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> Bahnfahren., Sozialstress auf Rädern.
Sägefisch
Beitrag 09.Sep.2009 - 22:09
Beitrag #1


Schlaudegen.
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Nach soeben erfolgtem Telefonat mit meiner Freundin, die sich in einem von Ruhestörung geplagten Fernreise-Nachtzug befindet (wenn man sich Karten für einen Zug mit Schlafabteilen kauft, weiss man doch dass man dort leise zu sein hat?!), leide ich aus der Ferne sehr mit, wohl wissend wie oft auch mir schon das Bahnfahren zum echten Ärgernis geworden ist.

Dabei bin ich von Verspätungen noch nicht mal so ausgiebig gepeinigt - es sind die lieben Mitreisenden die mich erschreckend oft bis zur Weissglut bringen und glatt einen ausgeprägten Wunsch nach ungemütlichsten Autoritäten alter Schule in mir auslösen.

Ich komme selten mal durch einen Zug, ohne jemanden mit den Schuhen auf den Polstersitzen zu sichten. Irgendjemand hört auch immer laut seine Musik auf dem Handy. Schulklassen drängeln, schreien sich stundelang an und schmeissen mit Müll. Ein junger Türke vertrimmt seinen kleinen Bruder ziemlich brutal und lautstark, nachdem sich dieser mit einem Cousin(?) ein wildes Rotzduell (inklusive reichlich feuchten Kollateralschäden) geliefert hat.

Und das verblüffende: das Personal latscht offensichtlich resigniert dran vorbei und sagt, tut, regelt: NICHTS. "Ich bin gar nicht da."

Hab ich einfach Pech? Selektive Wahrnehmung? Oder kommt Euch das auch so vor dass sich im rollenden öffentlichen Raum immer ungenierter ausgekotzt wird?
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edelbratschi
Beitrag 09.Sep.2009 - 23:05
Beitrag #2


~ Fischkopp ~
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Auskotzen im öffentlichen Raum - ja, leider. Ich nehme das ähnlich wahr. Für den Zug allerdings weniger, was daran liegen mag, dass ich, so weit es geht, versuche, Nahverkehrszüge zu meiden. Mein Eindruck - er hat sich in jahrelangem regelmäßigem Großstadt-Pendeln gebildet, wird aber auch jetzt noch gelegentlich überprüft und ggf. modifiziert - ist, dass ausgiebiges Sich-Daneben-Benehmen in schnelleren Zügen seltener vorkommt.

WENN es aber vorkommt, dann hat keine Bevölkerungsgruppe ein Monopol darauf. Da ist der Geschäftsmann, dessen Händi auf einer von Funklöchern durchsetzten Überlandstrecke ständig tutet, und der gefühlte 20.000 zwölfeinhalb-sekündige meeeeeeeeeeeeeeeega-wichtige Telefonate führt, da sind die Kinder, die sich wahlweise prügeln, mit Schuhen auf Sitzen herumspringen, stundenlang immer vom einen Ende des Wagens ans andere rennen (dann hat Mutti es schön ruhig um sich herum und die kleinen doch immer im Blick...) oder die Bibi-und-Tina-Kassette SO hören, und deren Mutter das offenbar völlig ok findet, sitzt sie doch nägellackierenderweise (IMG:style_emoticons/default/drunk.gif) daneben... ect. pp.
(Diese Beispiele zeigen meiner Erfahrung nach nicht die Mehrheit, aber sie kommen vor, sind durchaus realistisch, mehrfach erlebt und erprobt.)

Nachtzüge sind nochmal eine Sache für sich, der Nahverkehr sowieso.

Interessant finde ich auch, dass scheinbar die Regel gilt, je mehr Menschen im Zug sind, desto weniger Personal ist an Bord...

Der Beitrag wurde von edelbratschi bearbeitet: 09.Sep.2009 - 23:07
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Sägefisch
Beitrag 10.Sep.2009 - 07:23
Beitrag #3


Schlaudegen.
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QUOTE(edelbratschi @ 10.Sep.2009 - 00:05) *
WENN es aber vorkommt, dann hat keine Bevölkerungsgruppe ein Monopol darauf.


Jein - ich mag ja mit zunehmendem Alter immer weniger darauf verzichten, bestimmte Häufungen klar zu benennen, und mein subjektiver Eindruck aus vielen vielen jährlichen Schienenkilometern ist: je jünger desto Dreck und laut, und Familien die auf Billigticket reisen (idR Marke deutscher Proll oder Orientexpress) umgehe ich auch nach Kräften.

