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> Coming-out, Klappe die 2.
Woody
Beitrag 20.Nov.2015 - 17:54
Beitrag #1


Fürstin Pückler
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Hallo ihr Lieben,

irgendwie treibt mich der Gedanke über meine Identität seit einigen Tagen / Wochen wieder umher.

Es ist alles noch unkonkret, dennoch ist es viel, was in mir los ist.
Ein Teil dessen, was los ist, hat mit fehlendem Austausch zu tun.
Das ist der Grund, warum ich auch diesen Beitrag schreibe.

Ich hatte schon mal erwähnt, dass ich mit einem Transmann in einer Beziehung war.
Wir sind inzwischen getrennt und es gab im Nachhinein sehr böses Blut.

Vor der Beziehung hatte ich eine Freundin, aber es hielt nicht lange.
Dennoch brachte die Zeit mit ihr eine Auseinandersetzung mit mir selbst mit sich.
Ich wurde mir immer sicherer, dass ich keinen Mann mehr möchte.

Dann kam der Mensch, den ich als Frau kennenlernte und jetzt ....

Innerhalb der Beziehung hatte es keinen Platz mehr für meinen Prozess der Selbstfindung, der Identitätsbildung.
Ich bekam das Deckelchen "Hetero" aufgesetzt und mehr gab es da nicht zu reflektieren.
Er hat sich so verändert, ist so konservativ geworden. Er hat angefangen über lesbische Frauen zu urteilen.

Wir sind seit Juli getrennt und er hat mir vieles genommen. Materiell und immateriell.
Ich fühle mich manchmal wie ein geprügelter Hund.


Seit der Trennung hat sich etwas schönes entwickelt:
Der oben beschriebene Prozess geht weiter.
Ich traue mich zu fragen, was ich schön finde, was ich liebe, was ich begehre...

Ich habe es auch wieder mit einer Frau ausprobiert.
Wenn ich eine Frau spüre, aber auch wenn ich in mich spüre bin ich mir wieder sicher, dass ich keinen Mann möchte.

Es ist gerade so viel in mir aber die größte Frage ist:
Wie gehe ich damit um?

In meinem Umfeld wussten alle von einem "ihm" und davor wusste kaum jemand von einer "ihr".
Nur sehr wenige wussten überhaupt von seiner Transidentität.

Es ist, als müsste ich nochmal komplett neu anfangen, bei null.

Das einzige was ich in der Hand habe ist diese Sicherheit, dass ich keinen Mann mehr möchte.

Ich habe Angst vor Ablehnung, gerade weil ich ein Kind habe.
Ich habe Angst vor Problemen an meiner Hochschule.
Inzwischen habe ich mir einen Namen gemacht und ich möchte eine Hochschullaufbahn einschlagen.
Ich habe Angst vor Konsequenzen, dass geredet wird.

Es ist mir klar, Angst ist kein guter Ratgeber, aber...

Ich würde mich so gerne über all das austauschen, aber ich weiß nicht mit wem.
Ich war vor ihm und zeitweise während ihm bei einem Stammtisch. Teilweise hatte ich Gespräche dieser Art.
Ich will nicht wieder ankommen und nochmal alles aufrollen, auch weil sie ihn kennen.
Mit der Frau, die ich oben erwähnt habe, kann ich nicht darüber reden.
Sie versteht nicht, warum ich mir überhaupt so viele Gedanken mache.

Es geht mir auch nicht nur um ein Outing sondern darum, dass ich mein bisheriges Selbstbild nun mit dem wieder lesbisch oder überhaupt lesbisch sein in Verbindung zu setzen versuche.
Dieser Prozess ist so holprig. Was war ich weit weg von mir...

Ich weiß ich bin kompliziert, aber ich gehöre einfach zu den Menschen, die sich viele Gedanken machen.
Ich möchte Klarheit darüber wer ich bin.

Zudem wünsche ich mir Erfahrung, wie so ein Outing abläuft. Ab wann ist es völlig normal zu sagen, dass man Frauen liebt und begehrt, dass man lesbisch ist...
Momentan spielt sich fast alles noch innerlich ab.

Ich wünschte mein Weg wäre damals nicht unterbrochen worden, dann wäre ich jetzt schon zehn Schritte weiter.

(IMG:style_emoticons/default/gruebel.gif)















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Mondstern
Beitrag 20.Nov.2015 - 19:57
Beitrag #2


Großer Hund
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Hallo Woody.

Der Prozess, den Du beschreibst, scheint mir gar nicht so kompliziert, wie Du anscheinend den Eindruck hast. Vielmehr ist das doch ganz normal: bevor man mit etwas "rausgeht", muss man sich dessen erst einmal selbst bewusst werden, sich damit auseinandersetzen und seinen eigenen Frieden damit finden.
Erlaube mir, dass ich kurz zusammenfasse, wie ich es verstanden habe: Du warst mit einer Frau zusammen, die irgendwann keine Frau mehr war, und nun, nach der Trennung, fühlst Du, dass Du nur Frauen lieben kannst und möchtest. Auch das erscheint mir nicht wirklich kompliziert: es klingt, als hättest Du schon immer Frauen geliebt, und wärst dabei zuletzt an eine "geraten" (das ist jetzt keineswegs abwertend gemeint!), die nur anfangs und nur äußerlich eine Frau war. Das alles kann ich aus Deinen Worten lesen, und es hört sich für mich wie ein recht klares Selbstbild an. Und doch liegen gerade hier Deine Zweifel. Liegt es daran, dass Du es zwar weißt, Dir aber nicht eingestehen möchtest? Oder kannst? Oder fällt es Dir nur gerade noch schwer, und etwas mehr Zeit könnte hilfreich sein?

Für die Außenwelt ist das natürlich ein großer Sprung, denn Du schreibst, sie wissen zum großen Teil nichts von der Transse*ualität Deines Expartners. Sie sehen Dich als etwas, das Du nicht bist: hetero. Und deshalb musst, Du, genau wie Du schreibst, bei Null anfangen. Du teilst die Ängste, die wir alle teilen: Angst vor Ablehnung, Angst vor Benachteiligung im Beruf, vor Schwierigkeiten an der Hochschule, vor Gerede. Es ist nicht schlimm, sich Gedanken zu machen, und es ist auch nicht schlimm, Angst zu haben, sofern man sich von der Angst nicht lähmen lässt. Angst mag kein guter Ratgeber sein, aber sie mahnt zur Vorsicht, zur Umsicht. Und das ist manchmal nicht das Schlechteste.
Wie ein Outing abläuft - darauf gibt es allerdings keine Pauschalantwort. Ein Outing ist immer eine sehr persönliche, sehr einzigartige Angelegenheit, die nicht nur von einem selbst, sondern auch vom Gegenüber abhängt, vor dem man sich outen möchte. Es gibt Menschen, die outen sich immer und offensiv, es gibt Menschen, die outen sich gar nicht. Ich oute mich gern "angelegentlich", im Nebensatz, wenn es sich gerade ergibt und kein zentraler Fokus darauf liegt. Das ist für mich die angenehmste und natürlichste Form, denn damit suggeriere ich, dass es normal ist, wie ich bin, und das ist es schließlich für mich. Vor ein paar Jahren war ich an der Organisation eins Kunstprojekts beteiligt, bei dem meine Freunde unter anderem auf Pappschildchen schrieben, was lesbische Identität für uns bedeutet. Eine Freundin schrieb: "Ich bin Studentin, Vegetarierin, Comiczeichnerin und Boarderin. Und ach ja, lesbisch bin ich auch." Das fand ich total schön. Und auch, wenn es in Deiner momentanen Situation sicher noch nicht so weit ist, dass Du das so sehen kannst, vielleicht entspannt es Dich von Zeit zu Zeit, Dir einen solchen Satz für Dich vorzusagen, nur im Kopf. "Ich bin Woody, Hochschullaufbahnanwärterin, Mutter. Und ach ja, lesbisch bin ich auch." (IMG:style_emoticons/default/bluemele.gif)

Mondstern
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Woody
Beitrag 22.Nov.2015 - 12:19
Beitrag #3


Fürstin Pückler
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ZITAT(Mondstern @ 20.Nov.2015 - 19:57) *
Und doch liegen gerade hier Deine Zweifel.
Liegt es daran, dass Du es zwar weißt, Dir aber nicht eingestehen möchtest?
Oder kannst?
Oder fällt es Dir nur gerade noch schwer, und etwas mehr Zeit könnte hilfreich sein?


