hängen geblieben ist.

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 12:13

Also ich kann nicht behaupten alles noch mal genauso machen wollen zu würden...aber darauf kommt es glaube ich auch nicht wirklich an...

Alles was passierte gehört wohl irgendwie zu meinem Leben und hat mich sicher zu dem Menschen gemacht,der ich heute bin!

Den Konflickt,den ich für mich beendet habe,stellt auch im Nachhinein für mich kein ungelöster Knoten mehr dar....denn ich habe ihn für mich gelöst! Vielleicht nicht mit der Person,die es betrifft,aber es war mit ihr nicht zu klären,also habe ich es für mich geklärt,denn man kann bei anderen sicher nichts verändern,sondern nur bei sich selbst...und das habe ich getan...

Auch das Problem das ich früher mit beziehungen hatte,dass konnte ich nur mit mir selber klären und für mich verändern....das hing ja mit meinem verquirlten denken zusammen,was man mit sich machen läßt,wie man sich behandeln läßt - das hat ja einen Ursprung....woher das kommt und warum das so ist...

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 18.Jun.2008 - 12:21

QUOTE (Leah @ 18.Jun.2008 - 13:13)
Den Konflickt,den ich für mich beendet habe,stellt auch im Nachhinein für mich kein ungelöster Knoten mehr dar....denn ich habe ihn für mich gelöst! Vielleicht nicht mit der Person,die es betrifft,aber es war mit ihr nicht zu klären,also habe ich es für mich geklärt,denn man kann bei anderen sicher nichts verändern,sondern nur bei sich selbst...und das habe ich getan...

Wie?

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 18.Jun.2008 - 12:22

QUOTE (Leah @ 18.Jun.2008 - 13:13)
Also ich kann nicht behaupten alles noch mal genauso machen wollen zu würden...aber darauf kommt es glaube ich auch nicht wirklich an...

Worauf kommt es an?

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 18.Jun.2008 - 12:28

QUOTE (Amelia @ 18.Jun.2008 - 12:46)
Vielleicht kann nur der Schmerz, dem wir voller Hoffnung, mit offenen Armen und ohne ihn zu erwarten entgegengehen, uns wirklich verändern und unseren Horizont erweitern.

Ich weiß zwar nicht warum ... aber dieser Satz "fühlt sich an", als würde er ins Schwarze treffen. gruebel.gif

Geschrieben von: Joey am 18.Jun.2008 - 13:13

QUOTE (shark @ 18.Jun.2008 - 11:54)
QUOTE (Leah @ 18.Jun.2008 - 11:51)
QUOTE (shark @ 18.Jun.2008 - 10:48)


Aber seit gestern überlege ich, ob das nicht auch eine ganz bewusste Entscheidung sein kann... nicht eine, die eine Person trifft, weil sie nicht anders kann....


Wenn es eine bewußte Entscheidung ist,dann hat das ja einen Selbstverletzungscharakter....und ist nicht wirklich gesund....


Vielleicht ist es aber auch ein tieferes Wissen um den Gewinn durch schmerzhafte Erfahrung...?

Das frage ich mich gerade...

Hm... und das wird oder mag es gar sein.

Ich selbst habe an mir bemerkt, dass mich das Wissen um einen zu erwartenden Schmerz nicht davon abhält, diesem entgegen zu laufen. In den jeweiligen Situationen kamen und kommen häufig gut gemeinte Ratschläge von Freunden und Bekannten, dass alles nur schlimmer werden und ich auf der Strecke bleiben würde. Warum ich mir das bloß antäte. In solchen Momenten habe ich gern gesagt, dass ich dennoch auf etwas Gutes hoffe. So habe ich einiges an Schmerzen in Kauf genommen, die ich zwar vielleicht erahnen konnte, aber nicht gewollt habe.

Dennoch kann ich im Nachhinein ehrlich zugeben, dass ich diese Entscheidungen ganz bewusst getroffen habe, obwohl ich wusste, dass es ins Auge gehen könnte. Obwohl ich wusste, dass es mich treffen und zu Fall bringen könnte. Und obwohl die Hoffnung sicher nicht so stark und groß war, wie ich es immerzu behauptet habe. Aber es war eben Hoffnung... und das kleine bisschen Hoffnung in mir wollte ich nicht ersticken, indem ich nach meinem Kopf gehandelt hätte und „geflüchtet“ wäre.

Auch, wenn es wehtat und wehtut - ich für mich kann sagen, dass ich daran gewachsen bin und immer noch wachse. Schmerzen sind nicht schön und ich bin auch sicherlich nicht darauf aus, zu leiden. Dennoch sehe ich oft im Nachhinein, dass diese Tränentäler, wenn sie erst einmal überwunden sind, Wunderschönes hinterlassen können.

Mir kommt gerade ein recht treffender Vergleich in den Sinn:
Ich habe es als Kind immer genossen, durch die umliegenden Wälder zu streifen. Viele schöne Ecken, Lichtungen und Waldläufe habe ich erkundet. Ich bin immer die vorgetrampelten und einfachen Wege gegangen, bis ich irgendwann einmal festgestellt habe, dass man noch viel schönere Waldfleckchen entdecken konnte, wenn man sich die Mühe machte, den Trampelpfad zu verlassen und sich durchs Dickicht zu kämpfen.

Der Mensch, der ich heute bin, bin ich nur, weil ich mich auf diese steilen, holprigen und schmerzenden Wege eingelassen habe. Hätte ich einen anderen Weg gewählt, wäre ich einen einfacheren und sicheren Pfad gegangen, würde nun aber vielleicht eine nicht annähernd so schöne Aussicht genießen können.



Ich hoffe, der Vergleich hinkt nicht zu sehr. Fiel mir nur gerade eben ein und passt zu dem, was ich sagen wollte.

Geschrieben von: MrsM am 18.Jun.2008 - 15:28

QUOTE (shark @ 18.Jun.2008 - 10:13)


Und vielleicht ist noch nicht "zuende gelernt" in diesem Bereich... Oder ist es dann genug, wenn Eine sagt "Das will ich nicht mehr!"? Ist das dann eine innere Entscheidung oder nur der Versuch, sich vor mehr Schmerz zu schützen? Oder beides?

Tscha, das kommt davon wenn Frau erst Nachmittags den Thread liest... dann muss sie halt von der ersten Seite zitieren wink.gif ...

Ich denke, manchmal renne ich mit offenen Augen in Situationen, die mir Schmerz zufügen und anschliessend stehe ich da und mache patsch.gif ....
ich kannte es, ich ahnte es, ich habe es trotzdem getan.... das verbuche ich für mich meist unter 'noch nicht zuende gelernt'...
eine Vermeidungsstrategie entdecke ich bei mir häufiger wenn mir etwas Angst macht... da versuche ich mehr, eine Sache zu umgehen... bei Schmerz gelingt mir das weniger, da ich anfangs eher auf mein Herz als auf meinen Kopf höre.... bis zu dem Moment, an dem ich fest stelle.... 'oh, zuende gelernt'... jetzt nicht mehr mit mir und nicht so und dann bitte ohne mich.. unsure.gif

Geschrieben von: LadyGodiva am 18.Jun.2008 - 17:13

Schmerz ist für mich gleichbedeutend mit jedweder Form von bewusst gewordenem Integritätsverlust.
Schmerz ist möglicherweise Erwachsenwerden, Endlichsein - bei jeder Schmerzerfahrung ein Stückchen mehr:
die erste Brandblase zeigt, dass Eisen tatsächlich zu heiß sein können,
der erste Liebeskummer, dass Mutterliebe ein Ideal ist und war,
der erste Trauerfall begräbt auch die eigene Unendlichkeit.

Und damit die glanzäugig-staunende Schönheit des Kindseins - den Glauben an Allmächtigkeit, an Zauberei - und an ein nimmer endendes Umarmtsein von der Welt.

Aber - jeder Schmerz verleiht uns eine eigene Tiefe und seine Akzeptanz die nötige Gelassenheit des Überdauerns. Und macht uns, unsere Wahrnehmung und Bewertung der Welt wohl nachhaltiger einzigartig als alles andere es je vermag.

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 17:22

QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jun.2008 - 12:21)
QUOTE (Leah @ 18.Jun.2008 - 13:13)
Den Konflickt,den ich für mich beendet habe,stellt auch im Nachhinein für mich kein ungelöster Knoten mehr dar....denn ich habe ihn für mich gelöst! Vielleicht nicht mit der Person,die es betrifft,aber es war mit ihr nicht zu klären,also habe ich es für mich geklärt,denn man kann bei anderen sicher nichts verändern,sondern nur bei sich selbst...und das habe ich getan...

Wie?

Ich habe lange an mir gearbeitet,andere Meinungen eingeholt....irgendwann für mich begriffen,dass ich mich entweder immer wieder über einiges aufregen kann,oder diesen Menschen aus meinem Leben streiche,weil es gar nicht möglich ist in Konfrontation zu gehn,weil es eben Menschen gibt die immer recht haben... Heute kann ich für mich sagen das Problem gelöst zu haben - für mich,so dass es sich auch gut anfühlt...
Diese Person versucht heute noch irgendeinen Kampf zu gewinnen,aber sie wird nie gewinnen,weil sie mir einfach nichts mehr bedeutet...
So ist der Knoten gelöst....

Geschrieben von: Leah am 18.Jun.2008 - 17:24

QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jun.2008 - 12:22)
QUOTE (Leah @ 18.Jun.2008 - 13:13)
Also ich kann nicht behaupten alles noch mal genauso machen wollen zu würden...aber darauf kommt es glaube ich auch nicht wirklich an...

Worauf kommt es an?

Für mich kommt es auf das JETZT an,dass ich ein Leben führen kann wie ich es mag....denn die Vergangenheit kann ich nicht mehr ändern,auch wenn ich heute manches mit Sicherheit anders machen würde....aber da man die Uhr nicht zurück drehen kann....kommt es darauf für mich heute nicht mehr an....

Geschrieben von: robin am 18.Jun.2008 - 17:51

QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jun.2008 - 13:08)
Ihr seid mir einfach zu schnell ... ohmy.gif

Und irgendwie hab ich Schwierigkeiten, die abstrakte Vorstellung einer "Schmerzvermeidung" zu konkretisieren. Wie sehen solche Entscheidungen denn bei Euch praktisch aus?
...

Wie schmerzvermeidung 'praktisch' aussieht? Habe ich dich richtig verstanden?
Das übe ich ja tagtäglich ... was ich nicht verstehen kann ist den schmerz bewusst ausleben zu wollen.

Geschrieben von: robin am 18.Jun.2008 - 17:53

QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jun.2008 - 13:28)
QUOTE (Amelia @ 18.Jun.2008 - 12:46)
Vielleicht kann nur der Schmerz, dem wir voller Hoffnung, mit offenen Armen und ohne ihn zu erwarten entgegengehen, uns wirklich verändern und unseren Horizont erweitern.

Ich weiß zwar nicht warum ... aber dieser Satz "fühlt sich an", als würde er ins Schwarze treffen. gruebel.gif

Das finde ich auch, denn diese art von schmerz 'kommt' und darf sich nicht vermeiden lassen, ohne dass uns etwas wichtiges entgeht.

Geschrieben von: mandelbäumchen am 18.Jun.2008 - 18:26

Ich wollte mit meinem Satz nicht dafür plädieren, schmerzhafte Situationen bewusst zu suchen, sich blind in irgendetwas zu stürzen oder in furchtbaren Situationen zu verharren.

Auch mein Bestreben ist es, mich von Schmerz fernzuhalten. Ich nehme eine Schmerztablette, wenn ich Migräne habe, lasse mir bei der Zahnärztin ein Spritze geben, wenn es wahrscheinlich wehtun wird. Ich vermeide Arztbesuche, weil sie für mich mit ziemlich fiesen Gefühlen einhergehen. Das das fatal werden könnte ist mir bewusst, und ich finde es auch nicht gut.
Auch ich bin bestrebt, mir Lebensumstände zu schaffen, die mir mehr Freude als Leid bescheren. Einen Arbeitsplatz, an dem ich respektiert werde, Menschen, die mir gut tun. Ich will glücklich sein, unbedingt! Und sollte ich eine tödliche Diagnose bekommen, will ich versuchen in ein Hospiz zu kommen, wo alles dafür getan wird, mir meine letzten Tagen so wenig unangenehm zu machen wie möglich.

Ich halte es für unheimlich wichtig, auf sich zu achten, auf die eigenen Grenzen und Bedürfnisse und natürlich auch Erfahrungen heranzuziehen, um Situationen zu beurteilen.
Aber Schmerzen lassen sich auch bei aller Erfahrung nicht immer voraussehen. Und manchmal verbirgt sich hinter dem, was wie Schmerz aussieht, das große Glück. Da mag es dann so aussehen, als sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass etwas schief geht. Aber wenn es wichtig genug ist, könnte es sich doch trotzdem lohnen, einen Versuch zu wagen. Pawlowsche Reaktionen weniger Ernst zu nehmen und von Schema F abzuweichen, die Dinge mal unter einem anderen Aspekt zu sehen.