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Tobler-ohne
Beitrag 10.Sep.2009 - 07:58
Beitrag #4


Naschkatze
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Ich möchte mal ein wenig die Lanze für die DB brechen. Ich fahre seit ca. 6 Jahren mit der DB in die Arbeit und bin recht froh darüber. Kein Stress mehr morgens auf der Autobahn, kein Stau mehr, keine Gedanken daran ob man noch einen Parkplatz kriegen wird. Alles weg - und das dann noch zu einem viel günstigeren Preis als mit dem Automobil.
Im Zug kann ich lesen und, ganz besonders mag ich hervorheben, das ich im Zug schon viele tolle Menschen kennengelernt habe. Und Verspätungen u. ä. verstärken bei unsere Zughorde nur noch die Solidarität. Das sich Leute daneben benehmen, sehe ich eher als Ausnahme. Und wenn jemand mal seine Musik zu laut gedreht habe, dann denke ich immer wieder an meine Teeny-Zeit: damals konnte der Ghettoblaster auf der Schulter nicht laut genug sein. Ich glaube, im Großen und Ganzen, ist die Mehrheit im Zug schon ganz ok.
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sonnenstrahl
Beitrag 10.Sep.2009 - 08:37
Beitrag #5


verboden vrucht
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Ich teile durchaus die (v.a. Bratschis) Wahrnehmung, dass es relativ egal ist, ob ich zugfahre oder wahlweise in einen Vergnügungspark am Ermäßigungstag für kinderreiche Familien oder in ein italienisches Businessrestaurant zur Mittagszeit gehe. Eine angesäuselte Provinz-Hausfrauenrunde älteren Semesters auf dem Rückweg aus der Metropole in ihr Dorf kann genauso nerven wie Bibi Blocksberg auf Höchstlautstärke oder Vierzehnjährige, die wie explodierte Douglasfilialen riechen. Von Fußballfans mal ganz zu schweigen.
Dass bestimmte Bevölkerungsgruppen auf´s Ganze gerechnet am Tumult besonderen Anteil hätten, konnte ich bisher nicht feststellen. Und ich finde auch nicht, dass es in den letzten jahren schlimmer geworden ist.
Eher habe ich gute und schlechte Tage.
An den guten, die weitaus überwiegen, habe ich gar nicht erst den Anspruch, z.B. in Ruhe Kompliziertes lesen, oder noch ein Ründchen dösen zu wollen. Wenn es doch klappt, bin ich freudig überrascht. Oder ich treibe halt anthropologische "Studien" und amüsiere mich meist durchaus dabei.
Und an den schlechten lass ich mich ärgern. Da kann ich dann üben, inmitten all des Trubels "einfach nur da zu sein und zu atmen. OMmmmmmm." Manchmal gelingt´s, manchmal muss ich was sagen, aber ich kann es freundlich tun - und manchmal packt mich der Zorn, und ich weise blitzeschleudernd irgendjemanden, oder auch schonmal den ganzen Großraumwagen zurecht. Da werden dann flugs kleine Pippilottas auf Mamis Schoß genommen, und der bösen Tante giftige Blicke zugeworfen. Auch mal entschuldigende, das schon. Backfische kichern hinter vorgehaltener Hand - aber immerhin: Sie reissen sich zusammen (wobei leider keine Dusche zur Verfügung steht). Die beschwipsten Hausfrauen sagen meist sowas wie: "Oh, ich glaub, wir waren ´n büsch´n laut. Pssssst, Erna, die junge Frau muss arbeiten." Der dauertelefonierende Geschäftsmann zickt: "Dies ist aber keine Ruhezone!" "Doch!", sage ich, "Da haben Sie wohl nicht aufgepasst beim Buchen." "Oh, echt? Sorry!" ... Nur bei Fußballfans weiss ich, dass ich es gar nicht erst zu versuchen brauche.
Ich hatte auch schonmal ein stark angeheitertes Lesbenpärchen im Abteil, beide ca. 45, "naturblond", gekleidet wie für die Pirsch, und offenbar dazu angetreten, allen, die um sie herum saßen (in diesem Falle nur mir) zu zeigen, wie scheissnormal, borniert und prüde sie - im Gegensatz zu ihnen - doch sind, indem sie sich ständig die Zungen sonstwohin steckten und lauthals zuraunten, was dann erst gleich zuhause noch miteinander geschehen würde.
O.k., wenn Leute so eindeutig provozieren wollen, wechsel ich, wenn möglich, das Abteil, ohne drauf einzusteigen.
Ja, so sind sie, die Menschen. Lässt man sie, geraten sie leicht mal ausser Rand und Band. Ist mir ehrlich gesagt hundertmal lieber als von vorneherein eingeschüchterter "Anstand" nebst "Zucht und Ordnung." Dass dafür immer noch jede Menge Empfänglichkeit da ist, zeigt sich mir, wenn ich gelegentlich die "Autoritätsperson" aus dem Sack lasse.
Am liebsten wäre mir in derartigen, öffentlichen Situationen natürlich auch ein allgemeines Gespür für angemessenes, rücksichtsvolles Verhalten. Nur ist das eben nicht die Realität.

