Neulich war ich hier in meiner Stadt, dieses rheinische „Dorf“ mal bummeln. Da es Monatsbeginn war, ging ich auch in den SchwulLesbischen Infoladen. Zu Monatsbeginn erscheinen ja immer diese Regenbogenpresse, die versucht, informativ und unterhaltsam über Ereignisse der SchwulLesbischen Welt zu informieren.
In diesem Lädchen lagen so Flyer aus. Die Flyer gehören zu dieser (Vorsicht der link führt auf eine Seite, die triggern könnte)http://www.coming-out-day.de/.
Ich bin darüber sehr nachdenklich geworden. Ich wusste, zwar dass es für manche Menschen sehr schwierig sein kann und kann jetzt ein Stück besser nachvollziehen, weshalb sich „hier“ so häufig zweifelnde anmelden und so zaghaft nachfragen.
Irgendwie war ich aber auch ein wenig erschüttert. Ich habe mich wohl in dem „Wunschwissen“ bewegt, dass es „heute“ nicht mehr so schwierig sein kann, sich zu outen.
Ich habe völlig übersehen, dass sich Ausgrenzungen wahrscheinlich nicht durch Gesetze wegregulieren lassen und mir ist mittlerweile auch aufgefallen, dass es für Jugendliche „heute“ kaum noch Freiräume gibt, wo sie sich autonom ausprobieren können. Oder auch einfach Lesben und Schwule aller Altersklassen kennenlernen können.
Vielleicht war „früher“ ja doch manches „besser“?
Naja, wenn Du hier guckst: http://www.lesbenforen.de/iv/index.php?showtopic=15507
bestätigt das Deine Aussagen.
Ich muss aber ganz ehrlich sagen: Ich fand´s für mich persönlich (Anfang der 90er) ziemlich fürchterlich, und ich fand es traurig, dass ich so viel Angst und Scham haben musste, obwohl sich das - bis eben auf meine Familie - zum Glück als unbegründet rausgestellt hat...
LG, Leslie, ebenfalls aus einem "rheinischen Dorf" - vielleicht ja sogar aus Deinem?
Hallo!
Zu deinem Thread fiel mir spontan etwas ein, was mir jetzt schon mehrmals begegnet ist: Jugendliche Mädchen, die auf der Klassenfahrt im Bikini duschen oder die sich die doppelwandigen BH´s kaufen, damit man die Nippel nicht sehen kann, falls sie sich mal durch Frierattacken o.ä. verhärten könnten. Eine Lehrerin konnte dies bestätigen, als auch mir bekannte Mütter von Teenagerinnen. Irgendwie ist da was passiert in unserer Gesellschaft, was ich persönlich noch nicht ganz (be)greifen kann. Auch gilt man an Gymnasien oder Gesamtschulen gar als Schlampe, wenn man kurze Zeit mit einem Jungen zusammen war, sich dann aber aus der Beziehung gelöst hat. Das sind mir unbegreifliche Dinge! Und immer hat es mit Moral und Sexualität zu tun. Da wundert es mich irgendwie nicht, wenn ich davon höre, daß junge Frauen und Männer heutzutage wegen ihrer sexuellen Ausrichtung ein Problem haben. Das passt ja irgendwie alles zusammen, erklärt aber noch nicht, weshalb es dahin gekommen ist!???? Ist es vielleicht eine Ursache, daß die Kinder und Jugendlichen heute sehr viele "Freiheiten" haben und sich selber Maßstäbe setzen wollen, die dann so was von hart und m. A. nach auch unvernünftig sind? Unvernünftig, weil die körperliche Erscheinungsform eines Menschen einfach eine gegebene ist. Unvernünftig, weil Menschen sich ihre Sexualität nicht aussuchen. Hart, weil hier alles an Empfindungen niedergetrampelt wird, um in Schubladen gepackt werden zu können oder aber dann daneben fallen zu müssen. Hier fehlt meiner Ansicht nach eine wirkliche Aufklärung im emotional-sozialen Bereich. Echt krass. Mich erschreckt so was sehr.
