ZITAT(PikSieben @ 11.Jan.2013 - 13:42)
ZITAT(svan @ 11.Jan.2013 - 04:38)
rauchende trinkende Frauen mit uneinfühlsamem ***
Danke. Genau diese Stelle meinte ich.
Wie einsam muss frau sein, dass sie da keine Fluchtinstinkte wachruft?
Und wie du habe ich an der Stelle auch darüber nachgedacht, ob es die richtige Lektüre für einen ohnehin schon so tristen (damals war’s) November ist. Und ich bin froh, weiter gelesen zu haben.
Ich wollte dann irgendwie doch auch wissen, wo diese Einsamkeit, regelrechte Trostlosigkeit, die ICH bei Lisa gespürt habe, und wo die Einsamkeit, die ich auch bei Michael wahrgenommen habe, wo die herkommt. Und ob und was diese ganze ominöse Autounfallgeschichte damit vielleicht zu tun hat?
Und ja (nochmal an Litt), ich habe eben gedacht, dass genau die Wirkung, dass die ProtagonistInnen nicht so locker-fluffig, sexy, charmant und einnehmend daherkommen, sondern eben auffallend „merk“würdig, genau von dir beabsichtigt gewesen sein könnte. Weil die Figuren sonst womöglich irgendwie beliebig gewirkt hätten. So aber fallen sie beide auf, erzeugen (wie ich finde, negative, aber das macht ja nichts) Aufmerksamkeit, beide auf ähnliche Art und Weise: Befremden hervorrufend. (Ich gebe zu, dass ich das in meinem oberen Beitrag nicht präzise formuliert (vielleicht auch noch nicht hinreichend durchdacht) hatte. Aber ob nun befremdlich oder unsympatisch – ich bin zu diesen beiden Figuren bis zum Schluss emotional „auf Abstand“ geblieben.)
Hier kann ich eigentlich nur eine sehr persönliche Antwort geben.
Ich muss gestehen, dass ich nicht nur als Autorin, sondern als auch als Mensch eine Affinität zu "merk"würdigen Menschen habe. Statt in mir Fluchtinstinkte wachzurufen, ziehen sie mich an. Ich gönne ihnen den zweiten, dritten, vierten... Blick. Und nehme sie auch als sexy, charmant und einnehmend wahr, weil sie es eben auch sind (im Falle meiner Figuren würde ich Michael da herausnehmen
). Ich mag auch Bettina sehr. Und ich verstehe sie.
Mich interessieren schwer traumatisierte Menschen, als Autorin und als Mensch. Mich interessiert, wie sie mit ihrer Verletzungen zurechtkommen, welche Strategien sie entwickeln, was ihnen gut gelingt und was ihnen nicht so gelingt, warum manches gelingt und anderes nicht. Damit kenne ich mich ziemlich gut aus, weil ich mich schon viele Jahre damit beschäftige. Beschäftigen musste.
Nein, es ist von mir nicht beabsichtigt, dass diese Charaktere befremdlich und unsympathisch wirken, jedenfalls nicht nur. Sie haben eine Menge geleistet und ich verstehe gut, warum sie bestimmte Dinge (noch?) nicht so gut meistern. Menschen sind selten nur das eine oder andere. Gute Menschen können sich schlecht benehmen, einfühlsame in bestimmten Situationen uneinfühlsam sein, das weiß ich von mir selbst.
Und wir erleben hier auch wirklich die intimsten und ungefilterten Gedanken der Figuren (natürlich habe ich sie in gewisser Weise doch gefiltert, da hast du ganz recht
). Es gibt keinerlei Distanz zwischen Erzähler und Figur. Das birgt natürlich ein Risiko, wenn sie nicht sympathisch rüberkommen.
Mir wär's also lieber, meine Figuren wären dir sympathischer, obwohl sie manchmal befremden und nicht immer ganz auf der Höhe sind. Aber wenn sie es nicht sind, ist es eben so. Und ich habe das zu akzeptieren.