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 10.Sep.2009 - 09:00
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DerTagAmMeer
Beitrag 10.Sep.2009 - 10:19
Beitrag #6


Adiaphora
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Wenn meine Mutter sagt, sie hätte mich zur Selbstständigkeit erzogen (und das sagt sie gern und oft), ist damit vor allem eines gemeint: Busfahrn!

Schule, Freunde, Sportvereine, Kirche - nix in meiner Kindheit und Jugend war fußläufig, sondern locker über den "Nahverkehrsraum" verteilt.
Den aber kannte ich wie meine Westentasche (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif) .
Und nirgendwo konnte ich so konzentriert Schularbeiten machen, lernen, lesen, nachdenken, von der ersten großen Liebe träumen oder zwischen frisch zertrümmerten Träumen weinen wie in Bussen und Bahnen.
Unzählige Male bin ich mit ihnen um die Wette gerannt - um entweder siegreich und überglücklich (mit der Verheißung tatsächlich pünktlich irgendwo anzukommen) hineinspringen zu können oder abgeschlagen hechelnd das Nachsehen an der Haltestelle zu haben.

Die ideale Kulisse für dramatische Abschiede, himmelhochjauchzende Happy Ends, große Erwartungen und bleischwere Enttäuschungen? Bahnhöfe!
Der Umzug in meine erste eigene Bude, der Aufbruch in ein neues Leben, die Fahrt zum Standesamt, der tägliche Heimweg, das Rendevous mit der Liebsten? Öffis!

Höre ich "Voll das Leben", denke ich an das Innere eines Nahverkehrszuges morgens um halb acht und halte den Gebrauch von PKWs mit der ignoranten Überheblichkeit einer stolzen Monatskartenbesitzerin für puren Autismus (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)
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pfefferkorn
Beitrag 10.Sep.2009 - 11:16
Beitrag #7


Gut durch
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meine bewunderung für dtam:

je älter ich werde, umso weniger mag ich mit öffis im nahbereich fahren, weil ichs auch nachts nicht wirklich toll finde - und andererseits natürlich denke, dass es ja albern privilegiert ist, dann mit dem auto zu fahren - das kann ja nicht der sinn der sache sein..... aber manchmal sind individuelle lösungen halt doch einfacher :-)

aber: wenn ich weiter reise, dann buche ich halt die "ruhezone" die gibt´s ja!

und da bestehe ich dann auch drauf, dass eben nicht telefoniert wird - viele setzen sich in die ruhezone und bemerken die schilder nicht, weil sie gar nicht wissen, dass es schweigeabteile gibt - ich liiieeebe sie!

Der Beitrag wurde von pfefferkorn bearbeitet: 10.Sep.2009 - 11:16
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Hortensie
Beitrag 10.Sep.2009 - 12:50
Beitrag #8


"Jeck op Sticker"
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Solange Kegelclubs, Jungesellenabschide, Jungesellinnenabschiede und ähnliche Unruhegeister mit rapiede steigenden Alkoholpegel unterwegs sind, ist Bahfahren immer mit einem unangenehmen Greäuschpegel verbunden.

Im ÖPNV wünsche ich mir manchmal die Einführung der Kontrolloeure zurück, ansonsten finde ich geht es.

Ich fand es vor ein paar Jahren deutlich unangenehemer.

Aber die Einschätzung "desto hochpreisiger der Zug desto gesitterter geht es zu" teile ich.

Insgesamt finde ich, dass man pro Zug wieder ein Raucherabteil einführen sollte, denn im ICE zugequalmte und entsprechend vermüllte Klos zu ahben, finde ich deutlich unanagenhemer, als wenigstens 1 offizielles Raucherabteil zu haben.
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revelo
Beitrag 10.Sep.2009 - 14:42
Beitrag #9


No Title
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Ich kann die schlechten Erfahrungen so nicht teilen. Natürlich gibt es ab und an Leute, die laut sind, mir auf die Nerven gehen, aber ich nehme mir auch das Recht heraus, die entsprechenden Leute darauf anzusprechen. Je nach Gespür mal freundlich, mal energischer und (nun mag dies eine Überraschung darstellen) ich habe damit ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Denn häufig ist es den Leuten gar nicht bewusst, dass sie sich für ihre Umgebung störend verhalten (gilt für mich ja auch evtl.) bzw. reicht es bei Jugendlichen auch aus, ihnen ihre fünf "Aufmerksamkeitsminuten" zu geben und dann ist den meisten von ihnen auch klar, dass jetzt "Schicht im Schacht" ist.