Manchmal bringt uns eine riskante Entscheidung, gar eine Grenzüberschreitung dem Glück näher. Und wenn's dann doch nichts wird, sind wir um eine Erfahrung reicher. Oder um etwas anderes, mit dem wir nicht gerechnet haben. Selten enden solche Versuche tödlich. Aber es ist möglich sich zu Tode zu schützen. Ich weiß, wovon ich rede. Mein Schutzbedürfnis ist so hoch, dass ich manchmal sehr um meine Lebendigkeit kämpfen musste und muss.

Sport ist übrigens ein gutes Beispiel, wie Schmerz wohldosiert und vernünftig eingesetzt, die eigenen Möglichkeiten erweitern kann. Das erhöht dann auch die psychische Belastbarkeit im Alltag und es hilft Schmerz als etwas zu begreifen, was vorbeigeht. Schmerz ist dann nicht mehr so absolut, das nimmt ihm viel von seiner Macht.

Wenn wir leben wollen, kommen wir nicht um den Schmerz herum. Um lebendig zu bleiben, müssen wir uns bewegen, doch Bewegung birgt immer das Risiko der Verletzung.
Und eigentlich brauchen wir den Schmerz auch, um unsere Freude besser zu spüren. Als Kontrastmittel. Manchmal kann Schmerz auch sehr süß sein. Besser jedenfalls als Dumpfheit. Manchmal muss ich durch den Schmerz hindurchgehen, um von der Leere zur Freude zu kommen.

Sich auf andere Menschen einzulassen führt zwangsläufig zu Schmerz und Verletzungen. Da können wir einander noch so viel Wohl wollen, es passiert einfach.
Die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Liebesbeziehung am Ende mindestens eine der Beteiligten große Schmerzen leiden wird, ist sehr, sehr hoch. Es ist so gut wie unvermeidlich. Schließlich ist unsere Zeit hier auf Erden begrenzt.

Ich arbeite noch daran, dass mich dieses Wissen immer weniger davon abbringt, mich auf andere einzulassen. Hab aber noch einen weiten Weg vor mir.
Ich gebe mir aber - gelegentlich schmerzhafte - Mühe, auch unterwegs schon so glücklich wie möglich zu sein. smile.gif

Geschrieben von: Mausi am 18.Jun.2008 - 21:21

QUOTE (robin @ 18.Jun.2008 - 18:51)
QUOTE (DerTagAmMeer @ 18.Jun.2008 - 13:08)
Ihr seid mir einfach zu schnell ...  ohmy.gif

Und irgendwie hab ich Schwierigkeiten, die abstrakte Vorstellung einer "Schmerzvermeidung" zu konkretisieren. Wie sehen solche Entscheidungen denn bei Euch praktisch aus?
...

Wie schmerzvermeidung 'praktisch' aussieht? Habe ich dich richtig verstanden?
Das übe ich ja tagtäglich ... was ich nicht verstehen kann ist den schmerz bewusst ausleben zu wollen.

Schmerzvermeidung bei mir:
Wenn ich eine Situation kommen sehe, die ich so oder schon sehr ähnlich durchmachte und für mich "klar" ist, dass ich dies nicht noch einmal möchte, schütze ich mich, wenn es geht. Sei es bzgl. Menschen, sei es bzgl. anderen Situationen - wobei nur Menschen wirklich "verletzen" können (meiner Meinung nach). Seele verletzen - der Körper ist ne ganz andere Sache.
Ein konkretes Beispiel, was ich nun öffentlich machen möchte, habe ich nun nicht zur Hand - im andern Beitrag nannte ich 2.

Wenn ich der Situation nicht ausweichen kann, muss ich mich erneut damit auseinander setzen - versuchen den Schmerz, der mich eben an frühere Erfahrungen erinnert, zu verarbeiten bzw. auszuschalten. Oder eben, besser, die Unterschiede zu der "alten" Situation zu sehen, zu sehen - heute ist anders, ich bin anders als vor 1 Woche, 1 Jahr, 10 Jahren, 20 Jahren usw. usw. (hört sich leicht an, ist es nicht unbedingt!).

Was es angeht, den Schmerz bewusst zu durchleben - erst wenn ich weiß, WAS den Schmerz auslöst - kann ich das "entschlüsseln" - kann ich es unabhängig von mir sehen und kann entschlüsseln, auf was ich so reagierte. Heißt - kann ich mich und meine Einstellung sowie auch mein Verhalten ändern. Reflektieren, was es mit mir macht, wieso es das mit mir macht und was ich machen kann, damit es das nicht mehr macht. Aber dafür muss ich es bewusst durchlebt haben - außer ich habe noch die Erinnerung daran "auf dem Schirm", was es auslöste - und eben was mein Anteil der Situation war. Ist bei mir jedoch bei sehr schmerzhaften Erinnerungen und Situationen erstmal selten der Fall.
Allerdings merke ich durchaus, ob eben eine Situation/ ein Mensch etwas bei mir auslöst - und das bewusste Unterschiede suchen zur Situation, zu der Person macht es mir dann einfach, und lässt mich auch differenzieren. Es gibt zwar ähnliche/gleiche Typ Menschen, jedoch nicht alle haben 1 Charakter - und daran muss ich mich dann halten - wohlwissend, die Distanz zu wahren. Jedoch wird meist, irgendwann, doch das bestätigt, was eben den Typ Mensch ausmacht - und entweder ich warf mein Bauchgefühl über Bord und bin "selbst schuld" - oder eben ich kann anders damit leben und umgehen, hieße, mein Einstellung dazu hat sich geändert.

@mandelbäumchen
Sport ist ein unheimlich gutes Mittel, den Schmerz und die damit zusammenhängenden Gefühle raus zu lassen - frei zu laufen, frei zu schwimmen oder eben sich einfach davon zu befreien.
Ich denke verletzt werden ist das eine - inwieweit es einen trifft, etwas anderes. Und es kommt darauf an, wer verletzt und inwieweit man es sich vorher schon hat spiegeln können. Nein, ich denke ich habe durchaus verstanden was Du meinst, der Satz jedoch hörte sich so "lax" an, eben wenn man nicht in der Situation ist sozusagen. gruebel.gif - hoffe es kommt noch richtig rüber?
Ein Leben ohne Schmerz würde bedeuten, es nicht würdigen zu können, das Gute, was man danach eben erreicht.

Geschrieben von: sonnenstrahl am 18.Jun.2008 - 23:06

Je mehr es mir gelingt, Achtsamkeit und Einsicht in meinen erfahrenen Schmerz zu bringen, desto weniger schreckt mich neuer Schmerz, und desto weniger klammere ich mich an etwas, was sich in mir oder äußerhalb von mir zu verändern wünscht.
Ich gehe mit meinem Schmerz nicht immer gleich um: Mal weise, mal kindisch, mal hintenrum, mal überschwenglich ... je nach momentaner Verfassung. Entsprechend offen oder verschlossen bin ich gegenüber seinem Besuch, entsprechend taktisch oder impulsiv, zaghaft oder unerschrocken bin ich in meinem Handeln.
Doch eine Erkenntnis setzt sich allmählich so oder so durch:
Mein Schmerz ist letztlich immer derselbe, immer schon da gewesen, berührt durch die verschiedensten Anlässe.
Einen anderen als diesen wohlbekannten Schmerz wird es in meinem Leben nie geben - mal zeigt er nur mal eben einen Zipfel von sich, mal dauert sein Besuch in meinem Bewusstsein länger als sonst üblich, mal erscheint er in seiner vollen Größe mit Unmengen von Gepäck.
Wenn er da ist, ignoriere ich ihn manchmal erst eine Weile. Das kennt er schon von mir. Dann spielt er den Verschmähten, und bläst sich riesig auf. Und manchmal schmeiss ich mich ihm ohne Verzug in die ausgebreiteten Arme.
Früher oder später jedenfalls heul ich ganz furchtbar, liefere mich ihm aus, und überschwemme mich selbst mit meinen Tränen ... bis ich beschließe, dass ich mich jetzt auch mal wieder um meine anderen Gäste kümmern will.
Ein guter Freund, der manchmal nervt und verdammt lästig, ja geradezu nestbesetzerisch erscheint, und mit dem ich schon das eine oder andere Mal wütend brechen wollte, so sehr fühlte ich mich durch ihn am glücklichen Leben gehindert - aber Hand auf´s Herz: Was wär ich ohne ihn geworden? Wüsste ich überhaupt, was Glück ist? Welch Kreativität hat er in mir geweckt! Welche Wege hat er mir erschlossen! Was für Kräfte in mir hab ich durch ihn entdeckt ...
Unglücklich war ich eigentlich gerade dann, wenn ich versucht habe, Schmerz zu vermeiden.
So weit meine Ode an den Schmerz für heute abend.
(Nein, ich bin keine Masochistin.)
Nächtle.



Geschrieben von: Lilly76 am 19.Jun.2008 - 10:05

wow...das ist ja ein spannendes Thema!!!!!!!!!!
Und es rattert und rattert in meinem Kopf....

Für mich selber ist mein größter Schmerz meine Kindheit! Und da ich dem so völlig ungeschützt damals ausgesetzt war, komme ich heute in Situationen, wo es mich völlig unvorhersehbar in die Knie zwingt....
Und das finde ich das schwierige daran...es ist ein Abwägen zwischen...das kenne ich schon und brauche es nicht mehr....das kenne ich aber das Risiko will ich eingehen, habe ich doch die Hoffnung, dass es anders wird ( und Hoffnung treibt uns immer an ) oder auch ein anderer Antrieb...nämlich: diesmal schaff ich es, diesmal haut es mich nicht so aus den Puschen!
In manchen Situationen ist es einfach...ich manchen sehr schwer, weil auch andere Gefühle und Konsequenzen eine Rolle spielen!

Und ist der Schmerz denn wirklich so alleine zu betrachten??? Wenn ich es wirklich schaffe, mich vor dem Schmerz zu schützen, was ist mit den anderen Emotionen? Vielleicht plagt mich ein furchtbar schlechtes Gewissen? Vielleicht kann oder möchte ich mit der daraus entstandenen Verantwortung nicht leben???

Und...die Frage: wie kann jemand sich für den Schmerz bewußt entscheiden...das ist doch krank!
Ich habe mal - vor einiger Zeit - gesagt: mit Schmerz kenne ich mich aus, da weiß ich ,was ich fühle!
Das passte in mein Muster Ich konnte mich ( ich sage das mal ganz provozierend ) in meinem Schmerz verziehen, es war die Ausrede für meine Unfähigkeit, darauf konnte ich mich ausruhen! Ich bekam sogar noch Aufmerksamkeit..die arme Lilly..

Natürlich bügel ich meine Wäsche, obwohl ich mich verbrannt habe, natürlich verliebe ich mich wieder, obwohl ich verletzt wurde!
Und natürlich passe ich heute besser auf mich auf! Aber ich merke, wie ich mir viele Dinge genommen habe, indem ich entweder in meinem Schmerz versunken bin oder aber meine Mauer sooo hoch gebaut habe, dass ich ihn erst gar nicht spüren kann!
Davon versuche ich mich gerade zu lösen! Es zuzulassen...auch auf die Gefahr hin, dass ich verletzt werde...dass der Schmerz wiederkommt. Denn ich für mich kann sagen, dass ich nur wirklich leben und lieben kann, wenn ich auch das Risiko zulassen, leiden zu können!
Denn wo fängt das an??? Der Schutz!?
Ich wollte jahrelang so gerne eine Katze! Habe mich aber dagegen entschieden, weil ich es einfach so schlimm finde, wenn dem Tier dann mal etwas passiert.
Nun haben wir 2 wundervolle Katzen..eine absolute Bauchentscheidung...und ja!!! ich hätte das umgehen können, indem ich einfach ins Tierheim nicht mitgefahren wäre...bin ich aber! Und nun sind sie bei uns...ihre Lebenserwartung wird nicht sehr hoch sein, weil sie beide ziemlich angeschlagen sind. Aber! Und ich kann jetzt schon sagen, dass ich es nicht bereut habe und es auch nicht tun werde, denn das, was sie uns schenken...diese Dankbarkeit und das Vertrauen, als wüßten sie, was wir getan haben, das bereichert mein Leben mit soviel Freude und Glück!

Und selbst, wenn ich mich heute davor schütze, meiner Mutter zu nah zu kommen...sie ist in meinen Gedanken...und ich kann nicht abschätzen, was es in mir auslösen wird, wenn ihr was passieren sollte und ich keine Möglichkeit mehr habe, etwas zu klären..nicht, dass ich jetzt wüßte, dass ich was klären will. Aber ich finde einfach, dass der Schmerz nie alleine steht! Und dass wir, selbst, wenn wir wissen, dass uns etwas schmerzen wird, nie sicher sein können, was es anstelle von dem Schmerz mit uns tun wird!
Wißt ihr, wie ich das meine??

Vielleicht sollte die Frage einfach anders formuliert werden wink.gif
Wie kann es mir gelingen, meine gemachten Erfahrungen und meine eigenen Muster mit meinen Wünschen und Hoffnungen in Einklang zu bringen, und zwar so, dass es MIR damit gut geht was.gif

Nein..im Ernst..ich denke, dass unser Unterbewußtsein da schon eine sehr gute Aufgabe macht, es..oder wir..schützen uns eh schon vor vielen Dingen, die uns nicht gut tun! Und am Ende ist es doch auch gut, dass wir manche Dinge bewußt entscheiden können...mit allem, was wir haben..unseren Erfahren..unserem Bauchgefühl...mit dem Wissen, ins offene Messer zu rennen aber es versucht zu haben!
Und auch mit der Möglichkeit, es beim nächsten Mal anders..besser..oder auch schlechter machen zu können!

