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> Ein langer Weg
Cassia
Beitrag 26.Jul.2015 - 04:23
Beitrag #1


Naschkatze
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Da ich mich hier unter anderem auch angemeldet habe, um endlich über ein paar Dinge sprechen zu können, die ich bisher nie so recht auf den Punkt gebracht habe,
will ich an dieser Stelle kurz von meinem langen Weg zum Coming-Out erzählen.

Den ersten Verdacht hatte ich mit 13 oder 14 Ende der 80er, Anfang der 90er - und jeder, der ungefähr in meinem Alter ist, wird sich noch erinnern, dass etwa zu
dieser Zeit das Thema AIDS erstmals so richtig auf's Tablett kam und auch gleich u. a. als "Homo-Krankheit" usw. bezeichnet wurde.
Was ich damit sagen will: Die äußeren Umstände waren nicht gerade günstig für ein Outing (nicht, dass es heute unbedingt leichter wäre). Dennoch hätte ich mich
vielleicht sehr viel früher damit auseinandergesetzt, wenn ich den entsprechenden Rückhalt in der Familie gehabt hätte.
Doch bei uns gab es eigentlich nur zwei Sichtweisen zum Thema Homosexualität: "Diese Schwulen sind abartig und psychisch krank." (Vater) oder "Eigentlich habe
ich nix gegen Schwule, schließlich können die ja nichts dafür. Aber meine Kinder sind nicht so. Und überhaupt ist das meistens eh' nur so eine Phase ..." (Mutter)

Normalerweise hat man Freunde, mit denen man sich über alles mögliche austauschen kann, aber ich denke, dass meine damaligen Freunde reichlich überfordert
gewesen wären, wenn ich mit ihnen über die Frage "bin ich lesbisch" hätte diskutieren wollen.
Das Verhältnis zwischen meinen Eltern und mir war ohnehin nie das beste und die Möglichkeit, ich könnte lesbisch sein, hätte vermutlich zu einem familiären Super-
Gau geführt.
Von daher habe ich es vorgezogen, mit niemandem darüber zu sprechen und mir stattdessen einzureden, es sei wirklich nur so eine Phase und eigentlich stünde ich
doch eher auf Männer (bzw. damals auf Jungs) usw.

Nun ja - das war ein Fehler. Ich habe meine ganze Jugend damit zugebracht, einen wesentlichen Teil meiner Identität zu verleugnen. Doch gerade in dieser Altersspanne
stellt man die Weichen für das weitere Leben und alles, was man sich in dieser Zeit verbaut, kann später nur noch unter Schwerstarbeit nachgeholt werden.
Ich will gar nicht ins Detail gehen, wie ich stets so getan habe, als würde ich bestimmte Schul- oder Vereinskameradinnen nur "nett" finden, wie ich mir später (etwa
im Alter von 16/17) nach dem Sportunterricht immer ewig Zeit gelassen habe, nur um nicht mit den anderen duschen zu müssen, wie ich andauernd mit (mehr oder
weniger überzeugenden) Ausreden daher kam, wieso ich diesen oder jenen Jungen links liegen gelassen habe usw. usw. usw.

Irgendwann war ich dann in einem Alter, in dem ich meinte, langsam zu Potte kommen zu müssen. Um es kurz zu machen: Natürlich ging es gewaltig in die Hose,
denn man kann auf Dauer nicht so tun, als sei man jemand, der man nun einmal nicht ist.

Letztlich habe viel Zeit verloren, doch es ist nicht nur das. Manchmal habe ich das Gefühl, um etwas Wichtiges betrogen worden zu sein. Und warum? Wegen irgend-
welcher idiotischen Vorurteile. Es gab Augenblicke, in denen mich das extrem wütend gemacht hat, weil es so ungerecht ist.
Auch heute noch tue ich mich bei bestimmten Typen, die in ihrer egozentrischen kleinen Welt leben, deren Maßstäbe sie über alles andere stellen, äußerst schwer,
nicht auszuflippen.

Ich weiß aber auch, dass ich mir selbst keinen Gefallen tue, in Selbstmitleid zu waten oder Rachephantasien nachzuhängen. Vor ein paar Jahren habe ich beim Essen
mit einer guten Freundin ganz spontan entschieden, mich zu outen. Daraufhin hat sie einen Prosecco bestellt und mit mir angestoßen. Später hat sie mir gestanden,
dass sie es schon lange vermutet hat, aber mir die Gelegenheit geben wollte, selbst damit herauszurücken.
In der Folgezeit habe ich mich - immer dann, wenn ich meinte, es sei der richtige Zeitpunkt - weiteren Freunden gegenüber geoutet. Und mit jedem Mal, hatte ich
das Gefühl, als würde eine Last, die ich mein ganzes bisheriges Leben mit mir herumgeschleppt habe, ein Stück leichter.

Mittlerweile bin ich soweit, dass ich einfach nur neugierig bin, was (oder wen) die Zukunft bringen mag. Und keinesfalls möchte ich auf Biegen und Brechen verlorene
Jahre wettmachen, indem ich mich mit Vollgas von einer Beziehung in die nächste stürze.

Was ich aus all dem gelernt habe und an dieser Stelle gerne weitergeben möchte: Selbst wenn es sich wie eine Phrase anhört, die man schon tausendmal gepredigt
bekommen hat - es IST wichtig, zu sich selbst zu stehen.
Diejenigen, die uns kritisieren und nach ihren Vorstellungen zu formen versuchen, werden nicht ewig um uns herum sein. Aber die Früchte ihrer zweifelhaften Bemühungen
müssen wir - wenn es dumm läuft - für den Rest unseres Lebens mit uns herumschleppen. Es ist nicht unser Job, unsere Mitmenschen zu bespaßen oder das Objekt
zu sein, an dem sie ihre Komplexe oder ihre Ignoranz austoben können.
Auch wenn es manchmal aufgrund des persönlichen Umfeldes nicht möglich ist, sich sofort z. B. zu seiner lesbischen Seite zu bekennen, so sollte man auf jeden Fall
sich selbst nichts vormachen. Es IST schwer, nach außen hin "so zu tun" und in seinem Inneren vollkommen anders zu empfinden. Dennoch ist dies der erste Schritt.
Und irgendwann wird man die Freiheit haben, sein Leben als diejenige zu führen, die man ist, und nicht als eine, die bloß die Wünsche ihrer Umgebung widerspiegelt.