Der Beitrag wurde von revelo bearbeitet: 10.Sep.2009 - 14:43
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Deirdre
Beitrag 10.Sep.2009 - 14:43
Beitrag #10


Satansbraten
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Ich fahre häufig und gerne mit öffentlichen Verkehrsmitteln, auch mit der Bahn.

Klar, wenn Leute zu Fußballspielen etc. unterwegs sind oder man den ersten Zug am Sonntagmorgen nimmt, sieht man manchmal die eine oder andere Bierpfütze oder bekommt ein paar alkoholisierte Stimmen zu hören.

Aber den einzigen relevanten Unterschied zu früher sehe ich darin: Die Leute kennen sich mit Höflichkeit weniger gut aus. Sie sind nicht unbedingt unfreundlich oder extrem rücksichtslos, aber etwas unbedarft. Wenn man jedoch Hilfe möchte, bekommt man sie normalerweise auch.

Der Beitrag wurde von Deirdre bearbeitet: 10.Sep.2009 - 14:43
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dandelion
Beitrag 14.Sep.2009 - 07:32
Beitrag #11


don't care
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ich gehöre zu denen, die fast jeden Tag in Straßenbahn, Bus oder Regionalzug sitzen. Auf dem Weg zur Arbeit, zur Vorlesung, zu Freunden. Fast immer kommt mindestens eine S-Bahn oder schnelleres dabei zum Einsatz, sprich: die Fahrt dauert mindestens 30min bzw. 20km.

problematisch, weil ich anderen Menschen ungern beim essen zuhöre und noch ungerner die Deformation eines Kaugummis im Einsatz bis ins letzte Detail mitbeobachten kann. Streßtrommeln macht mich ebenfalls ziemlich nervös. Weil das mein Problem ist und nicht das meiner Mitreisenden, habe ich relativ brauchbare Kopfhörer am Handy, mit denen ich diese Geräusche übertönen kann (und die man außerhalb meines Kopfes kaum hört), und meistens ein Buch oder ein Rätselheft, das mir die visuellen Reize ausblendet.
Im Berufsverkehr ein funktionierendes, aber auch notwendiges Mittel. Die meisten meiner Mitinsassen sind infolge Streß oder Müdigkeit eher gereizt, und das ist meine einzige Chance, ihnen aus dem Weg zu gehen.

Vergangenen Freitag habe ich dann das erleben dürfen, was mich an Bahnfahrten am meisten nervt: besoffene Vereine auf Wochenendausflug am späten Freitag Vormittag. Die Kinder, die mir begegnen, sind entweder nicht halb so schlimm wie "eure", oder ich nehme sie einfach nicht als störend wahr, weil sie Kinder sind. Menschen, die der Meinung sind, sie müßten sofort und lautstark über die Bahn oder ihre Mitreisenden jammern/schimpfen, weil sie sich in ihren selbstdefinierten Rechten verletzt fühlen, wecken bei mir ggf. eher den Eindruck, daß sie sich da jetzt austoben, weil ihnen sonst im Leben keiner zuhört. So ein Faß würde ich für 20 Minuten Fahrt nicht mehr aufmachen. Wenn mich einer zu sehr nervt, gehe ich eben in ein anderes Abteil, der Zug ist ja lang genug und einen Sitzplatz habe ich meistens sowieso nicht mehr gekriegt.

Ehrlich gesagt fahre ich fast am liebsten nachts Bahn, wenn ich "feiern" war und nach hause möchte; am liebsten nach dem Karten spielen bei einer Freundin, weil ich dann eher nüchtern und wach bin als sonst, und weil das auch mal unter der Woche vorkommt, wo's ruhiger ist.
Ist man erstmal aus den Ballungszentren der wodkaseligen Halbstarken heraus, fängt der Zauber des Menschelns an, den dtam so schön beschrieb. ruhige, müde Gestalten, die ohne Aggression und Beobachter einfach sie selbst sind und nach dem Stranden (in der Bahn) noch irgendwie nach hause kommen. das mag ich. (IMG:style_emoticons/default/smile.gif) außerdem gibt's nachts noch Sitzplätze (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)