Liebe Grüße,
Lilly

Geschrieben von: dandelion am 19.Jun.2008 - 11:01

QUOTE (Leah @ 18.Jun.2008 - 11:51)
QUOTE (shark @ 18.Jun.2008 - 10:48)
Deshalb ist es schwierig und oft unverständlich für mich, wenn ich erlebe, dass Personen, die eigentlich genau wissen, was auf sie zukommen wird, sich trotzdem für den schmerzhaften Weg entscheiden.

Aber seit gestern überlege ich, ob das nicht auch eine ganz bewusste Entscheidung sein kann... nicht eine, die eine Person trifft, weil sie nicht anders kann....

Wenn es eine bewußte Entscheidung ist,dann hat das ja einen Selbstverletzungscharakter....und ist nicht wirklich gesund....

In dem Punkt kommt es, denke ich, darauf an, was sonst noch auf dem gewählten Weg steht.
Die wenigsten Situationen im Leben sind so schwarz/weiß, daß man auf dem einen Weg nur ins Verderben rennt, ohne wunderschöne Blumen am Wegesrand zu finden, auf dem anderen aber geradewegs ins Paradies auf Erden wandeln kann, ohne sich durch diverse Schlammlöcher und Mückenschwärme schlagen zu müssen.

Mal bildlich gesprochen.

Vor einiger Zeit entdeckte ich im Miteinander mit einem Menschen alte, gefürchtete Muster. Letzten Endes habe ich mich darauf eingelassen, und alle meine Befürchtungen traten ein. Ich kam mir unendlich dumm und schwach vor, nachgegeben zu haben.
Andererseits war dieses Gefühl ein starker Motor, um in den darauf folgenden Wochen endgültig etwas ändern zu wollen. In Gebieten, die mit dem zwischen uns Vorgefallenen absolut nichts zu tun hatten.
Und für eine ganze Weile habe ich das auch durchgehalten.

Aktuell ist bei mir auch ein etwas größerer Schmerz zu Gast (danke sonnenstrahl für das Bild flowers.gif ), den ich schon erwartet hatte, als er ankam. Warum habe ich mich dafür entschieden, ihm entgegen zu gehen? Weil ich befürchten mußte, daß er nur weiter wächst, wenn ich versuche, vor ihm zu flüchten. Und daß er mich dann anspringen, umreißen und sich zufrieden auf mich setzen würde wie ein junger Bernhardiner.
Und weil ich hoffte, mein Bauch hat Unrecht, nur dies eine Mal... Tja.

Mittlerweile hat sich aus meinen schmerzlichen und schönen Erfahrungen eine Art Raster im Kopf gebildet, das neue Situationen scannt und sagt "das ist gut, das ist schlecht, was willst du?" und der Bauch grummelt die neue Fahrtrichtung.
Anfangs habe ich nur nach dem geschaut, was schön war, und die Schmerzen ignoriert. Dann wurde es zusehends umgekehrt, die Aussicht auf Leid macht mich ungeduldig und nervös. Ich habe momentan Angst, zu sehr in letztere Richtung zu schwenken. Zu wenig darauf zu achten, was schön ist, und zu sehr darauf, was nicht schrecklich ist. Es führt, so fürchte ich, für mein Empfinden zu sehr in die Abstumpfung und Gleichgültigkeit.

Hinzu kommt, was sonnenstrahl sagte. Ich schreibe gern Gedichte. Das klappt aber nur, wenn ich darunter leide, daß das, was ich leben kann, nicht hinreichend mit dem kongruent ist, was ich leben will.
Ich habe einen unglaublich trägen Charakter. Man muß mir schon mit dem Brenneisen die Katastrophen in den Allerwertesten brandmarken, bis sich eben jener mal aus Jammertälern hinausbewegt... Daher lebe ich Schmerz, der sich entgegen besserer Hoffnungen eingestellt hat, mittlerweile aus. Wenn diese Energie sich schon gegen mich richtet, warum nicht sie als Zugpferd aus der Misere mit-einsetzen?

Geschrieben von: LadyGodiva am 19.Jun.2008 - 16:10

Lebendigsein ist die jahrzehntelange Kunst der Agonie.

Die Anerkennung dieser Tatsache kann ich nicht mit Masochismus assoziieren, eher im Gegenteil. Allein das Wissen um die Möglichkeit des endgültigsten aller Schmerzarten zwingt mich in eine pralle Lebendigkeit. Das empfinde ich als lebensnatürlich, als eine Art kindlichen Trotz wider die Empirie.

Geschrieben von: dandelion am 19.Jun.2008 - 16:16

wenn ich diesem trotzigen Kind nun Worte in den Mund lege, lauten sie dann folgendermaßen?
"So so, Tod. Du meinst also, ich kann dir nicht entkommen?
Weißt du was? Du kannst mich mal. Ich leb jetzt. Ob's dir paßt oder nicht."

So zirka? (Verständnisfrage, kein Lauern auf Verrißmöglichkeiten, eher im Gegenteil wink.gif )

Geschrieben von: LadyGodiva am 19.Jun.2008 - 16:19

Ja, in etwa ein globales *nänänänänäää* newwer.gif

Geschrieben von: dandelion am 19.Jun.2008 - 16:55

biggrin.gif na denn: "Ällabäääätsch!" newwer.gif

Geschrieben von: shark am 19.Jun.2008 - 17:05

Nur zwischendurch von shark, die es hasst, einen Thread eröffnet zu haben und dann in der Situation zu sein, ihn aus Zeitmangel gar nicht wirklich begleiten zu können (ich bitte um Entschuldigung roetel.gif ): Ich finde Eure Beiträge spannend und vielschichtig, erhellend und "aufklärend". Vielen Dank für Eure Aufrichtigkeit, die persönlichen Geschichten und alle Gedanken zum Thema. flowers.gif

Liebe Grüße,

shark

Geschrieben von: sonnenstrahl am 21.Jun.2008 - 15:38

Beim Weiter-Drübernachdenken ist mir aufgefallen, dass es zwei Ur-Negativ-Vorbilder für mich gibt, was den Umgang mit seelischem Schmerz angeht:

1. Mein Vater, ein von seinen Gaben her poetischer, musischer, sinnlicher, sehr intelligenter, sensibler Mensch, der mit sehr wenig Liebe und sehr viel Überheblichkeit aufgewachsen sein muss. Nach einer Reihe von stolzverschraubten Schwierigkeiten im Laufe seines Lebens ist er zum dauergekränkten, zurückgezogenen Zyniker geworden, der vorgibt, ihm sei eh alles wurscht - Mensch sein ist doof. "Nie wieder fühlen müssen = nie wieder Schmerz erfahren" scheint seine traurige Devise zu sein.

2. Meine Mutter, naturliebend, ehrgeizig, wissbegierig und früh mit zu viel Verantwortung beladen, in einem mütterlicherseits unterkühlten, väterlicherseits schwärmerisch-grenzüberschreitendenden (wenn nicht abwesenden) Umfeld aufgewachsen, hat sich in einem Harnisch aus Dominanz und Manipulation eingerichtet, aus welchem heraus sie die Gefühle, Bedürfnisse, Ansichten und Eigenheiten anderer, ohne sich dessen bewusst zu sein, mit engelsgleicher Miene herunter spielt. So versucht sie, ihre Art von schmerzbefreiter Harmonie zu erzwingen. Ihre Devise könnte lauten: "Ich bestimme, was sein darf. Und wer sich dem widersetzt, den ignoriere ich sanft aber deutlich."

Beide ersticken nach und nach an ihren verdrängten Anteilen.
Bei ihm äußert sich das in chronischer (Weg-Raucher-)Bronchitis, sie ist am Dauer-Räuspern.
Sie behauptet meistens, es gehe ihr blendend - alles in Butter.
Er knallt, wenn er aus der Versenkung seiner Gartenlaube auftaucht, mit den Türen, um wenige Minuten später wie ein Känguruh wieder herein zu hopsen, und ein wutgeschlucktes "Guten Abend" zu krähen, als sei nichts gewesen. Habt ihr mich so infantil vielleicht eher lieb?

"Der ganz normale Wahnsinn", werden wahrscheinlich viele von euch denken. Die meisten von uns haben ähnlich grotesk-tragische Vorbilder, die sie dennoch (mehr oder weniger offen eingestanden) lieben.

Schwer, sich aus solch einem fatalen Gestrick zu befreien.
Doch ich erfahre (nicht nur an mir selbst), und bin überzeugt davon: Es lohnt sich, zu lernen, dem Schmerz aufmerksam und freundschaftlich zu begegnen, anstatt sich lebendig einzumauern, oder ignorant über ihn hinweg zu brettern (um sich dabei, wie jüngst meine Mutter, mal eben mit dem Rasenmäher den großen Zeh abzusäbeln. Körperliche Schmerzen als Ventil für uneingestandene, gut eingemachte seelische Schmerzen.).

Ich denke, niemand, weder man selbst, noch irgendein anderer Mensch, noch das Schicksal trägt die "Schuld" an dem Schmerz, den wir spüren. Denn er gehört zu uns und ist wichtig - als sowas wie ein Mahner, der uns aufzeigt, wo es gesund wäre, unsere Art, über die Dinge und Geschehnisse zu denken, nochmal (und nochmal, und nochmal ... ) zu überprüfen.

Je mehr ich diese Aufgabe meines Schmerzes sehe, und in mir zu würdigen weiss, desto leichter wird mir mein Leben. Und desto weniger muss ich andere verteufeln oder zu manipulieren trachten.


edit: ein "z" wie Zorro smile.gif

Geschrieben von: mandelbäumchen am 21.Jun.2008 - 17:45

QUOTE (sonnenstrahl @ 21.Jun.2008 - 16:38)
... Es lohnt sich, zu lernen, dem Schmerz aufmerksam und freundschaftlich zu begegnen, anstatt sich lebendig einzumauern, oder ignorant über ihn hinweg zu brettern (um sich dabei, wie jüngst meine Mutter, mal eben mit dem Rasenmäher den großen Zeh abzusäbeln. Körperliche Schmerzen als Ventil für uneingestandene, gut eingemachte seelische Schmerzen.).


Das unterschreib' ich.

Bauchschmerzen wink.gif macht mir manchmal die zu enge Verknüpfung von Schmerz und Kreativität, die in der Auffassung gipfelt, Künstlerinnen müssten gelitten haben, um wirklich gute Kunst machen zu können. Eine, wie ich finde, ausbeuterische Haltung. Vielmehr sehe ich einen Zusammenhang zwischen Lebendigkeit und Kreativität.
Um lebendig zu bleiben muss ich alles zulassen, auch den Schmerz.

@Mausi
QUOTE
Sport ist ein unheimlich gutes Mittel, den Schmerz und die damit zusammenhängenden Gefühle raus zu lassen - frei zu laufen, frei zu schwimmen oder eben sich einfach davon zu befreien.


Das ist für mich ein wichtiger Grund, Sport zu treiben, aber nicht der einzige.
Für mich ist Sport auch eine Möglichkeit, den Umgang mit Schmerz zu üben, d.h. gelegentlich auch an meine Schmerzgrenze und darüber hinaus gehen. Und dann eben nicht aufhören, auch wenn's richtig weh tut, sondern die Zähne zusammenbeißen und durchhalten (gelegentlich gibt's dann am Ende eine Medaille zur Belohnung).

Natürlich ist dabei auch die Dosis wichtig, und wie oft ich mich dem aussetze. Aber das ist mit jeder Art von Schmerz so. Zuviel unbegleiteter Schmerz wirkt zerstörerisch.

Ich sehe den seelischen Schmerz übrigens gar nicht so weit weg vom körperlichen. Gefühle äußern sich immer körperlich.

QUOTE
...der Satz jedoch hörte sich so "lax" an, eben wenn man nicht in der Situation ist sozusagen.


Welche Situation?

Der Satz ist etwas knapp, aber kein Telegramm von der fernen Insel der Schmerzfreiheit, davon kannst du ausgehen wink.gif

Mandelbäumchen

Edit: kleine Ergänzung

Geschrieben von: sonnenstrahl am 21.Jun.2008 - 18:05

QUOTE (mandelbäumchen @ 21.Jun.2008 - 17:45)
Bauchschmerzen wink.gif macht mir manchmal die zu enge Verknüpfung von Schmerz und Kreativität, die in der Auffassung gipfelt, Künstlerinnen müssten gelitten haben, um wirklich gute Kunst machen zu können. Eine, wie ich finde, ausbeuterische Haltung. Vielmehr sehe ich einen Zusammenhang zwischen Lebendigkeit und Kreativität.
Um lebendig zu bleiben muss ich alles zulassen, auch den Schmerz.


So ist das, was meine Verknüpfung von Kreativität und Schmerz angeht, auch gemeint. Natürlich fließt in das, was ich neu erschaffe, meine ganze innere Welt des Erfahrens, Empfindens und Denkens ein. Vielleicht mit dem Unterschied, dass Schmerz von den meisten Menschen mehr aktive Auseinandersetzung erfordert als Freude, Begeisterung, Glücksgefühle. Schmerz verlangt von mir immer wieder, infrage zu stellen, was mir bis dahin fraglos richtig erschien, und dadurch erlebe ich diese Prozesse oft deutlicher und bewusster und als persönlich bahnbrechender - und mich selbst als kreativer im Umgang damit, was dann gerne nach künstlerischer Freisetzung verlangt smile.gif .

