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> Aufwachsen in homophober Umgebung
Geneviève
Beitrag 23.Jun.2008 - 20:49
Beitrag #1


Vorspeisenexpertin
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Hallo ihr alle,

das Thema steht ja bereits in der Überschrift, ich mache mir gerade Gedanken dazu.

Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, das knapp 150 Einwohner hatte, umgeben von ähnlich winzigen Dörfern und alles, was es da gab, war Heterosexualität und altbackene Lebenskonzepte ohne Alternativen.
Die damalige Nachbarstochter, mit der ich jahrelang oberflächlich befreundet gewesen bin, war dazu extrem homophob, alle anderen um mich herum haben das Thema entweder ganz verschwiegen oder die typischen abwertenden Sprüche von sich gegeben, die ihr vielleicht kennt.

Als ich das erste Mal in ein Mädchen verliebt war, habe ich das erst gar nicht als Verliebtheit wahrgenommen, sondern in Freundschaft umgedeutet und tatsächliche Freundschaft zu Jungs in Verliebtheiten.
Ich war neun, als ich den Begriff lesbisch das erste Mal hörte und sich die Bedeutung angefühlt hat, als würde jemand meinen Namen sagen. Das habe ich allerdings ganz schnell verdrängt und die Umdeutungen weiter betrieben wie zuvor.

Ich glaube rückblickend, dass ich in den Pubertätsjahren damit angefangen habe, mich sehr extrem zurückzuziehen. Bei den Gesprächen von frühreren Freundinnen habe ich nicht mehr mitreden wollen und auch nicht können, weil es in der Hauptsache um Jungs ging und ich mich dafür, dass ich einige von diesen Freundinnen auf Beziehungsebene anziehend fand, geschämt habe, als würde ich sie damit in eine unerträgliche Situation bringen.
Ich habe mich immer so gefühlt, als wäre ich durch irgendeine unsichtbare Wand getrennt von allen, als wäre ich unwirklich und als würden sie neben mich sehen, wenn sie mit mir sprachen.

Ich hatte kein Zuhause.
Heterosexuelle Mädchen haben sich mit ihresgleichen über ihre eigene Entwicklung und über Jungs unterhalten und hatten da ihren Platz. Heterosexuelle Jungs haben sich miteinander über ihre Entwicklung und Mädchen unterhalten, aber da konnte ich auch nicht mitreden, weil ich eine von denen gewesen bin, über die sie geredet haben und weil ich eben Mädchen war und mein Erleben daher ein anderes. Mit den wenigen schwulen Jungs/Männern, die in höheren Klassen dann auftauchten, hatte ich kein gemeinsames Thema und mehr oder weniger offen lesbische Mädchen/Frauen gab es nicht sichtbar – nur eine Lehrerin, ich war in der sechsten Klasse, sie verließ nach einem Jahr die Schule und den Ort, weil sie von einigen Kolleginnen buchstäblich rausgeekelt worden ist. Meine damalige Klassenlehrerin verlangte von uns, die betreffende Lehrerin nicht „Frau X“, sondern „Fräulein X“ zu nennen und das, obwohl es keineswegs üblich war, unverheiratete Frauen mit „Fräulein“ anzureden und sie das auch nur bei betreffender Lehrerin verlangte. :angry:

Je mehr Abstand ich von den damaligen Menschen und Orten habe, umso genauer sehe ich, wie grauenhaft es dort gewesen ist, ich zu sein.

Habt ihr ähnliches erlebt oder seid ihr in einem Umfeld aufgewachsen, in dem ihr euch geborgen und gesehen gefühlt habt? Wenn ja, wie war das? Und wenn nein, wie seid ihr damit umgegangen?


Viele Grüße,

Geneviève
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Antworten (1 - 81)
Leah
Beitrag 23.Jun.2008 - 22:18
Beitrag #2


Meer sein
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Ich denke,dass es in der Zukunft mehr Kinder geben wird die diesbezüglich in einer offeneren Umgebung aufwachsen werden....und ich wünsche es mir auch....

Bei mir war es ähnlich,nicht genau so,aber ähnlich wie bei Dir Geneviève,meine Kindheit war nicht toll,meine Geschwister zu früh weg und dieses Thema konnte ich gar nicht,mit niemandem,bereden... Das Umfeld wo ich aufgewachen bin war schlimm für mich...,nicht nur wegen dem das ich mich zu Frauen hingezogen fühle,...klar wurde mir vieles sehr viel später erst....aber manches braucht eben ein bissel Zeit...
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Geneviève
Beitrag 23.Jun.2008 - 23:06
Beitrag #3


Vorspeisenexpertin
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Hallo Leah,

einfach überhaupt niemanden, nicht eine einzige Person zu haben, mit der man wirklich über die eigene Homosexualität reden konnte, habe auch ich als so bedrückend empfunden.
Selbst nach dem Coming Out hat es niemand verstanden (im Sinne von: nachfühlen können) und ich hatte niemanden in meiner Umgebung zum Reden und das Gefühl, untrennbar anders zu sein und keinen Kontakt zu bekommen zu meiner Umwelt, war nach wie vor da, wenn auch etwas weniger einengend.