Trotz allem mag ich die Bahn, weil sie mir ermöglicht, in fast jedem Zustand längere Strecken zurückzulegen - auch schlafend, lesend, ins Gespräch vertieft. Weil mich die Bahnanlagen in ihrer Bauart faszinieren. Weil (beispielsweise) die Menschen im Berufsverkehr am Düsseldorfer Hauptbahnhof wie Ameisen zielstrebig aneinander vorbeihasten, ohne daß einer auswiche - und trotzdem stößt (zumindest außerhalb der Sommerferien samt Urlauberströmen) nie jemand zusammen. Weil die Bahn, entgegen landläufiger Meinung, hierzulande wesentlich pünktlicher ist als anderswo. Und weil man auch bei Wind und Wetter noch gesund am Ziel ankommt, wenn man als Autofahrer beim Versuch den Hals riskieren würde.

Daß man allerdings mit der Bahn nicht im Stau steht, muß ich leider widerlegen, ist mir diesen Monat allein schon mehrfach passiert. Man kann es sportlich nehmen und die verschiedenartigen Störungsmeldungen zählen. (IMG:style_emoticons/default/cool.gif)
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Liane
Beitrag 14.Sep.2009 - 13:02
Beitrag #12


Heiligenanwärterin
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Ich gehöre auch zu denen, die sehr viel mit dem öffentlichen Verkehr, auch auf längeren Strecken von 1 Stunde aufwärts, unterwegs sind.
Ob ich die Mitreisenden nervig finde, ist in gewissem Rahemn von meiner Tagesverfassung abhängig.

Meine Antihighlights sind lautstarkes Telefonieren, besonders in höchstpersönlichen Angelegenheiten und das Abspielen von allen irgendwie verfügbaren Handygeräuschen.
Ich spreche Leute schon mal an, wenn sie ausgerechnet in der Ruhezone ihre wöchentliche Telefonliste abarbeiten, oder wenn ich trotz Ohrppax ihre Musik mitverfolgen muss.
Den Platz wechseln kann ich auch mal, wenn jemand mir gegenüber penetrant in der Nase bohrt, oder wenn Herren Gesellschaft suchen und dringend meine Telefonnummer für Freundschaft benötigen.

Im Normalfall halte ich es ähnlich wie dandelion - Augen und Ohren zu und durch. In-ear-Kopfhörer (mit oder ohne Musik) oder Ohropax, sowie etwas zu arbeiten oder zu lesen. Gegen stinnkende Mitmenschen hilft Chinabalsam unter der Nase - das hat mir in einem Reisebus schonmal so gut wie das Leben gerettet - nicht alle Menschen waschen sich wenigstens 1 mal pro Woche.
Ich bemühe mich meinerseits auch um Diskretion, führe Unterhaltungen in erträglicher Lautstärke und esse keine starkriechenden Speisen (Broccoli sollte Zugverbot haben).
Die größte Verspätung im vergangenen Jahr war 1 Stunde, im Normalfall handelt es sich um maximal 15 Minuten - wobei die Schweizer Bahn deutlich pünktlicher ist als die Deutsche - zumindest, wenn ich fahre....

Ich würde den Zug/die Straßenbahn trotz aller Widrigkeiten nicht gegen ein Auto tauschen wollen. Zu sehr schätze ich den Luxus, nicht aufmerksam sein zu müssen, keine Parkplatzsorgen zu haben u.a.
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LadyGodiva
Beitrag 14.Sep.2009 - 15:35
Beitrag #13