Geschrieben von: mandelbäumchen am 21.Jun.2008 - 18:16

QUOTE (sonnenstrahl @ 21.Jun.2008 - 19:05)
So ist das, was meine Verknüpfung von Kreativität und Schmerz angeht, auch gemeint...

Eigentlich habe ich es auch so verstanden smile.gif.

Und es grummelte trotzdem, lag vielleicht an der gedanklichen Nachbarschaft.

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 21.Jun.2008 - 19:56

QUOTE (mandelbäumchen @ 18.Jun.2008 - 19:26)
Auch mein Bestreben ist es, mich von Schmerz fernzuhalten. Ich nehme eine Schmerztablette, wenn ich Migräne habe, lasse mir bei der Zahnärztin ein Spritze geben, wenn es wahrscheinlich wehtun wird.

Da ich ja meist Deiner Meinung bin wink.gif, hat mich hier ein Unterschied zwischen uns stutzen lassen. So beruhigend es nämlich für mich ist, Schmerzmittel "im Haus" oder die Option auf eine Spritze beim Zahnarzt zu haben - so ungern nutze ich sie. Betäubungen machen mir Angst - weil ich nicht einschätzen kann, wie stark der einsetzende Schmerz sein wird, wenn sie nachlassen. Darum versuche ich lieber, unvermeidbare Schmerzen auszuhalten und so eine gewisse Kontrolle über sie zu haben als auf die abnehmende Wirkung einer Narkose zu warten.
Bei seelischen Schmerzen reagiere ich ähnlich - ich halte es einfach nicht aus, hilflos auf ein Unglück zu warten. Also tue alles, was in meinen Möglichkeiten liegt, um es zu packen. Als ich damals ahnte, dass mich meine erste große Liebe betrog, hab ich sie die halbe Nacht gesucht, bis ich beide schließlich eng umschlungen in irgendeinem Hauseingang fand - natürlich tat es trotzdem höllisch weh - aber ich hatte die Situation unter Kontrolle, konnte entscheiden, ob ich eine Szene mache oder mich still umdrehe und wieder nach Hause fahre. In gewisser Weise habe ich solche Trennungsszenarien meist herausgefordert, um dem Schmerz wenigstens seinen Zeitpunkt zu diktieren.
Darum provoziere ich auch schmerzende "Bekenntnisse", um endlich zu wissen, woran ich bin, um den Schmerz auszumessen, abzuschreiten, von jeder äußeren Einflussnahme abzukapseln und mir in einem eigenen Tempo einzuverleiben. Bissen für Bissen, Stück für Stück ... bis er vollständig verdaut ist und mir nichts mehr anhaben kann.
Für mich ist die Angst vor dem Schmerz tatsächlich viel viel schlimmer als der Schmerz selbst.

Geschrieben von: dandelion am 21.Jun.2008 - 20:44

QUOTE (DerTagAmMeer @ 21.Jun.2008 - 20:56)
Darum provoziere ich auch schmerzende "Bekenntnisse", um endlich zu wissen, woran ich bin, um den Schmerz auszumessen, abzuschreiten, von jeder äußeren Einflussnahme abzukapseln

gruebel.gif gute Erklärung...
wenn ich aus subjektiven Gründen "durchdrehe", dann ist meistens sehr viel Ungewißheit im Spiel, insofern kann ich das sehr gut nachvollziehen...
vielleicht fehlt mir fürs "eigene Tempo" einfach noch die hinreichende Menge an Erfahrung mit Schmerz... auch wenn ich sie ehrlich nicht vermisse.

übrigens nehme ich meistens auch keine Schmerzmittel, was ich allerdings eher dem Wunsche zurechne, stark genug zu sein, es ohne auszuhalten - und der Enttäuschung, daß sie so langsam wirken, daß es bis dahin von allein erträglich gewesen wäre.

Geschrieben von: robin am 22.Jun.2008 - 10:32

QUOTE (DerTagAmMeer @ 21.Jun.2008 - 20:56)
...
Für mich ist die Angst vor dem Schmerz tatsächlich viel viel schlimmer als der Schmerz selbst.

Oh das kenne ich so gut! Auch der umgang mit med. betäubungsmitteln war mir immer verhasst und kam nur bei unausweichlichen vollnarkosen zum einsatz ... bis ich davon die nase voll hatte!
In den letzten 15-20 jahren meines lebens hat diese einstellung begonnen sich zu verändern - inzwischen habe ich kaum noch hemmungen eine schmerztablette einzuwerfen, wenn ich spüre, dass der tag mir sonst von kopf- oder bauch- oder zahnschmerzen ruiniert wird.
Das gleiche gilt für meine schmerzvollen erfahrungen - ich muss es wirklich nicht mehr wissen, im gegenteil! ich spüre immer stärker das verlangen, mich mit der freude und dem glück ... auseinanderzusetzen smile.gif mit den wegen dorthin zu gelangen, und sei es auch nur annährend.
Weitere wirklich heftige schmerzvolle erfahrungen brauche ich im leben nicht mehr, sie würden mir eher zeigen, dass ich - schon wieder! - nicht gut auf mich aufgepasst habe, dass ich mich von meiner kraft entfernt habe, von meinen wichtigsten, tiefsten wünschen. Wozu sollten sie noch gut sein? Um zu wachsen? Wohin denn? wacko.gif
In der letzten jahren versuche ich immer mehr im einklang mit meinem ganz persönlichen credo zu leben: sinngemäß nach einem irgendwo irgendwann gelesenen chinesischen sprichwort "ich kann nicht vermeiden, dass die kummer/schmerz/sorgen-vögel über meinem kopf kreisen. Dass sie aber ihre nester in meinem haar bauen, das kann ich verhindern."

Vielleicht weil ich katholisch geprägt bin ... ich lehne immer mehr diese erlösung-durch-schmerz-kultur ab. Sie widert mich nur noch an.

Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 11:16

QUOTE (robin @ 22.Jun.2008 - 10:32)
"... ich kann nicht vermeiden, dass die kummer/schmerz/sorgen-vögel über meinem kopf kreisen. Dass sie aber ihre nester in meinem haar bauen, das kann ich verhindern."


Schönes Sprichwort!

QUOTE
Vielleicht weil ich katholisch geprägt bin ... ich lehne immer mehr diese erlösung-durch-schmerz-kultur ab. Sie widert mich nur noch an.


Ich nehme an, du meinst damit sowas wie "Leiden als Schlüssel zum Paradies - wenn wir dieses armselige Erdenleben hinter uns gebracht haben"? Da zieht´s mich auch so gar nicht hin.

QUOTE
... das verlangen, mich mit der freude und dem glück ... auseinanderzusetzen  mit den wegen dorthin zu gelangen, und sei es auch nur annährend.


Ja, gerne. ... Meiner Erfahrung nach gelingt das allerdings nur bedingt, indem wir alles meiden, was weh tun könnte.

Was Schmerzen beim Zahnarzt angeht, kann ich das gut verstehen. Da hab ich das Heldin-Sein-Wollen meiner Jugend längst hinter mir gelassen, und lass mir gerne ´ne Spritze geben (deren Gift ich nach überstandener Prozedur homöopathisch auszuleiten trachte).

Wenn mir etwas voraussichtlich Schmerzen bereiten würde, von dem ich eh das Gefühl hätte, es würde mich in meiner Entfaltung keinesfalls weiter bringen, sondern eher bremsen, ginge ich ganz sicher einen Umweg. Solch einem Schmerz wider besseren Wissens in die Arme zu rennen, halte ich für selbstzerstörerisch.

Geht es jedoch darum, Schmerz in Kauf zu nehmen, wenn ich meinen ganz eigenen, für andere manchmal sicherlich schwer nachvollziehbaren Weg weiter gehen will, dann bin ich bereit.

Und hat jemand mehrfach meinen Schmerz berührt, der mir für mein weiteres Leben/meinen Weg wichtig erscheint, dann werde ich diesen Menschen garantiert nicht aus meinem Herzen und meinem Leben zu verbannen versuchen, sondern setze mich immer wieder damit auseinander.

Ein für mich sehr interessanter Gedanke in diesem Zusammenhang: "Ich will, dass meine Partnerin/meinE FreundIN/Mutter/Schwester/mein Vater/NachbarIN etc. will, was sie/er will. Sie/er tut was sie/er tut. Das ist es, was ich liebe." Alles andere wäre nur ein Funktionalisieren auf meine (vermeintlichen) Bedürfnisse hin.
Wenn nur all diese kindlichen Anteile in mir sich nicht so gerne weigern würden, überhaupt darüber nachzudenken, warum es sie zu bestimmten - z.T. wirklich unkonstruktiven -Verhaltensweisen drängt! Da wünsch ich meinen erwachsenen Anteilen doch mitunter noch mehr klare, ruhige Autorität gegenüber diesen aufmüpfigen Blagen ...



Geschrieben von: mandelbäumchen am 22.Jun.2008 - 11:26

QUOTE (DerTagAmMeer @ 21.Jun.2008 - 20:56)

Da ich ja meist Deiner Meinung bin wink.gif, hat mich hier ein Unterschied zwischen uns stutzen lassen. So beruhigend es nämlich für mich ist, Schmerzmittel "im Haus" oder die Option auf eine Spritze beim Zahnarzt zu haben - so ungern nutze ich sie. Betäubungen machen mir Angst - weil ich nicht einschätzen kann, wie stark der einsetzende Schmerz sein wird, wenn sie nachlassen. Darum versuche ich lieber, unvermeidbare Schmerzen auszuhalten und so eine gewisse Kontrolle über sie zu haben als auf die abnehmende Wirkung einer Narkose zu warten.

Ich habe einfach die Erfahrung gemacht, dass der Schmerz danach nicht sehr groß ist. Meist ist gar keiner da.
Früher war das anders. Diese Schmerzfreiheit nach OPs hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt. Ich habe eine Reihe kleiner OPs und Punktionen unter örtlicher Betäubung hinter mir. Das übt auch für die Zahnärztin (Bohren finde ich aber viel schlimmer als eine kleine OP z.B. am Fuß shudder.gif)

Unmittelbar vor einer OP nach einem Fahrradunfall habe ich der OP-Schwester gesagt, ich sei froh, dass die OP nun endlich losging. Ich hatte mir den Arm ausgekugelt und dazu noch einen Oberarmbruch und höllische Schmerzen. Die mitfühlende OP-Schwester versicherte mir daraufhin, dass ich auch nach der OP noch schlimme Schmerzen haben würde.
Sie hatte Unrecht. Ich hatte hinterher überhaupt keine Schmerzen, weder kurz nach der OP noch irgendwann später.
Vielleichtr lag's an dem guten Schmerzmittel in meinem Tropf, vielleicht aber auch mit daran, dass ich die OP-schwester nicht wirklich Ernst genommen habe. Ich habe keine Schmerzen erwartet, weil ich wusste, dass ich in der Regel nach OPs keine Schmerzen habe. Ich glaube, wie stark ein Schmerz wird hat auch viel damit zu tun, wieviel Schmerz ich erwarte. Gibt's dazu nicht auch Studien?

Eine Migräne kriege ich mit Aspirin und kalter Cola gut in den Griff. Letzten Donnerstag durfte ich mal wieder die Erfahrung machen, wie es ist, wenn ich kein Aspirin im Haus habe. Ich lag bis in den Nachmittag im Bett, mir war speiübel und in meiner Stirn pulsierte der Schmerz, und es wurde einfach nicht besser. Dann kam meine Liebste mit Aspirin und Cola und nach einer knappen Stunde ging's mir schon wieder richtig gut. Placebo-Effekt? Ich weiß es nicht. egal, ich hab jetzt wieder eine Hunderterpackung im Haus.

Ansonsten stimmen wir mal wieder überein wink.gif. Auch für mich ist die Angst vor dem Schmerz meist schlimmer als der Schmerz selbst. Deshalb führe ich dann auch lieber eine schmerzhafte Entscheidung herbei statt ewig zu warten und zu hoffen oder mich mit Ängsten rumzuquälen (obwohl ich auch das gut kann).

Bei der Verarbeitung verwende ich dann allerdings häufig ein Brecheisen. Dann sauf ich mir die Hucke voll und lebe den Schmerz so richtig aus. Am nächsten morgen geht dann meistens schon wieder die Sonne auf.
Das soll jetzt aber keine Empfehlung sein wink.gif


Edit: Fehler

Geschrieben von: robin am 22.Jun.2008 - 11:41

QUOTE (sonnenstrahl @ 22.Jun.2008 - 12:16)
...
Ja, gerne. ... Meiner Erfahrung nach gelingt das allerdings nur bedingt, indem wir alles meiden, was weh tun könnte.
...

Geht es jedoch darum, Schmerz in Kauf zu nehmen, wenn ich meinen ganz eigenen, für andere manchmal sicherlich schwer nachvollziehbaren Weg weiter gehen will, dann bin ich bereit.

Und hat jemand mehrfach meinen Schmerz berührt, der mir für mein weiteres Leben/meinen Weg wichtig erscheint, dann werde ich diesen Menschen garantiert nicht aus meinem Herzen und meinem Leben zu verbannen versuchen, sondern setze mich immer wieder damit auseinander.