Das Internet hat definitiv nicht nur Vorteile, aber es bietet die Chance, sich mit anderen auszutauschen, Rat und Hilfe einzuholen, wenn man allein nicht mehr weiter
weiß, sowie Gleichgesinnte (virtuell) zu treffen. All dies hilft ungemein, bei dem oft schwierigen Prozess der se*uellen Selbstfindung.
Deshalb ist es wichtig, dass Foren wie dieses hier gegründet und am Leben gehalten werden.


Puh - wie gesagt: Bin zu nächtlicher Stunde mächtig schreibfreudig. ^^

Der Beitrag wurde von Cassia bearbeitet: 26.Jul.2015 - 04:28
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plop
Beitrag 26.Jul.2015 - 15:45
Beitrag #2


feministische winterfeste klimperlesbe
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uiuiui-diese uhrzeit ist ja eher da um zu schlafen und zu träumen -
oder solche reflektionen zu tätigen-und statt auf papier festzuhalten ins netz zustellen!
danke dafür.
sie zeugen vom wahrgewordenen traum zu sich selbst zu stehen.
wie wichtig fuer jede und uns alle und wie gut!

ich glaube sehr daran ,dass es keine verlorene zeit gibt sondern alles seine zeit hat-
und umwege dazu da sind,das eigentliche (oft erstmal verbórgene) ziel eindeutiger zu definieren.




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Cassia
Beitrag 26.Jul.2015 - 16:04
Beitrag #3


Naschkatze
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ZITAT(plop @ 26.Jul.2015 - 16:45) *
ich glaube sehr daran ,dass es keine verlorene zeit gibt sondern alles seine zeit hat-
und umwege dazu da sind,das eigentliche (oft erstmal verbórgene) ziel eindeutiger zu definieren.


Das hast Du sehr schön gesagt. (IMG:style_emoticons/default/smile.gif) Auch wenn es manchmal schwer zu akzeptieren ist, so bleibt letztlich nur diese Sicht der
Dinge. Alles andere würde dazu führen, noch mehr Zeit mit unnützem was-wäre-wenn-Denken zu verschwenden.

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Gedanken hier - für alle Welt sichtbar - posten soll oder besser nicht.
Dass ich mich entschieden habe, sie öffentlich zu machen liegt zum einen daran, dass es mir wichtig war klarzustellen,
wie entscheidend es für den weiteren Lebensweg ist zu sich selbst zu stehen.
Zum anderen wollte ich mit diesem Statement einen Schlussstrich ziehen und (im übertragenen Sinne) in meinem Kopf
ausmisten.

Jetzt ist es endlich gesagt und damit ist für mich symbolisch ein Kapitel endgültig zu Ende und ich bin bereit für
das nächste.
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kenning
Beitrag 27.Jul.2015 - 22:56
Beitrag #4


Naschkatze
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Hallo Cassia!

Danke für diesen positiven Beitrag. Du hast absolut recht damit, daß man zu sich stehen sollte.

Ich erinnere mich ebenfalls noch an die 80er und auch bei mir waren die Umstände nicht immer ideal. Ich kenn das, den verpaßten Gelegenheiten hinterherzutrauern und zu denken, wenn nur das oder das anders gewesen wäre, dann wäre vielleicht dies oder jenes anders oder besser gelaufen. Aber wie oben schon geschrieben wurde ... das was wir erleben, macht uns im Endeffekt zu dem Mensch, der wir sind. Unsere Erfahrungen - auch wenn es Irrwege oder Umwege sind, die wir gegangen sind - haben uns dorthin gebracht, wo wir jetzt sind. Manche Entscheidungen, die man getroffen hat, würde man rückblickend wohl anders treffen. Wenn man sich allerdings vor Augen hält, daß man aus der gegebenen Situation heraus eben das beste gemacht hat und damals nicht das Wissen und die Erfahrung von später hatte, dann finde ich es wieder einfacher das vergangene abzuhaken und eben aus der jetzigen Gegenwart das beste zu machen um die Zukunft besser, anders, eben positiver zu gestalten.

Darf ich fragen, was Du nun für Dein nächstes Kapitel planst?

lg

kenning
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Cassia
Beitrag 28.Jul.2015 - 00:14
Beitrag #5


Naschkatze
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Ich kann Dir nur zustimmen. Bei jedem einzelnen Satz.

ZITAT(kenning @ 27.Jul.2015 - 23:56) *
Unsere Erfahrungen - auch wenn es Irrwege oder Umwege sind, die wir gegangen sind - haben uns dorthin gebracht, wo wir jetzt sind.


Für mich bedeutet es auch, meine Vergangenheit in ihrer Gesamtheit zu akzeptieren. Würde ich sie ablehnen, würde ich mich selbst ablehnen.
Und darauf habe ich - nach all dem Theater - wirklich keinen Bock.

ZITAT(kenning @ 27.Jul.2015 - 23:56) *
dann finde ich es wieder einfacher das vergangene abzuhaken und eben aus der jetzigen Gegenwart das beste zu machen um die Zukunft besser, anders, eben positiver zu gestalten.


Auch hier meine vollste Zustimmung. Erst akzeptieren, dann annehmen, dann abhaken. Vermutlich werde ich es nicht vermeiden können, auch
in Zukunft immer wieder Dummheiten zu machen, aber es wäre schon ein Trost, wenn es neue und keine alten sind. ^^

ZITAT(kenning @ 27.Jul.2015 - 23:56) *
Darf ich fragen, was Du nun für Dein nächstes Kapitel planst?


Mich (positiv) überraschen lassen. ^^ Ich will damit nicht sagen, dass ich keine Pläne hätte. Aber die beziehen sich eher auf meinen Beruf,
meine Schreiberei und Ähnliches. Was die Beziehungsseite angeht, so bin ich vollkommen offen und harre der Dinge die da kommen mögen.
Immerhin habe ich es schon geschafft, mich hier anzumelden. Ein Hoch auf mich! (IMG:style_emoticons/default/laugh.gif)

Weil Du es oben erwähnt hast: Wenn ich fragen darf, wie kam es zu Deinem ebenfalls relativ späten Coming-Out?