Strøse
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Am Bahnfahren merke ich wohl am eindrücklichsten, dass ich alt werde: ich habe dann einfach das Abteil gewechselt, bereits beim Einsteigen einen Bogen um randalesuspekte Subjekte gemacht, zum Teil lieber den Stehplatz im Ratter-ratter-Zwischengang genutzt... Bahnfahren war da nämlich entweder dem Nahbereich oder der privaten Ausflügelei vorbehalten und unter den Vorgaben "bin ja gleich da" oder "hab ja Urlaub" mit Blick auf ein schönes Deutschland, das draußen vorbeiflitzt, ganz erträglich. Ich habe mich über Sparangebote und Rund-um-Sorgenfrei-Tickets gefreut, bin leidenschaftlich mit dem WE-Ticket unterwegs gewesen; mir wäre es nie in den Sinn gekommen, 1st-class zu reisen.
Inzwischen ist es aber so, dass ich aus einem ohnehin sehr sozial gefärbten und Kräfte zehrenden Berufsalltag mehr oder minder direkt in die Bahn steige, eine recht lange Fahrzeit vor mir habe und künftig sicher nicht seltener sehr weite Strecken für recht fordernde Fortbildungsveranstaltungen zurücklegen werde. Um also überhaupt dem Zweck der Reise gerecht zu werden, ist es von Nöten, garantiert erholt anzukommen. Ich bin keine reine Freizeitkundin mehr und spüre deutlich einen Bedürfniswandel hin zu mehr Ruhe- und Platzbedarf.
Und damit begann mein vollstes Verständnis für Menschen, die sich in den Exklusvibereich der Bahn zurück ziehen.
Natürlich ändert das auch nichts an der teilweise ungeheuerlichen Art und Weise, wie BahnKUNDEN bei Streckenstörungen nicht- oder fehlinformiert werden, es zieht keine nichtvorhandenen sanitären Einrichtungen (ICE-Haltepunkt Wittenberge, von Provinzbahnhöfen ganz zu schweigen) oder Unterstellmöglichkeiten aus der Schaffnermütze - aber ich vermute tatsächlich hinter der Beziehung Fahrpreis-Publikum einen Weg, unter Mitfahrenden ein wenig mehr Respekt und Anstand erwarten zu können. Ich habe den Eindruck, dass, wer sich Raum selbst leisten mag, diesen auch selbstverständlicher anderen zugesteht, während Reisen für viele im großen Publikumsbereich oft eher einer recht rotzigen Raumnahme gleichkommt, akustisch wie physisch.
(Ich habe gerade auf bahn.de den "welcher-BC-Typ-sind-Sie?"-Test gemacht und wenig erstaunlich die Bahncard first 50% angeboten bekommen - sicher im Sinne des Erfinders und anhand von 4 Fragen nicht valide, aber das Ergebnis spiegelt mein Empfinden wider.)

Der Beitrag wurde von LadyGodiva bearbeitet: 14.Sep.2009 - 15:36
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Sägefisch
Beitrag 15.Sep.2009 - 16:58
Beitrag #14


Schlaudegen.
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So wie heute lob ich´s mir dann wieder. (IMG:style_emoticons/default/a5.gif)
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robin
Beitrag 16.Sep.2009 - 18:41
Beitrag #15


I lof tarof!
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Was lobst du dir heute (inzwischen gestern)?
Dass du kohle hast?
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Sägefisch
Beitrag 16.Sep.2009 - 22:22
Beitrag #16


Schlaudegen.
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Nein, dass ich einen 620 m langen Güterzug selber fahren durfte. (IMG:style_emoticons/default/icon4.gif)
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sonnenstrahl
Beitrag 16.Sep.2009 - 22:39
Beitrag #17


verboden vrucht
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ZITAT
Ich habe den Eindruck, dass, wer sich Raum selbst leisten mag, diesen auch selbstverständlicher anderen zugesteht, während Reisen für viele im großen Publikumsbereich oft eher einer recht rotzigen Raumnahme gleichkommt, akustisch wie physisch.


Gar so viel Erfahrung habe ich mit First-Class-Reisen per Bahn nicht.
Dafür umso mehr mit sich first-class-wähnenden, reichen bis strunzreichen Taxifahrgästen, die sich ganz und gar nicht immer so benommen haben, dass es für ihre damals noch sehr junge Chauffeurin angenehm gewesen wäre.
Ich erinnere mich an von Sturztrunkenen in teuren Pelzmänteln vollgekotzte Sitze, an nasenschleimhautverätzende Parfumschwaden, an von vorne rechts nach hinten links laustark über mich hinwegredende Frackträger, an manch unglaublich herrischen Tonfall, an die selbstverständliche Erwartung, dass ich, das Hemd, ihren bleischweren Koffer drei Stockwerke hochwuchten solle - und fassungsloses Zetern, wenn ich es nicht tat, an entrüstetes Gekeife und eine Beschwerde beim Funk, weil ich mich in der Einfahrt geirrt hatte, an einen Kerl aus dem vornehmsten Viertel, der mich fragte, ob ich - die ihn auf den Straßenstrich gefahren, und sich seine weinerliche Halbmast-Leidensgeschichte angehört hatte - etwas dagegen hätte, dass das Angestrebte auf meiner Rückbank stattfände, an lautes Absingen von Altherrenliedern ("Ich sitz so gern beim Humpen ..."), an nicht wenige gezückte 1000 DM-Scheine ("Wie? Sie können nicht wechseln? Was ist das denn für ein Saftladen hier?"), an blasierte Unfreundlichkeit, an dichten Zigarrenqualm (ohne vorher gefragt zu haben, ob es mich stören würde, wenn ...), ... , und an extreme Knauserigkeit in Sachen Trinkgeld (ganz im Gegensatz zu Leuten, die es sich garantiert nicht hätten leisten zu können, sich mal eben ein Taxi von Blankenese nach Wellingsbüttel, also einmal quer durch Hamburg, zu bestellen, weil es ein Gläschen mehr geworden war bei Professors).
Die Rechnung: Volle Taschen garantieren besseres Benehmen, geht nach meinem Erleben nicht auf.