Liebe Mondstern,

das hört sich nach einem schönen Kunstprojekt an, danke für die Schilderung, es scheint mir sehr passend (IMG:style_emoticons/default/icon4.gif)

Vielleicht finde ich dieses (vermeintliche) Heteroleben einfach sehr bequem.
Das war auch der letzte Punkt, den ich meiner vergangenen Beziehung noch abgewinnen konnte.
Frau und Mann fällt nicht auf: Ein Punkt weniger, für den Frau (ich) be- oder verurteilt werden könnte.
Wir haben z.B. eine Wohnung bezogen, die wir als Frauenpaar nicht bekommen hätten etc.

Ich weiß es. Der Gedanke war immer wieder da, all die Jahre.
Der Gedanke ein Mädchen zu küssen war da, bevor mich ein Junge geküsst hat.
Ich denke es geht um das eingestehen. Ich bin in sehr schwierigen Verhältnissen aufgewachsen und wollte so gerne "normal" sein.
Normal im Sinne von unauffällig, angepasst und vor allem: Dazugehörig.

Nun bin ich gar nichts davon, in keinster Weise.

Ich bin Studentin, die sich nicht zuletzt durch ihre Mutterschaft und ihr Alter (bald 33) von den meisten anderen unterscheidet.
Das heißt dieses außeruniversitäre StudentInnenleben findet ohne mich statt.
Ich bin Vegetarierin, wie die Freundin von dir oben. Ich finde die Idee vom Veganismus gut und richtig, auch wenn ich sie nicht lebe.
Dadurch esse ich nicht, was fast alle anderen essen.
Ich bin kräftig, dadurch sehe ich nicht aus, wie Vegetarierinnen oft aussehen.
Ich bin sehr politisch / gesellschaftskritisch, eine Feministin.
Dadurch interessieren mich Dinge, die viele nicht interessieren bzw. die viele Menschen ablehnen.

Und nebenbei... ja ich mag Frauen.

Das alles macht mich anders.
Erreichen der gesellschaftlichen Norm: Ziel verfehlt.

Nein, natürlich war das nicht mein Ziel. Aber das obige wäre schön gewesen, einfach irgendwo dazu gehören.
Deshalb vielleicht der innere Konflikt. Der Abschied vom "wie andere sein" - überspitzt gesagt.
Eine innere Umsortierung.

Vielleicht bringt etwas mehr Zeit weniger innere Spannung mit sich, aber ich glaube das löst es nicht alleine.
Es gibt irgend einen Knackpunkt.
Vielleicht geht es um die Rollen.
Es geht um gesellschaftliche Normen.
Vielleicht um ein Zuhause.
Ein Zuhause für mein Inneres.
Ein ankommen.

Du hast schon recht, ich bin ein sehr klarer Mensch. Ich bin oft bei mir.

Ich weiß beruflich das erste mal in meinem Leben genau was ich will und es gibt einen Weg dorthin, mit Menschen, die Vertrauen in mich haben.
Und ich habe eine Hand voll Freunde, mit denen ich mich wunderbar über gesellschaftliche Belange austauschen kann, auch wenn es sich in meinem Selbstmitleid oben ganz anders angehört hat. (IMG:style_emoticons/default/wub.gif)

Ich weiß aber noch nicht, wie ich mein privates Leben leben kann.
Ich bin Mama, habe aber Lust auf Karriere.
Ich koche gerne, aber nur manchmal.
Ich mag keine Hausarbeit.
Ich bin sehr feministisch interessiert, sehr gesellschaftskritisch, aber nicht weil ich auf Frauen stehe.
Ich mag Schmuck und ich schminke mich.
Ich möchte mit einer Frau zusammen leben.

Aber ich möchte diese Rollen aufbrechen, die ich in meiner letzten Beziehung so zu spüren bekam.
Ich möchte nicht in der Versorgungsarbeit aufgehen (selbst wenn ich wollte, ich würde nicht (IMG:style_emoticons/default/roetel.gif) )
Ich möchte einfach ich sein.
Egal was ich für ein Geschlecht habe und was mir deshalb zugesprochen wird.

Ich denke das ist das Problem.
Diese ganzen Erkenntnisse in mein Selbstbild und in mein Leben zu integrieren ist nicht so einfach für mich.


Liebe Grüße













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McLeod
Beitrag 22.Nov.2015 - 12:54
Beitrag #4


mensch.
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Du beschreibst einen spannenden, vielschichtigen Menschen. Vielleicht braucht es all diese Dinge: Lebenserfahrung, Verantwortung, Reflexion, Ziele... Um das zu tun und zu sein.

Du erzählst von der Sehnsucht, dazuzugehören. Was bedeutet das für Dich, wie fühlt es sich an, wenn es so ist?

(mich interessiert Deine persönliche Perspektive)

Liebe Grüße
McLeod

Der Beitrag wurde von McLeod bearbeitet: 22.Nov.2015 - 12:54
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Woody
Beitrag 22.Nov.2015 - 15:59
Beitrag #5


Fürstin Pückler
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ZITAT(McLeod @ 22.Nov.2015 - 12:54) *
Du erzählst von der Sehnsucht, dazuzugehören. Was bedeutet das für Dich, wie fühlt es sich an, wenn es so ist?
(mich interessiert Deine persönliche Perspektive)



Liebe McLeod,

ich versuche mal in mich hineinzuspüren und es zu beschreiben, obwohl es nicht einfach ist:

Diese Sehnsucht ist ein Fehlen.

Ich habe das Gefühl, dass es eine innere Insel gibt / geben sollte, möglicherweise entstanden durch den äußeren Halt des Aufwachsens.
Diese Insel in mir habe ich noch nicht gefunden.

Es gibt dadurch kein "das bin ich" oder "dazu gehöre ich".
Dieses Fehlen würde ich als eine Verbindung von inneren und äußeren Gegebenheiten bezeichnen.
Ich habe beispielsweise kein Elternhaus, weil ich zwar Mutter und Vater habe, aber nicht mit beiden aufgewachsen bin und dadurch ohne einem Verständnis / einer Erfahrung von Eltern aufgewachsen bin.
Meine Mutter und mein Vater sind wie zwei Gegenpole, so verkörpern sie völlig unterschiedliche Lebensweisen, Werte und Normen.
Also gibt es auch kein verbindliches Paket an Werten und Normen, die ich mitbekommen habe.