Man sollte sich vom sehr freien Leben im rheinischen "Dorf" nicht täuschen lassen. Die Wirklichkeit sieht vieler Orten nicht nur für Jugendliche im Coming Out (da aber natürlich noch einmal besonders) noch ganz anders aus. Selbst wenn der größte Teil der Bevölkerung oftmals kein Problem damit hat. Die paar die eins haben können einem ganz gut das Leben vermiesen.
Vereine wie der von Dir verlinkte sind in vielen Gebieten leider mehr als nötig um den Jugendlichen wenigstens etwas den Druck zu nehmen. Und selbst die "heile" Welt im rheinischen "Dorf" hilft nichts wenn die Eltern beim eigenen Kind dann doch wieder ganz anders reagieren.
@Leslie: Wer weiss? Mein "Dorf" hat eine große Kirche, gemeinhin Dom genannt und einen breiten Strom/Fluss, der es in zwei "Hälften" teilt und teilt Touristen auf Postkarten mit, dass "dort" die einzige Sprache gesprochen wird, die mensch auch trinken könnte.
@sja: Ich komme ja eigentlich aus einem etwas anderen "Kulturkreis" (Westfalen, genauer: Ostwestfalen) und ich habe manchmal den Verdacht, dass das was in meinem "Dorf" unter dem Label Toleranz läuft so manches Mal schlichtes Desinteresse ist.
@all:
Ich weiss nicht, wie ich es ausdrücken soll. Ich darf ja hier nicht nach diesem "musikvideoanguckdingens" verlinken...aber zum Beispiel diese Videos mit C. Brauckmann ("Dekaden" mal als Beispile genannt) verdeutlichen vielleicht, was ich meine:
Der Zusammenhalt war ein anderer.
Der CSD nicht als Meeting von zigtausenden, sondern fast beschauliches Strassenfest, wo mensch "unter sich war" und fast nur bekannte getroffen hat..in der gleichen Stadt, in der der CSD mittlerweile ein Mega-Event ist.
....als ich das erste Mal im SchuLZ aufgeschlagen bin, war es irgendwie, wie, jetzt wird es kitschig: Ein Ankommen, ein sich spontanes "Zuhause fühlen".
Vielleicht ist es einfach auch eine Auswirkung darauf, dass so viele Anlaufstellen wie Frauenzentren, Frauenbuchläden und so einfach weg sind...ich weiss auch nicht....
@Hortensie: Ok, dann ist Dein Dorf der Erzfeind von meinem Dorf
Nee, im Ernst - ich dachte, in Deinem Dorf geht es deutlich lockerer und entspannter zu? Meine Großcousine ist aus genau diesem Grund aus einem wirklichen niederrheinischen Dorf dorthingezogen, und bis vor einigen Jahren war ich auch noch öfter mal dort - mir scheint aber, wir reden von noch ganz anderen Zeiten? (Wobei C. Brauckmann und die Dekaden mir "damals" von meiner Großcousine auf CD gebrannt mitgebracht wurden ) Den CSD hingegen kenne ich dort auch nur als Mega-Event...
Ansonsten mag ich mich einfach mal uneingeschränkt sja anschließen, ich glaube, das trifft es (leider) sehr gut!
LG, Leslie
@leslie: Dann ist dein "Dorf" also zeit meines Lebens meine Landeshauptstadt und ich werde von dort regiert...das mit der Feindschaft habe ich immer ein bisschen als Scherz verstanden...die Zeit, die ich meinte war etwa der Zeitraum von 1991-1994 (die Anfänge des neuen CSD in Köln unter dem damals neugebildeten KLuST).
Ja, natürlich lebt sich hier in meinem "Dorf" entspannter als z.B. in einem kleinen Dorf im beschaulichen Münsterland oder irgendo am Niedrrhein oder so.
Ich selber kann mich jetzt auch nicht beklagen, es auch nur so eine Gefühl für das was mir fehlt und von dem ich feststelle, dass es nicht mehr da ist.
Wobei sich das "Verschwinden" schon über Jahre entwickelt hat und eine zeitgeistliche Entwicklung war, die nicht plötzlich über Nacht kam oder so.