Dennoch: Wenn ich einen entsprechend und dauerhaft dickeren Geldbeutel hätte, würde ich es mir sicherlich auch gönnen, mitunter Erster Klasse zu meinen Fortbildungen zu reisen. Oder in der Schlafwagen-Suite. Und am Ankunftsort 4 Sterne-logieren. Keine Frage. Letzteres hab ich sogar schon gemacht. Auch, weil ich es zuweilen amüsant finde, irgendwo augenscheinlich nicht hinzupassen, und mir das Recht des Dortseins trotzdem zu "erkaufen". Aber in erster Linie, weil ich durchaus auf Luxus steh, und wahrscheinlich grade ein anfallsweises Gefühl von monetärem Reichtum hatte.


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DerTagAmMeer
Beitrag 17.Sep.2009 - 06:54
Beitrag #18


Adiaphora
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ZITAT(LadyGodiva @ 14.Sep.2009 - 16:35) *
Ich habe den Eindruck, dass, wer sich Raum selbst leisten mag, diesen auch selbstverständlicher anderen zugesteht.


Achtung Moralkeule:
Statt eines 1.-Klasse-Zuschlags von mtl. 72,90 für mein individuelles Monats-Abo wähle ich lieber die Option zwei (!) Kindern über Patenschaften einen Schulbesuch und sauberes Trinkwasser zuzugestehen.

Aber mal im Ernst: Du willst doch nicht wirklich behaupten, dass ein erweiterter finanzieller Spielraum Menschen humaner machen würde, oder?
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LadyGodiva
Beitrag 17.Sep.2009 - 07:48
Beitrag #19


Strøse
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Geld macht den besseren Menschen. Feine Lesart, ne?

Meine These:

Viele Menschen fahren (wohl aus Vernunftsgruenden) zweite Klasse. Mit dem Kauf eines entsprechenden Tickets gehen sie einen kleinen Kuhhandel ein: preiswerte(ere)s Ticket gegen die Wahrscheinlichkeit, auf ein raeumlich sehr eingeschraenktes Platzangebot zu stossen - sprich: der Zug kann voll sein wie immer. Ich beobachte immer wieder, dass aber genau die zweite Komponente nicht wirklich angenommen wird und oftmals eine physische Expansion erfolgt, die auf Kosten der zu den gleichen Konditionen reisenden Mitpassagiere geht. Anstatt sich den beengten Gegebenheiten respektvoll anzupassen und Gepaeckvolumen, Lautstaerke und Aktivitaetsmodus auf das fuer das Nebenan ertraegliche Mass (nur fuer ein paar Stunden, dann scheiden sich die Wege gluecklicherweise ja wieder) zu reduzieren, ueppt das volle Leben im Abteil als ob's das heimische Wohnzimmer waere. (Oder eben gerade nicht.)
Meine Erfahrung ist ebenso: ist jemand bereit, fuer ein Mehr an Raum und Luft auch mehr auszugeben, besteht auch mehr Bereitschaft, dieses seinen Mitreisenden zuzugestehen, respektive von ihnen nachhaltiger zu erwarten.

Und fuer mich fiel die Entscheidung: wenn ich erholt zu Fortbildungszwecken ankommen will, wird's das kuenftig wohl erste Klasse.

Hinzugefuegt: Mir geht es wahrlich nicht um etwaige am-Platz-Services oder die integrierte Massagematte. Ich sehe nur, dass man sich in einer besseren Klasse auch ein wenig mehr an Distanz erkaufen kann - und den Preis bin inzwischen dann auch geneigt zu zahlen, wenn mir dieser Form von Comfort besonders wichtig ist - oder unabdingbar, weil ich am Folgetag tatsaechlich rund um die Uhr fit sein muss.

Der Beitrag wurde von LadyGodiva bearbeitet: 17.Sep.2009 - 07:58
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dandelion
Beitrag 17.Sep.2009 - 08:26
Beitrag #20


don't care
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ZITAT(LadyGodiva @ 17.Sep.2009 - 08:48) *
ist jemand bereit, fuer ein Mehr an Raum und Luft auch mehr auszugeben, besteht auch mehr Bereitschaft, dieses seinen Mitreisenden zuzugestehen, respektive von ihnen nachhaltiger zu erwarten.

