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> Philosophie trifft Neurowissenschaft..., ... oder die Freiheit der lesbischen Identität
Lucia Brown
Beitrag 23.Sep.2009 - 21:50
Beitrag #21


- keep it up you go girl -
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@ DTAM so wie ich deinen Beitrag verstehe, sprichst du den Nutzen der Philosophie und der Neurowissenschaft an. Ein sehr interessanter Aspekt, wie ich finde.

Als vita contemplativa hat die Philosophie großen gesellschaftlichen Nutzen - heute wie zu allen Zeiten.

Auch die Neurowissenschaften finden ihren Nutzen z.B. in der Pädagogik, sehr modern gerade in der Resilienzforschen, wie ich sie bereits oben erwähnt habe.

Für weitere Beiträge über Nutzen beider Bereiche ist hier sicherlich auch Raum.

lg

Lucia B.

Ps: Die Philosophie ist schon so alt und daher wird sie die Bundestagswahl 2009 auch noch überleben. (IMG:style_emoticons/default/rolleyes.gif)

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 23.Sep.2009 - 21:59
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DerTagAmMeer
Beitrag 23.Sep.2009 - 22:01
Beitrag #22


Adiaphora
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ZITAT(Lucia Brown @ 23.Sep.2009 - 22:50) *
Ps: Die Philosophie ist schon so alt und daher wird sie die Bundestagswahl 2009 auch noch überleben. (IMG:style_emoticons/default/rolleyes.gif)

Da hast Du recht! Wie gut, das ist doch schon mal was! (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)

Edit: Ich hab noch mal drüber nachgedacht, ob ich wirklich den "Nutzen" ansprechen wollte. Bzw. was ich überhaupt ansprechen wollte, weil es mich gerade bewegt.
Und "Nützlichkeit" ist es nicht. Ganz im Gegenteil. Verantwortung vielleicht.

Dabei richtet sich der unterschwellige Vorwurf in erster Linie gegen mich selbst. Ich habe gewisse Überzeugungen, ein bestimmtes Weltbild, eine Vorstellung davon, wie es im Leben laufen sollte ... welche Entscheidungen "vernünftig" oder sinnvoll sind. Ich stelle fest, dass die Welt zu komplex ist, um sie auf einfache Formeln zu bringen und zucke ratlos mit den Achseln, wenn das von mir gefordert wird, weil Menschen Halt und Orientierung suchen.
Ich glaube beispielsweise nicht daran, dass Geschlecht, Sexualität, Religion und Nationalität wesensbestimmende Merkmale sind. Auch mein eigenes Identitätskonzept ist derart verschwurbelt, dass sich Dreiviertel der Menschen eher mit dem Zeigefinger an die Stirn tippen als dass ich sie auf neue Gedanken bringen würde.
Ich bin ein Nischenpflänzchen, dass in den meisten Ländern dieser Erde ganz schnell klein beigeben und im Schrank verschwinden würde, um gewalttätigen Übergriffen und massiver Ausgrenzung zu entgehen. Die "Freiheit" meiner offen queeren Identität basiert ja nicht darauf, dass ich so taff und selbstsicher bin ... sondern profitiert davon, dass ich mich in einem Umfeld bewege, das sich viel auf die eigene Toleranz einbildet und sich ohnehin gern mit Schwulen und Lesben umgibt (weil wir ja alle so kreativ, individuell und besonders sind!).
Da ist einfach dieses Urvertrauen, dass man mich schon mag, wenn man mich erstmal kennt ... dass mir schon jemand helfen wird, wenn ich selbst nicht mehr kann ... dass es das Leben einfach gut mit mir meint. Um kurz zu machen: ich hatte einfach Glück.
Andere haben das nicht. Und da bin ich dann auch recht schnell mit meinem Latein am Ende und überweise die Ratsuchende gern an Habermas, den lieben Gott oder Frau Sonnenstrahl. Und das genügt einfach nicht.