Durch diese und weitere Gegebenheiten gibt es aus familiärer Sicht kein eindeutiges Lebensmodell.
Andere Modelle die ich zu leben versucht habe, waren nur begrenzt ausreichend, um als wirklicher Ersatz dienen zu können.

Mein Leben und ich sind wie ein Puzzle, dessen Teile in alle Winde verstreut sind.
Ich habe nur eine Art inneren Kompass, der Zugang zu und der Austausch mir selbst, um in den 4 Himmelsrichtungen nach den fehlenden Teilen zu suchen.
Meine Wegweiser von außen sind, wie oben beschrieben, sehr begrenzt.
Finde ich ein Teil, dann versuche ich es in mein Selbst zu integrieren, was mir bei manchen Teilen gelingt und bei vielen nicht.

Diese Sehnsucht ist möglicherweise darauf gerichtet, die fundamentalen Teile meines Selbst, meines Lebens, von mir gefunden und integriert zu haben.

Das ist die Sehnsucht auf mein inneres Leben beschrieben.
Auf mein Äußeres gerichtet ist diese Sehnsucht eng mit dem Bedürfnis danach verbunden, Bindungen zu Menschen zu haben, mit denen ich dieses innere Leben teilen kann.
Menschen mit denen ich mich verbunden fühle, weil gegenseitiger Austausch und Verständnis das Fundament der Beziehungen sind.
Das sind Freunde und es sind manchmal Anteile von meiner Mutter.

Dieses Bedürfnis / diese Sehnsucht wird zum Beispiel durch anregenden Austausch gestillt. Wenn ich ein Gespräch mit jemandem führe, dessen Inhalte ich in ein Selbstgespräch mitnehme. Wenn ich geistige und / oder körperliche Nähe zu jemandem habe und wir uns beide darin fallen lassen können. Dadurch fühle ich mich ihnen zugehörig und nicht mehr so alleine mit meinen vielen Gedanken und Gefühlen.
Dann breitet sich eine Zufriedenheit in mir aus, ein Wohlbefinden.


Ich hoffe nun sehr, dass ich mit meiner Antwort nicht völlig neben deiner Frage gelandet bin (IMG:style_emoticons/default/gruebel.gif) .

Der Beitrag wurde von Woody32 bearbeitet: 22.Nov.2015 - 16:15
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McLeod
Beitrag 22.Nov.2015 - 16:36
Beitrag #6


mensch.
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Du bist ganz unglaublich gelandet. Ich werde es noch ein paar Mal lesen und erforschen, ehe ich weiter ins Gespräch kann. Es berührt mich gerade an unterschiedlichen Stellen, was Du geschrieben hast. Danke für diesen Mut.
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pfefferkorn
Beitrag 22.Nov.2015 - 19:13
Beitrag #7


Gut durch
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ich habe mit vielen interesse deinen post gelesen--- und erstmal sacken lassen... weil, was du schreibst, mich an vielen punkten berührt und ich aber so gar keinen impuls habe, was zu""wissen", eine idee zu haben - was ich sehr spannend finde

ich will jetzt einfach mal schreiben, dass ich unglaubliche ressourcen sehe, ein dasein, dass du dir geschaffen hast, jenseits vieler konventionen und konditionierungen - und das ist glaube ich, das , was mich so anspricht -

ich spüre neben deiner sehnsucht auch eine grosse freiheit, dein leben gestalten zu können und gestaltet zu haben, eigentlich jenseits der üblichen konditionierungen---jetzt taucht, wenn ich das richtig verstehe, dass problem auf, dass du "eigentlich" genderqueer gelebt hast - aber -- niemand hats gemerkt, weil du als hetero assimiliert warst... so würde ich das jetzt mal beschreiben...

da kann sich jetzt eine große diskussion entspannen über genderqueerness, die würde ich jetzt mal beiseite lassen, denn deine damalige freundin hat sich als freund manifestiert und das auch nicht, wenn ich das richtig verstehe, in einer trans*queeren*lesben-szene... sondern ... so ganz "normal"

und bei all dem, was du da an spannungen ja auch mitgetragen hast.., so kommt es bei mir jedenfalls an, hast du jetzt befürchtungen, dass dein lesbisch-sein..."auffällt" . unangenehm und dich bzw deine hochschulkarriere beeinträchtigend

ist das richtig, was ich wahrnehme?

ich denke mir da bei, ... whow... was für eine frau, die so eine spannung durch ihr leben mitgetragen hat, sich damit nach außen irgendwie auch abgeschottet hat... und denke, ... so eine... die kann die welt dazu bringen, sich in die andere richtung zu drehen... die kann ihr leben richtig rocken

aber ich lese, die hat vor dem, was du kommt ...ängste, die ich auch alle nachvollziehen kann

findest du auch, dass du schon ganz schön was geschafft hast in deinem leben? oder kommt das nur bei mir so an?

fragt freundlich das pfefferkorn
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McLeod
Beitrag 23.Nov.2015 - 12:03
Beitrag #8


mensch.
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Liebe Woody,

ich weiß nicht, ob es eine adäquate Antwort gibt. Die innere Insel... Festes Land unter den Füßen, ein Heimathafen. Kann ein Mensch sie noch nachträglich zusammenbauen? Ich frage mich das, wenn ich das Gefühl habe, um mich herum haben so viele ihre Heimat, sind verwurzelt, haben diesen sicheren Halt.

Die Klarheit der Lebensmodelle, der Prinzipien, des eigenen Handelns, verlässlich vorhersehbar scheint das bei anderen zu sein...

Ausprobieren, manchmal erste Zufriedenheit, vielleicht sogar Glück, wenn der Anker auf Grund getroffen hat und alles stabil ist, wie es wohl so sein soll. Und dann dieses Gefühl, dass es nicht das Eigene ist, auf Dauer. Das Ankern.

Wenn es stürmisch ist, ist es gut, nicht zu ankern... Und wer es im Blut hat, den Horizont erreichen zu wollen und Neuland zu finden, um weiterzuziehen --- egal, ob es per Definition durch ein Defizit im Aufwachsen war... "Defizit" ist bereits ein wertendes Definieren. Es war wie es war und es trug bei, zusammen mit vielem Anderen, zu einem Menschen, der auf eine Art einzigartig ist, die sich irgendwie deutlich unterschiedlich anfühlt.

Anders sein zu wollen, als mensch ist, hat sich - in meiner bestimmt nicht repräsentativen Erfahrung - oft als Ausdruck des sich nicht Akzeptierens herausgestellt. Das kann mit schmerzhaften Zusammenstößen oder großen Unverstehen bei, Gegenüber auch "gefühlte Realität" sein. zwei Puzzlestücke, die nicht ineinander passen, können trotzdem ganz spannende Gemeinsamkeiten haben, es gibt noch mehr "Ebenen", wie Farbe, Material, Motiv/Bildelemente. Bindungen anders als über die klassische Passform einzugehen ist, nach meinem Empfinden, mit dem Gefühl von Fragilität/Instabilität verbunden. Heißt: kann sich für Dich ganz anders anfühlen.

Du beschreibst ganz zauberhaft, wie bei Dir Nähe und Verbundenheit entsteht. Nicht durch Werte, Normen, Gepäck vom Weg davor. Durch Austausch, Begegnen, Hingabe, Vertrauen. Das stell ich mir sehr intensiv vor, sehr... Schön...

Ich kriege dafür gerade nicht die Worte, befürchte ich. Solche Momente empfinde ich sprachlos.