Ein für mich sehr interessanter Gedanke in diesem Zusammenhang: "Ich will, dass meine Partnerin/meinE FreundIN/Mutter/Schwester/mein Vater/NachbarIN etc. will, was sie/er will. Sie/er tut was sie/er tut. Das ist es, was ich liebe." Alles andere wäre nur ein Funktionalisieren auf meine (vermeintlichen) Bedürfnisse hin.
Wenn nur all diese kindlichen Anteile in mir sich nicht so gerne weigern würden, überhaupt darüber nachzudenken, warum es sie zu bestimmten - z.T. wirklich unkonstruktiven -Verhaltensweisen drängt! Da wünsch ich meinen erwachsenen Anteilen doch mitunter noch mehr klare, ruhige Autorität gegenüber diesen aufmüpfigen Blagen ...

Aber wie sollen wir denn alles meiden, was uns schmerz bereitet? (uns bereiten könnte)??? DAS kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, allerdings finde ich, es ist genauso wichtig zu wissen, was ich selber will, um meinem glück näher zu kommen, bevor ich mich um das wohlergehen anderer bemühe.
Erwachsenen fluggästen wird auch gesagt, zuerst die sauerstoffmasken aufzusetzen, bevor sie es mit den kindern tun ...

Mein beitrag war übrigens nicht provokativ gemeint, ich will die erfahrungen anderer mit ihren schmerzen in keiner weise herabsetzen, ich bin überzeugt, jeder mensch ist eine welt, die nur jeder einzelne beschreiben kann - das universum des einzelnen nicht zu respektieren, bedeutet für mich die diktatur billigen.
Was die katholische ausprägung angeht, nein, so meinte ich das nicht, es ging mich eher darum, den stellenwert des leidens zu relativieren - und (im einklang mit beethoven) die hymne an die freude besser zu erlernen!
smile.gif

Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 12:05

QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 11:26)
Ich glaube, wie stark ein Schmerz wird hat auch viel damit zu tun, wieviel Schmerz ich erwarte. Gibt's dazu nicht auch Studien?

Ich kenne zwar keine Studien dazu, aber ich erfahre das meistens auch so.

QUOTE
@robin  ...allerdings finde ich, es ist genauso wichtig zu wissen, was ich selber will, um meinem glück näher zu kommen, bevor ich mich um das wohlergehen anderer bemühe.
Erwachsenen fluggästen wird auch gesagt, zuerst die sauerstoffmasken aufzusetzen, bevor sie es mit den kindern tun ...

Da gebe ich dir absolut recht.
Es geht mir auch nicht darum, mich selbstlos-muttertheresalike um das Wohlergehen der anderen zu bemühen, und mich selbst zu vernachlässigen. Sondern darum, es anzunehmen, damit es mir gut geht. Weil ich z.T. keine andere Wahl habe (außer mich zu verschließen oder die anderen zu nötigen, was sich im Endeffekt als noch leidbringender erweisen könnte - nicht nur für die Anderen).

Geschrieben von: davvero am 22.Jun.2008 - 12:05

QUOTE (DerTagAmMeer @ 21.Jun.2008 - 20:56)
So beruhigend es nämlich für mich ist, Schmerzmittel "im Haus" oder die Option auf eine Spritze beim Zahnarzt zu haben - so ungern nutze ich sie. Betäubungen machen mir Angst - weil ich nicht einschätzen kann, wie stark der einsetzende Schmerz sein wird, wenn sie nachlassen. Darum versuche ich lieber, unvermeidbare Schmerzen auszuhalten und so eine gewisse Kontrolle über sie zu haben als auf die abnehmende Wirkung einer Narkose zu warten.
Bei seelischen Schmerzen reagiere ich ähnlich - ich halte es einfach nicht aus, hilflos auf ein Unglück zu warten. Also tue alles, was in meinen Möglichkeiten liegt, um es zu packen. Als ich damals ahnte, dass mich meine erste große Liebe betrog, hab ich sie die halbe Nacht gesucht, bis ich beide schließlich eng umschlungen in irgendeinem Hauseingang fand - natürlich tat es trotzdem höllisch weh - aber ich hatte die Situation unter Kontrolle, konnte entscheiden, ob ich eine Szene mache oder mich still umdrehe und wieder nach Hause fahre. In gewisser Weise habe ich solche Trennungsszenarien meist herausgefordert, um dem Schmerz wenigstens seinen Zeitpunkt zu diktieren.
Darum provoziere ich auch schmerzende "Bekenntnisse", um endlich zu wissen, woran ich bin, um den Schmerz auszumessen, abzuschreiten, von jeder äußeren Einflussnahme abzukapseln und mir in einem eigenen Tempo einzuverleiben. Bissen für Bissen, Stück für Stück ... bis er vollständig verdaut ist und mir nichts mehr anhaben kann.
Für mich ist die Angst vor dem Schmerz tatsächlich viel viel schlimmer als der Schmerz selbst.

Und genau diese Sicht zu Schmerzmitteln hatte ich auch mal. Ich habe alles, was irgendwie ging, ohne Schmerzmittel oder Spritze beim Zahnarzt tapfer ertragen.
Bis ich irgendwann lernen musste, dass bestimmte körperliche Schmerzen durch eine Schmerztherapie behandelt gehören, weil man sonst aus dem Kreislauf und der dadurch resultierenden Bewegungseingeschränktheit, der chronischen Schmerzen, kaum noch raus kommt. Das gilt natürlich nicht für den "normalen" Schmerz, bei dem der Zeitpunkt des Verschwindens bekannt, bzw. beeinflußbar ist.
Deshalb finde ich, Du hast ein sehr unterschiedlichen Umgang mit körperlichen, wie mit seelischen Schmerzen.
Die körperlichen läßt Du gewähren um ihre Intensität zu spüren und so eben eine Art Kontrolle über sie zu erlangen. Während Du bei den seelischen auf die heilende Schockwirkung der nackten Wahrheit setzt!
Oder habe ich das falsch verstanden?

Ich gehe anders mit Schmerzen um. Die körperlichen ertrage ich nur noch so lange, wie sie mir keinen seelischen Streß bereiten. Mit chronischen habe ich die richtige Umgehensweise erlernt und sie so besiegt. Das hat meine Angst davor deutlich reduziert!

Die seelischen machen mir die größere Angst! Ehrlich gesagt habe ich noch keinen guten Weg für mich gefunden, damit umzugehen. Meistens fühle ich mich erstmal so erstarrt, überrollt und gefangen von dem Schmerz, dass ich keine Möglichkeit sehe, da jemals wieder raus zu kommen. Ja, erstmal stecke ich bis zum Bauchnabel mit dem Kopf im Sand! roetel.gif
Deshalb bin ich selten Deinen Weg gegangen, DTaM. Ich habe eher versucht, die Wahrheit auszublenden, weil ich mich durch diese überfordert gefühlt habe.
War froh, wenn ich der Konfrontation, die mir am Ende goßes Leid bringen würde, irgendwie ausweichen konnte.
Es ist einfach meine Unfähigkeit, mit diesen seelischen Schmerzen richtig umzugehen, die meine Angst schürrt.
So habe ich auch heute schon Angst vor dem Tag, an dem einer unserer Hunde geht. Einfach, weil ich so gar keine Ahnung habe, wie ich das aushalten und bewältigen soll? sad.gif
Ja, ich habe mich sogar schon bei dem Gedanken erwischt, dass wir die Hunde besser gar nicht erst angeschafft hätten und mich dann sofort für diesen Gedanken geschämt. roetel.gif
Aber das ist ein anderes Thema.

edit: Eigentlich hatte ich eine ganz andere Richtung im Hinterkopf, als ich zu schreiben begann und mich dann aber irgendwie gedanklich verfahren. Nun bin ich angekommen, wo ich gar nicht hin wollte. Irgendwie hab ich heute einen Knoten im Kopf wacko.gif

Geschrieben von: mandelbäumchen am 22.Jun.2008 - 12:09

QUOTE (robin @ 22.Jun.2008 - 12:41)
... es ist genauso wichtig zu wissen, was ich selber will, um meinem glück näher zu kommen, bevor ich mich um das wohlergehen anderer bemühe.
Erwachsenen fluggästen wird auch gesagt, zuerst die sauerstoffmasken aufzusetzen, bevor sie es mit den kindern tun ...


Es geht doch gar nicht darum, sich zuerst um das Wohlergehen anderer zu kümmern, sondern darum, nicht zu erwarten, dass andere ihre Entscheidungen nach meinem ausrichten.

Sie tun etwas, was unseren Wünschen und Bedürfnisssen entgegen steht, was uns schmerzt. Sie tun es, weil sie es tun müssen, weil es für sie richtig ist, weil sie s zu ihrem Glück brauchen, vielleicht auch nur weil sie in nicht anders können.

Das stellt mich vor die Entscheidung: Breche ich die die Beziehung ab, weil zu weh tut. Oder bleibe ich und setze mich auseinander.

Manchmal ist es besser zu gehen.

Manchmal lohnt es sich zu bleiben, vielleicht in der Erkenntnis, dass nicht die andere für mein Glück verantwortlich ist, sondern ganz allein ich selbst. Und dass es zu meinem Glück beiträgt, aktiv an einer Veränderung mitzuarbeiten, die ich ursprünglich gar nicht selbst gewollt haben.

Noch'n chinesisches Sprichwort: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen."







Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 12:14

QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 12:09)
... vielleicht in der Erkenntnis, dass nicht die andere für mein Glück verantwortlich ist, sondern ganz allein ich selbst. Und dass es zu meinem Glück beiträgt, aktiv an einer Veränderung mitzuarbeiten, die ich ursprünglich gar nicht selbst gewollt habe.

Noch'n chinesisches Sprichwort: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen."

flowers.gif

Danke für das Sprichwort - das kannte ich noch nicht.

Geschrieben von: davvero am 22.Jun.2008 - 12:19

QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 13:09)


Das stellt mich vor die Entscheidung: Breche ich die die Beziehung ab, weil zu weh tut. Oder bleibe ich und setze mich auseinander.

Manchmal ist es besser zu gehen.

Manchmal lohnt es sich zu bleiben, vielleicht in der Erkenntnis, dass nicht die andere für mein Glück verantwortlich ist, sondern ganz allein ich selbst. Und dass es zu meinem Glück beiträgt, aktiv an einer Veränderung mitzuarbeiten, die ich ursprünglich gar nicht selbst gewollt haben.

Noch'n chinesisches Sprichwort: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen."

thumbsup.gif

Geschrieben von: LadyGodiva am 22.Jun.2008 - 12:22

Naja, gezwungenermaßen sehe ich schon einen Unterschied zwischen einer körperlichen Missempfindung (die durchaus psychische Ursachen haben darf, wie zB Spannungskopfschmerz) und der eher endogenen Pein der Unausweichlichkeit, Traurigkeit, Getriebenheit.
Gegen erstere stehen uns hochpotente Gegenmittel zur Verfügung - beginnend bei der Grande Dame Aspirin als Dauerbegleiterin im Pillendöschen und endend am Morphin-Perfusor. Mit vergleichsweise einfachen körperlichen Grundlagen. Eine schmerzverursachende Gallenblase wird entfernt. Gegen Migräne hilft Dunkelheit, Schlaf und ggf eine spezielle Ernährung.

Seelische Pein stelle ich mir ein wenig komplexer vor - sicherlich bahnt sie sich auch ihren Weg, in den Bauch, ins Herz, ins Gebein - besteht sie doch aus hochindividuellen Anpassungsschwierigkeiten an die Welt. Sei es, dass plötzliche Ereignisse traumatisieren, oder stetige Negativerfahrungen ein eigenes Verhaltensmuster bahnen. Immer ist es jedoch eine negative Selbstwahrnehmung in der Auseinandersetzung mit der Umwelt, die auf eigene Strategien trifft, damit umzugehen. Das, was wir Persönlichkeitsstruktur nennen, das uncharmantere Pendant zu Charisma vielleicht, die Negativliste der Big5. Fußend auf unserem ganz eigenen Nervenzellstoffwechsel.
Natürlich gibt es auch für diese Form des Leids recht wirksame Mittel, von deren Wirkweise nur ein Bruchteil gesichert ist - die therapieren aber tatsächlich nur rein symptomatisch: wer ängstlich ist, bleibt nach Injektion eines entsprechenden Mittels ganz ruhig, auch wenn der Löwe noch hinter ihm steht.
Dadurch werden möglicherweise die letzten Minuten wurschtiger, nicht aber die Situation an sich weniger bedrohlich.
Warum also nicht unsere Lernfähigkeit nutzen, die uns ermöglicht, andere Wege zu bahnen? Dazu muss man wissen, was Schmerz ist - und erkennen, wie bezwingbar er durch Hausmittel (zB Biofeedback, Hypnose) sein kann, bei ganz klarem Bewusstsein, ohne zugeführte Modulatoren. Dass der Körper eigene Strategien bereithalten kann, sich mit der Missempfindung mindestens zu arrangieren.


edit: einer meiner 10 liebsten Lieblingsfehler

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 22.Jun.2008 - 13:48

Ich glaub ja nicht wirklich, dass meine kleine Philosophie der Zahnschmerzen von allgemeinem Interesse ist biggrin.gif ... vom Aufschieben ist in diesem Schmerzbereich allerdings grundsätzlich abzuraten ... darauf können wir uns wahrscheinlich einigen ... weitere Details erpare ich uns lieber.