Ich denke nochmal darüber etwas nach und kann dann vielleicht auch noch mal etwas zur Diskussion beitragen.
@ Rafaella: Aber was ist das nur? Woher kommt es und wie wirkt es sich auf junge Frauen und Männer aus? Hier im Forum gibt es ja auch Teilnehmerinnen, die um die 20 Jahre alt sind - vielleicht können diese uns ja etwas dazu mitteilen. Ich stell mir ein Stück weit vor, daß das, was von uns beobachtet bzw. wahrgenommen wird, vielleicht von jungen Menschen als "normal" empfunden wird, weil man es nicht anders kennt. Schlimm finde ich die Tatsache, daß die Sexualisierung so heftig geworden ist. Manch eine kann sich bestimmt noch daran erinnern, daß es noch nicht so viele Jahre her ist, daß in der Werbung die sexualisierte Darstellung von Frauen verpönt war. Das hatte scheinbar keine wirklich nachhaltigen Auswirkungen. Was bleibt: Sexualität ist nach wie vor der Renner in europäischen Gesellschaften und auch anderswo. Sie wird ständig überbetont, auch da, wo sie nicht betont wird. Für Menschen, die sich outen oder aber auf der Suche sind, was sie denn nun fühlen zu welchem Geschlecht ist es nicht wirklich unterstützend.
Ich denk da an Estrellas Thread: sie ist hingegangen und hat sich direkt geoutet an ihrer Schule - leider hat sie dabei die Erfahrung gemacht, daß man sie mittelbar oder unmittelbar ausgrenzt. Scheinbar existiert immer noch ein gewisses Verständnis von "man kann sich seine se..elle Ausrichtung aussuchen" bzw. auch hier die Mentalität von "Don´t ask, don´t tell!"
[OT] @Hortensie: Das mit der Feindschaft war auch eher scherzhaft gemeint [/OT]
Und siehste, der Zeitraum, den ich meine, liegt nochmal 10 Jahre weiter hinten... Ich habe angefangen, lesbisches Leben zu leben (obwohl schon deutlich früher geoutet) - so wirklich Anfang 2000...
Sei es, mit meiner besten Freundin (Hete) zum CSD in Dein Dorf zu fahren, sei es das LFT Rostock 2001...
Und ja, ich habe auch den Frauenbuchladen in HH geliebt - als ich ein paar Jahre später nochmal dorthin kam, war er weg
Inzwischen wohne ich seit 10 Jahren im "beschaulichen" Sauerland - ich habe hier aber meine Frau und auch einen kleinen, aber feinen lesbischen (und auch hetero)-Freundeskreis - und ich bewege mich daher gar nicht mehr auf irgendwelchen Großereignissen oder gehe in entsprechende "Einrichtungen" - weiß auch nicht genau, warum... es fehlt mir auch nicht.... Klar, ich vermisse den Lesbenchor aus meinem Dorf, das war echt ´ne Supertruppe - aber ich kann nicht jede Woche zu nachtschlafener Zeit die ganzen Kilometer fahren, das geht einfach nicht, ich habe es ein halbes Jahr lang probiert...
Aber ansonsten - ich bin hier gut "integriert", habe wie gesagt einen neuen FreundInnenkreis, habe eine liebe Schwiegerfamilie, habe ein tolles Kollegium, das mich so akzeptiert, wie ich bin und da kein Wort drüber verliert, außer vielleicht mal die Frage: "Und, wie geht´s deiner Frau?" - also alles ganz selbstverständlich...
Natürlich habe ich auch immer ein Auge auf meine SchülerInnen - aber im Grundschulalter ist das noch schwer zu erkennen... ich versuche immer, Homosexualität als etwas völlig Selbstverständliches darzustellen, reagiere massiv empfindlich, wenn jemand meint, er müsste "schwul" oder "lesbisch" als Schimpfwort benutzen - und den schwulen Praktikanten, den ich vor 2 Jahren hatte, hab´ ich auch vehement vor meiner Schulleitung verteidigt, weil sie meinte, er ginge zu offensichtlich damit um (obwohl er auf die schlichte Frage von Schülern: "Bist du schwul" einfach nur mit "Ja" geantwortet hatte )
An manchen Stellen schlägt sie also schon noch durch, die Homophobie - aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass das im Freundes- und Bekannten- und Familienkreis (meine eigene Familie lasse ich da jetzt mal unter den Tisch fallen) eben genau noch nie so war....