Deine jetzige Situation klingt danach, dass Dir jemand für den Austausch und das Verarbeiten dessen was zwischen Dir und ihm war, fehlt. Die Wunden, die es hinterließ. Die Klarheit, die es schuf. Du müsstest jetzt jemanden ins Vertrauen zuehen und die Gefahr eingehen, dass "es die Runde macht". Und erstmal, dass jemand bereit ist ihr oder sein Bild von Dir zu verändern und Dich nicht... Zu verurteilen? Was ist es, wovor Du vielleicht gerade Angst hast und was Dich so allein damit sein lässt? Und gibt es einen Menschen, eine Person, der Du zutraust, das anders, "richtig" zu händeln und gut damit und mit Dir umzugehen?

Sorry, ich ende auch/schon wieder mit ner Frage.

Lächelnde, herzliche Grüße
McLeod
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Woody
Beitrag 23.Nov.2015 - 23:26
Beitrag #9


Fürstin Pückler
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Liebe Pfefferkorn,

du findest sehr passende Worte für die letzten drei Jahre, sie und die Beziehung waren voller Spannungen.

All die Veränderungen und die Entscheidung meines Gegenübers, die Vergangenheit auszulöschen, führte zu einer Abschottung nach außen.

Ich hab mich in der Gegenwart nicht mehr gefunden und noch weniger in seiner Zukunftsvorstellung, denn ich war glücklich mit der Vergangenheit und unserem queren Leben.
Befreit vielleicht, für eine kurze Zeit.


Nun ja, ich weiß nicht ob es Menschen gibt, die unsere Welt nachhaltig verändern können, aber ich begreife was du meinst.

Ich spüre eine große Kraft und einen starken Willen.
Aber ich spüre auch die anderen Menschen und ihren Unwillen aufzubrechen.
Und die Ablehnung von ihnen, sich mit sich selbst auseinander zu setzen.
Und die Ablehnung von ihnen, den Menschen gegenüber, die aufbrechen wollen.

Das macht mich vorsichtig und lässt mich zurück weichen.


Ja ich habe etwas geschafft, viel sage ich heute, rückblickend.

Noch nicht genug, sage ich heute, rückblickend (IMG:style_emoticons/default/rolleyes.gif)



Liebe McLeod,

das ist die Frage, die mich begleitet und die sich hinter dem suchenden Blick verbirgt, wenn ich versuche die Zukunft zu sehen.

Kann ich noch ankommen?
Kann ich mir noch eine Insel erschaffen?
Ich frage mich aber auch, ob diese Insel nicht bereits existiert und ich sie nur noch nicht sehen kann.
Denn hätte ich keine, das frage ich mich, wäre ich dann resilient?

Ich habe den Anker geworfen, wieder und wieder, wie du es beschreibst.
Doch etwas treibt mich weiter, denn meinen Platz habe ich noch nicht gefunden.

Mit Sicherheit hat dieses Gefühl damit zu tun, dass mir noch etwas Akzeptanz fehlt, für mich.
Doch sie wächst seit einigen Jahren, langsam, aber sie wächst und sie ist nicht mehr zart und zerbrechlich.

Nur die Bindungen, die ich in den letzten Jahren eingegangen bin, sie sind fragil und oftmals endlich.
Manchmal zerbrechen sie an meinen Ecken und Kanten, manchmal an meiner Selbstakzeptanz, manchmal an meiner Leidenschaft, manchmal an der Mauer meines Gegenübers oder dessen Vorstellungen, wie etwas, jemand sein soll.


Ja McLeod, mir fehlt der Austausch über die hinterlassen Wunden.
Kaum jemand vermutet bei mir Spuren von Verletzung, Verzweiflung, Verlust, Trauer...
Aber dieses Ende traf mich mit all seiner Kälte und Härte und er traf auch meine Tochter.

Und wenn ich so darüber nachdenke, dann geht es vielleicht gar nicht nur darum, dass ich Frauen mag.
Sondern auch darum, "dass jemand bereit ist ihr oder sein Bild von mir zu verändern".
Dass ich manchmal auch einfach nicht mehr weiter mag.
Nicht mehr kämpfen, nicht mehr suchen.
Einfach stehen bleiben, verweilen, die Wunden zu pflegen, wütend zu sein, keine Lust zu haben, zu weinen, nicht weiter zu wissen...
Den Blick von der Zukunft abzuwenden, sich umzuschauen, zurückzublicken, ihn zu senken.

Aber es geht auch darum, nicht verurteilt zu werden.
Ich möchte keinen Stempel, der mich einer Schublade zuordnet, aus der ich vielleicht nicht mehr rauskomme, wenn ich feststelle, dass sie nicht meine ist.
Aber ich möchte auch nicht alleine mit dem allen sein.
Ich wünsche mir Unterstützung, um dieses Leben zu meistern zu können.
Unterstützung die nicht an Bedingungen geknüpft ist.

Ich weiß nicht, ob es gerade einen Menschen gibt, der mit meinem "Anders" umzugehen weiß.
Ich habe erlebt, dass mein Weg, mein bunter Geist und Verstand, Menschen veranlasst, sich stark davon abzugrenzen.
Ohne dass ich etwas zu ihnen bzw. über sie sage, nur durch meine Art zu leben: zu reden, zu sehen, zuzuhören, zu denken und zu handeln.

Menschen, die mir wieder und wieder erzählen, wie lecker ihr Mittagsschnitzel war.
Menschen, die mir immer wieder erzählen, dass sie absolut auf Männer stehen.
Menschen, die mir erzählen wie glücklich sie durch ihr Geld und ihren Job sind und wie sie ihr Leben genießen, trotz Arbeitsfrust und Zeitmangel.

Menschen, die mir am einen Tag ihr Herz ausschütten um es am nächsten Tag vor mir einzumauern...

Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.
Was soll ich denn von mir erzählen, ohne dass jemand zu mir sagt:

"Siehst du, würdest du dich mit unseren Normen, Werten und Konventionen zufrieden geben, wärst du jetzt nicht in dieser Lage."

?

Nachdenkliche Grüße und Dankbarkeit, für den schönen Austausch

Woody
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pfefferkorn
Beitrag 24.Nov.2015 - 09:57
Beitrag #10


Gut durch
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liebe woody, mir gehen ein paar sachen durch den kopf:

ich überlege, ob die angst vor ablehnung nicht genau diese ablehnung manchmal hervorruft?

ich habe mich im frieden von einigen "mittagsschnitzel-typen" zurückgezogen - um mehr zeit für die zu haben, die mir was bedeuten, bzw, vorher auch, um den raum zu haben, überhaupt welche kennenzulernen, die auch ein bisschen anders sind - ich hab mich nicht abgelehnt, sondern manchmal wie vom anderen stern gefühlt und hab mich ... sowas wie gelangweit gefühlt -


ich überlege, ob vielleicht eineesben-queere-sonstwie - gruppe ein plaz für dich sein könnte dich auszutauschen - so wie hier... nur in "echt" -)

und: ich glaube, dass es menschen gibt, zu deren schicksal es gehört, dass sich menschen von ihnen trennen - ich bin so eine, die irgendwie lange an verbindungen festhält, kenne aber auch andere, die mehr so durch ihr leben surfen - ganz intensive kontakte haben, die dann wieder nicht mehr so wichtig sind...

sowas geht mir durch den kopf... jetzt erstmal einen wintersonnigen tag :-)

p
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McLeod
Beitrag 24.Nov.2015 - 11:14
Beitrag #11


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Liebe Woody,

es ist so ein Satz, der mich selbst sehr vorsichtig werden lässt, der sich da gerade in mir formt: Deine Gedanken kommen mir ganz fürchterlich bekannt vor. Der Wunsch nach Bedingungslosigkeit und die Enttäuschung, wenn es – mal wieder – deutlich wird, dass es welche gab oder gibt. Das Gefühl von starker Begrenzung, wenn jemand einen Stempel auspackt, fest ins Kissen drückt und dann – irgendwie – auf meine gedankliche Haut.