Du schreibst, dass vieles erst später klar wurde. Das trifft genau mein Gefühl dazu.

Danke für deine Antwort.


Ausgezogen bin ich übrigens vor drei Jahren und seitdem nie mehr dort gewesen, werde ich auch nie wieder. Mein Coming Out hatte ich mit 17, da habe ich noch dort gelebt.
Zu dieser Zeit war ich so wütend und so angenervt von meiner Umgebung, dass mir evt. negative Reaktionen egaler gewesen sind als meine eigene Wahrheit.
Ich habe damals auch Artikel in der Schülerzeitung über Themen geschrieben, die mir in irgendeiner Form am Herzen lagen, unter anderem auch über Homosexualität. Wer also nicht ganz dämlich war, hat gewusst, dass ich lesbisch bin.

Obwohl das alles schon ein paar Jahre her ist, befasse ich mich trotzdem noch mit solchen Fragen, wie es mir damals eigentlich ging usw. Immer ein Stückchen mehr.
Ich will das einfach ganz verstehen und erinnern, oder zumindest so weit ich kann.
Das Thema hielt ich eigentlich schon für abgehakt, ist es aber nicht.

Und derzeit fällt mir auf, dass ich auf einige alte Gebote/Verbote immer noch getrimmt bin. Ich habe zwar geredet, aber nicht gelebt. Nach dem Motto: Du darfst es fühlen, aber nicht leben.
Ich hatte noch nie eine Beziehung (abgesehen von einer, die keine war, sondern nur so hieß, ich war 16 und hatte eine Freundschaft, die wir Beziehung nannten, zu einem Klassenkameraden, den ich im Nachhinein für schwul halte), von einer Beziehung zu einer Frau ganz zu schweigen. Ich habe nicht mal lesbische Freundinnen. All das ist etwas, von dem ich mich ganz abgekapselt habe, immer noch in dem Glauben, das wäre irreal und vielleicht irgendwo auf einem anderen Stern möglich, aber nicht hier in dieser Welt – ich weiß natürlich, dass das Unsinn ist, aber ich fühle es nicht ganz.


Viele Grüße,

Geneviève
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kenning
Beitrag 24.Jun.2008 - 00:59
Beitrag #4


Naschkatze
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Hallo!

Das Thema, das hier angesprochen wurde, bewegt mich auch irgendwie.

Ich bin zwar in einer Kleinstadt aufgewachsen, aber leider trotzdem in einer sehr konservativen Gegend. Auch bei mir war es so, daß Heterosexualität das einzig mögliche war. Schwule oder Lesben gab es zwar schon, aber halt nur im Fernsehn ... also nix was einem tatsächlich gegegnen könnte.

Auch ich habe Verliebtheiten in Frauen als Freundschaft oder Bewunderung wegen einer bestimmten Eigenschaft dieser Frau umgedeutet und versucht in Männern etwas zu finden, in das ich mich verlieben konnte. Etwaige Gedankenspiele, ob ich nicht vielleicht doch Frauen attraktiv finden könnte, habe ich dann möglichst schnell wieder verworfen.

Genauso wie @Geneviève schreibt habe ich mich in der Zeit irgendwie von der Welt abgetrennt gefühlt. Mein Leben erschien mir total unwirklich ... so als würde alles was passiert mich nicht wirklich angehen. ... Man braucht wohl kaum erwähnen, daß ich in der Schule ein ziemlicher Außenseiter war und keine wirklichen Freunde hatte.

Erst mit 26 Jahren (und 1 wirklich kolossal gescheiterten Beziehung, Wohnortwechsel mit eingeschlossen) schaffte ich es mir einzugestehen, daß ich lesbisch bin. In den darauf folgenden Jahren habe ich mich auch nach und nach geoutet, sodaß ich jetzt schon bei den meisten Freunden und Bekannten und zum Teil auch bei der Arbeit geoutet bin. ...

... trotzdem bemerke ich immer wieder wie ich selber noch in alte Denkmuster von früher (zb daß es eh nie passieren wird daß irgendeine Frau jemand wie mich attraktiv finden könnte) hineinfalle. Und das obwohl ich eigentlich mit mir und meinem Lesbischsein sonst ganz gut zurechtkomme ... ja sogar im Grunde glücklich bin, daß ich es endlich behirnt habe lesbisch zu sein.

kenning

edit: Näher zum wesentlichen.