Und fuer mich fiel die Entscheidung: wenn ich erholt zu Fortbildungszwecken ankommen will, wird's das kuenftig wohl erste Klasse.

Das oben Gesagte hat für mich auch wenig mit genereller Luxusgesellschaft zu tun, sondern vielmehr mit der Entscheidung, was mit dem vorhandenen Geld gemacht wird. Mein Monatsticket könnte beispielsweise auch billiger sein, hätte ich mir nicht gegönnt, mir damit Heimwege durch zwei verschiedene Gemeinden offenzuhalten. Warum? Weil einer der beiden Wege mit schwerem Gepäck oder nachts am Wochenende angenehmer war als der "konventionelle", da ich so ohne Umsteigen mit der S-Bahn nach Hause kam. Die Zusatzkosten kamen einem 1.-Klasse-Aufschlag für die "konventionelle" Teilstrecke schon bedenklich nahe.

Gemeint ist es wohl eher so, daß ein Ticket 1. Klasse eine Priorität für Freiraum darstellt. Mehr zahlen für mehr Platz bedeutet: der Platz ist mir wertvoll. Was für Menschen wertvoll ist, behandeln sie besser. Allgemein. Ein teures Paar Schuhe wird tendenziell mehr gepflegt als ein billiges, der teure Tisch kriegt eher mal einen Tropfen Politur zu sehen, der billige USB-Stick darf eher mal verstauben, man kriegt ja schnell einen neuen. Die meisten von uns haben es nicht ganz so "dicke", daß ca. 50 Euro nicht auffielen, würden sie in der Kasse fehlen. Trotzdem gibt es vermutlich für jede von uns einen Bereich, in dem sie nicht unbedingt zu sparen gewillt ist. Für manche ist das Bio-Ernährung, für manche Marken-/handgemachte Kleidung, für manche hochwertige Möbel, für manche eine eindrucksvolle Bibliothek, für manche der teure Sportverein, für manche das eigen(händig restauriert)e Haus... Dinge, über die andere den Kopf schütteln würden, würde man sie ihnen vorschlagen.
Freiheit ist ein wichtiges Gut. Entspannung ist ein wichtiges Gut. Erholung auch. Was ist falsch daran, in dergleichen zu investieren?
Ich frage mich gerade ernsthaft, ob die Entrüstung auch nur halb so hohe Wellen schlüge, würden die Bahnabteile nicht in "Klassen" unterteilt, sondern in Bereiche mit weniger urteilsbehafteten Namen.

Klar gibt es bei beiden Gruppierungen (in der 1. wie 2. Klasse) arrogante Anzugträger und grumpige Hektiker. Aber gleich auf dem Flur werde ich beispielsweise einer Gruppe sehr netter Anzugträger begegnen (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) Und meiner Erfahrung nach sind Menschen, die "Zeit ist Geld" zur Devise haben, die klassische Fehlbesetzung für die zweite Klasse, weil sie auf beengtem Raum Aggression, Arroganz und Konkurrenzdenken ausdünsten. Ein ganzer Waggon kann von drei solchen Gestalten völlig unter Strom gesetzt werden. Dann doch lieber ab auf die "stille Treppe" mit der 1 an der Wand.

Meine Beobachtung im Berufsverkehr ist die, daß viele 1. Klasse-Kunden im Nahverkehr entspannter beim Einsteigen sind, weil ihre Schlacht um die Sitzplätze mit dem Hinsetzen bereits gefochten ist - für meiner eine, die eben keine Priorität auf Beinfreiheit legt, ist der Sitzplatz auf der Treppe schon Glück. Ein kleiner Fall von "Konkurrenz macht gierig" - ich beobachte auch an meiner Körpersprache den Kampf um den möglichst raschen Ausstieg (weil ich sonst, vom allgemeinen Mob gebremst, erst einen Bus später weiterkomme).
Jetzt kann ich auf den Werteverfall der Menschen wettern, wenn ich Spaß dran habe. Oder auf die, denen es eine ganze Stange Geld wert ist, sich diesem Theater gar nicht erst aussetzen zu müssen. Oder auf den grausamen Gott des Nahverkehrs-Timing, der mir schon wieder einen späteren Feierabend beschert hat. Oder gleich auf die ganze Bahn. Oder ich fange an, mich für meine begrenzt vorhandenen Nerven zu hassen.
Oder akzeptieren, daß ich es so gewollt habe.

nachdenklich,
dandi.

Der Beitrag wurde von dandelion bearbeitet: 17.Sep.2009 - 08:26
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