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 23.Sep.2009 - 23:25
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Lucia Brown
Beitrag 23.Sep.2009 - 22:17
Beitrag #23


- keep it up you go girl -
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Zum Nutzen fällt mir noch ein, dass hier viele Frauen dieses Wissen unbewusst und bewusst benützen. Gerade auch beim Beantworten der Beträge vieler neuer Userinnen wie z.B.: "Hilfe, ich liebe eine Frau, was soll ich tun!"

Oft ziehe ich den Hut, vor soviel Wissen hier im Forum. Klasse!

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 23.Sep.2009 - 22:24
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Hortensie
Beitrag 24.Sep.2009 - 13:15
Beitrag #24


"Jeck op Sticker"
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Ich habe Schwierigkeiten mit diesem Thread. Ich finde es aber gut, dass durch die letzten Beiträge, dass was uns Menschen beeinflusst erweitert wurde.

Ich finde die augenblickliche Entwicklung in der Psychologie hin zu fast ausschließlicher Verhaltenstherapie fast schon zu oberflächlich.

Da es wahrscheinlich viele Dinge gibt, die sich oft unbewusst prägend (und manches verhindernd9 auswirken können, tendiere ich mehr hin zum systemischen Ansatz.

Durch das Anschauen eines Systems, kann ich mir vielleicht deutlicher machen, wo das "bremsende" oder etwas "verhindernde" liegt.

Wie sagt man so schön, es bricht sich eine leichter einen Arm, als eine Konvention.
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PennyLane
Beitrag 24.Sep.2009 - 17:18
Beitrag #25


Idealistin
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@Hortensie: Nun ja, genau genommen geht der Trend in der Psychologie hin zu schulenübergreifenden Ansätzen, da einfach immer klarer wird, dass nicht jede Behandlungstechnik für jeden Menschen bzw. jede "Störung" oder jedes Anliegen gleich gut geeignet ist.
Was die gesetzlichen Krankenkassen machen, steht auf einem anderen Blatt - hier ist meiner Meinung das Problem, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und gesundheitspolitische Umsetzung starkt auseinanderlaufen.
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sonnenstrahl
Beitrag 24.Sep.2009 - 19:39
Beitrag #26


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ZITAT(DerTagAmMeer @ 23.Sep.2009 - 23:01) *
... Ich bin ein Nischenpflänzchen, dass in den meisten Ländern dieser Erde ganz schnell klein beigeben und im Schrank verschwinden würde, um gewalttätigen Übergriffen und massiver Ausgrenzung zu entgehen. Die "Freiheit" meiner offen queeren Identität basiert ja nicht darauf, dass ich so taff und selbstsicher bin ... sondern profitiert davon, dass ich mich in einem Umfeld bewege, das sich viel auf die eigene Toleranz einbildet und sich ohnehin gern mit Schwulen und Lesben umgibt (weil wir ja alle so kreativ, individuell und besonders sind!).
Da ist einfach dieses Urvertrauen, dass man mich schon mag, wenn man mich erstmal kennt ... dass mir schon jemand helfen wird, wenn ich selbst nicht mehr kann ... dass es das Leben einfach gut mit mir meint. Um kurz zu machen: ich hatte einfach Glück.
Andere haben das nicht. Und da bin ich dann auch recht schnell mit meinem Latein am Ende und überweise die Ratsuchende gern an Habermas, den lieben Gott oder Frau Sonnenstrahl. ...


Frau sonnenstrahl ist ebenfalls ein Nischenpflänzchen.
Und sich dessen sehr bewusst.
Sicherlich in mancherlei Hinsicht eine andere, ganz eigene Art von Gewächs (wie wir alle) - dennoch bin ich mir nicht sicher, ob ich in den meisten Ländern dieser Erde nicht auch den Schrank wählen würde anstelle von Gewalt, Psychiatrie und/oder (verschärfter) Gefangenschaft.