Und ich kann mir auch vorstellen, dass das heute noch so ist....
Manche® traut sich nicht, sich zu outen - es kommen eben doch meist dumme Sprüche - wobei die dann wiederum auch in der Regel von Leuten kommen, mit denen man eher weniger bis gar nix zu tun hat. Ich habe sowas zum Glück nicht erlebt. Ich glaube, wenn man/frau sich im Freundeskreis outet, stößt man auf deutlich mehr Verständnis, als man sich erhofft hat....
LG, Leslie
Ich denke nicht, dass es früher besser war, es war anders. Was eine heute vielleicht so erschreckt, ist, feststellen zu müssen, dass sich mancherorts viel weniger verbessert hat, als frau vielleicht gehofft hätte.
Ich fand früher gar nichts besser. Mir ging es, wie Leslie, bei meinem CO (Mitte der Neunziger) fürchterlich. Selbst in meinem spreeischen "Dorf" kam ich mir unendlich einsam vor. Ja, es gab Frauenzentren und -läden, aber da hätte ich mich in meiner grenzenlosen Schüchternheit niemals hineingetraut.
Heute gibt es die kaum noch. Dafür aber das Internet und eine viel größere Präsenz von Homosexuellen in den Medien.
Heute wie damals mangelt es aber ganz offenbar an einem offenen, toleranten, greifbaren Umfeld. Daran, dass die Menschen, mit denen man täglich Umgang hat, Homosexualität als Selbstverständlichkeit integrieren.
Das ist zum Glück nicht mehr überall so. Aber dort, wo noch Probleme auftreten, sind sie dieser Art. Und wenn, dann in einem Ausmaß, das erschrecken muss. Weil es eben noch genauso mies wie vor 20 Jahren ist.
Dabei hat sich auch etwas bewegt. Die Studien, die auf der von Hortensie verlinkten Seite aufgeführt sind, wurden zumeist am Ende der neunziger/ Anfang der "nuller" Jahre erhoben, vor zehn bis fünfzehn Jahren. Die erschreckenden Erkenntnisse haben bis heute gebraucht, sich durch die Institutionen zu fressen und zu allerersten Reaktionen zu führen, in Berlin zum Beispiel zur http://www.berlin.de/lb/ads/gglw/isv/. Bis das wiederum zu ersten messbaren Erfolgen führt, wird wieder viel Zeit vergehen und viel Kraft, Zähigkeit und Überzeugungsarbeit weniger Einzelkämpfer nötig sein, damit das Ganze nicht irgendwann im Sande verläuft. Oder von der "Mama-kauf-mir-was!"-Industrie totgetrampelt wird, die in den letzten Jahren auf haarsträubende Weise wieder für geordnete rosa-hellblaue Verhältnisse sorgt.
Danke jedenfalls, Hortensie, für das Eröffnen dieser Diskussion, die ich sehr wichtig finde.
Mein Coming Out war sehr schön und ich hatte sehr liebe Freunde um mich. Ich wohnte in einer WG und wir fingen an, in die Frauendisco zu gehen. Die ersten Flirts und Dates und meine erste Aufklärungs-Lektüre fand ich bei einem Mitbewohner "Schwul - na und". Dann fing ich an Lesbenliebesromane zu lesen. Das war´s dann so mit der Aufklärung. Internet, Infoheftchen usw. gab es zu dieser Zeit nicht. Zum Glück wohnte ich in einer Universitätsstadt. Da war alles lockerer und dann gab es auch eine Frauen-Lesben-Gruppe.
Und heute gibt das Internet.