Manchmal kann ich das gelassen nehmen. Menschen sind wie sie sind und sie dürfen so sein – wer bin ich, sie mir anders zu wünschen?

Umso mehr schätze ich Begegnungen, in denen es anders ist. In denen ich mich nicht verführt fühle, stärker zu wirken, als ich bin. Gerade erinnere ich mich an „Der Teufel trägt Prada“, ein Film von dem mir eigentlich nur eins in Erinnerung geblieben ist, dass Meryl Streep gegen Ende Schwachsein erlebt, eine Niederlage, den (DEN) Kontrollverlust. Und dass sie sich dann den Staub von den Knien wischt, das Krönchen zurecht rückt, innerlich und danach weitergeht, nahezu unverändert. Nahezu eben nur. So wie das Zentrum für politische Schönheit eine Rettungsinsel im Mittelmeer verankert und es fast unverändert lebensgefährlich bleibt. Fast.

Diese Gefühle – jetzt ist es genug, einfach weinen, Wunden heilen lassen, indem sie mal an die Luft kommen – relativieren nicht alles andere, und schon gar nicht negieren sie es. Aber ja, es gibt Menschen, die es dann genauso sagen: „Sie ist ja gar nicht so, wie man denkt...“

Souveränität ist es, die Menschen sagen zu lassen, was sie meinen sagen zu müssen. Und für sich zu entscheiden, was gut und richtig, möglich und machbar ist. Für meinen Teil habe ich da noch viel zu üben und zu stärken. Wie das so ist, wenn es nicht zur Grundausstattung gehört. Ich finde es erstrebenswert, unabhängig zu sein. Dann kann ich näher bei Menschen sein, ihnen klarer, wahrnehmender begegnen. Sie mehr so sein lassen wie sie sind. Auch mit kritischen Fragen, mit Grenzwertigem. Dann sind meine Grenzen sicherer, als sie es jetzt sind. Stelle ich mir jedenfalls vor. Natürlich bleibt ein Mensch verletzbar. Vielleicht (stelle ich mir jedenfalls vor) weniger vom Impliziten, vom Nicht-Wissen oder Nicht-Verstehen-Können/Wollen.

„Was soll ich denn von mir erzählen, ohne dass jemand zu mir sagt...“

Es mag Menschen geben, die denken, dass Konventionen und Normen zu befolgen vor Ungemach, Schmerz und Ablehnung schützen könnte. Und wenn sie ein passendes Kleidungsstück sind, spricht nichts dagegen, sie sich anzuziehen. Dann passt es und das ist in Ordnung so. Und es ist okay, zu denken dass die eigenen Lösungen vielleicht auch auf und für andere passen. So läuft hier ja beispielsweise auch ganz viel unterstützende Kommunikation im Forum ab.

Mich interessiert wieder was: Was macht es mit Dir, wenn jemand sagt „ich bin glücklich“ und Du siehst Arbeitsfrust und Zeitmangel?

Herzliche Grüße
McLeod
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Woody
Beitrag 24.Nov.2015 - 17:50
Beitrag #12


Fürstin Pückler
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Erst einmal nur hierauf eine Antwort:

ZITAT(McLeod @ 24.Nov.2015 - 11:14) *
Was macht es mit Dir, wenn jemand sagt „ich bin glücklich“ und Du siehst Arbeitsfrust und Zeitmangel?


Allem voran verunsichert es mich und ich stelle meine Empfindungen in Frage.

Ich sehe etwas und interpretiere es, menschlich halt.
Egal ob Handlungen oder menschliche Regungen, im Gesicht zum Beispiel.
Dazu kommt, dass ich auch sehr viel spüre.
Die Emotionen die ich wahrnehme, muss ich manchmal erst sortieren:
Meine, ihre, seine...
Manchmal ist es aber auch klar, zumindest für mich.

Stimmt mein Gespürtes nicht mit den Aussagen der jeweiligen Person überein, frage ich mich oft nach der Richtigkeit meiner Wahrnehmung.
Ich kann nicht davon ausgehen, dass ich richtig liege und die Person falsch.
Kein richtig oder falsch, unterschiedliche Perspektiven, unterschiedlicher Abstand...
Manchmal habe ich aber auch den Eindruck, die Person will nicht sehen oder spüren, was da ist.
Sie hat ihre Gründe.

Und da weiß ich nicht, was ich sagen soll.
Oft sage ich nichts.
Manchmal erzähle ich von meiner Wahrnehmung, ganz vorsichtig.

Da fällt mir ein schöner Abend mit einer Freundin ein, von dem ich kurz erzählen möchte.

Diese Freundin ist, als ich sie bei dem ganz zu Anfang erwähnten Stammtisch kennenlernte, mit einer Bekannten von mir zusammen gekommen.
Einige Monate später trennte sie sich, während einem Auslandssemester.

Inzwischen ist sie fertig mit ihrem Ingenieursstudium und hat einen Freund, mit dem sie zusammen gezogen ist.
Vor dem besagten Abend, hatten wir viele schöne und tiefe Gespräche, politisch, feministisch... trotz großem Abstand zwischen unseren Treffen.

Bevor das erste Wort viel, hatte ich den Eindruck eine Energiewelle, ein Energiechaos würde mich überrollen.
Sie begann mir zu erzählen, dass sie sich gerade drei Paar Sommerschuhe gekauft hatte, dass ihr Urlaub zu Ende sei usw.
Sie erzählte mir von dem vielen Geld, dass sie jetzt verdiene und von den klassischen Rollen, die sie jetzt lebe.
Dass sie es genieße mit Freundinnen über "Frauenthemen" zu sprechen, in ihrem Faschingsverein genieße von den Männern hofiert zu werden und dem "weiblichen" Tätigkeitsbereich zugeordnet zu werden, auch wenn ihr das anfangs missfallen habe.
Dass sie sich jetzt ein Nest bauen wolle....
Usw. usf.

Ich hörte zu, sah sie an und spürte in mich hinein.
Ich sagte nichts. Ich konnte nichts greifen.

Dann sagte sie, dass sie keine Lust auf ein tiefgehendes Gespräch wie sonst mit mir habe.

Ich war überrascht
und hörte weiter zu.

Dann begann sie mir zu sagen, wie sehr sie sich von mir in Frage gestellt fühlen würde, mit ihrer jetzigen Lebensart.
Dass ich es nicht gut heißen würde usw., aber dass doch alles gut ist, so sei wie sie es wolle.