Erst in den letzten Wochen hatte ich beruflich wieder einmal sehr intensiv mit einem Menschen zu tun, gegen dessen Geschichte sich die meine, und viele andere Geschichten, die mir nahegebracht worden sind, mit einem Mal wie Mensch-ärgere-dich-nicht-Sequenzen ausmachen: Mir ist ein Ausmaß an Schmerz und Traumatisierung begegnet, dem ich schlichtweg nicht mit eigener Erfahrung, sondern bestenfalls mit Ahnung und Respekt entgegenkommen kann. Wo 90% meiner Arbeit nur noch aus Dasein, Zuhören, Mitfühlen, Trost und Aushalten besteht. Und ich weiss: Das ist keine Ausnahme. Vielleicht noch bei mir - aber nicht auf der Welt. Es gibt so viele von diesen Menschen. Den Zusammenbruch darf es für einen Großteil von ihnen erst geben, wenn sie in Sicherheit sind. Wohin die meisten gar nicht erst kommen. Was mich immer wieder erstaunt und in manchen Momenten auch beschämt, ist die Kraft, die solche Menschen dennoch zuhauf mobilisieren. Daneben seh ich mich Wohlstands-Pseudowildwuchs am Rande der Verzweiflung angesichts ... meiner Steuererklärung. Da relativiert sich so Manches. worüber ich klage, zum Luxus-Wehwehchen. Und auch der Stolz auf das, was ich leiste und geleistet hab. ...

Dennoch: Was wir alle tun können, ist, sofern wir nicht all unsere Kraft für´s Überleben brauchen, und noch welche übrig haben, und sei es nur ein winziges Bisschen, uns immer wieder auf´s Neue den Grundsatz zu eigen machen: Mach heil, was dich kaputt macht. Das können wir auf uns persönlich, aber auch auf die Menschheit beziehen, deren Teil wir sind. Oder auf unseren Planeten. Und was uns möglich ist, dazu beitragen, dass es hier wie dort besser wird. Jede auf ihre Weise.
Das genügt, finde ich. Mehr können wir nicht tun.
Denn bei allem Einsatz und allem Idealismus: Wer hat etwas davon, wenn wir mehr geben, als wir (momentan!) können? Wenn wir über unsere ganz persönlichen Kräfte, über unser persönliches Latein hinausgehen? (Etwas wozu uns hier zum Glück niemand zwingt.) Ich meine längerfristig. Wenn wir, sobald wir uns anschicken, mal nur (?) zu genießen, die Geißel des schlechten Gewissens schwingen? Wenn wir handeln, ohne uns auch nur ansatzweise kompetent zu fühlen? Wenn wir uns ebenso erschöpfen wie die, denen nichts anderes übrig bleibt? Und den Blick nicht auch immer wieder auf das Schöne und Wunderbare lenken, das das Leben uns zuteil werden lässt. Meines Erachtens würde das dem Leben genausowenig gerecht werden, wie ein permanentes Ausblenden der Schattenseiten.
Ich bin mir sicher, dass wir da sehr differenziert wählen - und wachsen - können, wenn man uns lässt. Ob uns das immer bewusst ist, ist eine andere Frage. Wir entscheiden, zu merken, wann sich ein Fenster auftut. Wann sich eine Chance bietet. Wir entscheiden, ob und wieviel wir unsere Hände in den Schoß legen. Ob wir uns Hilfe suchen, oder nicht. Ob wir uns was beibringen lassen. Ob wir alles glauben, was man uns erzählt und vorlebt. Ob wir neugierig sind und bleiben. Ob wir durch die Schlupflöcher schlüpfen, die sich uns bieten, in jedweder Hinsicht. Ob wir uns gestatten, selbst zu denken, statt Fertigstrick zu übernehmen. Ob wir uns als determiniert verstehen wollen, oder nicht. Ob wir es schnallen wollen, dass dem Bausatz der Großen Grundgütigen eigenständiges Leben eingehaucht wurde, oder ob wir es vorziehen, willfährige Marionetten zu sein. Ob wir uns gestatten, zu fühlen, was wir fühlen. Wie wir mit unseren Erfahrungen umgehen. Was wir uns bewusst machen wollen. Ob und wann wir Eingemachtes aus dem Keller holen. Ob wir kommunizieren, oder nicht. Und wenn ja: Wie. Ob wir uns alles gefallen lassen, oder aufbegehren. Wir wägen ab, wie hoch das Risiko ist. Ob wir es eingehen, oder nicht. Ob wir im Sumpf stecken bleiben - oder in der Theorie. Oder ob wir, mit einer aufbauenden Wegzehrung an Theorie, in die Praxis aufbrechen. Und die eine oder andere Konditionierung währenddessen hinter uns lassen, nach dem Motto "Kuck an, geht auch anders. Whow!".
Und ob und wann wir uns ausruhen.
Das gilt, davon bin ich überzeugt, für jeden Menschen auf dieser Welt.

