Absoluter Nervenzusammenbruch ... Einstellungen

[emma84]

Guten Morgen,

ich versuche es so kurz wie möglich zu machen, damit die ein oder andere es auch liest und mir einen Rat geben kann.
Nachdem ich jetzt seit 10 Jahren (bin 26 Jahre) mit niemandem in meinem Umfeld über meine Gefühle gesprochen habe, hatte ich diese Woche einen Nervenzusammenbruch, nachdem ich fasst 2 Wochen nicht geschlafen hatte und auch von totaler Panik überflutet wurde. Ich war total verzweifelt und habe mich wie ein gejagtes Tier gefühlt, dass in die Enge getrieben wurde.
Mein Arzt hat mir starke Beruhigungsmittel gegeben, damit ich wieder runter komme.
Gestern war ich erneut beim Arzt, der mir nochmal ins Gewissen geredet hat und mir sagte, dass ich mit jemandem darüber reden muss, weil es mich sonst kaputt macht. Er hat dann angefangen zu raten und gleich ins Schwarze getroffen.

So nun ist es raus (Ich bin lesbisch) trotzdem weiß ich nicht so recht weiter. Ich habe einen tollen Freundeskreis und eine Freundin weiß es seit gestern auch (die arbeitet dort und der Arzt ist raus und hat sie zu mir geschickt weil ich total am Heulen war, nachdem es raus war). Sie hat es auch erraten müssen...
Sie hat super reagiert (was ich nicht gedacht hätte, weil ich mir echt jahrelang irgendwelche Horrorszenarien ausgemalt habe) und gesagt, dass es nichts an unserer Freundschaft ändern wird und diese Reaktion auch von unserer Clique erwartet.


Ich bin so durch den Wind im Moment. Wann habt ihr es den anderen erzählt ? Entwickelt sich das zum Selbstläufer und irgendwann wissen es alle? Soll ich es allen meinen Freunden einzeln erzählen ? Dafür reicht meine Kraft irgendwie nicht aus? Fragen über Fragen... Über Anregungen, kleine Anekdoten und ein paar aufmunternde Worte würde ich mich freuen. Danke schon mal

LG emma

[kahikatea]

Soll ich es allen meinen Freunden einzeln erzählen ? Dafür reicht meine Kraft irgendwie nicht aus?

Könnte es vielleicht sein, daß deine Kraft und dein Mut viel größer werden, als du gerade glaubst, sobald du erlebst, daß noch mehr Leute positiv reagieren, wenn du es ihnen erzählst? Für mich hört sich das gerade so an, als ob du nur den riesigen Berg vor dir siehst, es allen erzählen zu müssen. Alternativ könntest du dir aber vielleicht auch einfach nur den nächsten Schritt vorstellen und mal überlegen, gegenüber wem in deinem Freundeskreis es dir als nächstes am leichtesten fallen könnte, darüber zu sprechen - und dir bloß mal vornehmen, mit dieser einen Person darüber zu reden, und dann weiter zu sehen.

Längst nicht alle Katastrophen, die man sich ausmalt, passieren dann nämlich, und manchmal ist die Wirklichkeit tatsächlich sogar viel näher am bestmöglichen Ergebnis, das man sich ausmalen könnte.

Zumindest mit Menschen, an denen mir freundschaftlich liegt, würde ich persönlich jedenfalls lieber direkt sprechen, als auf "Selbstläufer" oder Stille Post zu vertrauen - auch wenn es am Anfang Überwindung kostet. Nur Mut! (IMG:style_emoticons/default/bluemele.gif)


Edit: doppeltes Wort

Der Beitrag wurde von kahikatea bearbeitet: 25.Mar.2011 - 12:38

[Sägefisch]

Ich glaube Du solltest es zuallererst mal Dir selbst erzählen. (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)

[malene]

So nun ist es raus (Ich bin lesbisch) trotzdem weiß ich nicht so recht weiter. Ich habe einen tollen Freundeskreis und eine Freundin weiß es seit gestern auch ...
Sie hat super reagiert

Das verstehe ich nicht so ganz… Wenn Du einen so « tollen » Freundeskreis hast, warum hast Du dann solche Angst? Eine Freundin hat Dir inzwischen bewiesen, dass Deine Befürchtungen überflüssig waren und sie scheint für den Rest der Clique einzustehen.

Hast Du wirklich nur Angst vor den Reaktionen der anderen, oder hast Du immer noch Angst vor Dir selbst? (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) Und wenn ja, warum?

Edit: Ach so, „wann“ den anderen erzählen? Der Familie und den besten Freunden am besten sofort erzählen, sie sollten es direkt von Dir und nicht über zehn Ecken erfahren, das könnte sie verletzen. Und dann… das ganze Leben ist ein fortwährendes Coming-out. (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) Und es stimmt, in manchen Situationen kann es eine beträchtliche Energie erfordern. Aber mit der Zeit immer weniger und seltener. Oder, anders gesagt: je besser frau mit sich selbst zurechtkommt, je besser sie sich in ihrer eigenen Haut fühlt, desto einfacher und selbstverständlicher wird alles.