Heute morgen gefunden: Aufklärung für die JournalisteInnen: http://www.blsj.de/projekte/schoener-schreiben/
Und dann gibt es noch diese Seite hier: http://www.phenomenelle.de/
Interessantes Thema!!
Vielen lieben Dank Horti, für Deinen wichtigen Beitrag und diesen Link!
Ich hab oft den Eindruck, dass sich nicht wirklich was geändert hat in den letzten Jahrzehnten.
Veronika weist auf eine Entwicklung hin, ( Duschen mit Bikini), die deutlich zeigt, dass wir stark unter dem Einfluss einer amerikanischen Prüderie stehen, die mit ihrem verklemmten antisexuellen calvinistischem Hintergrund, etwas vorgibt an scheinbarer Freiheit, die aber in Wirklichkeit zu einer leibfeindlichen und unnatürlichen Körpereinstellung führt. Es fängt beim ungesunden Abrasieren aller Körperhaare an, geht über Piercings und Tattoos, die den Eindruck erwecken, mein Körper gehöre mir, bis hin zu gestörtem Essverhalten, um in irgendeine Pseudoschönheitsschublade zu passen und sich mit 18 schon die Brüste, den Hintern oder sonst ein Teil operieren zu lassen, um irgendeiner von Medien vorgegebenen Form zu entsprechen.
Dabei bleiben wahre Schönheit, die von Innen kommt, und wirkliche natürliche Selbstannahme auf der Strecke.
Die Mobbings in Schulen nehmen zu, wenn man Ausländer ist, behindert ist oder homosexuell ist, wie die neuste Studie der NRW-Ministerin über Diskriminierung zeigt.
Die Medien geben sehr stark etwas vor, was sich in den Köpfen festsetzt und grade Jugendliche sind stark darauf angewiesen, dazu zu gehören, in der Peergroup anerkannt zu sein. Und als schwuler Junge oder lesbisches Mädchen kann man diesen Ansprüchen niemals genügen.
Meine Erfahrung mit Umgang mit "normalen" Leute ist, dass unter dem Deckmäntelchen der Toleranz viele nicht wirklich Verständnis haben für homosexuelle Menschen und die Welt der Vorurteile nach wie vor lebt.
Waren es früher Schützenvereine und Stammtische, so sind es heute Vorabendserien und Filme und andere Medien, die stark Normen vorgeben und davon können sich Jugendliche nicht wirklich frei machen.
Einerseits ist es einfacher geworden, sich über seine Orientierung klar zu werden, schon allein, weil es viel mehr Infomöglichkeiten gibt, das Internet und zahlreiche Gruppen und Anlaufstellen. Andererseits ist es immer noch ein Drahtseilakt, dann auch in der Nachbarschaft, in Schulen und Sportvereinen und anderswo sein Coming Out immer wieder zu leben.
Vielleicht paßt es auf diese Weise zusammen: eine Gesellschaft, die sexualisiert ist, ist eine Gesellschaft, die sich nicht erlaubt, die verschiedenen Facetten von Sexualität anzuschauen und darüber zu reden, wie z.B. über das Thema "Freundschaft".
Genau so etwas meinte ich mit meinem Gegenbeispiel Skandinavien, jedenfalls so, wie ich es erlebt habe.
Dieses Verdruckste hier, die Fetischisierung einerseits, die Prüderie andererseits, sind die vielleicht Kehrseiten der gleichen Medaille - als alte Feministin würde ich dieses Phänomen als Kolonialisierung durch das Patriarchat benennen.
Aber vielleicht greift das Erklärungsmuster nicht (mehr)...Jedenfalls ist es eine ungute Entwicklung, sehr ungesund, sehr entfremdend und entfremdet, damit sind die Menschen, die davon "befallen" sind, extrem manipulierbar für idiotischen Konsum jedweder Art.