Soviel für heute aus meiner Sicht zum Thema:

ZITAT
Glauben wir den Hirnforschern, dann müssen wir wegen unserer Passivität keine Schuldgefühle haben. Wir sind ohnehin neurobiologisch determiniert - und können nichts dafür, wenn wir die Hände in den Schoß legen.


Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 24.Sep.2009 - 19:47
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Hortensie
Beitrag 25.Sep.2009 - 07:49
Beitrag #27


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Nach sorgfältigem lesen aller Beiträge bleibt für mich noch die Frage offen, weshalb schaffen es dann Menschen organisiert z.B. in Russland zu ihrem Leschbischsein/Schwulsein zu stehen, obwohl Ihnen bekannt ist, in welche Gefahr sie sich begeben und in unserem zivilisiertem Land, in dem keine unmittelbare Gefahr für Lesben und Schwule besteht, bleiben viele lieber ungeoutet???

Ich denke mal, dass die meisten von uns (egal ob geoutet oder ungeoutet) einem hetero-orientiertem Umfeld entstammen und jetzt direkt keinen Kontakt zu LesBiSchwuTrans Leben hatten und trotzdem heute lesbisch leben und sich wahrscheinlich mehr Akzeptanz für ihre Lebensweise wünschen.

Auch wird es nicht so sein, dass unser Privatleben so langweilig ist, und wir ein so unterkühltes Verhältniss zu unseren ArbeitskollegInne/Nachbarn haben, dass wir nicht eine kurzweilige Begebenheit aus unserem Privatleben erzählen mögen.
Aber warum wird dann bei den Personalpronomen gelegentlich "geschummelt" ?

Stecken wir vielleicht in eigenen Ansprüchen/Konditionierungen zu fest?

Aber haben wir uns in anderen Dingen nicht auch "selbstverwirklicht" anstatt Dinge, die wir in unserer Kindheit als nicht gut empfunden, nachzuleben?

Sollten wir selber über Kinder nachdeneken, fallen uns nicht mindestens 12 Dinge ein, die wir auf jeden Fall anders machen möchten?

Haben wir uns nicht die Freiheit genommen, mit dem traditionellen Ernährungsformen zu brechen, andere Wege zu gehen, und haben wir nicht auch erklärt: "Für mich kein Fleisch, ich bin Vegetarerin?"

Würden wir der Lesbe in Ruanda nicht mehr helfen, wenn ihr offen sagen: "Nein ich bin nicht verheiratet, ich bin verpartnert und mir fehlen im Vergleich zu einem hetero Menschen nur Aufgrund meines Lesbischseins noch folgende (formale) Bürgerinnenrechte?"

Was hindert uns eigentlich daran, zwar nicht mit dem Holzhammmer, aber zumindest offen zu unserem Lesbischsein zu stehen?

Was befürchten wir, was passieren könnte?

In einer Nische zu leben, ist doch schon mal ein erster Schritt in das Licht.

Ich bin nicht für "Zwangsouting", aber was hemmt einen selber, sich öffentlich zu zeigen?

Haben wir mit Nachbarn, ArbeitskollegInnen nicht auch positive Erfahrungen gemacht?