Ich sagte, dass ich ihr Bedürfnis ein Nest für die Familie zu bauen verstehen kann, denn in ihrem Alter hatte ich es auch, und dass ich ihren jetzigen Weg respektiere.
Dass ich mir wünsche dass sie glücklich ist.
Und dann sprach ich einen Gedanken aus, eine Frage, die mich in diesem Moment bewegte:

Bei allem Genuss der Konventionen, bei der Erfüllung die ihr Leben mit viel Geld mit sich bringt, bei dem Spaß an Gesprächen über leichtere Themen, bei der Einfachheit, wenn Rollen gelebt werden, wie sie eben verteilt sind...
"Gibt es für mich, so wie ich bin, noch einen Platz in deinem Leben?"

Der Beitrag wurde von Woody32 bearbeitet: 24.Nov.2015 - 17:54
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McLeod
Beitrag 24.Nov.2015 - 19:07
Beitrag #13


mensch.
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Kluge Frage. Und falls es das gibt: Die richtige.

Der Beitrag wurde von McLeod bearbeitet: 24.Nov.2015 - 19:07
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pfefferkorn
Beitrag 24.Nov.2015 - 19:20
Beitrag #14


Gut durch
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für mich liest es sich so, als habe sie sich vorauseilend gerechtfertigt -

wenn ich den eindruck habe, dass sich eine schonmal vorab "entschuldigt", wird mir ungut zumute - ... wer bin ich, dass eine meint, sich verteidigen zu müssen? ....

und: mir ging es ziemlich lange so, dass ich mich für mich in meiner bude sehr wohl gefühlt habe, aber oft das gefühl hatte, ich mag Kolleginnen z.B. nicht einladen... in mein "nicht-einfamilienhaus-ohne kaffeemaschine- altbau-hippie-ding" .... und heute noch erkläre ich mich dafür, dass ich so wohne, wie ich wohne - und das ist mein unsicherheit und meine angst "abgestempelt" zu werden...
und... siet diesen sommer mache ich es ein bisschen anders und sehe, dass die anderen auch nicht so "konform" sind, wie ich denke... jedenfalls einige :-) zwar nicht so unkonventionell wie ich, aber eben anders unkonventionell - und das sich manche damit leichter tun, bei denen ich mir dann ein scheibchen abschneide -

und: ich merke, es gibt das leben hinter der fassade,,, andere binden auch nicht jedem auf die nase, dass sie nicht konform sind, dass sie z.B. doch nicht so monogam leben, wie es scheint, dass sie doch nicht so single sind, wie es auf den ersten blick aussieht...

das hat mich sehr beschäftigt - die frage, wie sind eigentlich meine vorurteile? ...wozu brauche ich die?

... fällt mir so dazu ein

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Woody
Beitrag 24.Nov.2015 - 20:12
Beitrag #15


Fürstin Pückler
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ZITAT(pfefferkorn @ 24.Nov.2015 - 19:20) *
das hat mich sehr beschäftigt - die frage, wie sind eigentlich meine vorurteile? ...wozu brauche ich die?



Stimmt Pfefferkorn, meine Vor-Urteile, gefällt, bevor ich hinter die Fassade geblickt habe.
Oft ist mir ein "Das hätte ich nicht gedacht" begegnet, wenn ich einen Menschen dann näher kennengelernt habe.
Aber oft war die Mauer auch zu dick, die Türe fest verschlossen...

Jeder entscheidet, wen er hinter seine Fassade schauen lässt.

Gewundert hat mich bei meiner Freundin nur, dass ich zuvor einen Einblick bekam, dass sie mich von Herzen in ihr Leben einlud, bevor gemauert wurde.
Ich bin noch die, die sie zu sich eingeladen hat. Mit der sie ihr Inneres in vielen wundervollen Gesprächen geteilt hat und mit der auch ich mein Inneres teilen konnte.
Sie hat einen anderen Weg eingeschlagen und fand ihn nicht stimmig, zu unserem früheren Austausch.

Ich habe mich auch gefragt, warum sie sich vor mir dafür rechtfertigt.
Wer bin ich?

Ich denke es liegt gar nicht an mir.
Womöglich vergleichbar mit dem Gefühl anders zu sein, dass aus mir entspringt und nicht (mehr) durch die anderen Menschen.
Wenn einer der Menschen, denen gegenüber ich mich als anders empfinde, mit mir allein in Interaktion tritt, fühlt diese Person sich vielleicht auch anders.
Wer weiß.


Ich finde deinen Bericht über deine Hippie-Altbau-Bude übrigens sehr spannend und ich musste beim Nachdenken darüber schmunzeln, Pfefferkorn.

Mein(e) Ex-Freund(in) stand nämlich auf große, dunkle Möbel. XXL. Hochglanz. Modern.
Irgendwie schön, aber nicht meins.
Wenn ich Leute in unser "repräsentatives" Wohnzimmer eingeladen habe, dann hatte ich immer den Drang zu erwähnen, dass der XXL TV nicht meiner ist.
Andersrum, aber auch ein Unwohlgefühl.

Was ich aus meinem alten Leben mitgenommen habe, ist das Bedürfnis mich für mein Chaos zu rechtfertigen.
Ich wünsche mir mehr Akzeptanz für mein Chaos, von mir selbst.

Was ich hier aus diesen Beiträgen raus lese ist, dass ihr oder wir daran arbeiten, uns selbst mehr anzunehmen.
Für mich ist das sehr bereichernd.










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dragonfly
Beitrag 24.Nov.2015 - 21:16
Beitrag #16


Salzstreuerin
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.. mich lassen eure Beiträge an eine riesige Theaterbühne denken, auf der wir verschiedenen Rollen einnehmen oder spielen können. Nicht absichtlich verstellt oder bewusst angepasst. Aber die „Angst“ oder Sorge vor Ablehnung, davor gerade nicht auf die Bühne zu passen, die falsche Besetzung zu sein oder das Publikum zu enttäuschen, lässt uns manchmal ein klein wenig am Drehbuch basteln.
So kommt es vielleicht, dass eine Frau, die zuvor mit einer Frau zusammen war und jetzt mit einem Mann zusammen ist, andere Werte entwickelt hat, dich als ihr Publikum aus vergangenen Tagen betrachtet und glaubt, dass du ihre neue „Rolle“ nicht authentisch oder nicht tiefsinnig genug finden könntest. Vielleicht spielt sie dann lieber oberflächlich weiter, um keine „schlechte Kritik“ von dir zu erhalten.

Interessant finde ich, dass wir manche Dinge von uns weisen, weil wir uns damit nicht identifizieren und unser jeweiliges Gegenüber uns ebenfalls nicht damit identifizieren soll. Letztendlich wäre es ja „egal“, was das Gegenüber denkt, aber wir wollen auch nicht, dass man uns einer „Rolle“ zuweist, die unsere Werte und Vorstellungen nicht widerspiegelt (Stw. XXL-Fernseher)

Eigentlich ein ständiger Eiertanz. Innerlich und äußerlich.
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Mondstern
Beitrag 24.Nov.2015 - 23:08
Beitrag #17


Großer Hund
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Zu später Stunde gehen mir verschiedene Dinge durch den Kopf.

Ihr sprecht darüber, ob man seinen Platz, seine Insel, finden kann - McLeod nennt es "nachträglich zusammenbauen". Ja, ich glaube, das kann man. Ich konnte es - und ich glaube nicht, dass ich hierfür eine außergewöhnliche Begabung besitze. Gleichzeitig glaube ich, dass das Leben ein ständiger Fluss ist. Nichts ist statisch, und so ist auch der Platz, den man sich findet, nicht statisch. Für manche bedeutet das, weiterzuziehen, weil sich ein neuer Platz woanders auftut. Für manche bedeutet es, den Platz plötzlich mit jemandem zu teilen. Für manche bedeutet es auch bloß, ein Hühnergehege zu bauen, wo vorher keins war. Ich glaube, dass wir uns ständig entwickeln. Selbst wenn wir bereits glauben, uns gefunden zu haben, erleben wir doch täglich neue Dinge, führen Gespräche, denken Gedanken, und all das ändert und verändert uns, im besten Falle dahingehend, dass wir immer und immer mehr wir selbst werden, wenn wir es zuvor nicht waren. Oder ein anderes Selbst, wenn das Alte nicht mehr passt. Diese Entwicklung hört nie auf, und deshalb ist es auch nie zu spät dafür.

Und so kann es auch passieren, dass wir plötzlich, so wie wir sind, im Leben eines anderen keinen Platz mehr haben. Manchmal geht das schleichend. Manchmal Knall auf Fall. Manchmal tut es sehr weh.

Ich erlebe es übrigens erstaunlich oft, dass Menschen glauben, sich vor mir für etwas rechtfertigen zu müssen. Sei es nun, warum sie in der Pause neben mir ein Wurstbrot essen, warum es ihnen viel zu umständlich wäre, Gemüse selber anzubauen, oder dass sie einfach keine Geduld dafür hätten, Weihnachtsplätzchen zu backen. Ich glaube, dieses Phänomen liegt daran, dass sich Menschen bisweilen bedrängt fühlen, wenn jemand sehr klar in seinen Absichten und Ansichten ist. Sie glauben dann, ihre eigene Position deutlich machen zu müssen, selbst wenn man selbst überhaupt nichts gesagt hat, was auch nur in diese Richtung ginge. Oder? Würde das nicht bedeuten, dass man sich irgendwann nur noch mit Gleichgesinnten umgeben kann? Und bedeutet das, um den Kreis zuschließen, nicht auch, je mehr man seinen Platz findet, umso weniger Platz wird man im Leben Anderer finden? Vielleicht zu weit gedacht. Vielleicht ist es auch einfach schon zu spät für mich.

Nächtliche Grüße,
Mondstern
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McLeod
Beitrag 25.Nov.2015 - 10:20
Beitrag #18


mensch.
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ZITAT(Mondstern @ 24.Nov.2015 - 23:08) *
Ich erlebe es übrigens erstaunlich oft, dass Menschen glauben, sich vor mir für etwas rechtfertigen zu müssen. (...) Ich glaube, dieses Phänomen liegt daran, dass sich Menschen bisweilen bedrängt fühlen, wenn jemand sehr klar in seinen Absichten und Ansichten ist. Sie glauben dann, ihre eigene Position deutlich machen zu müssen, selbst wenn man selbst überhaupt nichts gesagt hat, was auch nur in diese Richtung ginge.


Das finde ich einen schlauen Gedankengang.

ZITAT(Mondstern @ 24.Nov.2015 - 23:08) *
Würde das nicht bedeuten, dass man sich irgendwann nur noch mit Gleichgesinnten umgeben kann? Und bedeutet das, um den Kreis zuschließen, nicht auch, je mehr man seinen Platz findet, umso weniger Platz wird man im Leben Anderer finden? Vielleicht zu weit gedacht. Vielleicht ist es auch einfach schon zu spät für mich.


Guten Morgen erstmal...

vielleicht zu weit gedacht. Denn es sind ja nicht "alle anderen", denen es so geht, dass sie sich genötigt fühlen, sich gegenzupositionieren (wenn es das Wort noch nicht gab, dann jetzt (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) ) Manchen Freundschaften ändern sich, wenn die Menschen sich verändern. Die Zuschreibung "dann geht dies oder jenes nicht mehr mit uns" ist manchmal schmerzhaft, gerade wenn sie nicht der eigenen Empfindung entspricht... Und wie immer ist es ein Pünktchen auf dem Weg, an dem der nächste Schritt damit verbunden wird: gehe ich mal hinterher und schaue, was da ist? Oder ist mir meine ursprüngliche Richtung weiter die liebste?

Liebe Woody,

ich springe mal nahezu ganz zurück zu Deinen ersten Postings hier. Wir schauen ja schon auf mögliche und bestehende Reaktionen im Umfeld. Du hast auch beschrieben, dass Du Dich eigentlich selbst noch finden magst in der Frage, ob Du nun (wieder) lesbisch bist... Warst Du hetero zwischendrin, oder war es so, dass vor allem die anderen Dich als hetero wahrnahmen und sich entsprechend verhielten, Dein Freund* auch? Worin besteht aktuell die Unklarheit, was Deine eigene Position betrifft, für Dich? Kannst Du das in Worte fassen?

Liebe Grüße
McLeod
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Woody
Beitrag 25.Nov.2015 - 10:54
Beitrag #19


Fürstin Pückler
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Eine interessante Metapher, sehr anschaulich Dragonfly. Danke.

Viel im Leben erinnert mich an eine Theaterbühne. Viel in meinem Leben an einen Eiertanz.
Die Differenz zwischen dem Sein und dem Sein-Wollen wird wohl sehr häufig durch Inszenierungen überbrückt.
Ja und, als kleine Ergänzung, was nicht passt, wird passend gemacht.

Das ist es, wo ich raus bin.
Ich will das nicht mehr.
Ich will ich sein und in erster Line mit mir in Kontakt stehen.
Unabhängig davon, wer oder was ich gerade bin.
Aus dieser Verbindung zu meinem Inneren möchte ich in Kontakt treten.
Bei mir mit anderen sein, so würde ich es beschreiben.

Wie empfindest du dein Leben, was tust du um authentisch leben zu können? Ihr?

Wenn du schreibst, Dragonfly, dass wir manche Dinge von uns weißen, weil wir uns nicht damit identifizieren und nicht damit identifiziert werden wollen, dann möchte ich das noch ergänzen:
Und zwar um die Dinge, die zu uns gehören, wir aber nicht damit identifiziert werden wollen.

Diese zwei Anteile sind vielleicht auch der Kern von dem eingangs beschriebenen Konflikt.
Eine Inkongruenz, dass etwas zu mir gehört, was ich nicht sein will oder gefühlt nicht darf - beschrieben aus meiner ganz subjektiven Perspektive.

Dieses Unwohlgefühl, nicht zeigen zu können / wollen / dürfen, was ich bin, gepaart mit dem Gefühl gesehen werden zu wollen, als das was ich bin.

Wenn ich hier deinen Gedanken aufgreife Mondstern, dann ist das mein Selbst, wie es eben gerade ist.

Ich stimme dir vollkommen zu, wenn du schreibst, das Leben sei nicht statisch, nichts sei statisch und das Leben ein ständiger Fluss.
Für mich gibt es auch nicht das Leben und die Welt - nun schweife ich ab in die Philosophie... (IMG:style_emoticons/default/gruebel.gif)
Für mich gibt es mein Leben und mein selbst, das sich in ständigem Wandel befindet, einzigartig weil zusammengesetzt aus nur meinem Sammelsurium an Erfahrungen und deren Bewertung.
Daneben existieren zahlreiche Lebenswelten zur gleichen Zeit, die ebenso in ständigem Wandel sind, aus ebenso individuellen Erfahrungen und Bewertungen - sehr konstruktivistisch gedacht (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)

Geht deine Sichtweise in diese Richtung?