Auch beim Herzschmerz steht man ja selten vor der Enscheidung "Leiden oder Glück". Und bleibt lediglich die Wahl zwischen einem Ende mit Schmerzen oder den (gedämpften) Schmerzen ohne Ende, hat die erste Variante nicht zu leugnende Vorteile.

Schwieriger ist der Umgang mit die Angst vor dem Schmerz, wenn das Glück im Zenit steht und uns zu Bewusstsein kommt, dass es vergänglich ist.
Meine geliebte Großtante hat sehr häufig von ihrem Tod gesprochen ... als sie starb war ich in gewisser Weise vorbereitet ... es hat mir gut getan so viele Jahre Zeit zu haben zum Abschiednehmen.

Und je älter unser Glückskater wird, desto häufiger sticht mich der Gedanke, ihn einmal begraben zu müssen - dann bin ich traurig und sehr dankbar, dass ich jetzt noch die Chance habe, mein Gesicht in sein Fell zu vergraben und eine Träne zu verdrücken. Wenn er nicht mehr da ist, wird das wohl nicht mehr so einfach sein mit dem Weinen.

Geschrieben von: Mausi am 22.Jun.2008 - 14:06

@mandelbäumchen

QUOTE
Welche Situation?
Der Satz ist etwas knapp, aber kein Telegramm von der fernen Insel der Schmerzfreiheit, davon kannst du ausgehen wink.gif


Nein, ich ging nie davon aus, dass Du Schmerzfrei lebst oder gelebt hast - im Gegenteil.
Nur der Thread, un die Situation, in der dieser Satz fiel "Verheiratete Nachbarin" - hörte sich "lax" an - dass es von Dir nicht so gemeint war, ist mir durchaus bewusst.

Was die Körperlichen Schmerzen angeht - ich ertrage davon - außer es geht um Kopfschmerzen und eben Unterleibsschmerzen (dumpfer Art) - dann wird es schwierig. Bei Kopfschmerzen nehme ich recht schnell ne Ibu - da ich sonst weiß, dass sie sich stetig steigern und zu einer Migräne heran wachsen - jahrelang getestet, probiert und auf Arbeit sind Kopfschmerzen nicht förderlich, Unterleibsschmerzen - ja gut - da gibt es auch "Mittelchen".

Die Schmerzen, die "eben mal so" vorkommen, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen - ja sowas halt ich aus - das ist ok, das geht irgendwann wieder weg. *ganz furchtbar finde ich ja die Werbung von Aspirin, wo 2 Damen vom Sport kommen und die eine sagt "Ich hab so Muskelkater" "dann nimm ne Aspirin" "Ich hab keine Kopfschmerzen, sondern Muskelkater" "Ja, nimm ne Aspirin" und dann eben erklärt wird, das Aspirin an allen Rezeptoren ansetzt - stimmt ja durchaus, tat es ja vorher, aber der Umgang mit Schmerzmitteln ist dann schon sehr - äh - ja! der da vermittelt wird!)

Seelische Schmerzen empfinde ich aber anders - diese kann ich händeln, sind soweit kontrollierbar - und sie können eingedämmt werden und ausgepackt, je nach Situation (wenn man gelernt hat mit ihnen umzugehen).
Körperliche Schmerzen sind insofern lieber, weil sie schneller vorbei gehen.
Seelischer Schmerz kann Jahre anhalten - und eben erst wenn wirklich was gegen ihn gemacht wurde, wird er erträglich.
Diese Konfrontation ist - ja - heilsam.

Und innerhalb von Beziehungen
QUOTE (mandelbäumchen)
Das stellt mich vor die Entscheidung: Breche ich die die Beziehung ab, weil zu weh tut. Oder bleibe ich und setze mich auseinander.

Manchmal ist es besser zu gehen.

Manchmal lohnt es sich zu bleiben, vielleicht in der Erkenntnis, dass nicht die andere für mein Glück verantwortlich ist, sondern ganz allein ich selbst. Und dass es zu meinem Glück beiträgt, aktiv an einer Veränderung mitzuarbeiten, die ich ursprünglich gar nicht selbst gewollt haben.

Noch'n chinesisches Sprichwort: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen."

Bin ich froh, dass ich inzwischen genau dahin gelangt bin - nach langen Jahren.
Ich könnte gehen, wenn der Schmerz zu bleiben zu groß ist.

Und ich kann mich entscheiden zu Bleiben, wenn ich es händeln kann.

Und ich bin froh, dass ich die Schmerzvollen Erfahrungen nutzen konnte, um mir ein großes Maß an Lebenserfahrung anzuhäufen, was mir mein weiteres Leben leichter macht - einfach in der Kenntnis meiner selbst und meiner Stärke.

Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 14:14

QUOTE (LadyGodiva @ 22.Jun.2008 - 12:22)
Seelische Pein stelle ich mir ein wenig komplexer vor - sicherlich bahnt sie sich auch ihren Weg, in den Bauch, ins Herz, ins Gebein - besteht sie doch aus hochindividuellen Anpassungsschwierigkeiten an die Welt. Sei es, dass plötzliche Ereignisse traumatisieren, oder stetige Negativerfahrungen ein eigenes Verhaltensmuster bahnen. Immer ist es jedoch eine negative Selbstwahrnehmung in der Auseinandersetzung mit der Umwelt, die auf eigene Strategien trifft, damit umzugehen. Das, was wir Persönlichkeitsstruktur nennen, das uncharmantere Pendant zu Charisma vielleicht, die Negativliste der Big5. Fußend auf unserem ganz eigenen Nervenzellstoffwechsel.
Natürlich gibt es auch für diese Form des Leids recht wirksame Mittel, von deren Wirkweise nur ein Bruchteil gesichert ist - die therapieren aber tatsächlich nur rein symptomatisch: wer ängstlich ist, bleibt nach Injektion eines entsprechenden Mittels ganz ruhig, auch wenn der Löwe noch hinter ihm steht.
Dadurch werden möglicherweise die letzten Minuten wurschtiger, nicht aber die Situation an sich weniger bedrohlich.
Warum also nicht unsere Lernfähigkeit nutzen, die uns ermöglicht, andere Wege zu bahnen? Dazu muss man wissen, was Schmerz ist - und erkennen, wie bezwingbar er durch Hausmittel (zB Biofeedback, Hypnose) sein kann, bei ganz klarem Bewusstsein, ohne zugeführte Modulatoren. Dass der Körper eigene Strategien bereithalten kann, sich mit der Missempfindung mindestens zu arrangieren.

Ich schlage vor, zu unterscheiden zwischen Schmerz (egal ob körperlich und/oder seelisch) und Leid.

Letzteres entsteht nach meiner bisherigen Sicht der Dinge daraus, dass

1. Schmerz im Denken der Betroffenen Person keine Daseinsberechtigung hat, und zu nichts, aber auch gar nichts gut ist. So fruchtbare Fragen ignorierend wie "Gibt es evtl. auch gute Seiten daran, dass ... ?" "Ist es wirklich NUR schlecht, dass ...?, "Muss ich das überhaupt auf mich beziehen?" ... und, ganz wichtig: "Stimmt es TATSÄCHLICH, dass ich ohne/mit ... nicht leben/NIE wieder glücklich sein kann?"

2. dass wir unsere gewesene/momentane Schmerzerfahrung auf die Zukunft projizieren, nach dem Motto "Ich werde sie IMMER vermissen." "Der Schmerz wird NIE aufhören." "Es wird wieder so sein wie das letzte Mal/die Male zuvor." D.h., dass wir (vor uns selbst) in Gedanken dort zu sein vorgeben, wo wir gar nicht sein können, nämlich in der Zukunft. Was nur dann Sinn machen würde, wenn es freudig motivierend visionär wäre ...

oder

3. dass wir in einer so erinnerten Vergangenheit verweilen, und uns somit mit unserem Bewusstsein ebenfalls nicht an dem einzigen Ort aufhalten, der wirklich existiert, sprich: Im Hier und Jetzt. Frei nach dem beliebten Motto "Ich komm nicht drüber weg." oder, deutlicher: "Ich will auch gar nicht drüber weg kommen". Sprich: Irgendetwas gibt es mir, immer wieder zum Auslöser der schmerzhaften Erfahrung zurück zu kehren. Vielleicht ein "ich hab´s schon immer gewusst." Vielleicht das Gefühl, es kann keine echte, tiefe Liebe gewesen sein, wenn ich jetzt Spaß habe. Vielleicht ein Sich-Spüren. Vielleicht Treue zu einem gererationenalten Muster-Erbstück, das fett, klobig und vermottenkugelt mitten im Korridor unserer Lebensenergie rumsteht, vielleicht .... etc.

edit:

4. dass wir Personen überhöhen, Situationen, Orte, Zeitspannen idealisieren: "Jemanden wie ... finde ich NIE (da isses wieder) mehr". "Sie hat gemacht (!), dass es mir zum ersten und einzigen Mal gut ging.", "Das WAR die schönste Zeit meines Lebens." "NUR in ... kann ich glücklich sein."

Soviel erstmal zu Leid.

Schmerz hingegen sehe ich als etwas Momentanes (in chronischen Fällen immer wieder Momentanes ..., mit dem es immer wieder einen Umgang zu finden gilt, bis der neue Umgang ein selbstverständlicher Umgang geworden ist.)
In meiner psychosomatischen Arbeit habe ich viel Kontakt mit chronischen Schmerzpatienten - es ist immer wieder wunderbar, zu erleben, wie sie irgendwann sagen: "Der Schmerz ist zwar noch da - aber daneben gibt es so viel Schönes in meinem Leben. Er behindert mich nicht mehr. Ich nehme wieder am Leben teil."

.... spannend, spannend, spannend, das alles smile.gif

... und es gibt bestimmt noch viel mehr dazu beizutragen ...

Geschrieben von: mandelbäumchen am 22.Jun.2008 - 15:22

Mir fehlt da noch was:

5. dass wir unsere körperliche und psychische Unversehrtheit, ggf. unser Leben bedrohenden Situationen ausgesetzt sind, die unsere Möglichkeiten damit umzugehen weit übersteigen. Ohne die geringste Chance, diese Erfahrungen zeitnah und begleitet zu verarbeiten. Verschärft wird das ganze noch, wenn es sich um eine Situation handelt, die über viele Jahre besteht. Und/oder wenn das Umfeld leugnet, dass sie überhaupt besteht. Oder bestand.




Geschrieben von: malene am 22.Jun.2008 - 16:18

QUOTE (sonnenstrahl @ 22.Jun.2008 - 14:14)
Schmerz hingegen sehe ich als etwas Momentanes (in chronischen Fällen immer wieder Momentanes ..., mit dem es immer wieder einen Umgang zu finden gilt, bis der neue Umgang ein selbstverständlicher Umgang geworden ist.) 

Als ich intensiv Karate gemacht habe, hatte uns unsere Karatelehrerin gelehrt, den körperlichen Schmerz, der bei dieser Art von Sport sehr stark sein kann, wie von "aussen" zu beobachten, sich nicht in ihm "versinken" zu lassen. Nach einigen Monaten hatte ich es gelernt: der Schmerz war da, aber ich war ihm weniger ausgeliefert.

Später versuchte ich, das gleiche mit seelischem Leid zu tun; wenn ich verletzt war, wenn es mir schlecht ging, stellte ich mich "ausserhalb" und sah mir selbst zu. Und siehe da, nach einiger Zeit verlor das Leid ein wenig an Macht über mich. smile.gif

edit: denn darum geht es letztendlich auch: wieviel Macht lasse ich dem Schmerz/ dem Leid über mich selbst, über mein Leben

Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 16:21

QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 15:22)
Mir fehlt da noch was:

5. dass wir unsere körperliche und psychische Unversehrtheit, ggf. unser Leben bedrohenden Situationen ausgesetzt sind, die unsere Möglichkeiten damit umzugehen weit übersteigen. Ohne die geringste Chance, diese Erfahrungen zeitnah und begleitet zu verarbeiten. Verschärft wird das ganze noch, wenn es sich um eine Situation handelt, die über viele Jahre besteht. Und/oder wenn das Umfeld leugnet, dass sie überhaupt besteht. Oder bestand.

Ja. Da hast du gewiss recht, mandelbäumchen.
Und ich denke, es ist - so die Chance besteht, was leider nur für einen kleinen, privilegierten Bruchteil aller Menschen auf dieser Welt gegeben ist - ein Segen, wenn gut ausgebildete, klare, selbst hinreichend stabile, lebenserfahrene TherapeutInnen, SeelsorgerInnen, HeilerInnen, Mitmenschen erreichbar sind, die schwer traumatisierten Menschen dabei helfen können, aus dem Seelendunkel ganz allmählich (wieder - oder erstmalig) ins Gerne-Leben zu finden.
Was manchmal, "gemessen" an dem, was anderen möglich ist, nur zum kleinen Teil zu gelingen scheint.
Hier taucht die nicht nur mich immer wieder umtreibende Frage auf: Warum? ...
Oder besser: Was? ... Was ist da los?
Und mittenmang unsere/meine beschränkte, vielleicht manchmal anmaßende (sich immer wieder wandelnde, erweiternde) Vorstellung von Heilung/heil sein ...
Ich finde es (gerade auch im begleitenden Berufsalltag, wo ich sehr viel von Menschen mitkriege, was sie sonst nicht überall rumerzählen würden) immer wieder erstaunlich, wieviel Glück manche extrem-traumatisierten Menschen in ihr Leben lassen "können", und wie schwer für andere, eher durchschnittlich Lebensverletzte wohl hauptsächlich die weitergereichte Erblast wiegen mag.
Genau an dieser Stelle versuchen meine Hypothesen 1-4 anzusetzen ...

Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 16:30

QUOTE (malene @ 22.Jun.2008 - 16:18)
QUOTE (sonnenstrahl @ 22.Jun.2008 - 14:14)
Schmerz hingegen sehe ich als etwas Momentanes (in chronischen Fällen immer wieder Momentanes ..., mit dem es immer wieder einen Umgang zu finden gilt, bis der neue Umgang ein selbstverständlicher Umgang geworden ist.)

Als ich intensiv Karate gemacht habe, hatte uns unsere Karatelehrerin gelehrt, den körperlichen Schmerz, der bei dieser Art von Sport sehr stark sein kann, wie von "aussen" zu beobachten, sich nicht in ihm "versinken" zu lassen. Nach einigen Monaten hatte ich es gelernt: der Schmerz war da, aber ich war ihm weniger ausgeliefert.

Später versuchte ich, das gleiche mit seelischem Leid zu tun; wenn ich verletzt war, wenn es mir schlecht ging, stellte ich mich "ausserhalb" und sah mir selbst zu. Und siehe da, nach einiger Zeit verlor das Leid ein wenig an Macht über mich. smile.gif

Das wirft z.T. nochmal ein erhellendes Licht auf das, was ich meine. smile.gif

Geschrieben von: mandelbäumchen am 22.Jun.2008 - 17:11

QUOTE (malene @ 22.Jun.2008 - 17:18)
Später versuchte ich, das gleiche mit seelischem Leid zu tun; wenn ich verletzt war, wenn es mir schlecht ging, stellte ich mich "ausserhalb" und sah mir selbst zu. Und siehe da, nach einiger Zeit verlor das Leid ein wenig an Macht über mich. smile.gif

Gelegentlich angewendet ganz brauchbar.
Als Dauerlösung riskant.
Pass auf, dass du dich nicht aussperrst! wink.gif

Passiert mir leider dauernd, und dann stehe ich neben mir und suche verzeifelt den Schlüssel. Und finde ihn dann manchmal gerade im Schmerz.


@sonnenstrahl
Was durschnittlich und was extrem traumatisiert ist, lässt sich manchmal von außen schwer erkennen.

In jedem Fall ist die richtige Einstellung wichtig für den Verlauf, das bestreite ich nicht. Nur entsteht die nicht im luftleeren Raum. Es muss etwas da sein von außen, heilend und wegweisend, in Kombination mit der Möglichkeit es auch auf- und anzunehmen. Eine sehr kompexe Geschichte, finde ich.

Bei allen Bemühungen bleibt oft nur ein Leben auf Krücken. Aber auf Krücken lebt sich ja oft sehr glücklich. Nur ist das Vorankommen damit meist etwas langsamer und gelegentlich auch ermüdend smile.gif.

Ich möchte keinem Menschen, die Schuld am eigenen Leid geben, so leicht mir selbst die Verletzung auch erscheinen mag. Wohl aber die Veranwortung für die Veränderung. Und mein Mitgefühl, wenn es trotzdem scheitert.
Manchmal scheitere ich damit, menschlich anmaßend, wie ich nunmal bin.
wink.gif

Edit: Kleine Ergänzung

Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 17:23

QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 17:11)

Gelegentlich angewendet ganz brauchbar.
Als Dauerlösung riskant.
Pass auf, dass du dich nicht aussperrst! wink.gif

Passiert mir leider dauernd, und dann stehe ich neben mir und suche verzeifelt den Schlüssel. Und finde ihn dann manchmal gerade im Schmerz.


Ohne jetzt wirklich ganz tief einsteigen zu wollen: Das seh ich auch so. Deswegen mein "z.T". Genau diese Methode kann unter schwerwiegenden Umständen der Grundstein zur Abspaltung in allen Varianten sein ...

QUOTE
@sonnenstrahl
Was durschnittlich und was extrem traumatisiert ist, lässt sich manchmal von außen schwer erkennen.


Sure. wink.gif

QUOTE
In jedem Fall ist die richtige Einstellung wichtig für den Verlauf, das bestreite ich nicht. Nur entsteht die nicht im luftleeren Raum. Es muss etwas da sein von außen, heilend und wegweisend, in Kombination mit der Möglichkeit es auch auf- und anzunehmen. Eine sehr kompexe Geschichte, finde ich.


Oh ja.

QUOTE
Bei allen Bemühungen bleibt oft nur ein Leben auf Krücken. Aber auf Krücken lebt sich ja oft sehr glücklich. Nur ist das Vorankommen damit meist etwas langsamer und gelegentlich auch ermüdend smile.gif.


flowers.gif

QUOTE
Ich möchte keinem Menschen, die Schuld am eigenen Leid geben, so leicht mir selbst die Verletzung auch erscheinen mag. Wohl aber die Veranwortung für die Veränderung. Und mein Mitgefühl, wenn es trotzdem scheitert.
Manchmal scheitere ich damit, menschlich anmaßend, wie ich nunmal bin. 
  wink.gif


Ich auch. Leider.

Geschrieben von: malene am 22.Jun.2008 - 17:59

QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 17:11)
QUOTE (malene @ 22.Jun.2008 - 17:18)
Später versuchte ich, das gleiche mit seelischem Leid zu tun; wenn ich verletzt war, wenn es mir schlecht ging, stellte ich mich "ausserhalb" und sah mir selbst zu. Und siehe da, nach einiger Zeit verlor das Leid ein wenig an Macht über mich. smile.gif

Gelegentlich angewendet ganz brauchbar.
Als Dauerlösung riskant.
Pass auf, dass du dich nicht aussperrst! wink.gif


Wenn man diese Methode richtig anwendet, ist "Aussperrung" unmöglich.

edit: ein r zu viel

Geschrieben von: mandelbäumchen am 22.Jun.2008 - 18:02

QUOTE (malene @ 22.Jun.2008 - 18:59)
QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 17:11)
QUOTE (malene @ 22.Jun.2008 - 17:18)
Später versuchte ich, das gleiche mit seelischem Leid zu tun; wenn ich verletzt war, wenn es mir schlecht ging, stellte ich mich "ausserhalb" und sah mir selbst zu. Und siehe da, nach einiger Zeit verlor das Leid ein wenig an Macht über mich. smile.gif

Gelegentlich angewendet ganz brauchbar.
Als Dauerlösung riskant.
Pass auf, dass du dich nicht aussperrst! wink.gif


Wenn man diese Methode richtig anwendet, ist "Aussperrung" unmöglich.

edit: ein r zu viel

Dann hab ich sie wohl falsch angewendet.

Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 18:04

QUOTE (malene @ 22.Jun.2008 - 17:59)
Wenn man diese Methode richtig anwendet, ist "Aussperrung" unmöglich.

edit: ein r zu viel

Ja, sicher. Doch die Fallstricke des Missverstehenkönnens liegen weniger in der Methode als im gewachsenen Seelengeflecht des einzelnen Menschen smile.gif .

Geschrieben von: malene am 22.Jun.2008 - 18:05

QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 18:02)
QUOTE (malene @ 22.Jun.2008 - 18:59)
QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 17:11)
QUOTE (malene @ 22.Jun.2008 - 17:18)
Später versuchte ich, das gleiche mit seelischem Leid zu tun; wenn ich verletzt war, wenn es mir schlecht ging, stellte ich mich "ausserhalb" und sah mir selbst zu. Und siehe da, nach einiger Zeit verlor das Leid ein wenig an Macht über mich. smile.gif

Gelegentlich angewendet ganz brauchbar.
Als Dauerlösung riskant.
Pass auf, dass du dich nicht aussperrst! wink.gif


Wenn man diese Methode richtig anwendet, ist "Aussperrung" unmöglich.

edit: ein r zu viel

Dann hab ich sie wohl falsch angewendet.

Diesen Eindruck hatte ich bei Dir auch.

Geschrieben von: mandelbäumchen am 22.Jun.2008 - 18:18

*Schluck*

Ich geh wohl besser mal eben raus ...

Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 18:27

@mandelbäumchen abschied.gif Deine Ironie ist wohl nicht angekommen ...


@malene: Meinst du nicht, dass deine Haltung zur Unfehlbarkeit der von dir gepriesenen Methode ein wenig anmaßend und überdenkenswert ist?

Geschrieben von: mandelbäumchen am 22.Jun.2008 - 18:32

Danke.

... und komme bald wieder. smile.gif

Geschrieben von: malene am 22.Jun.2008 - 18:35

@sonnenstrahl: jede Methode ist "fehlbar", wenn die innere Einstellung nicht stimmt. Und wenn mandelbäumchen (nicht nur in diesem Thread) so grosszügig ironische Bemerkungen austeilt, darf sie auch mal eine einstecken. Wobei diese letzte nicht unbedingt ironisch gemeint war, ich habe ganz ehrlich den Eindruck, dass mandelbäumchen sich bei ihrer Schmerzbewältigung "verrannt" hat, und das nicht seit heute. Wenn mein Denkanstoss nicht willkommen ist, darf sie ihn gern ignorieren.

Geschrieben von: sonnenstrahl am 22.Jun.2008 - 18:46

user posted image

@malene: Wäre ich Schiedsrichterin, ich würde dich hiermit für mindestens ein Spiel sperren lassen! Du haust hier ganz schön unter die Gürtellinie - und das öffentlich! Und obendrein ohne persönliche Einladung und vorheriges, klärendes Nachfragen, ob du mandelbäumchen richtig verstanden hast, bzw. wie sie etwas meint, was dir aufstößt. Nicht schön ...

edit: Mir ist bisher weder aufgefallen, dass mandelbäumchen "großzügig" ironische Bemerkungen um sich wirft, noch dass sie sich hier im Forum in irgendetwas "verrannt" hätte ... Vielleicht ist ihre Sicht der Dinge und ihre Art des Umgangs mit sich und anderen einfach ungewohnt für dich?

Geschrieben von: malene am 22.Jun.2008 - 18:54

Es tut mir leid, wenn Du diesen Eindruck hast.
Und wir sind zum Glück nicht auf dem Fussballfeld. laugh.gif

Geschrieben von: DerTagAmMeer am 22.Jun.2008 - 19:21

Muss das sein?
"Ich-hab-immer-alles-im-Griff-Userinnen" hat dieses Forum nun wirklich zu Genüge ... es kann doch nicht sein, dass persönliche Antastbarkeit hier als Einladung verstanden wird, verletzt zu werden.

@ Malene: ich bin mir nicht sicher, ob ich Deine Anspielung richtig verstanden und auf die von Dir gemeinten Themen bezogen habe ... wenn ja, kann ich beim besten Willen nicht verstehen, wieso Du das jetzt nötig hattest unsure.gif

Geschrieben von: Mausi am 22.Jun.2008 - 20:23

QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 16:22)
Mir fehlt da noch was:

5. dass wir unsere körperliche und psychische Unversehrtheit, ggf. unser Leben bedrohenden Situationen ausgesetzt sind, die unsere Möglichkeiten damit umzugehen weit übersteigen. Ohne die geringste Chance, diese Erfahrungen zeitnah und begleitet zu verarbeiten. Verschärft wird das ganze noch, wenn es sich um eine Situation handelt, die über viele Jahre besteht. Und/oder wenn das Umfeld leugnet, dass sie überhaupt besteht. Oder bestand.

thumbsup.gif

Was diese "Karate-Methode" angeht.
Ich kenn das schon auch, nur ohne es "gelernt" zu haben - zumindest nicht gezielt gelernt.
Und es kann durchaus ein Aussperren geben - so sehr, dass das Leben aus den Fugen gerät und eben mehr Schmerz als so schon vorhanden verursacht wird.
Es kommt drauf an, in welcher Situation man ist, wie und wann man es anwendet und zu welchem Zweck es "erlernt" wurde.

Das kann hier keiner beurteilen, wie und wieso u.v.a. wann jemand diese "Fähigkeit" anwendet. Und somit kann keiner beim Gegenüber beurteilen, ob sie "richtig" oder "falsch" angewendet wurde.

Das Schmerz der Einzige Weg zu sich selbst dann ist, kenne ich durchaus auch.
Und auch da muss ein Umgehen gefunden werden, außer man sieht es selbst als Mittel der Wahl.

Mit Übung kann man aus Situationen heraus treten, sie neutral betrachten - und je nachdem was so schmerzt, geht es auch - je nachdem wie eng man mit dem Schmerz verbunden ist, nimmt man sich jedoch mit - und die Möglichkeit auf halbem Weg verloren zu gehen besteht dann einfach.
Dafür gibt es extra bestimmte Therapieformen, die das bei bringen auch, eben auch bei traumatisierten Menschen (denen dieses "mal eben von außen betrachten" aufgrund verschiedener Mechanismen innerhalb eines Traumas nochmal schwerer fällt, da es von anderen "Schutzmechanismen" abgegrenzt werden muss - aber das weiter zu vertiefen wär dann nochmal nen Eck zu arg edit: Stichwort geschrieben und wieder rausgenommen.