Der Beitrag wurde von Hortensie bearbeitet: 25.Sep.2009 - 07:51
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sonnenstrahl
Beitrag 25.Sep.2009 - 09:10
Beitrag #28


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ZITAT(Hortensie @ 25.Sep.2009 - 08:49) *
In einer Nische zu leben, ist doch schon mal ein erster Schritt in das Licht.


@Hortensie: Mit Nischenpflänzchen meine ich nicht, dass ich nur bestimmten Leuten gegenüber geoutet bin. Was mich betrifft, habe ich noch nie im Schrank gelebt. Mal abgesehen davon, dass ich kein Umhängeschild trage, auf dem steht: "Ich lebe lieber lesbisch". Aber ich kann mich einfach nicht muskelspielend hinstellen, und tönen: So wie ich hier bin, wäre ich überall. Ich habe kein Problem damit, und auch nie gehabt, im provinziellen Ort meines Aufwachsens mit meinen geliebten Frauen Hand in Hand zu gehen, und werde ich gefragt, nehme ich kein Blatt vor den Mund, egal ob auf der Arbeit oder anderswo. Ich habe dadurch nie wirklich Nachteile gehabt, sondern im Gegenteil: Man hält mich in aller Regel für eine recht ausdrucksstarke, sehr selbstbewusste Persönlichkeit - wenn auch nicht immer für sympathisch. Da ist sicherlich was dran. Trotzdem: Ich habe schlichtweg keine Ahnung, was aus mir geworden wäre, hätte meine Wiege beispielsweise in Afghanistan oder Pakistan gestanden. Oder in Ecuador. Oder auf Tonga. Menschen können viel zuwege bringen, in den scheinbar auswegslosesten Situationen, das ist mir (siehe oben) klar. Und ich kann sie - was ich beruflich auch tu - dabei unterstützen, in diese Kraft zu finden. Hier, in unserem Land. Ich selbst habe unendlich viele Chancen ergriffen im Leben, über die ich mich auch hätte fernglotzend und nagelstudiobesuchend hinwegöden können. Doch mir fehlt die persönliche Erfahrung, wie es ist, die halbe Familie vor der Nase wegerschossen zu bekommen, weil sie dem Regime nicht genehm waren. Mir fehlt die Erfahrung, grün und blau geschlagen worden zu sein, weil ich ohne männliche Begleitung/ohne Schleier auf der Straße gesehen worden bin. Mir fehlt die Erfahrung, öffentliche Steinigungen miterlebt zu haben. Mir fehlt die Erfahrung, eine Kindheit im Krieg erlebt zu haben. Mir fehlt die Erfahrung kirchlicher Gehirnwäsche von Kindesbeinen an. Ich bin NIE von allen um mich herum geächtet worden. .... Und ich finde es einfach anmaßend, Menschen, die in einem entsprechenden Umfeld aufgewachsen sind und gelebt haben, zu sagen: Raus aus dem Schrank, du Feigling! In Russland haben sie sich organisiert. Das kannst du auch." Da stehen doch möglicherweise zunächst andere Entscheidungen im Vordergrund, die mit dem bloßen Überleben zu tun haben.

ZITAT
... weshalb schaffen es dann Menschen organisiert z.B. in Russland zu ihrem Leschbischsein/Schwulsein zu stehen, obwohl Ihnen bekannt ist, in welche Gefahr sie sich begeben und in unserem zivilisiertem Land, in dem keine unmittelbare Gefahr für Lesben und Schwule besteht, bleiben viele lieber ungeoutet???