Auf das genaue Analysieren des Einnässens können wir im Moment gerne verzichten, obwohl ich da gar nicht so ins Detail gehen wollte. Ich verstehe nun auch besser, was du gemeint hast. Und danke auch für den Hinweis auf deine „Monkigkeit“, so verstehe ich es noch besser.
Im Zusammenhang mit der „Ersten-Nacht“-Szene kann ich mit dem Begriff „Öder S*x“ gar nicht viel anfangen, da geht es um ganz andere Dinge. Berauschender S*x wäre an dieser Stelle überhaupt nicht stimmig. Ich glaube auch nicht, dass Lisa diese erste Nacht als öde empfindet. Und der S*x wird ja beim zweiten Mal besser, was nur leider auch nicht hilft. In dieser Szene ist im Prinzip schon die ganze Beziehung beschrieben, das zarte Sich-Annähern und das Zurückschrecken, das Komm-her, Geh-weg…
An irgendeiner Stelle, ich finde sie im Moment nicht mehr, hast du gefragt, ob es auszuhalten ist, dass Leserinnen einen anderen Blick haben als ich. (Ich weiß jetzt leider nicht mehr, wie du es formuliert hattest.)
Wenn es mir gut geht, halte ich es gut aus, wenn nicht, kann‘s auch mal weh tun, aber grundsätzlich halte ich es aus, sonst dürfte ich keine Bücher veröffentlichen. Wenn ich einen Text in die Welt schicke, ist es erst einmal beängstigend, wenn er noch frisch und nah ist, wenn ich viel Kampf und Herzblut und Arbeit hineingesteckt habe, und das ist für mich bei „Fegefeuer“ ganz besonders der Fall. Aber gerade in der Interaktion mit der Leserin wird so ein Text erst so richtig lebendig, er beginnt sein eigenes Leben, steht quasi auf eigen Beinen, und ich muss lernen, ihn loszulassen. Das ist nicht so einfach, weil ich nicht weiß, wie er ankommt. Ich weiß aber mit Sicherheit, dass es Leserinnen geben wird, die mit ihm gar nichts anfangen können oder ihn eben anders sehen/lesen als ich. Und das muss ich akzeptieren oder aufhören zu schreiben. Aber ich bekomme mittlerweile so viel positives Feedback aus meinem Umfeld, aber auch von Menschen, die nicht kenne, dass ich gut damit umgehen kann, auch wenn ich gelegentlich noch die Zähne zusammenbeißen muss oder weiche Knie bekomme. Und dann kann es schon passieren, dass ich mich frage, warum ich das eigentlich mache. Aber das überwinde ich dann auch schnell wieder.
ZITAT(PikSieben @ 11.Jan.2013 - 13:42)
Achtung! Jetzt kommt ein Hardcore-Spoiler - bitte erst nach Lektüre (oder Verfassen
) des zweiten Teils lesen)
ABSICHT der Verfasserin habe ich auch unterstellt und übrigens bewundert, weil es auch dramaturgisch so gut passen würde: Die beiden Geschwister haben auf diese Weise etwas gemeinsam, was sie erstens als solche auch erlebbar macht und sie zweitens im zweiten Teil auch so herrlich miteinader verbinden kann. Warum sonst sollten diese beiden dem jeweils anderen überhaupt so viel Interesse und so viel Nachsicht entgegenbringen, dass sie überhaupt zueinander finden können. Und sogar bis zum Ende weitergedacht, ergäbe eine verfasserische Absicht so viel Sinn. Ich fand das wirklich genial. Dem würde ich zustimmen, aber ich kann nicht sagen, dass ich es so geplant habe, es ergab sich so im Schreibprozess, und dann stelle ich fest, dass es so stimmig ist.
Grade frage ich mich, ob das nicht eher ins Leserundencafé gehört?