Jenseits von Emden
- eine Begegnung zur Mittagszeit
Hab heut einer Scholle ins Auge geblickt.
Im Schaubassin vor ´nem Speiselokal
lag sie in bleiche Kiesel gedrückt
und harrte ihres Endes als Mahl.
Sie sah mich an, und sie zog mich aus,
sie sog mich aus meiner Frauenhaut,
sie machte meiner Distanz den Garaus,
und hat tief hinter mein Menschsein geschaut.
Ich wusste nicht, wo ich mich plötzlich befand.
Statt graugrünen Lichtspiels war alles leer.
Mir fehlten die Wogen, mir fehlte der Sand.
Ich war nackt wie ein Felsen ohne mein Meer.
Und so lag ich nun da, ein plattes Getier,
an diesem trostlosen, fremden Ort.
Ich sehnte mich fort in mein trautes Revier,
in die Nordsee hinter Emden dort.
In meiner Sehnsucht stieß ich mich ab,
durchschwamm die geschmacklose Brühe,
bis mir das Glas zu verstehen gab:
Vergebens ist all deine Mühe.
Matt sank ich zurück in den fahlen Kies,
ließ verzagt meine Flossen hangen.
Wie soll ich aus diesem öden Verlies
je wieder nachhause gelangen?
Aus Scholles Auge glotzte ein Tier,
auch Mensch genannt, auf Tische.
Dem Werbefritzen an Tisch vier
war´s nach fangfrischem Fische.
"Nun geh!" Das Fischauge ließ mich los,
"Du haariges Viech mit rotem Geblüt.
Nimm mit in deiner Kehle als Kloß
mein stummes Schollensterbelied."
Jenseits von Emden fehlt ein Fisch.
Diesseits der Scheibe trinkt man Kaffee.
Ein Häuflein Gräten liegt auf dem Tisch.
Und Wellen schlägt in der Ferne die See.