Ein wichtiges Thema. Ich als "um die 20-Jährige" sehe es sehr ähnlich. Ich finde, am Menschen an sich, was seine Fähigkeit zu Toleranz betrifft, hat sich nicht viel geändert. Es gab und gibt ein Schubladensystem, welches uns zu eigen ist. Jeder braucht es meiner Auffassung nach, um zu kategorisieren, ohne ginge es nicht: es ist etwas distiktiv Menschliches. Doch was uns unsere Gesellschaft oktroyiert, ist ein krankes System, in welches jeder hereingepresst werden soll.
Ich denke, dies ist zu rigoros; ich sähe unsere Gesellschaft lieber als ein multidimensionales Wabensystem, welches in Bewegung ist, in dem sich Lebens- und Denkweisen überschneiden können und vielfach kombinierbar sind, statt als geschlossene, streng separierte Kisten. Es ist sicher auch viel Angst vor dem Neuen, was dies verhindert.
Wenn ich die Männerwelt betrachte, so fällt mir sofort auf, dass es bis zur Gleichberechtigung und -behandlung noch ein weiter Weg ist. Ich finde, es schwingt oft noch mit, dass frau sich unterordnen soll, wenn auch meist subtil; ich kenne immer noch genügend Männer, die verletzend werden, wenn sie die weniger stichhaltigen Argumente haben als ihre Diskussionspartnerin, weil sie sich intelektuell überlegen fühlen müssen. Es gibt immer noch Männer (und ein Bekannter äußerte dies ganz unbefangen über sich selbst), die nicht mit einer Frau zusammensein wollen, wenn diese mehr Geld verdient. "Echte Frauen" sind für sie nur dünne Barbiepuppen, die zu allem Ja und Amen sagen, alles andere sind "Emanzen" oder schlicht "Lesben"; auf der anderen Seite (und dort ist die Homophobie meiner Meinung nach noch größer) imitieren sie (und verhöhnen dabei) homosexuelle Männer und "schwulen sich an".
Das sind einige sehr wenige Beispiele...
Aus diesen Gründen finde ich aber, dass es mit diesem "Früher" (welches ich persönlich als eher negativ definiere; der Mikrokosmos des "Früher" wurde vielleicht durch Internet etc. zu einem Makrokosmos ausgeweitet, Probleme werden sichtbarer und geballter durch größere Gruppen) noch gar nicht so lange her ist; es ist etwas in Bewegung - aber noch viel zu wenig und erst seit zu kurzer Zeit!
Was bleibt einem? Sich leiten zu lassen oder selbständig zu denken.... und sich sogar dann vielleicht für die Anpassung zu entscheiden....
Viele Grüße von
Amber (, die eigentlich gar nicht weiß, wo sie bei diesem Thema ansetzen soll - Gedankenflut/-chaos!)
(Edit: Fehlerchen)
In Baden-Württemberg haben beide regierenden Parteien vor, das Thema Homosexualität im Lehrplan zu verankern. http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/SPD-will-Homosexualitaet-im-Lehrplan-verankern;art1157835,2145943
@Herzfilz: An weiblicher Famliengeschichtsbetrachtung oder spezieller Mädchenförderung mangelt es doch wohl inzwischen kaum. Da fallen mir unzählige Filme, Romane, "Frauengespräche am Küchentisch" und Fördermaßnahmen ein.
Was mir eher fehlt, ist weibliche Geschichtsschreibung auf den Gebieten der Kultur, technischen Entwicklung, Politik, Wirtschaft, etc. (zum Beispiel habe ich hier neben mir ein Kinderbuch liegen: "Selbstdenken!", eine Übersicht über die Philosophie - es sind ausschließlich Männergesichter darauf abgebildet). Da Geschichtsschreibung bzw. -umwidmung auch das Bild der Gegenwart beeinflusst, wäre weibliche Geschichtsschreibung wichtig. Aber ich denke, dass auch hier schon viele Ansätze vorhanden sind, die allerdings verstärkt vorangetrieben und unterstützt werden müssen.
Außerdem ist es notwendig, dass Frauen sich bewusst zum Machtgewinn vernetzen, denn von den "Männerbünden" werden einzelne Frauen aus verschiedenen Gründen selten und wenig Unterstützung erhalten.