Der Beitrag wurde von Cassia bearbeitet: 28.Jul.2015 - 00:34
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kenning
Beitrag 28.Jul.2015 - 03:39
Beitrag #6


Naschkatze
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QUOTE(Cassia @ 28.Jul.2015 - 01:14) *
Vermutlich werde ich es nicht vermeiden können, auch in Zukunft immer wieder Dummheiten zu machen, aber es wäre schon ein Trost, wenn es neue und keine alten sind. ^^

lol ... ja stimmt. Neue Dummheiten sind akzeptabler, als immer wieder die gleichen machen.
QUOTE(Cassia @ 28.Jul.2015 - 01:14) *
Mich (positiv) überraschen lassen. ^^ Ich will damit nicht sagen, dass ich keine Pläne hätte. Aber die beziehen sich eher auf meinen Beruf,
meine Schreiberei und Ähnliches. Was die Beziehungsseite angeht, so bin ich vollkommen offen und harre der Dinge die da kommen mögen.

Hm ... klingt jetzt nach keinem so schlechten Plan. Was schreibst Du denn?
QUOTE(Cassia @ 28.Jul.2015 - 01:14) *
Immerhin habe ich es schon geschafft, mich hier anzumelden. Ein Hoch auf mich! (IMG:style_emoticons/default/laugh.gif)

(IMG:style_emoticons/default/cheerlead.gif)
QUOTE(Cassia @ 28.Jul.2015 - 01:14) *
Weil Du es oben erwähnt hast: Wenn ich fragen darf, wie kam es zu Deinem ebenfalls relativ späten Coming-Out?

Ja, also das is eine längere Geschichte und so ganz genau kann ich mir es rückwirkend nun auch nicht mehr erklären. Ein Grund ist sicher, daß ich in einer erzkonservativen Kleinstadt aufgewachsen bin. Dort gab es sowas wie Lesben einfach nicht, höchstens im Fernsehn, aber da weiß ma ja eh, daß im Fernsehn alles nicht echt is. Ein weiterer Grund liegt sicher darin, daß sich meine Eltern getrennt haben, als ich 12 Jahre alt war. Es war eine ziemlich schwere Zeit und da hatte ich im Grunde dann andere Probleme, als andere Teenager. Damit hatte ich dann auch keine gute Grundlage gegen die koservative Trägheit meiner Umgebung anzugehen, sondern war eher darauf bedacht nicht noch mehr aus der Reihe zu fallen um mir nicht noch zusätzliche Schwierigkeiten einzuhandeln.

Ich weiß, daß ich als Jugendliche darüber nachgedacht hab, ob ich nicht lesbisch sein könnte. Aber weil nicht sein kann, was nicht sein darf, hab ich mir dann eingeredet man verliebt sich ja nicht ins Geschlecht, sondern in den Menschen usw. Ich hab dann lange Zeit drauf gewartet, daß mich "der Richtige" ereilt und es nebenbei vollkommen ausgeblendet, daß ich immer wieder in Mädels oder Frauen verknallt war. Das konnte ich dann auch vor mir nicht mehr wirklich zugeben.

Irgendwann dann war ich sogar auch wirklich mit einem Mann zusammen. Er war sehr charmant und hat sich gerade am Anfang sehr um mich bemühnt. Das hat mir natürlich geschmeichelt auch wenn ich nicht 100% überzeugt war. Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen wurden Monate und irgendwann hab ich dann als gegeben angenommen, daß er "der Richtige" wäre und in einem Zirkelschluß angenommen, daß wenn ich mit einem Mann zusammen bin, ich ja gar nicht lesbisch sein könne. Daß das eine Fehlannahme war, habe ich spätestens dann festgestellt, als die Beziehung nach einiger Zeit mit Bomben und Granaten auseinandergebrochen ist.

Ich hab dann sehr vieles an mir hinterfragt vor allem da meine Reaktionen auf das Beziehungsende teilweise überhaupt nicht zu dem was ich von mir erwartet hatte zusammengepaßt haben. Zum Beispiel war einer meiner ersten Gedanken: Ah, Gott sei Dank muß ich jetzt nimmer mit ihm schlafen! ... Das hatte mich selbst überrascht, da ich unsere Intimität davor gar nicht als so negativ gesehen hatte. Nach dem ersten Schock ist mir dann eben auch aktiv aufgefallen bzw konnte ich den Gedanken endlich zulassen, daß ich eigentlich nur Frauen attraktiv finde.

Und nachdem ich das dann endlich verstanden hatte, habe ich mich dann auch daran gemacht mich bei meinen Freunden zu outen, die allesamt (Gott sei Dank) auch positiv reagiert haben und zu mir gestanden haben. In der Familie wars dann noch bissl schwieriger, aber auch diese Hürde hab ich inzwischen hinter mir. Ich hab mir dann vorgenommen nie wieder so blind zu sein. ... Aber naja, auf welchem Auge man blind ist, merkt man wohl erst, nachdem man irgendwo hineingerannt ist.

lg

kenning
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Cassia
Beitrag 28.Jul.2015 - 16:39
Beitrag #7


Naschkatze
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Das beste an Deinem Post ist fast die Uhrzeit. (IMG:style_emoticons/default/laugh.gif)

Vieles von dem, das Du geschrieben hast, kam mir beim Lesen auf die eine oder andere Art sehr vertraut vor. Zwar bin ich
nicht in einer erzkonservativen Gegend aufgewachsen, sondern eher in einer kleinbürgerlich-spießig-einfach-nur-dämlichen,
aber beides ist nicht toll.

"Aber weil nicht sein kann, was nicht sein darf" bringt es ziemlich gut auf den Punkt. Eigentlich schlimm, dass so viele von
uns bereit sind, um des lieben Friedens willen die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken.
Nur hat man manchmal einfach keine andere Wahl und aus meiner jetzigen, mehr oder weniger unabhängigen Sicht, ist es
natürlich einfach zu sagen "hey, wenn Dir Deine Leute blöd kommen, dann geh' doch einfach".
Als Jugendliche packt man nicht mal eben seinen Kram und bricht sämtliche Brücken hinter sich ab. Respekt vor Leuten,
die das schaffen. Ich konnte es damals nicht.