Ich vermute mal: Weil sie sich nicht klarmachen, WIE klein die Nachteile sind, die ihnen hier daraus entstehen dürfen und können. Relativ gesehen. Und weil sie, bis auf die gleichgeschlechtlichen Regungen, sehr im Althergebrachten verhaftet sind, und wenig Handlungsbedarf sehen, daran irgendwie zu rütteln. "Ist doch alles schön so, wie es ist. Hauptsache, ich hab meine Ruhe, krieg ´ne Gehaltserhöhung, kann einmal die Woche zum Kegelabend gehen, und sitz am Wochenende nett beim Erdbeerkuchen ...". Veränderung könnte ja anstrengend sein. Und arbeiten und dann noch Rasenmähen müssen ist doch schon anstrengend genug ... (IMG:style_emoticons/default/sleep.gif)

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 25.Sep.2009 - 09:38
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Hortensie
Beitrag 25.Sep.2009 - 09:52
Beitrag #29


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Können offen lebende Lesben und Schwule in Deutschland (und hier meine ich nicht nur die Großstädte, sondern durchaus auch die "Provinz") für Menschen in Ländern, wo dies unsäglich schwieriger ist, nicht eine Art "Leuchtturmfunktion" haben?

Sowie Frankreich (insbesondere Paris mit Simone de Bevoir) oder die skandinavischen Länder eine Art "Leuchtturmfunktion" für die Feministinnen hatten?

Oder sowie San Fransisco eine Art "Leuchtturmfunktion" für die Lesben - und Schwulenbewegung (GLF,Act up) hatten?

Ist es nicht auch gerade durch öffentliche Sichtbarkeit möglich, einen politischen Druck aufzubauen, der eben auch Verfolgung wegen sichtbaren Leben als Lesbe zum Asylgrund machen kann?

Ja, natürlich waren (und sind) auch heute noch Menschen wegen offen gelebten Lesbisch oder Schwulseins davon betroffen, dass ihnen deshalb ein Zeitvertrag z. B. in Köln (oder in einer anderen Stadt) nicht verlängert wird oder Ihnen ein Auftrag gekündigt wird, aber kann sich dass nicht verändern, gerade durch "offenes Leben"?

Ist es nicht vielleicht auch so, dass "verstecktes" Leben eine dauerhafte Belastung darstellen kann, die z.B. zu erhöhtem Suchtmittelverbrauch oder anderen Erkrankungen führen kann?

Der Beitrag wurde von Hortensie bearbeitet: 25.Sep.2009 - 09:53
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Lucia Brown
Beitrag 25.Sep.2009 - 10:50
Beitrag #30


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In eueren Beiträge stecken so viele wunderbare Fähigkeiten. Vielen Dank für eure Offenheit.

Ich stelle mal in den Raum, dass die "Leuchtturmfunktion" schon da ist.

Ich sehe sie hier im Forum, wenn erfahrene Lesben suchenden Frauen beratend zur Seite stehen.
Ich sehe sie, wenn Lesben ihre Hetero-Nachbarin zu einem Konzert eines schwul-lesbischen Orchesters mitnehmen.
Ich sehe sie, dass Lesben unglaublich viel für die Annahme ihrer Identität leisten und leisten müssen. Weltweitgesehen auf unterschiedlichsten Ebenen und mit erschwerten Bedingungen.

Letzteres wird mir zum Beispiel deutlich im den Film: "Die Töchter des chinesischen Gärtners". Auch dieser Film und weitere mutige Filme, unter anderen aus Indien oder Iran, haben "Leuchtturmfunktion".

Es ist eines jener einfachen, aber wunderschönen Paradoxe im Leben: Wenn ein Mensch fühlt, dass ihn ein anderer wirklich annimmt, wie er ist, dann ist er frei geworden, sich von dort aufzumachen und mit der Überlegung zu beginnen.

- wie er sich verändern möchte,
- wie er anders werden kann,
- wie er mehr von dem werden könnte, das zu sein er befähigt ist.

Ich sehe sie bei immer mehr schwul lesbischen Erzieherinnen und Lehrerinnen die sich im Unterricht für Toleranz einsetzen.

Darin steckt ein starkes Potential, dass uns immer wieder Kraft verleiht uns und andere aus dem Nischendasein zu locken.