Vielen Dank für die vielen Diskussionsbeiträge in diesem Thread. Es haben sich ja viele neue Aspekte ergeben. Ich habe jetzt alle gelesen und werde mal darüber nachdenken und dann mal schauen, was ich selber zur Diskussion beitragen kann.
@Rafaella: Vielen Dank für die Information. Vielleicht magst du mir ja mal einen Termin und Ort der Initiative per PN mitteilen?
@Veronika und svan: Vielen Dank für euere Beiträge in Richtung zunehmendem Konservatismus. Das habe ich bisher noch nicht so wahrgenommen.
@Lucia B.: So natürlich wie es in deinem Beitrag geschildert ist, dass macht das "fehlende" für mich am deutlichsten.
@Schräubchen. Vielen Dank für den eingestellten Artikel. Er erinnert mich an ein Buch, das wir damals (etwa 1987) im Frauenzentrum inhaliert und lebhafst diskutiert haben. Es hiess "Die Töchter Egalias" und war von Gerd Brantenberg.
@Herzfilz: ... und das bringt mich schon darauf, was ich früher (wobei es sich hier ja um ein "früher" handelt, dass gerade einmal etwa 20-25 Jahre zurückliegt) besser fand, als heute.
Ea gab lebendige Zentren, wo mensch sich treffen konnte (damals sogar in meiner Kleinstadt am ostwestfälischen Rand des Ruhrgebiets) wo ein Austausch stattfand.
Es gab das Faruenzentrum und regelmäßige Treffen in der Aidshilfe und eine lustige schwule Gruppe dort, die sich in einem Lokal traf.
In dem "Dorf" in dem ich jetzt lebe, gab es das SchuLZ und die ganzen Gruppen unter dem Dach dieses Zentrums.
@all: Erst einmal vielen Dank für eure Bereitschaft in diesem Thread mitzudiskutieren und für eure Beiträge. Ich kann und werde jetzt nicht auf jeden einzeln eingehen, aber ich versuche mal, eine Art Entgegnung zu formulieren.
Es gibt sicherlich viele Möglichkeiten, die das Internet in vielen Fragen des Lebens bietet. Ich selber bin ja auch froh, dass es hier dieses forum gibt, auch wenn es für mich nicht immer leicht war, mit diesem neuen Medium umzugehen. Ich habe im Anfang viele Fehler gemacht, die mir nach den Reaktionen "hier" im Forum und dem daraus resultierenden Lernprozess sicher in der Form nicht mehr passieren würden (hoffe ich mal).
Aber:
Jetzt mal allgemein auf das Internet und nicht auf dieses Forum bezogen:
Das Internet schafft zu vielen Dingen auch eine Distanz. Der Austausch kann sehr theoretisch und unverbindlich sein.
Ich vermute mal, dass ein Unterschied ist, ob zum Beispiel auf einer Online-Petition (die sicher auch richtig und wichtig ist) für den Erhalt einer Stadtteilbibliothek unterzeichne und um die Online-Petition herum mit anderen per postings diskutiere. Oder ob ich mich tatsächlich an einer Initiative in meinem Bürgerzentrum beteilige und real an Ständen mit Menschen darüber diskutiere und tatsächlich auch mit Politikern darüber diskutiere.
Sichtbar, Real ohne die geschützte Distanz vom meinem Computer aus.
Vielleicht ist es bei dem Coming Out auch so?
Es ist ein Unterschied, glaube ich, ob ich im Internet mit anderen über mein CO rede, oder ich mich tatsächlich im realen Leben mit anderen darüber austausche.
Ich persönlich habe manchmal den Eindruck, dass es den Jugendlichen "heute" schwerer gemacht wird. Sie lernen durch das Internet sich anonym und in einer distanzierten Form mit ihrem CO auseinanderzusetzen, aber dieses "Internet-Distanz" kann die natürliche Schüchternheit des einzelnen Menschen im realen Leben auf eine Gruppe von anderen zu zu gehen eher noch verstärken.
So weit erstmal von mir und ich freue mich auf eure weiteren Beiträge.
kriegst pn, sobald ich nächsten termin weiß glg
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