Der Beitrag wurde von kenning bearbeitet: 24.Jun.2008 - 01:07
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H_Golightly
Beitrag 24.Jun.2008 - 23:12
Beitrag #5


Naschkatze
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Hallo Geneviève,

so ähnlich wie dir ging es mir auch in den Jahren der Pubertät. Als ich mit ca. 13 feststellte, dass ich Frauen toll finde und für diese oder jene Schauspielerin zu schwärmen begann, versetzte mich dies erst mal in einen kleinen Schock. In meinem Kopf legte ich mir zurecht, dass ich das auf keinen Fall jemandem erzählen dürfte, so sehr schämte ich mich meiner Gefühle. Obwohl ich sehr liberal erzogen wurde, hatte ich (für mich) große Probleme, mein scheinbares Anderssein zu akzeptieren. Also entschied ich mich dazu, überhaupt nichts zu irgendjemandem zu sagen und fraß alles in mich hinein. Meine Freunde wären die letzten gewesen, denen ich es erzählt hätte. Sie schwärmten ja für Jungs und würden es sowieso nicht verstehen können. Mitte der 90er war es noch nicht so üblich, über Dinge wie Homosexualität zu sprechen und Internt gab es ja leider auch noch nicht. Insofern kam ich eigentlich nie in Berührung mit dem Thema, was mich natürlich in meiner Unsicherheit bestärkte. Das Einzige, woraus ich Informationen ziehen konnte, waren die Jugendmagazine, die jedoch sehr stark dazu tendierten, sowas als Jugendphasen abzutun- also auch keine große Hilfe für mich.
Irgendwann dann in meinen späteren Teenager- Jahren verliebte ich mich zum ersten Mal so richtig in eine viel ältere und verheiratete Frau. Dies machte mich so unglücklich, dass es meine Mutti schnell merkte und mit mir darüber redete. Sie machte mir Mut und meinte, ihr sei es egal, mit wem ich später mal zusammen sei, Hauptsache die Person sei nett. :) Da fiel mir aber ein riesiger Stein vom Herzen, wie ihr euch sicher vorstellen könnt.
Nach der Schule und während meines Studiums habe ich dann wirklich erst mal Zeit für mich gebraucht, um mir über mich selbst klar zu werden. Dies führte dazu, dass ich mich von meinen Freunden distanzierte. Zum Teil waren sie ja sowieso in alle Winde verstreut, aber ich legte auch keinen Wert darauf, neue Bekanntschaften zu machen, denn immer verfolgte mich die Angst, was ich wohl sagen soll, wenn sie mich nach meinem Beziehungsleben fragen. So lebte ich für mich als Einzelgängerin und verfolgte weiter meinen Weg und setzte all meine Kraft ins Lernen. Von Liebe und Beziehung wollte ich lange Zeit nichts wissen, ich verdrängte immer nur, so gut ich konnte.
Ich muss sagen, dass ich auch jetzt noch Probleme damit habe, zu meinen Gefühlen zu stehen und gerade ertappe ich mich wieder dabei, weiter verdrängen zu wollen und alles beim Alten zu belassen. Der bequemere Weg sah für mich bisher so aus, so unaffällig wie möglich zu leben und meine wahren Gefühle zu leugnen. Da ein vorgetäuschtes Heteroleben nichts für mich ist, lebe ich ohne Beziehung. Ich frage mich, wie lange das noch so gehen soll. Hoffentlich wache ich auf, bevor es zu spät ist.
Was die unsichtbare Wand betrifft, sie verfolgt mich seit den ersten Teenager- Jahren bis heute. Und keiner hat es bis jetzt geschafft, sie zu durchbrechen- ich am allerwenigsten. Manchmal klopfen Leute an, aber ich scheine es nicht zu hören- will lieber weiterhin geschützt hinter meiner Wand sitzen bleiben. :huh:

Liebe Grüße
Holly
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Geneviève
Beitrag 25.Jun.2008 - 16:29
Beitrag #6


Vorspeisenexpertin
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Hallo kenning,

ich finde deine Formulierung „so als würde alles was passiert mich nicht wirklich angehen“ sehr schön, da sehr passend.

Obwohl ich damals in der Schule zwar nie Außenseiterin war, habe ich mich doch immer so gefühlt.
Ich hatte immer Menschen um mich herum, war auch nicht unbeliebt. Dennoch hatte ich nie das Gefühl, irgendwo dazu zu gehören und habe nach der Schule so wenig wie möglich mit den anderen zu tun gehabt, obwohl diese Menschen nicht unsympathisch waren, aber irgendetwas hat nicht gepasst (und wie sollte es auch passen, wenn ich nie ich war).
Nach außen habe ich nicht wie eine Außenseiterin gewirkt, vermute ich, aber innerlich habe ich mich permanent so gefühlt.