Naja, aber das liegt hinter mir und auch wenn ich mit Sicherheit immer wieder irgendwo hineinrennen werde - zumindest
weiß ich, dass das Thema Männer gegessen ist. Egal, wer sonst alles von meinen Leuten seine Probleme damit haben mag.
Immerhin. ^^

Zu Deiner Frage was ich denn schreibe: Die Schreiberei ist etwas, das mich eigentlich schon von Kindheit an begleitet. Aber
erst in den letzten Jahren habe ich über Fantasy- und Schreibforen andere (Hobby-)Autoren kennengelernt und wirklich
ernsthaft (d. h., nicht nur für mich) mit dem Schreiben begonnen.
Auch wenn ich den Beruf ausübe, vor dem sich jeder Autor fürchtet ( (IMG:style_emoticons/default/happy.gif) ), habe ich mich mit einigen weniger ängstlichen
Autoren zusammengetan und wir haben ein Gemeinschaftsprojekt in Form einer Fantasy-Anthologie veröffentlicht (zwei
Geschichten darunter sind von meiner Wenigkeit).
Hat zwar bisher kaum jemand gekauft, aber wir sind trotzdem stolz drauf! Und Nummer 2 kommt vermutlich noch dieses
Jahr in den Handel.


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kenning
Beitrag 29.Jul.2015 - 00:32
Beitrag #8


Naschkatze
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Hi Cassia!

Ja, ich hab mich wieder auf den Nachtdienst vorbereitet. Deswegen war ich so spät noch wach.

Wir sind ja beide in den 80ern aufgewachsen. Vieles was heute selbstverständlich ist gab es damals halt noch nicht. Manchmal macht es mich schon bißl traurig daran zu denken was alles hätte besser sein können. Jetzt nicht nur für mich, sondern auch für andere Frauen, die damals so wie ich aufgewachsen sind. Andererseits wenn ich dann daran denke wies Leuten gegangen is, die noch 10 oder 20 Jahre älter sind als ich, dannrrelativiert sich das dann wieder.

Jo, daß gute von der Geschichte is auch bei mir, daß ich ganz sicher weiß daß die Sache mit den Männern für mich abgehakt ist. Been there, done that! Jetzt auf zu neuen Blödheiten! (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)

Gratulation zu Eurer Anthologie! Ich habe früher auch hin und wieder geschrieben... allerdings nur für mich selber. In letzter Zeit fehlt mir aber ein bißl die Zeit dafür. Da gehen dann die meisten kreativen Ideen in Plots, die ich fürs Rollenspielen verwende. Hab ich das dann richtig verstanden,daß Du im Fantasygenre schreibst? Liest Du da auch viel? Wenn ja, würde mich interessieren welches Buch das letzte war, daß Dir richtig gut gefallen hat... gern auch per PM um Deinen Thread nicht unnötig zu zersprengen.

LG

kenning
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Cassia
Beitrag 29.Jul.2015 - 00:54
Beitrag #9


Naschkatze
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ZITAT(kenning @ 29.Jul.2015 - 01:32) *
Wir sind ja beide in den 80ern aufgewachsen. Vieles was heute selbstverständlich ist gab es damals halt noch nicht. Manchmal macht es mich schon bißl traurig daran zu denken was alles hätte besser sein können. Jetzt nicht nur für mich, sondern auch für andere Frauen, die damals so wie ich aufgewachsen sind. Andererseits wenn ich dann daran denke wies Leuten gegangen is, die noch 10 oder 20 Jahre älter sind als ich, dannrrelativiert sich das dann wieder.


Daran muss ich auch oft denken. Immerhin haben wir heutzutage (zumindest hierzulande) halbwegs die Freiheit, trotz gewisser familiärer Widerstände
unser Leben so zu führen, wie wir es uns vorstellen. Die Gesellschaft zeigt vielleicht nicht allerorten Verständnis, aber man kann sich arrangieren - wenn
man denn mal in die Gänge kommt.
Zur Zeit unserer Eltern oder gar Großeltern wäre eine lesbische Beziehung schlichtweg nicht möglich und fertig.

Da ich davon ausgehe, dass es zu allen Zeiten lesbische Frauen gegeben hat, kann ich nur in etwa ahnen, wie es damals für sie gewesen sein muss:
Ihr ganzes Leben mit einem Mann verbringen müssen, obwohl das Herz vielleicht an jemand anderem hängt. Natürlich muss man dazu nicht
lesbisch sein, das gleiche Problem existiert auch bei Heteros. Aber bei uns kommt noch die Unsicherheit hinzu, die Angst, etwas Verbotenes oder
gar "Schlechtes" zu tun, "Schande" über seine Familie zu bringen usw.

So gesehen bin ich froh, in der zweiten Hälfte des 20. Jhr. in diesem Land geboren worden zu sein und nicht in der ersten bzw. wo anders.




Und da ich davon ausgehe, dass Herumspamen hier genauso ungern gesehen wird wie in anderen Foren, gibt's das Lieblingsbuch via PN. ^^
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So What
Beitrag 29.Jul.2015 - 01:43
Beitrag #10


Suppenköchin
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Hey Cassia,
schön, dass du deine Erkenntnisse so deutlich mitteilst, und dass man zu sich selbst stehen soll, ist ganz sicher mehr als nur 'ne Phrase. Gerade in einer Situation, wo man das Gefühl hat, viele Lebensjahre und -chancen verpasst zu haben, um etwas "betrogen worden" zu sein. Mir geht's manchmal ähnlich, aber ich schwanke da noch sehr, weil mein Coming Out noch nicht so weit vorangeschritten ist (ich glaube, mein Nickname war etwas autosuggestiv (IMG:style_emoticons/default/laugh.gif) ). Manchmal wünsche ich mir, ich hätte vor 10 Jahren schon erkannt, was mir jetzt so langsam einleuchtet. Und manchmal gibt es Phasen, wo ich mir denke: O Gott, wäre das alles nur nicht passiert, wäre ich nur weiter so im naiven Glauben durchs Leben getrudelt, ich wäre hetero! Vielleicht werd ich jetzt ja für immer unglücklich. Aber na gut, das ist eher die Feigheit und der Wunsch, "normal" zu sein und nicht noch mehr aufzufallen als eh schon.
Ich bin zwar ein bisschen später geboren als du (und erinnere mich deshalb kaum noch an die 80er), aber eben "woanders". Ich stelle fest, dass ich für den Großteil meines Lebens etwas war, was gar nicht existieren durfte und wofür ich auch kein Wort hatte. Mich da zu outen wäre eventuell lebensgefährlich. Ich hatte eigentlich gar keine Wahl. Und auch in den letzten Jahren, wo ich sehr wohl wusste, was Lesbischsein bedeutet, gab es andere Umstände, die es mir unmöglich machten, diese Seite meines Lebens auszudrücken oder auch nur darüber nachzudenken. Was nicht sein darf, kann nicht sein. Von "nach außen so tun" könnte ich echt ein Lied singen.
Mich hier anzumelden war auch für mich ein großer Schritt.
Was nicht sein durfte, soll jetzt einfach kommen. Und ich denke, lieber Nachholen als Nachtrauern! Vor allem, weil der Mist, den wir durchgemacht haben, im Endeffekt ja auch manchmal für irgendwas gut ist. Man macht eben das Beste draus, kann vieles ins Positive drehen. Ich habe so viele Menschen kennen gelernt, denen diese Selbstverständlichkeiten, für die ich so kämpfen musste, einfach in die Wiege gelegt wurden, und die meisten von ihnen wussten das nicht mal zu schätzen. Es ist ja auch schön für sie, und ich würde ja auch niemandem wünschen, was ich durchmachen musste. Aber man wird eben manchmal auch stärker und mutiger und reflektierter, wenn man Hürden überwindet, man gewinnt auch etwas und verliert nicht einfach nur Lebenszeit und -kraft.
Den Gedanken, bloß nicht in Selbstmitleid zu verfallen und auch nicht krapfhaft zu versuchen, alles auf einmal nachzuholen, indem man sich von einer Beziehung in die nächste stürzt, finde ich auch ganz toll von dir. Das denke ich mir auch, und vor allem denke ich, wenn ich jetzt so was machen würde und dann lauter "Beziehungsleichen" hinterlasse, verhalte ich mich genau wie der egozentrische Typ von Menschen, die ich nicht ausstehen kann, und gebe mein Leid dann nur an andere weiter. Ich würde lieber schauen, wie sich mein Leben so entwickelt und ob sich noch mehr Leute finden, die sich mit mir weiterentwickeln wollen. Und vielleicht auch mal darauf anstoßen wie deine Freundin, auf das Ende der Lügen.
Liebe Grüße so what
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Cassia
Beitrag 29.Jul.2015 - 23:26
Beitrag #11


Naschkatze
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Danke Dir für die positive Rückmeldung. Beim Lesen Deines Posts hatte ich den Eindruck, dass Du auch schon eine Menge hinter Dir hast, vor allem
vermutlich wegen Deines Backgrounds. Umso beeindruckender empfinde ich den folgenden Gedanken.

ZITAT(So What @ 29.Jul.2015 - 02:43) *
Und ich denke, lieber Nachholen als Nachtrauern! Vor allem, weil der Mist, den wir durchgemacht haben, im Endeffekt ja auch manchmal für irgendwas gut ist. Man macht eben das Beste draus, kann vieles ins Positive drehen. Ich habe so viele Menschen kennen gelernt, denen diese Selbstverständlichkeiten, für die ich so kämpfen musste, einfach in die Wiege gelegt wurden, und die meisten von ihnen wussten das nicht mal zu schätzen. Es ist ja auch schön für sie, und ich würde ja auch niemandem wünschen, was ich durchmachen musste. Aber man wird eben manchmal auch stärker und mutiger und reflektierter, wenn man Hürden überwindet, man gewinnt auch etwas und verliert nicht einfach nur Lebenszeit und -kraft.


Ich denke mal, dass es nicht leicht ist, zu dieser Erkenntnis zu gelangen UND sie dann auch noch umzusetzen.


ZITAT(So What @ 29.Jul.2015 - 02:43) *
Ich würde lieber schauen, wie sich mein Leben so entwickelt und ob sich noch mehr Leute finden, die sich mit mir weiterentwickeln wollen. Und vielleicht auch mal darauf anstoßen wie deine Freundin, auf das Ende der Lügen.


Das wünsche ich Dir!
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kenning
Beitrag 30.Jul.2015 - 10:12
Beitrag #12


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Ich hab nochmal durch Dein Post gelesen und wollte noch etwas dazu sagen.
QUOTE(Cassia @ 28.Jul.2015 - 17:39) *
Eigentlich schlimm, dass so viele von uns bereit sind, um des lieben Friedens willen die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken.
Nur hat man manchmal einfach keine andere Wahl und aus meiner jetzigen, mehr oder weniger unabhängigen Sicht, ist es
natürlich einfach zu sagen "hey, wenn Dir Deine Leute blöd kommen, dann geh' doch einfach".
Als Jugendliche packt man nicht mal eben seinen Kram und bricht sämtliche Brücken hinter sich ab. Respekt vor Leuten,
die das schaffen. Ich konnte es damals nicht.

Inzwischen denke ich es ist ein Trugschluß, wenn man meint man mache sich das Leben einfacher, indem man versucht nicht anzuecken und seine eigenen Bedürfnisse hintenanstellt. In Wirklichkeit schafft man sich damit nur andere Probleme, die einem irgendwann in den Ar*** beißen. Aber wie Du schon im Titel des Threads geschrieben hast ... manchmal ist es "ein langer Weg" bis sich diese Erkenntnis durchsetzen kann. ... Und jeder geht ja seinen eigenen Weg und lernt am meisten von seinen eigenen Erfahrungen.

QUOTE(Cassia @ 28.Jul.2015 - 17:39) *
Naja, aber das liegt hinter mir und auch wenn ich mit Sicherheit immer wieder irgendwo hineinrennen werde - zumindest
weiß ich, dass das Thema Männer gegessen ist. Egal, wer sonst alles von meinen Leuten seine Probleme damit haben mag.
Immerhin. ^^

Ja, leider wird es wohl immer Leute geben, die Probleme mit sowas haben. Umso härter natürlich, wenns die eigene Familie betrifft. Ich finde es gut, daß Du trotzdem so positiv schreibst und Dich davon nicht (mehr) abhalten läßt. (IMG:style_emoticons/default/cool.gif)

lg

kenning
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So What
Beitrag 31.Jul.2015 - 01:46
Beitrag #13


Suppenköchin
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ZITAT(Cassia @ 30.Jul.2015 - 00:26) *
Danke Dir für die positive Rückmeldung. Beim Lesen Deines Posts hatte ich den Eindruck, dass Du auch schon eine Menge hinter Dir hast, vor allem
vermutlich wegen Deines Backgrounds.


Mein "Background" war zwar sehr bedeutsam, aber leider auch nicht das einzige Pech, das ich im Leben hatte. Hast schon recht, ich habe viele Erfahrungen gemacht, die ich lieber nicht gemacht hätte und auch niemandem wünschen würde. Aber hey, ich bin groß und stark! Oder ich kann zumindest so tun (IMG:style_emoticons/default/happy.gif)
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Cassia
Beitrag 31.Jul.2015 - 02:10
Beitrag #14


Naschkatze
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Manchmal denke ich mir, wie sollten uns - so wie Du - auf die Dinge konzentrieren, die uns aufrecht halten,
und nicht auf die, die uns herunterziehen.

Gerade heute war ich wieder in den anderen Foren hier unterwegs und habe festgestellt, wie verschieden
doch die Einstellungen sind zu beispielsweise Anfeindungen, Unverständnis usw. uns gegenüber.
Manche gehen aufgrund dessen lieber weniger offensiv mit ihrer Se*ualität um, andere sagen "jetzt erst
recht".

Mittlerweile bin ich soweit, dass ich zu dem stehe, was ich bin (meine Güte, wie das klingt ...). Ich lasse es
zwar nicht heraushängen, aber ich leugne es auch nicht.
Mein Ziel ist es, irgendwann (wenn ich nicht mehr solo sein sollte) auch öffentlich, vor Fremden zu mir und
meiner Partnerin zu stehen. Das wird ein ziemlich harte Nuss sein, denn meine Ecke ist nicht gerade für ihre
sprühende Begeisterung für Homosexuelle bekannt - und einige Gruppen belassen es auch nicht bei verbalen
Attacken.

Aber ich will mir auch nicht allzu ausufernd Gedanken darüber machen, was eventuell irgendwer sagen oder
tun könnte - das habe ich schon viel zu lange. Und dann gibt es ja auch noch dieses schöne "self-fulfilling
prophecy" - wenn man nur intensiv an all die bösen Menschen da draußen glaubt, stehen sie wirklich irgend-
wann auf der Matte.

Nicht, dass alles prima wäre, jetzt wo doch Irland abgestimmt hat, in den USA ebenfalls "Fortschritte" gemacht
werden usw. Ich denke mir immer "Papier ist geduldig" und es gibt schließlich auch Gesetze, die Mord unter
Strafe stellen - und es hält einige dennoch nicht davon ab.
Also will ich mir auch nicht etwas vormachen, von wegen diese Gesetze seien der Durchbruch. Es ist ein
Anfang.
Der große Rest an Arbeit liegt aber - wie so häufig - letztlich bei uns selbst, den "Betroffenen".
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kenning
Beitrag 31.Jul.2015 - 03:07
Beitrag #15


Naschkatze
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So nach meiner Erfahrung gibt es einfach gute und schlechte Tage. Nach einer gewissen Anzahl Jahren (beim einen mehr, beim anderen weniger) hat man eben solche und solche Erlebnisse gemacht. Gerade wenn man irgendwie aus der Reihe fällt, summiert sich da oft einiges sodaß man irgendwann ein schönes Päckchen zum tragen hat. An guten Tagen sieht man voll Zuversicht in den Tag und packt das locker. An schlechten Tagen, zieht es einen hinunter. Es ist irgendwie menschlich, daß man nicht jeden Tag voll auf der Höhe sein kann. Ich finde es nur wichtig, daß man sich nicht in die schlechten Tage hineinfallen läßt, sondern das Augenmerk mehr auf die guten Tage richtet. Klar, kann nicht jeder Tag ideal sein, aber man kann es jeden Tag aufs neue versuchen das beste draus zu machen. .... zumindest is das das, was ich mir vorgenommen habe.

Gerade wenn einem Unverständnis und Ablehnung entgegenschlägt, finde ich, daß man das gut merkt. An schlechten Tagen, trifft es einen einfach viel mehr, als wenn alles bombig ist. Ob man nun den Stealth-Modus oder den Jetzt-erst-recht-Kurs fährt, hängt wohl auch sehr vom Gemüt ab.

Ich für meinen Teil habe irgendwann beschlossen, daß ich einfach nur das haben will, was andere auch haben. Wenn andere in der Ubahn händchenhalten oder küssen, dann will ich das auch. Wenn andere in der Arbeit erzählen, was sie am Wochenende mit ihrem Partner / ihrer Partnerin gemacht haben, will ich das auch (dürfen, vielleicht mag ich ja net unbedingt aaallles erzählen (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) ). Ich glaube, je mehr man sich selbst überwindet sich ganz "normal" (=wie andere halt auch) zu verhalten, desto weniger Gegenwind hat man und desto einfacher wirds auch mit der Zeit.

Ich bin sehr froh, daß es in meinem Freundeskreis, in der Familie, in der Arbeit, im Training eigentlich die meisten wissen und es hat keinen gestört bzw ich vermute, die sich dran stören halten sich einfach fern, aber das is ja auch ok. Ich halte mich auch von manchen Leuten fern zb von Rauchern, weil ich Zigarettenrauch so gar net vertrage.

Ich finde es aber immer wieder schlimm, wenn ich davon höre, daß es doch immer wieder Übergriffe bzw auch handgreifliche Attacken auf "uns" gibt. Ich kann mir vorstellen, daß es eine sehr belastende Situation ist, wenn man sich von sowas bedroht fühlt bzw halt auch bedroht ist. @Cassia: Weil Du es erwähnt hast, würde mich interessieren wo ungefähr "Deine Gegend" liegt? Wohnst Du eher am Land? Oder in einer Stadt? Es kann ja in beiden Fällen, so oder so sein. Hier wo ich wohne (in Wien), empfinde ich das Klima jetzt nicht so negativ, aber ich habe auch schon von anderen Frauen gehört, daß sie schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Bzgl der Gesetzeslage werden hier natürlich auch die kleinsten Fortschritte gefeiert. Ist auch klar, wenn man bedenkt, daß man für jede Kleinigkeit (Sachen, die für Heteros ganz selbstverständlich sind) hart kämpfen muß. Im News-News-News Unterforum bzw auch im Politik & Wirtschaft Unterforum wird ja immer wieder diesbezüglich gepostet. Im Grunde könnte man sich stundenlang über die Ungleichbehandlung ärgern. Ist halt nur die Frage inwieweit man da seine Energien investieren will, weil nur ärgern bringt ja auch nix. ... zumindest nix konstruktives.

Aber Gesetze hin oder her, wie Du selber geschrieben hast ... der große Rest bleibt an uns - den Betroffenen - hängen. Das ist aber auch was, wo ich eine Chance sehe, denn hier bietet sich auch wieder die Möglichkeit, daß wir unser Leben aktiv gestalten und Leute, Meinungen usw die uns nicht gut tun, einfach links liegen lassen und uns statt dessen auf das konzentrieren, was für uns paßt und uns weiterhilft.

lg

kenning

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Cassia
Beitrag 02.Aug.2015 - 00:48
Beitrag #16


Naschkatze
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Es stimmt schon, dass es oft von der Tagesform abhängt, wie man Negatives wegsteckt. Aber es kommt auch ein wenig darauf an, aus welcher
Ecke dieses Negative kommt. Ich glaube, selbst an seinem besten Tag zieht es einen gewaltig runter, wenn Gegenwind aus einer völlig unerwar-
teten Richtung kommt.
Kann man sich dagegen wappnen? Ich würde sagen "nein". Und ehrlich gesagt, ist das auch gut so, denn es würde bedeuten, die Tendenz zu
entwickeln, von seinen Mitmenschen nur das Schlimmste zu erwarten, bloß um nicht überrascht zu werden und hinterher sagen zu können "ich
hab's ja kommen sehen ..."

Ich habe großen Respekt vor Menschen, die mit einer positiven Grundeinstellung durch's Leben gehen, denn solche Leute besitzen meistens ein
große innere Stärke - oder sind (in manchen Fällen) so abgehoben, dass sie eh' nie wissen, was gerade um sie herum passiert. Das wäre dann
weniger erstrebenswert ...

ZITAT(kenning @ 31.Jul.2015 - 04:07) *
@Cassia: Weil Du es erwähnt hast, würde mich interessieren wo ungefähr "Deine Gegend" liegt? Wohnst Du eher am Land? Oder in einer Stadt? Es kann ja in beiden Fällen, so oder so sein. Hier wo ich wohne (in Wien), empfinde ich das Klima jetzt nicht so negativ, aber ich habe auch schon von anderen Frauen gehört, daß sie schlechte Erfahrungen gemacht haben.


Ich komme aus einer relativ großen Stadt und würde mal behaupten, dass die Reaktionen durchwachsen sind. Es gibt hier sehr viele Angebote
für Schwule, Lesben usw. und regelmäßig einen Christopher-Street-Umzug.
Auf der anderen Seite gibt es auch diverse extreme Gruppen, die zu bestimmten Themen extreme Ansichten haben. Auch hängt es ein bisschen
vom Stadtteil ab - in einigen würde sich kaum jemand drum scheren, wenn beispielsweise zwei Männer händchenhaltend durch die Straßen gehen;
in anderen Ecken müssten die beiden vermutlich im Anschluss der Notaufnahme einen Besuch abstatten ...

Mir selbst ist von Fremden noch nie irgendeine Form der Feindseligkeit begegnet. Was wahrscheinlich hauptsächlich damit zu tun hat, dass ich mich
bisher nur engen Freunden gegenüber geoutet habe. Die einzige Ablehnung kam, wie weiter oben bereits geschrieben, von Teilen meiner Familie.

ZITAT(kenning @ 31.Jul.2015 - 04:07) *
Bzgl der Gesetzeslage werden hier natürlich auch die kleinsten Fortschritte gefeiert. Ist auch klar, wenn man bedenkt, daß man für jede Kleinigkeit (Sachen, die für Heteros ganz selbstverständlich sind) hart kämpfen muß. Im News-News-News Unterforum bzw auch im Politik & Wirtschaft Unterforum wird ja immer wieder diesbezüglich gepostet. Im Grunde könnte man sich stundenlang über die Ungleichbehandlung ärgern. Ist halt nur die Frage inwieweit man da seine Energien investieren will, weil nur ärgern bringt ja auch nix. ... zumindest nix konstruktives.


Sich aufzuregen bringt wirklich nichts, aber man kann es nicht immer abstellen. Auch hängt es davon ab, wie unmittelbar man selbst betroffen ist.
Trotzdem haben wir es hierzulande wirklich noch vergleichsweise gut - wenn ich dagegen einen Blick Richtung anderer Länder werfe, sieht die
Sache ganz anders aus.
Von daher denke ich mir manchmal, dass jede Einzelne von uns versuchen sollte, auf ihre Art und Weise ein wenig zum Abbau der Homophobie
beizutragen - und sei es "nur", indem sie durch ihr Verhalten, ihre Persönlichkeit, ihr Engagement, den Leuten den Menschen hinter der Se*ualität
näherbringt.
Wenn ich mir diesen Satz noch einmal durchlese, klingt er seltsam, aber besser kann ich es im Moment nicht ausdrücken.

ZITAT(kenning @ 31.Jul.2015 - 04:07) *
Aber Gesetze hin oder her, wie Du selber geschrieben hast ... der große Rest bleibt an uns - den Betroffenen - hängen. Das ist aber auch was, wo ich eine Chance sehe, denn hier bietet sich auch wieder die Möglichkeit, daß wir unser Leben aktiv gestalten und Leute, Meinungen usw die uns nicht gut tun, einfach links liegen lassen und uns statt dessen auf das konzentrieren, was für uns paßt und uns weiterhilft.


Das ist definitiv richtig, denn trotz aller Sympathie etc. - wir müssen nicht jedem in den A*sch kriechen, nur damit er uns "toleriert" (ich kann dieses
Wort nicht leiden!).
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kenning
Beitrag 03.Aug.2015 - 22:31
Beitrag #17


Naschkatze
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QUOTE(Cassia @ 02.Aug.2015 - 01:48) *
Es stimmt schon, dass es oft von der Tagesform abhängt, wie man Negatives wegsteckt. Aber es kommt auch ein wenig darauf an, aus welcher
Ecke dieses Negative kommt. Ich glaube, selbst an seinem besten Tag zieht es einen gewaltig runter, wenn Gegenwind aus einer völlig unerwar-
teten Richtung kommt.

Ja, das ist wahr.
QUOTE(Cassia @ 02.Aug.2015 - 01:48) *
Kann man sich dagegen wappnen? Ich würde sagen "nein". Und ehrlich gesagt, ist das auch gut so, denn es würde bedeuten, die Tendenz zu entwickeln, von seinen Mitmenschen nur das Schlimmste zu erwarten, bloß um nicht überrascht zu werden und hinterher sagen zu können "ich hab's ja kommen sehen ..."

Naja, ich denke, daß komplett abstumpfen oder vorauseilende Paranoia keine (erstrebenswerte) Lösung sind. Was ich aber bei mir festgestellt habe, ist daß es mir nach einiger Zeit und eben auch viel Unterstützung und positiven Reaktionen im Freundeskreis bzw auch von Kollegen dann schon leichter gefallen ist, das, was jemand anderer sagt oder meint, von dem zu trennen, was ich selbst über mich denke. Am Anfang war ich da eben ganz unsicher und und hab negative Reaktionen versucht mit meinem Selbstwert in Einklang zu bringen. Irgendwann war ich dann soweit, daß ich mir gesagt hab: ok, das is jetzt dem seine Meinung, aber warum muß ich mir den Schuh anziehen? Wenn man dort anlangt, geht halt vieles einfacher, wobei ich nicht sagen will, daß es einfach ist dorthin zu kommen oder auch jederzeit wieder daran zu denken, wenn eine neue Situation auftritt.

QUOTE(Cassia @ 02.Aug.2015 - 01:48) *
Ich habe großen Respekt vor Menschen, die mit einer positiven Grundeinstellung durch's Leben gehen, denn solche Leute besitzen meistens ein
große innere Stärke - oder sind (in manchen Fällen) so abgehoben, dass sie eh' nie wissen, was gerade um sie herum passiert. Das wäre dann
weniger erstrebenswert ...

Joar, ob Punkt eins oder Punkt zwei zutrifft is wohl in vielen Fällen eine Frage des Standpunkts. (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)

QUOTE(Cassia @ 02.Aug.2015 - 01:48) *
Ich komme aus einer relativ großen Stadt und würde mal behaupten, dass die Reaktionen durchwachsen sind. Es gibt hier sehr viele Angebote
für Schwule, Lesben usw. und regelmäßig einen Christopher-Street-Umzug.
Auf der anderen Seite gibt es auch diverse extreme Gruppen, die zu bestimmten Themen extreme Ansichten haben. Auch hängt es ein bisschen
vom Stadtteil ab - in einigen würde sich kaum jemand drum scheren, wenn beispielsweise zwei Männer händchenhaltend durch die Straßen gehen;
in anderen Ecken müssten die beiden vermutlich im Anschluss der Notaufnahme einen Besuch abstatten ...

Hm ... also ist es nach Deinem Gefühl eine Frage der Gegend, ob Du ohne Angst out sein könntest? Ich meine, ich fühle mich in Wien, wo ich wohne, jetzt nicht besonders unsicher. Sicher gibt es Situationen, wo es besser ist nicht wild herumzuknutschen. Ich denke aber das gilt bis zu einem gewissen Grad auch für Heteropaare. Man sieht ja auch an dem Thread über das lesbische Paar, welches nach einem Begrüßungskuß aus einem Cafehaus geworfen wurde, daß es intolerante, verbohrte Ewiggestrige in Wien gibt. Auf der anderen Seite gab es danach aber auch eine Protestbewegung, was beweist, daß es auch viele Leute gibt, die aufgeschlossen und modern sind und gegen Ungerechtigkeiten angehen. Ist halt immer nur eine Frage mit welchen Leuten man sich umgibt. Gerade wenn man in einer großen Stadt lebt, hat man ja bis zu einem gewissen Grad die Auswahl mit welchen Leuten man Zeit verbringt und welchen man lieber aus dem Weg geht.

QUOTE(Cassia @ 02.Aug.2015 - 01:48) *
Mir selbst ist von Fremden noch nie irgendeine Form der Feindseligkeit begegnet.

Das ist denke ich ein wichtiger Punkt. Du bist, soweit ich verstanden habe, noch etwas weiter am Anfang, was das Coming Out betrifft als ich. Man hört oft, von schlimmen Dingen, die anderen Leuten passiert sind und denkt sich dann noch Dinge aus, die ebenfalls passieren könnten. Wenn man zuviel an sowas denkt, macht man sich damit aber auch irgendwie selber Angst, die potentiell unnötig ist. Natürlich ist es klug Vorsicht dort walten zu lassen wo sie angebracht ist, ein zuviel davon schränkt einen aber auch (unangenehm) spürbar in der eigenen Lebensqualität ein. Daher bin ich ein großer Fan davon eigene Erfahrungen zu sammeln bzw möglichst unvoreingenommen auf neue Situationen zuzugehen.

QUOTE(Cassia @ 02.Aug.2015 - 01:48) *
Von daher denke ich mir manchmal, dass jede Einzelne von uns versuchen sollte, auf ihre Art und Weise ein wenig zum Abbau der Homophobie
beizutragen - und sei es "nur", indem sie durch ihr Verhalten, ihre Persönlichkeit, ihr Engagement, den Leuten den Menschen hinter der Se*ualität
näherbringt.
Wenn ich mir diesen Satz noch einmal durchlese, klingt er seltsam, aber besser kann ich es im Moment nicht ausdrücken.

Ich denke, ich weiß, was Du meinst und halte das für einen guten Vorsatz.

QUOTE(Cassia @ 02.Aug.2015 - 01:48) *
Das ist definitiv richtig, denn trotz aller Sympathie etc. - wir müssen nicht jedem in den A*sch kriechen, nur damit er uns "toleriert" (ich kann dieses Wort nicht leiden!).

Absolut!

lg

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