Der Beitrag wurde von malene bearbeitet: 25.Mar.2011 - 20:41

[Schlummi]

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich mich das erste Mal bei einer Freundin geoutet hatte (das ist nun ca. 10 Jahre her). Ich hatte schon Tage vorher Magenschmerzen, war total nervös und habe auch mehrere Anläufe gebraucht. Letztlich war das alles unbegründet, denn sie hat total positiv reagiert. Am Besten macht man selber auch nicht so ein großes Drama ums outen, denn je unverkrampfter man selbst ist umso besser nimmt es das Gegenüber auf. Das ist natürlich am Anfang nicht so einfach, aber im Laufe der Jahre bekommt man immer mehr Übung und Sicherheit und ist auch gegen eventuelle negative Reaktionen gewappnet. Obwohl ich diese bisher in meinem Leben noch nicht gemacht habe. Ich denke auch du solltest etwas mehr Vertrauen in deinen Freundeskreis haben. Und sollten wider Erwarten doch negative Reaktionen dabei sein, so waren es einfach nicht die richtigen Freunde.

Ich war total verzweifelt und habe mich wie ein gejagtes Tier gefühlt, dass in die Enge getrieben wurde.

Gibt es in deiner Umgebung jemand, der dich unter Druck setzt? Und wenn ja in welcher Form?

Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Glück bei deinen nächsten Schritten! (IMG:style_emoticons/default/thumbsup.gif)

[svan]

Liebe Emma,
Sägefisch bringt es auf den Punkt (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)
Wenn du dich selbst akzeptierst, kannst du auch besser damit umgehen.
Deine Angst vor deinen eigenen Gefühlen macht dir das Problem.
Deine Freunde werden sich nicht ernstgenommen fühlen, wenn du sie nicht aufklärst.
Wenn du seit 10 Jahren mit niemandem in deiner Umgebung über deine Gefühle gesprochen hast, so finde ich das mehr als bedenklich! Was sind das denn für Freundschaften, die ohne Gefühle stattfinden?
Gefühle sind doch die Essenz in allen Freundschaften und machen das aus, was man Freundschaft nennt, nämlich ein vertrauensvolles und wertschätzendes Miteinander. Auch Trauer, Schmerz, Wut und Zweifel sind Gefühle.
Das Teilen von Gefühlen ist für mich das wichtigste im Leben.
Freunde, die dich ablehnen, weil du lesbisch empfindest, kannst du sowieso knicken.
Entweder sie akzeptieren dich als ganzen Menschen oder sie akzeptieren dich überhaupt nicht.
Meine Erfahrung ist, dass es für normale Menschen heute kein Problem ist, ob jemand diese oder jene Orientierung hat.
Die meisten Reaktionen auf mein Outing waren ein müdes Schulterzucken.
Nur in fundamentalistischen Gruppierungen habe ich es bisher erlebt, dass die Menschen nicht damit klarkommen.

[mek63]

die, die dich nicht so akzeptieren, wie du bist, sind auch keine freunde!

mach dich nicht verrückt, du bist doch nur lesbisch, nichts mehr und nichts weniger!

[dandelion]

mach dich nicht verrückt, du bist doch nur lesbisch

das ist glaub ich so ziemlich das vernünftigste, was ich jemals an Ratschlag zum Coming Out gelesen habe... (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)

Hallo emma (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)
Die meisten deiner Fragen klingen eher nach einem Cliffhanger in einer Soap. Und ich vermute, die meisten werden bei dir auf dem gleichen Wege eine Antwort finden, wie sie es dort tun: dranbleiben, und du wirst es erleben (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)
Coming-Out habe ich jedenfalls in den letzten Jahren sehr stark als etwas erlebt, dass sich viel leichter mit dem Bauchgefühl als mit großer Planung in den Griff kriegen lässt. Welche Konsequenzen es für dich hätte, wenn es so wäre, weiß ich nicht - aber ich fand es unglaublich entspannend, dass mein Bauch mir schon rechtzeitig Bescheid geben wird, ob ich gerade das richtige vorhabe. Und dass ich mich deshalb nicht mit Vorbereitungen überschlagen muss, sondern an andere Dinge denken.

[emma84]

Hallo nochmal,

danke nochmal für eure Überlegungen und Anekdoten. Meine letzten Tage waren wohl die schwierigsten, aber auch die erleichternsten meines gesamten Lebens.
@Sägefisch: das mit dem mir selbst erzählen hat funktioniert Vielen Dank...

Ich habe gelernt, dass ich die besten Freundinnen der Welt habe (und die beste Mama). Ihre Reaktionen waren für mich überwältigend.
So das ist der Stand der Dinge. Der Rest der Welt kann mich mal (IMG:style_emoticons/default/icon4.gif) kreuzweise. Ich bin erschöpft, aber glücklich... alles andere wird sich ergeben.

LG Emma

[kawa]

Das klingt richtig gut, Emma! (IMG:style_emoticons/default/smile.gif) Herzlichen Glückwunsch! (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)

[dandelion]

Du klingst ein bißchen, als hättest du ein hartes Stück Arbeit zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Wenige Dinge fühlen sich beruhigender an. (IMG:style_emoticons/default/smile.gif) Glückwunsch!

Und weiterhin viel Glück auf dem Weg an die Öffentlichkeit und liebe Menschen an deiner Seite!