Persönliche Kommentare, die angreifen und bewerten finde ich hier mehr als überflüssig und v.a. riskant, da bei diesem offen beantwortetem Thema noch mehr seelischer Schmerz - der wirklich unnötig ist in dem Falle - hervorgerufen werden kann.

Mausi

Geschrieben von: LadyGodiva am 22.Jun.2008 - 21:37

( blink.gif )

Da es ja ursprünglich irgendwie darum ging

QUOTE (mandelbäumchen)

Leben tut gelegentlich heftig weh, so what?
-
möchte ich darauf ein wenig weiter Bezug nehmen.

Ich halte Pein, Leid entweder für eine Kapitulationserklärung an die Medizin -
oder an den Lebenswillen.
Das klingt möglicherweise härter als es begriffen werden kann.
Ist Leid die Bewertung des Schmerzes, kann eine Lösung nur im Bedeutungswandel liegen. Entweder ist das Übel tatsächlich vernichtbar, oder es müssen Strategien gefunden werden, die Tatsache des Integritätsverlustes ins selbst eigene Leben zu integrieren, möglicherweise durch den weitaus höheren Schwellenschmerz einer Anerkunnung der Tatsache, verletzlich wie endlich zu sein.
Also, eigentlich... chronifiziertes Menschsein.

Geschrieben von: Mausi am 22.Jun.2008 - 21:51

QUOTE (LadyGodiva @ 22.Jun.2008 - 22:37)
Ist Leid die Bewertung des Schmerzes, kann eine Lösung nur im Bedeutungswandel liegen. Entweder ist das Übel tatsächlich vernichtbar, oder es müssen Strategien gefunden werden, die Tatsache des Integritätsverlustes ins selbst eigene Leben zu integrieren, möglicherweise durch den weitaus höheren Schwellenschmerz einer Anerkunnung der Tatsache, verletzlich wie endlich zu sein.

thumbsup.gif

Geschrieben von: mandelbäumchen am 23.Jun.2008 - 08:07

QUOTE (LadyGodiva @ 22.Jun.2008 - 22:37)
Das klingt möglicherweise härter als es begriffen werden kann.
Ist Leid die Bewertung des Schmerzes, kann eine Lösung nur im Bedeutungswandel liegen. Entweder ist das Übel tatsächlich vernichtbar, oder es müssen Strategien gefunden werden, die Tatsache des Integritätsverlustes ins selbst eigene Leben zu integrieren, möglicherweise durch den weitaus höheren Schwellenschmerz einer Anerkunnung der Tatsache, verletzlich wie endlich zu sein.
Also, eigentlich... chronifiziertes Menschsein.

Ja, du hast recht.

Nur, dass der pure Lebenswille mitunter nicht ausreicht, Strategien manchmal schwer zu finden und noch schwerer umsetzbar sind. Und es kommt zu heftigen aufreibenden Kämpfen, die häufig in Krampf ausarten. Und alles, was dann noch hilft ist Lassen.

Es gibt einen Satz von Carl Rogers, auf den ich immer wieder gerne zurückkomme, eine seiner wichtigsten Lernerfahrungen, wie er sie nennt: "Je mehr ich gegenüber den Realitäten in mir und im anderen offen bin, desto weniger verfalle ich dem Wunsch, herbeizustürmen und 'die Dinge in Ordnung' zu bringen." (Es geht noch weiter. Ich schicke gerne die komplette Passage, bzw. die Quellenangabe.)

Auf Schmerz und Leid bezogen bedeutet das für mich: Statt Ratschläge hervorzukramen, nach krampfhaft Lösungen (oder Strategien?) zu suchen, es einfach nur stehen lassen, wenn jemand vom eigenen Schmerz, vom eigenen Leid erzählt. Und vesuchen mir selbst die gleiche Gunst zu erweisen.

Was ja letztendlich auch eine Strategie ist und sehr nah an die zweite Hälfte deines letzten Satze heranreicht. Und eigentlich nur bestätigt, was du geschrieben hast. smile.gif

Mir hilft diese Einstellung sehr.
Das gibt mir dann wieder Luft zum Atmen und Kraft und Lebendigkeit.

Für mich läuft es wieder auf meine ursprüngliche Aussage hinaus.
Alles - auch Schmerz einfach zuzulassen. Dann verwandelt er sich manchmal in Gold.

Scheitern trotzdem nicht ausgeschlossen.

Mandelbäumchen

Edit: Ich glaub, ich fasle grade nur noch. Vergesst es!

Geschrieben von: Lilly76 am 23.Jun.2008 - 20:33

....was aber ist, wenn ich den Schmerz so weit von mir verwiesen habe, dass ich gar nicht weiß, dass ich Schmerzen leide????...wenn es mir selbst nicht bewußt ist und ich einfach nur irgendwie auf irgenwas reagiere??????
Wenn ich mich so sehr schütze...und in diesem Muster gefangen bin..und gar nicht merke, was wirklich passiert?????

Geschrieben von: Leah am 23.Jun.2008 - 22:36

Dann solltest Du Dir vielleicht jemanden suchen der Dir helfen kann Dich wieder zu spüren....jemand der sich damit auskennt vielleicht....(weißt Du wie ich das meine?)

Geschrieben von: shark am 24.Jun.2008 - 20:22

QUOTE (Lilly76 @ 23.Jun.2008 - 21:33)
....was aber ist, wenn ich den Schmerz so weit von mir verwiesen habe, dass ich gar nicht weiß, dass ich Schmerzen leide????...wenn es mir selbst nicht bewußt ist und ich einfach nur irgendwie auf irgenwas reagiere??????
Wenn ich mich so sehr schütze...und in diesem Muster gefangen bin..und gar nicht merke, was wirklich passiert?????

Das Thema hat sich ja ganz schön herausentwickelt aus meiner ursprünglichen Frage. Wow!
Aber es ist schön und freut mich, dass das möglich war.

Danke allen, die sich bisher beteiligt haben. flowers.gif

@lilly:

Ja, wenn es so ist, dass ein Mensch im Schutzpanzer so tief verschwunden ist, dass er nicht nur seinen Schmerz nicht mehr spüren kann, sondern auch sonst nichts mehr, dann scheint mir, ist es wichtig, genau hinzuschauen und neu zu sortieren.

Das ist richtig schwer... das kenne ich aus eigenem Erleben... oder sollte ich sagen: aus eigenem unbewussten "Verschwinden"?
Erst spät ist mir klargeworden, dass ich längst nicht mehr in der Weise bedroht war, wie es sich angefühlt hat... und dass mein Schutzpanzer vor allem eines wunderbar erledigt hat - nämlich mich.

Ich war nicht mehr in der Lage, mehr als zu "funktionieren" - und auch das immer in "Schäferhundstellung". Nichts fühlen, nicht planen - nur reagieren.
Eine sehr unschöne Art der Existenz, nimmt sie neben dem befürchteten Schmerz doch auch alles das weg, was das Leben schön macht.

Natürlich war da auch immer das Gefühl, dass "da was nicht stimmt", dass eine "überschießende Reaktion" auf Traumata mein Leben bestimmte - aber ich konnte nur schwer ausbrechen aus diesem Gefängnis der Schmerzlosigkeit.

Bei mir war es damals ein schwerwiegendes Ereignis, dass ich dann nicht mehr - am Ende aller Verdrängungskräfte - von mir fernhalten konnte.

Durch dieses Ereignis ist mir schockhaft zu Bewusstsein gekommen, dass ich längst schon aufgehört hatte, aktiv zu leben. Und dass es schwer werden würde, zurückzufinden zu einem Leben, das mir bieten kann, was es hat. Und mit dem ich umgehen kann.

Stück für Stück und paradoxerweise unter den allergrößten Schmerzen meines Lebens konnte ich sehen, ändern und schließlich auch wieder ein gewisses Vertrauen in meine Fähigkeit, reale Bedrohungen zu erkennen, ohne mich dauerhaft abschotten zu müssen, entwickeln.

Ich habe kein Rezept für den Weg...

Aber das Marmeladenglas des Lebens lässt sich erst dann öffnen, wenn ich in der Speisekammer nicht in jedem Regal getarntes Rattengift erwarte.


Gruß,


shark

Geschrieben von: mandelbäumchen am 24.Jun.2008 - 20:32

@shark
Tut mir gut, das zu lesen. Danke!

flowers.gif

Geschrieben von: -WhoCares- am 24.Jun.2008 - 20:45

QUOTE (shark @ 24.Jun.2008 - 21:22)
Aber das Marmeladenglas des Lebens lässt sich erst dann öffnen, wenn ich in der Speisekammer nicht in jedem Regal getarntes Rattengift erwarte.


Super thumbsup.gif

Geschrieben von: shark am 24.Jun.2008 - 20:57

Danke für Eure Wertschätzung

und herzliche Grüße,

shark smile.gif

Geschrieben von: Bilana am 24.Jun.2008 - 21:33

Auch auf die gefahr hin hier etwas zu wiederholen. Folgendes fällt mir noch ein:
Ja ich denke Schmerz gehört zum Leben und ihn vermeiden zu wollen heisst das leben vermeiden zu wollen. Erfahrungen, die bereichernd, wertvoll sein können.

Aber man sollte den Schmerz auch aushalten können, sofern frau ihn den kommen sieht. Frau sollte ihre Grenzen kennen.
Wenn die Erde nicht nur bebt, sondern sich der Boden unter einem auftut, dann ist auch niemandem gedient.. wenn frau dann eben "weg" ist, verschluckt, suizidiert, was ja die letzte Konsequenz eines nicht aushalten können ist.
Oder wenn der Schmerz so große Narben hinterlässt, das frau an Beweglichkeit einbüßt.

Denn unterm Strich geht es ja darum sich weiterzuentwickeln und wenn der Schmerz zu groß wird, kann das, finde ich, auch hinderlich sein. Dann ist Vermeiden solange sinnvoll, bis sich etwas neues ergibt.

Geschrieben von: pandora am 24.Jun.2008 - 21:35

ich möchte an dieser stelle einfach mal meine wertschätzung und allergrösste hochachtung an alle hier mitduskutierenden damen aussprechen.
ich möchte euch danken für eure ehrlichkeit, offenheit und sensibilität.
ich lese hier von der ersten minute an mit und hätte wohl einen halben roman zum thema schmerz schreiben können.
dazu, wie menschen sich vor schmerz verschliessen, sowohl körperlichem als auch seelischem, weil sie sonst daran zugrunde gingen, anschliessend in ihrem eigenem "ich-halte-allen-schmerz-draussen" käfig gefangen sitzen und dann erst einmal techniken erlernen müssen, um sich aus diesem gefängnis, welches widerum schmerz, in form von isolation und ohnmacht verursacht, zu befreien.
aber ich entschied mich nur zu lesen und (weiterhin) zu lernen.
dieser thread brachte mich in den letzten tagen einerseits ganz oft zum weinen, andererseits zeigte er mir immer wieder auf, wie weit ich schon bin.
mandelbäumchen, dir gilt mein besonderer dank, für deine weisen worte:blumen2:
danke für diesen thread smile.gif

lg, pandora


edit...körperlichem und seelischem ergänzt

Geschrieben von: robin am 24.Jun.2008 - 22:43

QUOTE (Bilana @ 24.Jun.2008 - 22:33)
...
Oder wenn der Schmerz so große Narben hinterlässt, das frau an Beweglichkeit einbüßt.

Denn unterm Strich geht es ja darum sich weiterzuentwickeln und wenn der Schmerz zu groß wird, kann das, finde ich, auch hinderlich sein. Dann ist Vermeiden solange sinnvoll, bis sich etwas neues ergibt.

Danke! smile.gif

thumbsup.gif

Geschrieben von: mandelbäumchen am 24.Jun.2008 - 22:49

@pandora
Dankeschön rosie.gif

QUOTE (Bilana @ 24.Jun.2008 - 22:33)
Denn unterm Strich geht es ja darum sich weiterzuentwickeln und wenn der Schmerz zu groß wird, kann das, finde ich, auch hinderlich sein. Dann ist Vermeiden solange sinnvoll, bis sich etwas neues ergibt.


Ich bin eine Zitatesammlerin, hierzu fällt mir dieses ein:
"When on all sides assailed by prospects of disaster ... the soul of man... never confronts the totality of its wretchedness. The bitter drug is divided into several draughts for him; today he takes on part of his woe; tomorrow he takes on more; and so on, till the last drop ist drunk." (Herman Melville, Pierre)

Und - passend zum ganzen Thread - ein weiteres, das ich mir immer wieder gerne vor Augen halte:
"We can endure much more than we think we can; all human experience testifies to that. All we need to do is learn not to be afraid of pain. Grit your teeth an let it hurt. Don't deny it, don't be overwhelmed by it. It will not last forever. One day, the pain will be gone and you will still be there." (Harold Kushner, When all you ever wanted isn't enough)

Beides wahr, finde ich.
Ich hoffe, ihr könnt auch was damit anfangen.

Mandelbäumchen
(Meisterin im Weggehen und Neben-sich-Stehen, nach xx Jahren Übens immer noch und immer wieder blutige Anfängerin im Bei-sich-Bleiben und Schmerzaushalten und so weiter... wink.gif )

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