Kurzgeschichte, nicht autobiographisch - einfach mal so Einstellungen

[Katrin82]

Schnee


Es war Winter. Kühler Dezember. Ich zog meinen schwarzen Mantel an und wickelte einen dunkelblauen Schal um den Hals. Ich trat hinaus in den Schnee. Einige wenige Sterne leuchteten durch die grauen Wolken, und der Mond erstrahlte voller Glanz. Der Schnee tanzte vor den Straßenlaternen und knirschte unter meinen Sohlen. Die Straßen waren leer. In vielen Fenstern brannte noch Licht. Ich sah in warme Häuser hinein. Die Weihnachtsbäume waren geschmückt. Mir war nicht einsam zu Mute, denn überall durchschien das Leben den späten Abend – auf eine ruhige Art und Weise, die mein Gemüt erblühen ließ.

Fast erschien es mir unreal, als ich eine Gestalt auf mich zukommen sah. Weiße Tannen säumten den Weg. Ich beobachtete meinen Atem in der Luft. Es war windstill. Schnell war die Gestalt nicht mehr dunkel, nein, sie trug einen weißen Mantel und langsam hörte ich neben dem Knirschen unter meinen Sohlen auch das Knirschen unter den Sohlen der jungen Frau, die mir entgegenkam. Sie trug einen schwarzen Hut, ihr Gesicht war bis zu den Augen in ihrem Schal verschwunden. Sie sah mich an, mit großen, dunklen Augen. Der Schnee auf meiner Haut schien nicht mehr kalt zu sein. Ich zog die Hände aus meinen Manteltaschen und spürte ihn doch wieder: Den kalten Schnee. Ich hoffte, es würde etwas passieren, irgendein Wort fallen, eine Bewegung aufblitzen. Doch es geschah nichts.

Als sie schon an mir vorübergegangen war, sagte ich: „Halt!“ Die Frau drehte sich um, und wieder sahen mich diese großen, dunklen Augen an. Einige Sekunden herrschte Stille. Der Schnee fiel weiter auf uns herab. „Ich bin Isabelle.“, sagte ich. „Ich bin Amy.“, antwortete sie. Wieder Stille. Wie lautlos der Schnee doch sein konnte. „Wenn wir in einer Woche noch aneinander denken, lass uns an diesem Ort, um diese Zeit, wieder sehen.“ „Ja.“, sagte sie, und leiser, immer leiser, wurde das Knirschen des Schnees unter ihren Sohlen.
Ich könnte nicht sagen, was in diesem Moment geschah, könnte es nicht in Worte fassen. Es schien so rein zu sein, wie der Schein des Mondes.

10.30 Uhr am Abend. Eine Woche später. Ich stand dort und hatte so oft an Amy gedacht. So oft in Gedanken ihre Augen gesehen. So oft durchgespielt, wie wir uns gesehen hatten. Ich stand dort und hoffte, sie den Weg hinab kommen zu sehen, genau, wie eine Woche zuvor. Ich wartete, und die Minuten vergingen. Das Licht einer Straßenlaterne flackerte.
Es war 11 Uhr, als ich völlig durchfroren den Heimweg antrat. Kurz dachte ich, eine Träne würde mein Gesicht hinabkullern, doch es war nur der Regen, der einige Minuten zuvor eingesetzt hatte. Ich fühlte mich allein.

Fünf Tage später ging ich bei starkem Schneetreiben wieder aus dem Haus. Es war kurz vor halb 11. Es zog mich ein weiteres Mal zu der Stelle, an der ich Amy gesehen hatte. Ich könnte nicht erklären, warum. Ich dachte an ihren Namen. ‚Amy’, ging es mir durch den Kopf.
Plötzlich sah ich eine dunkle Gestalt. War das Amy? Ohne es kontrollieren zu können, stieg mir wieder ihr Duft in die Nase. Ich betete, dass es Amy war! Die Gestalt wurde heller, der Mantel weißer. Ich blieb stehen. Weiche Schritte auf dem Schnee. Es war Amy! Der Schal verdeckte ihre Lippen nicht, so dass ich ihren Atem sah, als sie sagte: „Ich war krank. Ich konnte nicht kommen. Schon gestern war ich hier, in der Hoffnung, dich zu sehen.“ Ich lächelte. Sie lächelte. Weder sie sprach – noch ich.

[dandelion]

entweder ich bin grad in einer fürchterlich kitschigen Gemütslage, oder die Geschichte ist zum heulen schön... :blumen: für die Künstlerin.

[Katrin82]

Danke dir :roetel:

:bounce: :bounce:

[blueeye]

Ja deine Geschichte ist einfach wunderschön!!!

[Katrin82]

Danke blueeye :) :bounce: :)

[gedankenwald]

*gänsehaut*

[Katrin82]

Und das wegen meiner Geschichte? Vielen Dank :bounce: