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Vollansicht: nationalismus? ab wann?
Die gute alte Küche - in neuem Gewand > Allgemeines > Politik & Wirtschaft
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robin
wenn ich davon ausgehe, dass alle hier im forum, nationalismus als verwerflich betrachten, bleibt für mich noch die spannende frage offen: Stolz und/oder bewusstsein? Unterscheiden sie sich? Wie? Was finden wir wünschenswert?
Bilana
Es ist für mich zum einen etwas intellektuelles, dass man sich traut gewisse Fragen zu stellen und ihnen nachzugehen. ZB. Was ist das deutsche an der deutschen Kunst? (hat neulich erst jemand gemacht und wurde teilweise dafür zerissen.) Wie sieht die deutsche politische Kultur aus? Was unterscheidet sie von der anderer Nationen?

Es ist aber auch etwas emotionales. Etwas das über das faktische Wissen um den Pass hinaus geht.

Bewusstsein wie es das Wort meint. Ich bin mir bewusst Deutsche zu sein. Bin mir der Bürde der Geschichte bewusst, der Rolle Deutschlands in der Welt Aber auch natürlich positiver Seiten. Unsere Demokratie, die ich ziemlich gut finde. (Muss sie dazu nicht erst mit der us-amerikanischen vergleichen.) Die deutsche Aufklärung und ihre Errungenschaften. (Was wiederum nicht heißt, das die schottische oder französische Aufklärung schlechter gewesen sind...sind halt andere Schulen.)
Ich könnte ewig so weiter machen. Halt das Bewusstsein das auch wir eine Geschichte, Kultur und Tradition haben und sich dazugehörig führeln Bei gleichzeitiger Anerkennung anderer.
Bin mir bewusst, das es sehr deutsch ist, diese Diskussion hier überhaupt zu führen.

Das alles ist Nationalbewusstsein. Und heißt für mich noch lange nicht kritiklos dem eigenen Land gegenüber zu sein.
Stolz ist das Plumpe, das ihr schon beschrieben habt.

Früher habe ich immer gesagt, ich sei Berlinerin, weil ich dachte es ist etwas unwürdiges sich mit Deutschland an sich zu identifizieren. Inszwischen kann ich sagen ich bin Deutsche und dabei lächeln ohne dem gegenüber das Gefühl zu geben seine Nationalität wäre weniger wert.

Ich habe es bei anderen als etwas so natürliches erlebt. Mich würde interessieren, wie nicht-deutsche hier das sehen.



edit: jetzt häte ich fast diesen Thread übersehen.
DerTagAmMeer
als nationalgefühlskrüppel heisst "deutsch sein" für mich eigentlich nur, dass ich es sinnvoll finde, steuern zu zahlen und den vorteil genieße, vor meiner haustür in der einzigen sprache losplappern zu dürfen, die ich wirklich beherrsche.
politisch wäre ich vielleicht lieber stolz, ein grönländer zu sein, kulturell vielleicht lieber ein italiener - möglicherweise - kann es mir aber nicht wirklich vorstellen, also spielt es keine rolle.
überall müsste ich allerdings meine anwesenheit (zumindest vor mir selbst) rechtfertigen - nur in deutschland ist mir ein völlig ambitionsloses weiterleben möglich.
ein eindeutiger passivitätsvorteil - den ich anscheinend zu schätzen weiss.

edit: komma hin, wort weg
janis
Sinnvoll wäre der Hinweise, dass die Diskussion begann im Thread: Feiertagsdebatte ;-)

Ich dachte es ginge darum das Leben, die Kultur und die Identifikation mit einer Nation innerhalb multikulturellen Staaten zu bereden. Denn es gibt jede Menge Menschen in D die seit jahrzehnten hier leben, Griechen,Italiener,Türken etc. in mehreren Generationen schon. Ob sie nun den deutschen Pass haben spielt dabei keine Rolle.

Oder hattet Ihr das anders verstanden Bilana und Robin?
blaustrumpf
Was passiert mit diesem Thread, wenn ich frage, wie Stolz in diesem Zusammenhang definiert/"besetzt" ist?

Ist er das gute Gefühl, das ich empfinde, wenn "die Unsrigen" (oder eine/r davon) auf irgendeinem Gebiet eine herausragende Leistung erbracht hat?
Ist er das warme Gefühl, wenn ich mir sagen kann, ja, es gibt Schatten in und auf meiner Heimat, aber es ist dort besser als in ... (hier bitte beliebige Erbfeinde/Schurkenstaaten/Deppen-Imperien einsetzen)?
Ist er das ein wenig erleichterte Gefühl: Glück gehabt?
Ist er das irrationale Gefühl, selbst eine Leistung erbracht zu haben durch den Zufall der Geburt?
Ist er das alles und doch etwas anderes und vielleicht sogar deutlich weniger?

Ich wohne im Ausland, wo ich allein durch meinen Akzent bereits auffalle und als Ausländerin kenntlich bin. Dass ich nicht in der Heimat wohne, ist Zufall und dem Arbeitsmarkt geschuldet, nicht der Neugier auf fremde Zonen und Klimaten. Zum Thema meines Deutschseins und was es auch für mich bedeuten kann, habe ich einen Text geschrieben, der den Rahmen dieses Threads sprengen würde. Bei Interesse, was sich hinter dem Titel "Ich habe es satt, mich entschuldigen zu müssen" verbirgt, bitte dem Link folgen.
janis
nationalstolz interessiert mich nullkomma null, das ist in meine augen kompletter unsinn!
das muss ich an dieser stelle noch einmal betonen!!!

@blaustrumpf, danke für deinen link

ich bin auch der überzeugung, dass sich die zukunft aus der vergangenheit entwickelt, darum hat die gegenwart die aufgabe sich mit beidem auseinanderzusetzen. darum sind die argumente von zeitgenossen, dass die vergangenheit nun endlich mal vorbei sein soll eher zeichen für vielleicht unlust sich mit unangenehmem zu beschäftigen.
LadyGodiva
Ich beanspruche eine gewisse Landesliebe für mich -
durfte gestern einmal mehr durch deutsche Lande reisen und wiederholt fest stellen, dass es doch ein schönes Land ist, von dem ich einen Reisepass besitze.
Desweiteren mache ich meine Heimatseeligeit an den dunklen Wipfeln, dem kalten "Böhmischen" und den moddrigen Seen meines Geburtsortes fest.
Das alles ist Liebe, eine Liebe die nach meiner Vorstellung fast endlos ist, eine leistungsunabhänigige Liebe.
Stolz ist leistungsabhängig. Wenn eineR als "pars pro toto" leistung für eine Nation erringen soll, ist Stolz totlitaristisch. Wenn der Stolz in den Köpfen einer Nation unter "naturgegebenen", zufällig über den Globus verteilten Umständen auftaucht und die Liebe verdrängt, ist es die absurdeste Form, ist es unreflektierter, pseudogerechtfertigter Chauvinismus. Blanker Irrsin also.
robin
@janis: entschuldigung, dass ich den hinweis vergessen habe! Ich denke, wir können uns über das thema mehrgleisig unterhalten. Die meisten im forum sind deutsche und man kommt nicht um die eigene meinung umhin, was die zugehörigkeit zu deutschland für jede bedeutet. Erst dann können wir es in zusammenhang mit der multikulturellen gesellschaft diskutieren.
Was mich angeht... oh, es ist wirklich sehr kompliziert! Ich finde das thema zwar sehr interessant, aber ich habe noch nie darüber 'geschrieben', nur geredet. Und das ist ein unterschied! rolleyes.gif Mir fällt dazu SOVIEL ein, dass ich nicht weiß, womit ich anfangen könnte... Vielleicht so rum: Ich empfinde die meisten deutschen als 'unglücklich-deutsch', so nach dem motto: Ich bin deutsche, leider...
Und die gesamte d. gesellschaft strahlt diese bewusste oder unbewusste einstellung aus. Das macht das leben für immigrantInnen in diesem land sehr schwer, wie sollen wir ein positives bild deutschlands bekommen und auch verinnerlichen, wenn seine einheimischen das nicht haben? Beispiele dafür habe ich karrenweise, vor allem im vergleich zu anderen einwanderungsländern (wo zb. immigrantInnen besser und schneller die landessprache lernen....) Aber wie gesaagt, ich denke, es ist ein riesiges thema, sehr verzweigt... lass es uns langsam und ruhig angehen, es wird sich mit jedem beitrag ein stückchen weiter entwickeln. smile.gif
P.S. Ich wollte diesen thread schon vor monaten eröffnen, aber er schien mir... zu heikel. Ich kannte die forumsgepflogenheiten nicht gut genug und wollte 'katastrofen' vermeiden! wink.gif
Sägefisch
Ich glaube, "unglücklich-deutsch" ist nur wer immer jemanden braucht der sagt wo es langgeht und wie man es zu machen hat. Die alten Rezepte für Nationalbewußtsein greifen bei uns aus guten Gründen nicht, und viele scheinen nicht zu begreifen daß gerade das eine Chance ist, ein unaggressives Heimatgefühl zu entwickeln.

Überall wird bemängelt daß uns seit ´45 die Traditionen fehlen, also warum nicht welche wachsen lassen, anstatt dummes Zeug aus der Mottenkiste zu holen, das schon früher nicht funktioniert hat?

Ich für meinen Teil bin froh und dankbar, in einem aufgeklärten und wohlhabenden Land zu leben und ich denke auch, daß ich hier von meinem Gemüt her richtig bin.
DerTagAmMeer
QUOTE (robin @ 06.Nov.2004 - 10:02)
Ich empfinde die meisten deutschen als 'unglücklich-deutsch', so nach dem motto: Ich bin deutsche, leider...
Und die gesamte d. gesellschaft strahlt diese bewusste oder unbewusste einstellung aus.

das hört sich für mich so an, als würde den in deutschland geborenen die identifikatorische begeisterung leichter fallen, wenn sie sich zu einem anderen land bekennen dürften.
mir kommt es allerdings so vor, also würde man hierzuland mit dem nationalstolz anderer nationen genauso wenig anfangen können.
blaustrumpf's interpretation
QUOTE
Ist er das gute Gefühl, das ich empfinde, wenn "die Unsrigen" (oder eine/r davon) auf irgendeinem Gebiet eine herausragende Leistung erbracht hat?

fand ich sehr hilfreich, weil sie auf so viele soziale gefüge bezogen werden kann.
und ausser dem fussball fällt mir kein bereich ein, in dem deutsche bereit (oder in der lage) sind, in punkto "gemeinschaftsgefühl" sonderlich aus sich heraus zu gehen.
dass diese zurückhaltung die gefahr birgt, in ihr gegenteil umzukippen, ist tragisch. allerdings möchte ich solche fälle lieber als ausdruck eines mangels an sozialer anerkennung interpretieren und bezweifle, dass mehr "freierlichkeit", "emotionaltiät" und "symbolik" dieses manko ausgleichen könnte.
aber wahrscheinlich irre ich mich da wirklich.
crimson day
Ich habe vor einer langen zeit folgende aussage gehoert: “ja, ich bin stolz ein(e) [beliebiges einsetzen] wenn stolz-sein nicht besser-sein als andere bedeutet”. Damals fand ich diese aussage auf anhieb gut, heute sehe ich das etwas differenzierter.

Stolz kann frau nicht aufgrund des puren seins empfinden, diesem gefuehl muss eine leistung, eine bewusst ausgefuehrte positive handlung vorausgehen. kann ich dann also vom stolz in der frage nach der einstellung zu einer bestimmten nation sprechen? Nein, kann ich nicht, denn ich sage auch nicht, ich habe mich als polin geboren, sondern ich wurde als solche in die welt gesetzt. Es ist ein zufall, wie ihn der groesste stochastiker nicht gesehen hat, von der jeweiligen person unabhaengig.

Ich kann aber auf etwas stolz sein, was ich selbst geleistet oder zu dessen entstehung ich beigetragen habe. Doch dann ist der begriff des stolzes unzertrennlich mit dem des besseren verbunden. Das erscheint uns natuerlich und voellig akzeptabel, da der stolz nur ein resultat einer handlung ist. Geht der stolz jedoch aus einer zufaellig auftretenden situation hervor, so wirkt er anstoessig. Beispiel: auf ein vom selbst verdientem geld gekauftes auto kann und darf ich stolz sein, auf einen zum achtzehntem geburtstag geschenkten sportswagen dagegen nicht. Ich kann mich ueber ihn nur freuen. So koennt ihr euch auch nur darueber freuen, in diesem land zu leben, solange ihr nicht am wirtschaftswunder beteiligt wart oder goethe heisst. Doch genauso wie ihr kann auch ich mich als nicht-deutsche dessen erfreuen. Stolz ist meiner meinung in diesem themenfeld ein missbrauchter, verfehlter begriff, weil ich, wie oben schon gesagt, auf einen zufall nicht stolz sein kann. Auch nicht auf etwas, was von anderen geschaffen worden ist, und zwar ehe ich eine eizelle war.

Mit freundlichen gruessen

cd
megan
hallo cd,

eine schöne darstellung.

ich selber sehe das jedoch noch ein klein wenig differenzierter.
natürlich ist meine geburt hinein in diese volksgemeinschaft ein zufall, ich habe nichts dazu beigetragen, dennoch handelt es sich beim stolz auf die nation um ein phänomen von stolz auf die leistungen einer gemeinschaft, der man sich zugehörig fühlt.
insofern ist es bei vorhandensein eines solchen identitätsgefühls möglich, auf die geteilten leistungen stolz zu sein.
als deutsche staatsbürgerin bist du durch deine eigenen leistungen, im beruflichen, sozialen, vielleicht sogar künstlerischen bereich ein mosaikstein im gesamtgefüge derer, die durch ihren pass und/oder allein durch ihr gefühl und ihren wohnort bestimmen, was dieses spezielle volk nach außen (wie auch nach innen!) hin dastellt.
des weiteren prägst du ja auch durch deine politischen entscheidungen (wahlen) die legislative landschaft mit, selbst, wenn du nicht aktiv tätig bist.
insofern denke ich, muß man sich am begriff des national-stolzes nicht stossen, sofern er nicht mißbraucht wird als propagandistische hetze.

ein kleines beispiel noch zur verdeutlichung :

du bist meinetwegen mitglied in einem verein, einem theater, einer gruppe von freunden, auch dort kann stolz auf die leistungen anderer u/o gemeinsam erbrachte erfolge empfunden werden.

ps : ich hoffe, es wird deutlich, daß ich in meinem verständnis von national-stolz ebenfalls multikulti-aspekte problemlos eingebunden sehe.
Akane
Ich finde, es ist nichs Besonderes, dass es in vielen Staaten auch viele Menschen gibt, die "Stolz sind, ein/eine ... zu sein" Da darf es sein, also bei uns auch und es nichts dagegen einzuwenden, solange es als "nicht besser sein als andere bedeutet" wie es schon CD prima dargestellt hat.
Ausserdem ist es eine Frechheit, wenn bei Meinungsäusserungen eine Person die andere als "Fascho" oder ähnlich bezeichnet. Ist mir wenige Male passiert, nur weil ich mich mit gewissen Personen nicht einlassen will.
Um es klar zu sagen, auch wenn ich es lieber für mich behalten möchte: Es sind Männer, die mich als Sexobjekt betrachten und die kriegen eine Abfuhr, da ist es mir scheissegal, welcher Nationalität sie entstammen.
Eine meiner besten Freundinnen schimpft nur allzgerne über ihre türkischen Lands"Männer" und bei dem was ich erlebe, gebe ich ihr nur allzugerne Recht...
Das sind aber Erfahrungen, die nichts mit Nationalstolz zu tun haben und sooo toll finde ich unseren Staat und unsere Gesellschaft nicht.
Aber ich finde auch, Crimson Day hat es schön und treffend dargestellt.


st.george
mit nationalstolz hab ich auch so meine schwierigkeiten, aber ich muß zugeben, daß mir schon der kamm schwillt, wenn irgendwelche teenies meinen, bei fußballspielen mein banner (deutschlandfahne mit 'turbine'-aufschrift, weil es hin und wieder auch bei länderspielen verwendung findet) abhängen zu müssen (ist ja ach so böse nationalistisch) oder mir 'nie wieder deutschland' entgegenbrüllen (vermutlich aber sämtliche annehmlichkeiten dieses unseres landes als selbstverständlichkeit betrachten). diese unreflektierte anti-deutschland haltung ist doch mindestens genauso suspekt. so denke ich schon, daß es einiges in diesem land gibt, auf das man stolz sein kann, seien es nun vergangene verdienste um die kunst, daß hier eines der ersten sozialstaatssysteme eingeführt wurde, der wiederaufbau nach dem krieg, die relativ schnelle wende zur demokratie, die auseinandersetzung mit der eigenen vergangenheit, die hier so kritisch wie in kaum einem anderen land betrieben wird, oder die gewaltfreie art und weise, mit der mauerfall und wiedervereinigung herbeigeführt wurden. oder aber einfach nur, daß hier politiker ohne ansicht ihres privatlebens gewählt werden und derjenige der mit kreuzzügen liebäugelt und religiös verbrähmte populistische politik auf dem rücken von minderheiten betreibt eben nicht die meisten stimmen bekommt. also - stolz eine deutsche zu sein bin ich nicht, ist das doch eher ein biologischer zufall. aber auf dieses land und was es - bei allen dunklen kapiteln der vergangenheit und allen problemen der gegenwart - geleistet hat und wofür es steht bin ich schon hin und wieder stolz.

grundsätzlich ist es - glaube ich - wichtig, die richtige mischung aus 'wir-gefühl' und offenheit nach außen zu finden.

nadine
robin
ich habe die beiträge nach meinem interessiert gelesen und bin der meinung, dass es ua. auch eine generationsfrage ist. In meiner generation ist ein verhältnis zu nationalität sehr vertrackt, meistens 'schizophren'... einerseits ist man ganz froh, in DEM land geboren worden zu sein, anderseits schämt man sich dafür. Und die deutschen menschen meiner generation (50er) gehören oft zu dieser kategorie. Ich habe (fast) nur solche erfahrungen gemacht und war verblüfft! Egal worum es geht: Die deutsche sprache - zu hart, die deutsche küche - zu fett, die deutsche landschaft - zu 'geradegebogen' , das deutsche wetter - zu kalt, die deutschen allg. - auch zu kalt, temperamentlos, ungastlich usw usf. Und wenn ich der meinung bin, dass man geliebt wird, wenn man sich selber liebt... dann finde ich, dass deutschland von ZUVIELEN seiner Immigranten nicht besonders geliebt wird. Kein wunder. Es wird den Immigranten kein positives, sinnlich-freudiges gefühl des eigenen landes vermittelt, sondern meckern, meckern, scham und schande, und immer wieder meckern. Das ist für mich eine der verquickungen zwischen nationalgefühl (schief&krumm) und seiner auswirkung in der 'multikulturellen gesellschaft'.
@akane: Was du über südländische männer, die dich als fascho beschimpfen, weil du nicht willig bist... ist eigentlich ein ganz anderes thema. (Ich nehme an, du meinst 'südländer', oder? Ich persönlich würde 'besoffene nordländer auch dazu zählen... deutsche, dänen, schweden, finnen.....)
janis
Kennt ihr das?

Es sind noch mindestens 2 Stunden bis Tagesanbruch und du liegst wach im Bett. Die Gedanken beginnen zu arbeiten und offene Fragen kommen und finden in diesem Zustand zwischen Nacht und Tag eine Entscheidung.
So ging es mir heute morgen, sodaß ich den Tag dann sofort begann hausintern einige Weichen zu stellen.
In dieser Zeit ging mir dann auch diese Debatte im Kopf herum.
Während den letzten Beiträgen mußte ich innehalten. Viele Gedanken bewegten sich kritisch um dieses Thema, jedoch noch ohne sie sortieren zu können.

Ich will versuchen sie nun auf den Punkt zu bringen mindestens jedoch einzukreisen:

Aussagen über einzelne Nationalitäten und ihre spezifischen Charakterer betrachte ich mit großen Zweifeln, weil sie pauschalisieren.
Natürlich kenne ich das selbst auch, und empfinde eine Vorliebe/Abneigung zu bestimmten Nationalitäten, auf Grund persönlicher Erfahrungen mit einzelnen Menschen dieser Nationalitäten. Es gibt Länder, die ich nicht bereise deswegen.Und es gibt Länder,wo ich mir schon vorgestellt habe zu bleiben und dort zu leben.

Aber ich bin der Meinung, dass eine Debatte, wie wir sie begonnen haben über solche Befindlichkeiten und solche Charakterisierungen hinausgehen muss.
Was ich nebenbei nicht so recht verstehe ist, warum diese Debatte typisch deutsch sein soll.

Als ich mit den Leuten in Italien zB. eine zeitlang lebte erfuhr ich viele "Internas", wie sie zu ihrem Land stehen und was sie daran kritisieren. Da gab es genauso kritische Auseinandersetzugen mit der Politik, mit der bürgerlichen Gesellschaft usw.
Nichtsdestotrotz liebten sie ihre Berge, ihre Flüsse und ihre Mütter und Väter.
So wie ich unsere heimischen Obstbaumwiesen und den Dialekt.
Die deutsche Sprache vermag vieles nicht auszudrücken in der Weise wie es in anderen Sprachen möglich ist.
Die deutsche Sprache ist aber andererseits eine sehr schöne Sprache, in
der ich wunderbare Bücher lese, selbst schreibe und philosophiere.

Fremd ist der Fremde in der Fremde und fremd kann sich jemand auch fühlen in der Heimat.

In blaustrumpfs Text befindet sich ein versteckter Hinweis auf den Dichter Hölderlin, der in seinen Worten sich äußerte über die Fremdheit im eigenen Land (Brief, Hyperion an Bellarmin).
Das Leiden war groß, denn auch er liebte sein Land, weiles seine Heimat war.
Ich erinnere mich an Wolf Biermann, der ebenso ein großer Kritiker der DDR war, aber auch nie einen Hehl daraus machte wie sehr er sein Land liebte.

Als Einwanderer in D wird immer eine Sehnsucht nach der Ursprungsheimat bleiben und immer ein Stück Fremdheit. (Welches ist denn dein Land robin?)

Zum Einen besteht durch die Völkervermischung, die wir hier in D haben bei vielen Leuten das Bedürfnis nach dem Erhalt und aber auch eine Notwendigkeit der Integration, geistig, kulturell ,politisch und sozial.

Für mich scheinen alle Dinge,die sich weiterhin damit beschäftigen Trennungen aufzubauen, nicht die konstruktive Richtung zu sein.

janis

edit: Hölderlin richtig benannt
Bilana
QUOTE
Kennt ihr das?

Es sind noch mindestens 2 Stunden bis Tagesanbruch und du liegst wach im Bett.


Göttin behüte, nein! laugh.gif


QUOTE
Aber ich bin der Meinung, dass eine Debatte, wie wir sie begonnen haben über solche Befindlichkeiten und solche Charakterisierungen hinausgehen muss.
Was ich nebenbei nicht so recht verstehe ist, warum diese Debatte typisch deutsch sein soll.


Beim ersten gebe ich dir völlig recht. Aber wie willst du über das (deutsche) Nationalbewusstein innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft sprechen, wenn nicht klar ist, was das (dt.) Nationalbewusstein ist?
Und ich finde die Debatte schon ziemlich deutsch, so wie den Ursprung dieser Debatte hier. Nämlich der Versuch den 3. Oktober als festen Feiertag abzuschaffen. Würde es so etwas in Frankreich, USA, Indien, Japan,... geben? Ich denke nein.


Robin hat es, finde ich sehr treffend formuliert, dieses diffuse Gefühl, das ich habe. Das es in diesem Land ein kollektives unglücklich sein darüber gibt deutsch zu sein.

Ich will noch einmal (obwohl ich es schon habe) sagen, das für mich zwischen Nationalstolz und Nationalbewusstsein Welten liegen. Nationalbewusstein kann ich auch nur annähernd umreißen. Es ist sehr schwer. Weiß aber, dass es nichts mit dem Wiederbeleben von Deutschtum oder sonstigem staubigem Zeugs ist.
Für mich ist es etwas Neues. Für mich persönlich ist es etwas positives. Und ich vertreten die These, dass es eine kollektiv positive Einstellung zur Nationalität im Land geben sollte. Es würde dazu beitragen, die Aufgaben, die vor uns als Nation liegen zu meistern. Von der Hartz IV Problematik bis hin zur sinnvollen Integration von Migranten. Das fand ich übrigens noch einen sehr interessanten Punkt, den robin angesprochen hat. So Paradox es klingen mag, das mangelnde Nationalbewusstsein ist bei der Integration von Ausländern hinderlich.

QUOTE
mir kommt es allerdings so vor, also würde man hierzuland mit dem nationalstolz anderer nationen genauso wenig anfangen können.


Ja, weil einfach das Konzept von Nationalbewusstsein emotional nicht bekannt ist. Das nachvollziehen geschieht doch oft durch hineinversetzten. Und wenn ich unterschwellig unglücklich bin Deutsche zu sein, dann kann ich auch nicht verstehen wie zB Briten empfinden. Weil dazu stelle ich mir vor Britin zu sein und dieses Positive Gefühl gegenüber GB zu haben, was nicht gelingen wird.

Grüße
Bilana
Rieke
Nationalstolz? Nationalismus?

Ich habe es damit ein wenig schwer, ich bin in Deutschland geboren, weltweit aufgewachsen und dann irgendwann wieder zurück nach Deutschland gekommen und hier geblieben.

Ich habe so meine Schwierigkeiten mit dem Stolzsein, wenn es nicht Dinge sind, die ich selbst geschaffen habe.

Ok, ich mag die klassische Musik von Wagner, Bach u.a., aber warum soll ich stolz darauf sein?
Ich lese Goethe, Schiller, Lessing, Gras, Lenz etc., aber warum soll ich stolz darauf sein?
Ich fahre durch Deutschland, erfreue mich am Rhein, an der Donau, sitze auf dem Kreidefelsen auf Rügen und schaue über das Meer... aber warum soll ich stolz darauf sein?
Ich blicke zurück auf die Vergangenheit, den 1. und 2. Weltkrieg. Ich betrachte unsere heutige Politik. Ich schaue auf Deutschland und wo es jetzt steht... warum soll ich stolz darauf sein?
Ich schlage die Zeitung auf, lese von Hartz IV, dass Herr Eichel den Tag der Deutschen Einheit streichen möchte, dass Skins am Sonntag Abend auf einem S-Bahnhof einen ausländischen Jugendlichen halb tod geschlagen haben... warum soll ich stolz darauf sein.

Faszit, ich bin deutsch, weil ich in Deutschland geboren wurde. Es hätte eben so gut Frankreich, Griechenland, Brasilien, Afrika sein können.
Warum soll ich stolz auf eine Zugehörigkeit zu einer Nation sein, die nur etwas mit dem damaligen Lebensabschnitt meiner Eltern zu tun hatte?

Faszit: Ich bin nicht einmal stolz darauf ein Mensch zu sein!
Aber ich bin stolz darauf, ich zu sein!
Akane
QUOTE (robin @ 07.Nov.2004 - 15:50)
@akane: Was du über südländische männer, die dich als fascho beschimpfen, weil du nicht willig bist... ist eigentlich ein ganz anderes thema. (Ich nehme an, du meinst 'südländer', oder? Ich persönlich würde 'besoffene nordländer auch dazu zählen... deutsche, dänen, schweden, finnen.....)

Hallo Robin smile.gif

da hast du mich missverstanden oder ich mich missverständlich ausgedrückt.
Ich meinte:
Männer, die mich als Sexobjekt betrachten, die kriegen eine Abfuhr, da ist es mir egal, welcher Nationalität sie entstammen.

Männer mag ich allgemein nicht, bis auf wenige Ausnahmen. Dafür mag ich Frauen, egal welcher Herkunft.

Ich bin nicht stolz auf den deutschen Staat und die deutsche Gesellschaft, dafür gibt es hier viele verschiedene schöne Landschaften und Orte, also das Land Deutschland mag ich. Zur Zeit bin ich auch nicht besonders stolz auf mich. Bin aber allgemein überhaupt nicht angetan von der Menschheit.
Und stolz auf die Herkunft a11.gif nö, aber auf das, was Mensch tut und beiträgt...
so auch viele viele Schriftstellerinnen wie Paula Volsky, J.V. Jones, Marion Z. Bradley, Jennifer Roberson,... auf ihre Werke.
Bilana
Hi Akane, wäre es möglich beim Thema zu bleiben?

@Rieke: Interessant, das du auf den begriff Nationalstolz eingegangen bist, ohne den Begriff Nationalbewusstsein zu beachten oder eine von robins Fragen zu beantworten. sleep.gif
Rieke
QUOTE (Bilana @ 09.Nov.2004 - 07:59)
Hi Akane, wäre es möglich beim Thema zu bleiben?

@Rieke: Interessant, das du auf den begriff Nationalstolz eingegangen bist, ohne den Begriff Nationalbewusstsein zu beachten oder eine von robins Fragen zu beantworten.  sleep.gif

Sind Nationalbewusstsein und Nationalstolz nicht unmittelbar miteinander verknüpft? Ich finde schon!

Aus dem Bewusstsein gemeinsamer Abstammung, Sprache, Kultur oder Heimat erwachsendes Zugehörigkeitsgefühl zu einer bestimmten Nation und dem damit verbundenen Stolz auf die "erbrachten Leistungen" der Nation.

Tja, damit kann ich nicht dienen. Ich verspüre diese Zugehörigkeit nicht, habe keine Wurzeln in dieser Nation. Ich könnte in jedem Land leben, in dem eine Demokratie herrscht und ich mich verwirklichen könnte. Wobei ich wenn von Wurzeln die Rede wäre, diese eher im mediterranen Bereich finde.
Bilana
QUOTE
Sind Nationalbewusstsein und Nationalstolz nicht unmittelbar miteinander verknüpft?


Finde ich überhaupt nicht. Sicher kann Nationalstolz nicht ohne Nationalbewusstsein existieren.
Aber kann nicht Nationalbewusstsein auch ohne Nationalstolz existieren. Ich denke ja!
Führt Nationalbewusstsein immer zu Nationalstolz? Ich denke nein!

Es haben sich ja hier schon einige bemüht das zu differenzieren.
blue_moon
ich kann mit den beiden begriffen nationalbewusstsein und nationalstolz nicht allzuviel anfangen, für mich sind beide negativ besetzt. das heisst nicht, dass ich nicht froh bin, deutsche zu sein und in deutschland zu leben. ich bin aber auch nordrhein-westfälin und ruhrgebietlerin - und das genauso gern. und einen gewissen lokalpatriotismus kann ich gelegentlich auch entwickeln. ich bin in einer zeit grossgeworden, in der sich deutsche zum ersten mal auf breiter ebene kritisch mit dem 3. reich auseinandergesetzt haben, und ich bin ziemlich sicher, dass dies ein grund ist, warum mir das 'national' so fremd geblieben ist. es ist nicht so, dass ich die geschichte immer noch als belastung empfinde. ich hab mich zur genüge damit auseinandergesetzt und finde, es gibt verdammt viele gründe, sich als deutsche nicht mehr darauf reduzieren zu lassen. wenn ich etwas als gelungen finde, dann die empfindlichkeit weiter teile der deutschen bevölkerungen gegenüber rechten idiologen, dumpfen stammtisch-parolen und hetzerischer kriegstreiberei.

die idee 'europa' gefällt mir - und das gar nicht nur aus wirtschaftlicher sicht, sondern wegen des gemeinsamen, das entsteht. grenzen habe ich immer schon als unnatürlich empfunden. und der abbau derselben ist in meinen augen was sinnvolles und versöhnliches.

kulturell find ich es fast durchweg bereichernd, wenn sich nationale identitäten kennenlernen und ein miteinander entwickeln. und das gilt nicht nur für currywurstessende italienerinnen wink.gif und deutsche pizza-, döner-, sushi- oder gyros-liebhaberinnen. allerdings sehe ich auch, dass viele chancen, sich anderen kulturen zu nähern, zwar im urlaub gern genutzt werden, vor der eigenen haustür allerdings zum erliegen kommen. dabei wäre hier die kommunikation und die chance, zu verstehen, hier viel eher gegeben als im urlaub.
janis
hallo ,

ich kann einfach auch nicht mit einem bezug zu nationalbeswußtsein dienen, war nicht in meiner muttermilch drin. hängt sicher damit zusammen, dass in unserer familie die folgen des 2.wk jeden tag präsent waren (mein vater wurde damals schwer verwundet.schädel-hirn-trauma) von daher herrschte ein kritischer dialog.
und ich vermisse da auch gar nichts. ich halte es für sinnvoll über die zuneigung zu seinem Geburtsland hinaus einen liebevoll kritischen abstand zu halten.
was suchst du in einem begriff wie nationalbewußtsein bilana, denn wenn ich dich richtig verstanden habe ist es auch für dich eine neue seite und ein weg, den du gerne beschreiten würdest, ihn aber noch nicht kennst.

ich benötige diese haltung "nationalbewußtsein" nicht, und was ich eben verstäkt denke ist, dass in einer multikulti gesellschaft eben nicht dinge wie nationalbewußtsein zählen sondern die gemeinde, diegemeinschaft, offenheit gegenüber fremdem und so weiter.

ich habe mich immer unheimlich gefreut wenn ich im ausland war und geraten wurde woher ich komme. es kamen alle möglichen nationalitäten als möglichkeitne in frage. und jemand brachte es mal auf den punkt und sagte zu mir: "you look international".

ich erwähne das nur, weil ich darauf hinaus will, dass nationales denken einfach nicht mehr zeitgemäß ist, die menschen sind aufgefordert, meine ich, sich weltoffen zu entwickeln.

wie auch schon in meinem letzten beitrag will ich deutlich machen, dass wir nicht ein bewußtsein zu unserer heimat aufbauen müssen, um uns von anderen nationalitäten abzugrenzen. im gegenteil, ich liebe andere sprachen meine kirschbäumlein und ich würde das alles gerne auch teilen mit jemand, der ne dunkle hautfarbe hat oder woher auch immer kommt. und würde gern anteil nehmen an den werten anderer.

janis
robin
@janis: 'ich erwähne das nur, weil ich darauf hinaus will, dass nationales denken einfach nicht mehr zeitgemäß ist, die menschen sind aufgefordert, meine ich, sich weltoffen zu entwickeln.' - es klingt schön, aber ich bin der meinung, dass man sich erstmal im klaren über die eigene nationalität sein müsste, bevor man sich als 'weltbürger' empfindet... ich habe angefangen, meine tiefe bindung zum land meiner geburt erst richtig zu spüren, nachdem ich nach D gekommen war. Vorher wollte ich nur weg, ich fand mein land von vorne bis hinten sch...., die menschen primitiv, die küche langweilig und die politik neo-faschistisch (ich war damals 19). Dann saß ich in der provinz von kiel und fing an, den kaffee, die zigaretten, die nahrung, die luft und va. die sprache und die menschen zu vermissen.
Es war EINE QUAL, ich träumte noch in meiner sprache und wachte manchmal nachts auf mit dem gesicht nass von tränen... ich verstand mich nicht, ich hasste mich dafür, für meine sehnsucht, mein beinahes schmachten.
Bis heute, 27 jahren später, will ich meinen pass nicht ändern, wenn ich die wahl habe, kaufe tomaten aus MEINEM land, ... weine ich ein paar tränchen, wenn die mannschaft MEINES LANDES schon wieder die fußballweltmeisterschaft wegen eines elfmeters verliert... und frage mich, WARUM???
Es geht mir nicht um den kopf! Ich hasse nationalismus aus vollem herzen! Und ich bin absolut ehrlich, aber es geht mir um den bauch!! Und das bedeutet, dass beide wichtig sind, und das bindende tiefe gefühl zum geburtsortes für mich etwas 'ur-menschiches' darstellt. Etwas, was ich bei den meisten menschen in D vermisst habe und vermisse. Es wird mir nicht das gefühl vermittelt, dass meine damalige qual sich groß gelohnt hat, es wird mir 'keinen ersatz' angeboten, sondern hauptsächlich verdrossenheit, unverständnis und sogar die regelrechte anbiederung gegenüber anderen ländern und anderen sitten, eine mythologisierung der fremde! (ich bin einmädchen aus pyräus... wenn die sonne über capri... 3 kleine italier.... unsure.gif )
janis
Entschuldige robin, aber ich kann nicht glauben, dass die menschen in D dies nicht besitzen, möglicherweise für dich nicht spürbar, aber es ist garantiert eine täuschung anzunehmen die deutsche bevölkerung empfinde keine liebe zur heimat.

mit südlichem temperament verglichen kommt dieses gefühl wahrscheinlich daher wie ein trockener trollinger ;-)

dtschänis
robin
nein, es kommt in der tat nicht rüber. Auch nach über 2 jahrzehnte nicht, aber vielleicht hat schon mit der vorigen generation zu tun... ich begegne nicht sehr viele junge menschen! Keinesfalls denke ich, dass ich es mir nur einbilde, nicht nach so langer zeit!
PS: 'Südliches temperament' - hier schon ein mystifizierendes bild... und nein, es geht nicht nur mir so, sondern seeehr vielen immigrantInnen, die ich kenne.
DerTagAmMeer
@robin:
dein vorletzter beitrag hilft mir, mehr zu verstehen, welche emotionen du bei deutschen vermisst.
allerdings kommt es mir so vor, als wäre diese "bewusstheit" der eigenen verbundenheit zum heimatland vor allem ein phänomen der distanz.
ähnlich "verliebt" habe ich gegenüber meiner "heimatstadt hannover", der angeblich "langweiligsten hauptstadt deutschlands" fühlen gelernt, als ich mich mit sack und pack im "vor heimatliebe trunkenen köln" wiederfand, das mir so gar nicht heimisch werden wollte. wahrscheinlich würde eine ähnliche sehnsucht nach "deutscher heimat" mich befallen, wenn ich nach italien ziehen würde. bis dahin allerdings bleibt der wald mir hinter lauter bäumen verborgen.

@bilana:
bei der unterscheidung zwischen nationalbewusstsein und nationalstolz würde ich es gern genauso halten wie mit der unterscheidung zwischen selbstbewusstsein und stolz (hochmut?). erstes entspringt einem gefühl der sicherheit, zweites einem gefühl der unsicherheit und kränkung. darum stimme ich deiner vehemenz zu, mit der du diese beiden begriffe unterschieden haben willst.

edit: nix wichtiges
janis
@bilana: ich denke, dass die Notwendigkeit der Differenzierung von ...bewusstsein und... stolz klar zum ausdruck gekommen ist.
allein das wort "national" ist vielleicht die Krücke an der Thematik an sich. Einfach deshalb weil der Zusammenhang und die Assoziation, die damit in Verbindung stehen negativ behaftet sind. Nationales Bewußtsein setzt voraus, dass ich mich mit der Bedeutung, dem Stellenwert, meinem eigenen Standpunkt als Mensch einer bestimmten Nation bewußt auseinander gesetzt habe. Bedeutet,einen
eigenen Standpunkt zum Heimatland gefunden zu haben, der sowohl die Stärken als auch die Schwächen vereint.
Das weicht insgesamt, so glaube ich, völlig ab von dem gängigen Denken in Bezug auf nationale Einstellung.
Ich finde das nach wie vor interessant, wenn auch äußerst schwierig, darüber Klarheit zu erlangen.

@robin: die Sehnsucht nach deiner Heimat kann ich sehr gut nachvollziehen und sie zeigt sich selbst dann, wenn man bloß die Region wechselt.Ich kann auch sehr gut nachvollziehen, dass du als du noch dort warst jede Menge Kritik auf Lager hattest.
Mein Vergleich mit dem südländischen Temperament und dem trockenen Trolinger wollte nicht das eine mystifizieren und das andere als weniger reizvoll darstellen.
Denn der trockene Trollinger hat durchaus seinen Reiz .Für die die ihn kennen, kennenlernen wollen und ihn mögen.
Ich glaube, dass die Mentalität von Bedeutung ist. Der Zugang, damit meine ich die Möglichkeit der Annäherung gegenseitig ist wahrscheinlich auch davon abhängig inwieweit sich verschiedene Mentalitäten überhaupt mögen können.
Inwieweit die Bereitschaft besteht sich gegenseitig kennen zu lernen, zu akzeptieren, zu verstehen. Du schreibst über deine Eindrücke und berichtest von Missmutigkeit "der Deutschen". Ich weiß nicht, aber ich erlebte in allen Ländern, in denen ich war Menschen, die unzufrieden oder froh sind. Und auch hier erlebe ich Menschen anderer Nationen manchmal als sehr sehr nett und manchmal eben auch nicht oder weniger. Ich kann wenig mit Pauschalisierungen anfangen.

In dieser Diskussion sehe ich zum Einen die Frage nach dem Nationalbewußtsein: Was ist das und warum brauchen wir das ?
Zum Anderen die Frage nach der Gestaltung des Lebens, auf allen Ebenen: politisch, sozial, kulturell, etc innerhalb Deutschlands als Einwanderungsland.

Gestern erst sah ich einen Bericht über die Abschottung islamistischer Föderationen in D. Die in D eingewanderten Volksgruppen kochen quasi ihr eigenes Süppchen und bauen sich ihre eigne Welt auf. Dies dient nun keinesfalls der Integration in ein anderes Land. Im Gegenteil, das ist ja gerade überhaupt nicht beabsichtigt.
Und wahrscheinlich ist schon viel zu viel Zeit vergangen ohne, dass eine Integration stattgefunden hat. Es wurde gesagt, dass noch vor 10 Jahren die Aussicht bestand verschiedene Volksguppen hier mit uns zu verbinden. Heute jedoch sieht es so aus, als ob dies völig gescheitert wäre.

Was also ist der Weg?

janis




Rieke
QUOTE
- es klingt schön, aber ich bin der meinung, dass man sich erstmal im klaren über die eigene nationalität sein müsste, bevor man sich als 'weltbürger' empfindet...


Diese Meinung kann ich gar nicht teilen, aber vielleicht liegt es eben daran, dass ich zwar in D geboren bin, aber in meiner "Prägungsphase" in der Welt unterwegs war, d.h., ich bis zu meinem 18. Lebensjahr fast alle 2 Jahren die Stadt wechselte, in der ich lebte, alle 4 Jahre dazu sogar noch das Land, in dem ich lebte.

Jedes Mal eine neue Kultur, eine neue Sprache, neue Menschen...
Vielleicht könnte man mich auch als "wurzellos" bezeichnen.

Sicherlich kenne ich auch das Gefühl, mit der Fußballmannschaft "meines" Landes mitzufiebern oder mit anderen Sportlern. Auch war für mich die Wiedervereinigung Deutschlands ein sehr einschneidendes Erlebnis, welches auch heute noch zu hitzigen Diskussionen führt.

Aber im Zeichen der multikulturellen Entwicklung gerade in einer Großstadt wie Berlin mit ihrem vielfältigen Angebot auf jeglichen Ebenen (Kultur, Restaurants, sozialen Kontakten), sehe ich mein Bewußtsein doch eher als multinational an!
Bilana
Hallo allerseits.

QUOTE
allerdings kommt es mir so vor, als wäre diese "bewusstheit" der eigenen verbundenheit zum heimatland vor allem ein phänomen der distanz.


Das mag sein! Mir erging es zwar nicht wie robin, das sozusagen die Trennung vom Mutterland eine so emotionale Reaktion hervorgerufen hat. Aber ich habe erfahren, wie befremdlich die Menschen auf mein nicht vorhandenes Nationalbewusstsein regiert haben. Am 3. Oktober wollte man mir gar eine Ersatzparty bieten für die mir entgangene grandiose Nationalfeier in Deutschland. Dabei hatte mich der Tag nicht interessiert und in Deutschland gibt es ja auch keine Feier wie in den USA.
Ich hatte bei Diskussionen irgendwann das Gefühl ich müsste mich entscheiden: Weltbürgerin mit Deutschem Pass zu sein oder Deutsche mit einer multikulturellen Weltanschauung.

Bemerkenswert fand ich auch die Begründung, mit der man mir nahe legte die Sprache zu lernen. Nicht (wie in Deutschland) du lebst hier, also musst du unsere Sprache sprechen...warum sollen wir für euch Ausländer immer Englisch sprechen....du willst schließlich mit uns klar kommen, nicht wir mit dir...
Sondern weil die Sprache so schön und interessant ist, so liebenswürdig. Ich sah jedesmal das Leuchten in den Augen der Menschen, wenn ich Sprechversuche gemacht habe. Man lobte mich über den grünen Klee, ermutigte mich, jede® wurde freiwillig und gerne zum Sprachlehrer.

Ich wurde „genötigt“ an religiösen und gesellschaftlichen Zeremonien teilzunehmen ohne das von mit erwartet wurde, dass ich die Werte der Gesellschaft übernehme, dass ich an die Religion glaube. Einfach weil man/frau mir seine/ihre Welt zeigen wollte. Weil man es für etwas sehr gutes hält, ohne es meiner Kultur und meinen Werten überzuordnen. Das war neu für mich.



QUOTE
In dieser Diskussion sehe ich zum Einen die Frage nach dem Nationalbewußtsein: Was ist das und warum brauchen wir das ?
Zum Anderen die Frage nach der Gestaltung des Lebens, auf allen Ebenen: politisch, sozial, kulturell, etc innerhalb Deutschlands als Einwanderungsland.


Ich will nur einige Sachen dazu anreißen. Wie ich in dem anderen Thread schon sagte heißt es ja multikulti und nicht einheitskulti. Was ich damit genau meine: Die Idee des Multikulturalismus sollte nicht mit der Ideologie des melting pot verwechselt oder gleichgesetzt werden.
Ich denke viele Deutsche verwechseln das und handeln auch danach. Deshalb halte ich unsere Gesellschaft nicht für multikulturell. Aber um Multikulturalismus erfolgreich zu leben (ob das erstrebenswert ist, ist sicher streitbar) muss jede kulturelle (ethnische, religiöse) Gruppe ein Bewusstsein über sich als Gruppe haben.
Deutschland ist ja stark föderalistisch. Auch wenn wir es so nicht nennen. Untereinander (also Menschen der einzelnen Regionen zueinander) behandeln wir uns schon multikulturell. Manifestiert politisch (Ländervertretungen in den einzelnen Ländern und gar in der EU), medial (mit den bundesweit ausgestrahlten Regionalsendern im TV, regionale Radiosender haben deutlich größere Marktanteile als, bsp. Die Deutsche Welle).
Dieser Föderalismus trägt natürlich zu dem nicht vorhandenen Nationalbewusstsein bei. Aber gegenüber Ausländern wird die Ideologie des melting pot vertreten. Und ich denke das funktioniert nicht. Für uns als Deutsche funktioniert es nicht und für die Einwanderer auch nicht, aus all den Gründen, die robin genannt hat.

In Deutschland bleibt doch jeder unter sich. Weil es kein Multikulti gibt und weil der melting pot nicht funktioniert. Es ist doch überhaupt nicht so, dass sich Menschen wirklich kulturell begegnen. Ich meine jetzt nicht die kommerziellen Angebote. An der Tür manches italienischen, türkischen, iranischen Kulturvereins steht ausdrücklich, das nur Mitglieder Zutritt haben. Genau so oder weil Einwanderer von der Deutschen Kultur auch ausgegrenzt werden.

Herzliche Grüße
Bilana




DerTagAmMeer
janis, nun bist du also nicht mehr die einzige, die sich - statt zu schlafen - gedanken über ein unzureichendes nationalbewusstsein macht ... ob wir uns nicht besser das zu denken geben sollte? huh.gif
wie auch immer ...
bilana und robin haben deutlich machen können, dass in deutschland etwas fehlt, was in anderen nationen gegeben ist.
beide haben darauf hingewiesen, dass durch dieses "fehlen" auch der austausch, die kulturelle begegnung erschwert und mitunter verbaut wird.
das erscheint mir einleuchtend.
auf der bunten party der nationalitäten würde deutschland wohl wirklich eher zu den "abseitsstehern" und "spielverderbern" gehören, die jedem unterhaltsamen und zweifellos brückenschlagenden kulturvergleich mit einem "so einfach lässt sich das für deutschland nicht sagen, denn ..." das wasser abgraben.
aber ist es denn so einfach? gibt es denn diese matrix angefüllt mit feiertagen, brauchtum und sitten, die es ermöglicht, kulturen international vergleichbar zu machen und in den dialog zu bringen? lassen sich religionen, werte und traditionen so einfach übersetzen, vergleichen und in die eigene sprache einspeisen? geht das überhaupt? und wenn ja - ist das sinnvoll? oder ist es auch ignorant und gefährlich?
macht es mitunter genau diese "weltoffenheit" möglich, mit der die usa der welt in den letzen jahren gegenübergetreten sind?
im wunsch nach einer multikulturellen gesellschaft geht möglicherweise unter, dass die kultur selbst erst sinn und identität schafft, indem sie ab- und ausgrenzt. sie ist einfach kein medium zur verständigung mit dem fremden, sondern ermöglicht in erster linie das wiedererkennen der eigenheit auf kosten des fremden. das ist gut und wichtig, aber es eignet sich nicht sonderlich zum internationalen gespräch.
das muss meiner meinung nach eigene verbindlichkeiten und rituale entwickeln, die als basis für eine globale gemeinschaft dienen können.
und in diesem prozess erlebe ich deutsches selbstverständnis als ausgesprochen produktiv und greifbar. da erlebe ich gerade diese wiederkäuende starrköpfigkeit angesichts der "deutschdeutschen vereinigung" als angebracht und sehr viel tragfähiger als eine sentimentale einheitsseeligkeit, die möglicherweise von uns erwartet wird. deutschland nach '45 kann meiner meinung nach mut machen zum kulturellen kahlschlag. auch wenn vieles auf der strecke und unverstanden geblieben ist.
und auch zur scham gehört mut - und ich finde, dass dieser mut in der welt mehr gebraucht wird als nice feeling made in germany.
gleichzeitig haben viele menschen begriffen, dass der heimatliche boden, der sie nährt und schützt eine nachhaltigkeit fordert, die weit über die nationalen grenzen hinausgeht. eine am naturschutz orientierte perspektive begreift "kultur" für mein verständnis in einer sehr viel geeigneteren weise als der religiös-/geisteswissenschaftliche vergleich.
an anderer stelle hab ich geschrieben, dass der dosenpfand eine deutsche eigenheit sei, die mich mit etwas wie stolz erfüllt. nun fällt mir auf, das das wirklich eine entwicklung beschreibt, die ich mir sehr für deutschland wünschen würde.

so ... nun ists auch zeit, "guten morgen" zu sagen.
hoffe, bin nicht zu weit vom thema weg 'utopiesiert' und wünsche allerseits einen angenehmen tag!
smile.gif
robin
@dtam: du bringst etwas sehr gut auf den punkt, zitat: 'im wunsch nach einer multikulturellen gesellschaft geht möglicherweise unter, dass die kultur selbst erst sinn und identität schafft, indem sie ab- und ausgrenzt. sie ist einfach kein medium zur verständigung mit dem fremden, sondern ermöglicht in erster linie das wiedererkennen der eigenheit auf kosten des fremden. das ist gut und wichtig, aber es eignet sich nicht sonderlich zum internationalen gespräch.' - darum geht es mir auch. Wichtig finde ich, genau diesen aspekt nicht zu vernachlässigen, denn wenn der 'bauch' sich meldet, kann es brenzelig werden... es geht mir, um einen positiven umgang mit der eigenen kultur bzw nation, der zb. in dem kindischen verhalten sichtbar wird, wenn ich lieber 'meine' tomaten kaufe als 'ausländischen'!!! In diesem fall ist noch eine relativ harmlose form, aber ich könnte es auch anders! Mein problem hier in D ist eher, dass die meisten menschen oft auch die 'harmlosen' aspekte unterdrücken, es ist überhaupt sehr schwierig darüber zu reden, es herrscht fast ein tabu... (änlich wie positiv über männer zu reden mit verbohrten sogenannten 'feministinnen'). Ich glaube, dass der 'deutsche bauch' viel zu melden hätte, aber sich es verbietet, und das kann m.e. gefährlich werden...
DerTagAmMeer
QUOTE (robin @ 12.Nov.2004 - 09:59)
Ich glaube, dass der 'deutsche bauch' viel zu melden hätte, aber sich es verbietet, und das kann m.e. gefährlich werden...

das ist allerdings ein ganz neuer aspekt!
beschreibt er das allgemeine unbehagen, dass deutsches nachkriegsgefühl so schwer zu greifen ist?
die welt glaubt dem frieden nicht und befürchtet national-naRzistische rückfälle?
schlummert tief innern deutschlands möglicherweise noch immer der typisch deutsche größenwahn? sowas lässt sich doch gar nicht verarbeiten? erst recht nicht über nüchterne und kopfgesteuerte auseinandersetzung?

tritt an dieser stelle wirklich ein deutsches problem zutage? oder ist dies nicht vielmehr ein problem mit deutschland?
findet sich dieses festhalten am bild des narzistisch gekränkten größenwahnsinnigen deutschen vornehmlich in den köpfen der deutschen oder ist denen lediglich bewußt, dass das bild des völkerhetzendes kleinen mannes nun einmal des erbe ist, das sie angetreten sind?
ich glaube nicht, dass dieses klischee einer kollektiven triebverdrängung deutsche wirklichkeit zutreffend abbildet.
nationalstolz ist kein menschlicher trieb - er ist eine möglichkeit von vielen. und nicht gerade die beste.
ddr und brd haben über jahrzehnte die letzten früchte des faschismus im jeweiligen land hinter der mauer gemeint ausmachen zu können. 15 jahre begegnung auf deutschem boden haben diese erklärungsmuster auf beiden seiten als billige propagandamittel enttarnt. noch einmal musste aufgeräumt werden mit dem doppeldeutschen mythos einer gelungenen "entnazifizierung". wieder die erkenntnis, dass es gar nicht so einfach ist, die "seite der guten" auszumachen.
mit einer solchen vergangenheit fasst vor allem der 'bauch' kein echtes zutrauen mehr zum national definierten selbstwert.
ich halte das für gesund und überlebenswichtig.
und ich glaube, dass es die mehrzahl der deutschen geschafft hat, ein stabiles und tragfähiges selbstwertgefühl jenseits völkischer mythen zu entwickeln.

aaaber...
dieses unser gesellschaftliches wertgefühl ist ein intellektuell definiertes und wohlstandunterfüttertes, das zunehmend menschen ausschliest. immer mehr kommen gar nicht erst zu wort. sie sind lediglich das "thema" von kulturveranstaltungen eines angestaubten bildungsbürgertums, verfügen allerdings nicht über die materiellen mittel und den vorausgesetzen bildungsstand, um an dieser ausprägung gesellschaftlichen lebens teilzunehmen.
daran muss sich etwas ändern.
allerdings möchte ich an dieser stelle lieber sägefisch wiederholen als ein deutsches nationalgefühl zurückzufordern:
QUOTE
Die alten Rezepte für Nationalbewußtsein greifen bei uns aus guten Gründen nicht, und viele scheinen nicht zu begreifen daß gerade das eine Chance ist, ein unaggressives Heimatgefühl zu entwickeln. Überall wird bemängelt daß uns seit ´45 die Traditionen fehlen, also warum nicht welche wachsen lassen, anstatt dummes Zeug aus der Mottenkiste zu holen, das schon früher nicht funktioniert hat?


meta-text: danke @ robin für die chance zu diesem exemplarischen tabubruch, deinem kommentar "anitideutsche" vorurteile unterschieben zu können, die vielerorts spürbar sind aber nur selten geäußert werden smile.gif
janis
ot@dtam: du nun also auch?! willkommen im club gruebel.gif
zum thema heute leider nix beitragen kann.... think.gif
Bilana
Ich finde es wirklich sehr spannend, wie sich das hier entwickelt. Mir schwirrt schon einiges im Kopf rum, aber ich brauche noch Zeit.
Schönes WE euch allen.
Bilana
janis
hey bilana das wünsch ich dir und den anderen natürlich auch sleeping.gif
robin
@dtam: huh.gif kannst du mir bitte deinen 'meta-text' erklären? sleep.gif Danke! smile.gif
DerTagAmMeer
erlärungsversuch ist via pm unterwegs ... der metatext sollte missverständnisse vermeiden, keine neuen schaffen ... ist also nicht weiter interpretationswürdig ... hach blink.gif
robin
*geklärt! smile.gif
@dtam: du schreibst. dass nationalstolz kein menschlicher trieb sei, unsure.gif Vielleicht ist es auch ein begriffsproblem, aber wie wollen wir den wohl menschlichen trieb nennen, der 'die eigene sippe' vor gefahren schützt, ein bestimmtes areal für sich beansprucht, usw?
Akane
Habe eben einen klienen Gedankengang gesponnen, den ich hier mitteilen möchte. Möchte ich abe nicht verallgemeinern:

Vor vielen tausenden von Jahren lebten die Menschen in Sippen (oder in kleinen Herden, denn eigentlich sind wir tierische Lebensformen und stellen uns nur selbst über andere Lebewesen, die aber ebenso viel Recht auf gesundes schönes Leben haben). Da hat sich auch die Rollenverteilung (Männer bildeteten zum Schutz vor Gefahr einen Ring um Frauen und Kinder und waren die Jäger) gebildet, sicher auch das Gruppenbewusstsein, denn grosse Staaten gab es noch nicht.
Ist also Nationalbewusstsein eine überdimensionierte Form von Gruppenbewusstsein?

@Robin, dann ist mir dein Satz aufgefallen, aus dem "Mauerfallthreat":
man kann also nicht leugnen, dass aus vielen beiträgen eine 'deutsche identität' spricht... à propos 'nationalbewusstsein'
Ich denke, da ist wahres dran, ein Nationalbewusstsein steckt sicher in vielen von uns.
Wahrscheinlich wollen wir es nicht wahrhaben wegen:
dem 2ten Weltkrieg?
weil wenn wir uns mit jemanden anderer Herkunft wegen einer einfachen und alltäglichen Meinungsverschiedenheit streiten, als rassistisch beschimpft werden könnten?
Aber ich habe so mein Problem mit Begriffen wie Nationalstolz, Gruppenzwang,...
den ich finde, wie gut oder schlecht ein Mensch ist, bestimmt nicht seine Herkunft, sondern sein "Selbst", was er in seinem Leben vollbringt:
(Z.B. halte ich den deutschen Grossunternehmer, der Firmen aufkauft und die Angestellten dieser auf die Strasse setzt und so viele Arbeitslose und Sozialfälle verursacht, für einen schlechten Menschen, weil er für das Unglück zu vieler verantwotlich ist)
Ich denke auch, auf mich trifft vielleicht "Frauenbewusstsein" oder "Lesbenstolz" zu, weil ich theoretisch jede Frau auf der Erde lieben und theorethisch jeden Mann hassen könnte.
Ich weiss, in meinem Kopf herrschen manchmal merkwürdige Gedankengänge.
robin
@akane: 'Ich denke auch, auf mich trifft vielleicht "Frauenbewusstsein" oder "Lesbenstolz" zu, weil ich theoretisch jede Frau auf der Erde lieben und theorethisch jeden Mann hassen könnte.
Ich weiss, in meinem Kopf herrschen manchmal merkwürdige Gedankengänge.'


achduweia! in der tat! kannst du es bitte deutlicher erklären? unsure.gif
DerTagAmMeer
QUOTE (robin @ 12.Nov.2004 - 22:32)
Vielleicht ist es auch ein begriffsproblem, aber wie wollen wir den wohl menschlichen trieb nennen, der 'die eigene sippe' vor gefahren schützt, ein bestimmtes areal für sich beansprucht, usw?

leider fehlt mir nun die psychologische fachkenntnis ... aber bisher bin ich davon ausgegangen, dass triebe zwar auf die befriedigung bestimmter bedürfnisse ausgerichtet sind (also bereits eine gewisse tendenz/richtung haben), dass die konkreten objekte allerdings erst durch erfahrung und assoziazion "erlernt" werden.
- bitte um korrektur wenn das so nicht stimmt oder zu vereinfacht dargestellt ist! -
dementsprechend läge in der triebnatur des menschen angelegt, gefühle der zugehörigkeit zu entwickeln. worin dieses bedürfnis allerdings seine befriedigung fände, wäre dem veränderlichen erfahrungshorizont des einzelnen zuzurechen.
worauf ich damit hinaus wollte:
menschen sind zwar gezwungen, ihre welt zu begrenzen, zu vereinfachen und zu polarisieren, um sich in ihr zurecht zu finden. nach welchem muster sie dies allerdings tun, ist veränderbar. nomadisch lebende gemeinschaften schaffen zugehörigkeit in völlig anderer weise als sesshafte völker.
wenn wir davon ausgehen, dass das zugehörigkeitsgefühl der einzelnen sinnvoller weise auf die gemeinschaft ausgerichtet sein sollte, die das einzelne leben unmittelbar beeinflusst, halte ich es für angebracht, darüber nachzudenken, wie eigentlich die gemeinschaft begrenzt ist, in der wir leben.
welche einflüsse tangieren heute überhaupt unsere emotionale sicherheit?
wer ist uns deutschen z.B. eher ein begriff: g.w. bush oderl horst köhler?
was weckt wohl öfter kindheitserinnerungen? juniortüten oder sauerbraten?
meine antwort "ich hielte es für sinnvoll, steuern zu zahlen und bin froh, verstanden zu werden" bezog sich genau auf diese fragestellungen.
deutschland ist für mich einerseits eine wirtschaftliche solidargemeinschaft und andererseits ein sprachraum. für alle anderen gefahren/sehnsüchte/einflüsse/identifikationsmöglichkeiten haben deutsche grenzen für mein gefühl kaum bedeutung.
ich freu mich auf eure widerworte!
lg
dtam
DerTagAmMeer
@akana
du hast wiederholt auf eine (?) situation bezug genommen, in der dir eine faschistische einstellung unterstellt wurde, obwohl du selbst dein verhalten auf deine lesbische veranlagung zurückführst. hab ich das richtig verstanden?
für mich wäre es einfacher, wenn du diese situation entweder konkret ansprichst (dann könnten wir überlegen, wie solche missverständnisse in zukunft vermieden werden könnten) oder dir überlegst, was sich an dieser situation verallgemeinern lässt (dann könnte ich deine gedanken leichter auf die diskussion beziehen).

abgesehen davon finde ich deine gedanken keineswegs merkwürdig. einige "schlagworte" (gruppenzwang, gruppenbewusstsein, nicht wahrhaben wollen ...) bereiten mir zwar etwas magendrücken ... aber von den grundgedanken meinen wir doch ähnliches, oder?

ot: noch ne provokante frage: müssten lesben nicht frauen lieben UND hassen, während ihnen männer zumeist gleichgültig sein müssten?
LadyGodiva
QUOTE (DerTagAmMeer @ 13.Nov.2004 - 23:59)

ot: noch ne provokante frage: müssten lesben nicht frauen lieben UND hassen, während ihnen männer zumeist gleichgültig sein müssten?

@dtam - das geht jetzt aber voll ins ot, in meinen Augen, aber sei's drum:
das suggeriert, dass lesbische Frauen in Bezug auf Männer "gefühlsamputiert" sein müssten, davon gehe ich aber bei einem Großteil nicht aus - schlimm wär's.
Lieben, hassen - starke Emotionen; irgendwo dazwischen, oder auch an den Extrempunkten haben doch auch die Herren der Schöpfung Platz; weitere provokante Äußerungen verkneif' ich mir mal um der Rückkehr zum Thema willen wink.gif
DerTagAmMeer
auch auf die gefahr hin, ne spamverwarnung zu kassieren (morgen hab ich's doch schon wieder vergessen!) - eine letzte überlegung:
ließe sich bei neofaschisten in deutschland unter den oben aufgestellten behauptungen überhaupt noch von "nationalismus" sprechen - oder wären es nicht vielmehr separatistische gruppen, die ihr "deutschtum" so exklusiv auslegen, dass es zum elitären begriff wird?
meint:
identifiziert sich der politisch rechte skin überhaupt mit deutschland oder ausschließlich mit der rechten szene, ihren werten und ritualen?

so - nu is aber schluss!
regenbogen
ich probier mal einen gar nicht eleganten Schlenker zurück zum Thema:

Sind Lesben besonders gefährdet, in ein Schmalspurdenken à la "Lesbennation" --> "(Lesben-)Nationalismus" --> Scheuklappen-Feminismus zu rutschen, weil sie keinen unmittelbaren Anreiz haben, sich positiv der Männerwelt zuzuwenden, sondern sie im Gegenteil als Bedrohung ihrer Lesbennation empfinden? das Zugehörigkeitsbedürfnis kann innerhalb der eigenen Gruppe voll befriedigt werden, alles darüber hinaus wird als "Feind" empfunden, und die eigene Gruppe wird verherrlicht? oder schiesst das zu sehr übers Ziel hinaus?

weiss nicht, wenn das zu kompliziert ist, schubsen wir's lieber ins OT rolleyes.gif
Rehauge
Hallo regenbogen,

Deine Frage ist provokant und überdenkenswert. Ich möchte auf diese Weise weiterspinnen. Verstärken die Rahmenbedingungen dieses Forums ein solchen Lesbenantinaldenken möglicherweise?
Die Hausordnung ist anders gedacht und ich fühle mich ausgesprochen wohl in diesem Schonraum der virtuellen Welt.

Meine Antwort darauf ist "nein". Ich empfinde es als angenehm im Internt und im Alltag ab und an Orte aufzusuchen, an dem vorwiegend Frauen sind, die ähnlich denken und fühlen wie ich. Das gibt mir Kraft und Geborgenheit. Mich in eine Welt zurückzuziehen, die mir gut tut und andere Lebensformen als berechtigt daneben stehen zu lassen, würde ich in keinster Weise als irgendwie nationalistsich bezeichnen wollen.

Zustimmen möchte ich Deiner Aussage, dass wir da Gefahr laufen in einen Scheuklappenfeminismus zu geraten, wo wir eine Männerwelt pauschalisiert als bedrohlichen Feind reduzieren. Pauschalisieren, dokmatisieren und indoktrinieren sind für mich immer Ausdruck diktatorischen, faschistischen Verhaltens. Das lehne ich grundsätzlich ab, egal wofür es sich einsetzt.
Interessanter Weise scheinen Frauen dann dabei auch noch dieses von ihnen abgelehnte männliche denken und handeln selber zu übernehmen. Ein Widerspruch in sich. Oder liege ich falsch mit meinem Urteil, faschistisches Denken sei männlich?

Rehauge
regenbogen
QUOTE (DerTagAmMeer @ 14.Nov.2004 - 00:14)
ließe sich bei neofaschisten in deutschland unter den oben aufgestellten behauptungen überhaupt noch von "nationalismus" sprechen - oder wären es nicht vielmehr separatistische gruppen, die ihr "deutschtum" so exklusiv auslegen, dass es zum elitären begriff wird?
meint:
identifiziert sich der politisch rechte skin überhaupt mit deutschland oder ausschließlich mit der rechten szene, ihren werten und ritualen?

so - nu is aber schluss!

@dtam - ist das wirklich OT?

Vielleicht lässt es sich - in diesem unserem Lande, wo Nationalismus zumindest in meiner Generation ein Reizwort ist - sachlicher und unaufgeregter über das Thema reden, wenn nicht das rechte Schreckgespenst um jede Ecke lauert, weil dieses Schreckgespenst gar nicht das unerfreuliche, ad absurdum geführte Endstadium derartiger Tendenzen sein muss, sondern eigentlich ein anderes Phänomen ist?

(Weisste was, du steckst mich an mit deinen feinziselierten Formulierungsschleifen, mit dem Unterschied, dass ich mich drin verheddere... rolleyes.gif tongue.gif)

Und @Rehauge
QUOTE
Interessanter Weise scheinen Frauen dann dabei auch noch dieses von ihnen abgelehnte männliche denken und handeln selber zu übernehmen. Ein Widerspruch in sich. Oder liege ich falsch mit meinem Urteil, faschistisches Denken sei männlich?

Interessante Frage. Das ist eigentlich ein eigenes Thema. gruebel.gif
DerTagAmMeer
QUOTE (Rehauge @ 14.Nov.2004 - 09:42)
Oder liege ich falsch mit meinem Urteil, faschistisches Denken sei männlich?

guten morgen rehauge,
was deine these unterstützt ist die tatsache, dass es (soweit ich weiß) bislang keine faschistische bewegung gegeben hat, die sich um eine weibliche führungsperson gruppiert hätte. des weiteren ließe sich mussolini, franco und hitler möglicherweise auch ein gewisser "männlichkeitswahn" unterstellen.
allerdings halte ich wenig davon, abstrakte begriffe immer mit geschlechtern zu belegen (in diesem fall: faschismus männlich, kommunismus weiblich?). dient das der klärung der begriffe und ihrer beziehung zueinander? irgendwie nicht, oder?
aber du sprachst ja auch gar nicht vom faschismus selbst, sondern von "faschstischem denken". aber was ist das? ist es ein denken, dass an einer art autoritärem "einparteien"-herrschaftssystem orientiert ist? dann müsste doch eigentlich in jeder autoritär organisierten familie so gedacht werden, oder? und zwar von allen familienmitgliedern - ganz gleich welchen geschlechts.
aber wahrscheinlich ist das auch so. und genau dieser umstand macht uns manchmal derart blind gegenüber autoritären strukturen, die die tendenz zu einer gewaltherrschaft in sich tragen.
um also auf deine frage nach der geschlechtszugehörigkeit faschistischen denkens zurückzukommen: faschistisches denken ist in meinen augen ein denken, das durch persönliche unterordnung nach einfluss und macht trachtet und damit völlig geschlechtsneutral.
somit können wir frauen uns ohne weiteres an die eigene nase fassen und fragen, wann wir uns in dieses muster einpassen.
o.T. im feminismus-threat ist diese überlegung z.T. ja auch zur sprache gekommen.
deine idee, die thematik auf das forum zu beziehen halte ich im übrigen für sehr sinnvoll - allerdings wäre es auch mir lieber, dies erstens in einem gesonderten threat zu tun und zweitens besonders auf eine unterscheidung der begriffe zu achten. schließlich ist ein i-net-forum einfach keine nation.
Dieses ist eine vereinfachte Darstellung unseres Foreninhaltes. Um die detaillierte Vollansicht mit Formatierung und Bildern zu betrachten, bitte hier klicken.
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