Ich habe bei der Hirnforschung kein Beispiel gefunden, wo die Kraft der lesbischen Identität berücksichtig wird. Vielleicht weiß eine hier darüber mehr.

Da beschreibt gerade die Philosophie, insbesondere die griechische Philosophie mit Sappho, weitaus mehr!

Lucias Gedanken am Freitagmittag

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 25.Sep.2009 - 13:10
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pandora
Beitrag 25.Sep.2009 - 11:10
Beitrag #31


auf dem Hochseil des Lebens balancierende Wölfin
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ZITAT
Ist es nicht auch gerade durch öffentliche Sichtbarkeit möglich, einen politischen Druck aufzubauen, der eben auch Verfolgung wegen sichtbaren Leben als Lesbe zum Asylgrund machen kann?


natürlich ist dies möglich und wird auch vieleorts so gehandhabt, aber was hat es vielfach für auswirkungen?
verfolgung, misshandllungen, sex. gewalt und vieles mehr sind der preis, der unsereins in vielen landen für die sichtbarkeit, dem kommen aus dem schrank zahlen muß...
und nicht alle sind dazu bereit.
was ich auch mehr als gut verstehen kann.
wenn ich vor der entscheidung stünde, aus dem schrank zu kommen und offen zu leben, dafür aber in kauf nehmen zu müßen, meine familie eventuell an leib und leben zu gefährden, dann käme ein offenes leben für mich nicht in frage.
es sei denn ich hätte die gelegenheit, das land, in dem es solcherlei verfolgung gibt, zu verlassen.

ZITAT
Ja, natürlich waren (und sind) auch heute noch Menschen wegen offen gelebten Lesbisch oder Schwulseins davon betroffen, dass ihnen deshalb ein Zeitvertrag z. B. in Köln (oder in einer anderen Stadt) nicht verlängert wird oder Ihnen ein Auftrag gekündigt wird, aber kann sich dass nicht verändern, gerade durch "offenes Leben"?


ja sicher, auch hier könnte sich durch ein offenes leben und der ständigen sichtbarkeit einiges verändern, aber nicht jedeR ist bereit dafür seine berufliche und somit auch finanzielle existenz aufs spiel zu setzen.
meiner meinung nach, ist für viele menschen ein gutes finazielles fundament, eines der grundvoraussetzungen für ein einigermaßen lebenswürdiges leben.
ich weiß, dass es mir egal wäre ob man mir wegen meines lesbisch seins einen auftrag entzöge, aber ich verstehe diejenigen, denen dies nicht egal ist auch sehr gut.

ZITAT
Ist es nicht vielleicht auch so, dass "verstecktes" Leben eine dauerhafte Belastung darstellen kann, die z.B. zu erhöhtem Suchtmittelverbrauch oder anderen Erkrankungen führen kann?


mir persönlich wäre dieses ständige versteckspielen ein graus und würde meinem psychischen und physischen wohlsein, sicherlich nicht dienlich sein.
ich bin mir fast sicher, dass die die im schrank leben müßen, weil ihnen und/oder ihren liebesten und familienangehörigen ansonsten gefahr droht, doppelt belastet sind und möchte sicherlich mit ihnen teilen.

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Hortensie
Beitrag 25.Sep.2009 - 13:06
Beitrag #32


"Jeck op Sticker"
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Mal so als Buchtipp:

Ilse Kokula >>Wir leiden nicht mehr, sondern sind gelitten!<<
Lesbisch leben in Deutschland, KiWi 1987

Ilse Kokula hat Gespräche geführt mit 13 lesbischen Frauen; 2 davon in der damaligen (1987) DDR.
Anhand dieser Gespräche ist die Lebenssituation lesbischer Frauen damals dokumentiert und in einen gesellschaftlichen Kontext gesetzt worden.

Die Autorin:
Ilse Kokula, 1944 in Sagan/Schlesien geboren, lebt als Sozialwissenschaftlerin in Berlin (West). Sie ist seit 1972 in der Frauen- und Lesbenbewegung aktiv tätig.




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