Dennoch gibt es für mich auch etwas festes, was ich in mir trage.
Ich würde es als bewusste Grundwerte und Überzeugungen beschreiben.
Ein kleines Bündel davon existiert in mir, unverändert seit vielen Jahren.
Ich bestehe nicht darauf, dass sie bleiben, aber ich beobachte, dass sie da sind, egal welchen neuen Anker ich gerade ausgeworfen habe oder welchen neuen Kurs ich segle, wenn ich mich wieder auf die Reise begebe.
Jetzt bei dem bewussten Gedanken daran, bin ich sehr dankbar dafür.

Ich bin oft traurig, wenn Veränderungen dazu führen, dass sich Bindungen lösen.
Schleichend oder von Knall auf Fall.
Für mich ist es nicht so einfach, die Menschen ziehen zu lassen.
Gleichwohl ist mir bewusst, dass auch ich oft weiter gezogen bin.


Was diese Insel angeht....
Ich habe die Hoffnung, dass sich im nachhinein noch eine Insel bilden kann, innerlich und äußerlich.
Etwas bleibendes, auf das ich zurück kehren will.
Ich bleibe auf der Suche.


Weißt du Mondstern, dieses "sich bedrängt fühlen durch die klaren Absichten und Ansichten des Gegenübers" liegt vielleicht auch daran, dass Menschen, die klar sind in ihren Ansichten und Absichten, die sie bewusst leben und dadurch auf eine Art kommunizieren, dass diese Menschen versuchen, die oben beschriebene Theaterbühne zu verlassen.
Nicht mehr bei dieser Inszenierung mitspielen wollen.
Sich eigene Gedanken machen wollen.

Zusammen gefasst: Etwas verändern wollen.
Und sich damit auch als selbstwirksam erleben.

Vielleicht ist diese, für mich oft plötzliche, deutliche oder auch ganz subtile Positionierung, auch eine Abgrenzung, damit die Welt nicht angetastet wird.
Eigentlich legitim. Nein, nicht nur eigentlich.

So sehr für mich diese Suche auch mit Einsamkeit verbunden ist, so sehr genieße ich ihre Freiheit.
Sie ist für mich mit vielen Begegnungen verbunden.
So finde ich Anteile von mir in anderen und Fremdes in anderen, dass für mich beides Inspiration bedeuten kann.
Dennoch ist für mich diese innere Heimat auch mit Gleichgesinnten, Gleichempfindenden verbunden.

Und wenn ich nie ankomme Mondstern,
vielleicht bringt das ja immerhin mit, dass ich immer wieder einen Platz im Leben anderer finden kann?

Trotzdem empfinde ich diese Abwesenheit einer Insel als ein Fehlen.

Danke für diesen schönen Austausch und die Sensibilität, mit der ihr mit den Themen und persönlichen Beiträgen umgeht.
Etwas, das sich währenddessen bei mir entwickelt hat, ist nun die Frage nach dem Zusammenhang von der Insel und Menschen, oder dem Mensch.

Detaillierter habe ich noch nichts dazu...

Ich stehe mit meinen Lebensbedingungen an der Schwelle vor der Entscheidung, wirklich alleine weiter zu gehen.
Das bringt mit sich, die Einsamkeit aushalten zu müssen.
Gerade befinde ich mich in einer Art "Überbrückungszustand".
Ich spüre die Verantwortung für mich und meine Tochter, wie eine gewaltige Last auf meinen Schultern und sie macht mir Angst.
Rausgehen, auf der Suche nach innerer Zufriedenheit, ohne sie von einem anderen Menschen abhängig zu machen.
Was lebe ich damit vor?

Nachdenkliche Grüße mit einem Blick durch das Fenster, in die Winterlandschaft...

Woody





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Woody
Beitrag 25.Nov.2015 - 11:38
Beitrag #20


Fürstin Pückler
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ZITAT(McLeod @ 25.Nov.2015 - 10:20) *
Liebe Woody,

(...)
Du hast auch beschrieben, dass Du Dich eigentlich selbst noch finden magst in der Frage, ob Du nun (wieder) lesbisch bist...
Warst Du hetero zwischendrin, oder war es so, dass vor allem die anderen Dich als hetero wahrnahmen und sich entsprechend verhielten,
Dein Freund* auch?
Worin besteht aktuell die Unklarheit, was Deine eigene Position betrifft, für Dich? Kannst Du das in Worte fassen?

Liebe Grüße
McLeod


Liebe McLeod,

Nähe und Zärtlichkeit möchte ich mit einer Frau leben.
Das ist kein Gedanke, sondern ein in Worte gefasstes Gefühl, immer wenn ich mit einer Frau zusammen war.
Demgegenüber stand das Gefühl mit Männern, dass da irgendwas nicht passt.
Vor allem in den letzten zehn Jahren, auch vor meiner ersten Erfahrung mit einer Frau.

Diese Beschreibung traf auch auf mich zu, als ich mich in der vergangenen Beziehung befand.
Mein(e) Freund(in) wischte diese Tatsachen und einen möglichen Austausch darüber vom Tisch.
Sprachlos wurde ich gegen ende der Beziehung, auch dadurch:
"Du bist mit einem Mann zusammen, also bist du hetero, da gibt es nichts zu diskutieren."

Auch wenn ein scherzhaftes Grinsen bei dieser Aussage mitschwang, diese Bedeutungslosigkeit von meiner Gefühlswelt raubte mir die Worte und sie verunsicherte mich zutiefst.

Ich habe seit dem Sommer auch Männer kennengelernt, ich wollte mich dem Thema stellen.
Mit Bitterkeit, die ich gerade schwer zuordnen kann, kann ich sagen, dass ich weiß, dass ich nicht mit einem Mann zusammen sein möchte.

Demnach gibt es in diesen beiden Punkten Klarheit.
Nur dieser Begriff "lesbisch", er ist mir fremd.

Vielleicht ist heute auch der falsche Tag, diese Frage zu beantworten, denn heute ist so ein Tag an dem ich mir sage, dass es mir doch völlig egal sein kann, ob ich diesen Begriff verwende oder nicht.


Ich habe sehr viel nachgedacht während diesem Austausch und ich habe gemerkt, dass es gar nicht um die Unklarheiten in diesem Bereich geht.
Wenn mich jemand fragt, dann antworte ich in Variationen davon:

- "Nein, ich will nicht mit einem Mann zusammen sein."
- "Ja, ich möchte mit einer Frau zusammen sein."

Wenn ich antworten will.



Wie in meinem vorigen Beitrag beschrieben, glaube ich inzwischen, dass sich hinter der Auseinandersetzung mit meiner sexuellen Identität eine andere Problematik verborgen hat.
Wie du es so schön beschrieben hast, dass ich mich "eigentlich selbst noch finden mag" nur gar nicht mal in der Frage, ob ich "nun (wieder) lesbisch" bin.

Ich glaube ich stehe nun, fünf Monate nach der Trennung, an einem Punkt, an dem ich mich auf zu neuen Ufern machen muss.
Ich war rauskatapultiert aus meinem Leben, gelandet in einem totalen Chaos.

Es wird Zeit, dass ich den Fokus auf das was mir wichtig ist lege und nicht auf das, was mir wichtig war und ich verloren habe.
Dass ich die Puzzleteile, die teilweise noch verstreut herum liegen einsammle und meinen Weg weiter gehe.

Trotz Angst und Verantwortung.
Oder gerade deshalb.

Der Beitrag wurde von Woody32 bearbeitet: 25.Nov.2015 - 11:39
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