Wie du komme auch ich mit der Tatsache, lesbisch zu sein, gut zurecht. Ich fand das erleichternd, als ich es eingesehen hatte, weil vieles Sinn gemacht hat und ich sehr viel mehr ich war. Aber dennoch bedeutet das auch für mich (leider) nicht, dass alles, was mal gewesen ist, plötzlich ohne Wirkung und ohne nachhallende Präsenz in meinem derzeitigen Leben bleibt.
Normalerweise fahre ich gut damit, solche Rückfälle (oder Stehen bleiben) in früher auferlegten Verhaltens-/Denk-/Fühlweisen auszuhebeln, wenn ich mich intensiv mit dem früheren befasse und es irgendwann ganz gefühlt erinnere und dann Schritt für Schritt daraus hervortreten kann zu irgendetwas hin, das mir enspricht und das sich gut und wie meine Entscheidung anfühlt.
Das versuche ich in Hinsicht auf das Lesbischsein seit sechs Jahren, aber da geht das so extrem langsam, leider. Fast so, als müsste ich meine ganze Pubertät noch mal nachfühlen und neu erleben.


Viele Grüße,

Geneviève
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Geneviève
Beitrag 25.Jun.2008 - 16:37
Beitrag #7


Vorspeisenexpertin
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Hallo Holly,

du hast angesprochen, das Thema Homosexualität als Jugendphase aufgetischt bekommen zu haben in Jugendmagazinen und das nicht als Hilfe empfunden zu haben. Ging mir ebenso. Mich hat das total verwirrt und von mir selbst entfernt. Wenn Homosexualität damals thematisiert wurde, dann immer in Nebensätzen und mit der Behauptung, das wäre normal und würde vergehen – ich habe zum einen in meiner Realität nicht erlebt, dass das Thema und die dazugehörigen Gefühle etwas normales waren, das jedem geschah, und auch nicht, dass es in mir wieder verging.
Ich vermute, ich habe jahrelang darauf gewartet, dass es wieder vergehen würde und dadurch Jahre an Selbstsicherheit und innerer Gewissheit und damit Teile von mir verloren.

Einzelgängertum ist auch so ein Stichwort, das mich berührt hat, genau wie deine Ausführungen dazu.
Ich dachte einfach, ich wäre für so was wie Liebesbeziehungen nicht geschaffen. Meine Zukunftsaussicht war schon als Kind, dass ich irgendwann irgendwo allein in einer Waldhütte leben würde. Ich kann problemlos allein sein, kann mich gut beschäftigen und selbst unterhalten, ohne das Gefühl, irgendein Defizit zu haben. Ich war immer am zufriedensten, wenn ich allein war.
Nur derzeit bröckelt das. Ich kann nach wie vor mit der Vorstellung leben, absolute Einzelgängerin zu sein und zu bleiben.
Aber ich frage mich, ob ich zwingend etwas sein muss, nur weil ich es kann. Und ob das nicht zum Teil nur vorgeschobener Grund ist, um dem zu entgehen, was vielleicht genau so schön sein könnte, was mir aber unvertraut ist und vor dem ich mich fürchte, weil ich es nicht kenne und weil es mein ganzes Selbstbild auf den Kopf stellt. Und das wären Beziehungen.


Viele Grüße,

Geneviève
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malene
Beitrag 26.Jun.2008 - 17:34
Beitrag #8


Gut durch
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QUOTE (H_Golightly @ 24.Jun.2008 - 23:12)
Der bequemere Weg sah für mich bisher so aus, so unaffällig wie möglich zu leben und meine wahren Gefühle zu leugnen.

:huh: Was mich stutzen macht, ist das Wort "bequemer", obwohl Du doch so sehr unter Deinem "Hinter-der-Wand-sein" leidest, Holly. :troest:

@ Geneviève, da Du kein "Menschenansammlung"-Typ bist: Käme für Dich eine Coming-out-Gruppe in Frage? Manchmal bestehen sie nur aus 4-5 Personen, eine gewisse "Privatheit" wird dabei gewährt. Dies wäre vielleicht der erste aktive Schritt, um von Deinem Einzelgängertum "wegzukommen". :gruebel:

Der Beitrag wurde von malene bearbeitet: 26.Jun.2008 - 18:52
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shark
Beitrag 26.Jun.2008 - 19:00
Beitrag #9


Strösenschusselhai
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QUOTE (malene @ 26.Jun.2008 - 18:34)
QUOTE (H_Golightly @ 24.Jun.2008 - 23:12)
Der bequemere Weg sah für mich bisher so aus, so unaffällig wie möglich zu leben und meine wahren Gefühle zu leugnen.

:huh: Was mich stutzen macht, ist das Wort "bequemer", obwohl Du doch so sehr unter Deinem "Hinter-der-Wand-sein" leidest, Holly. :troest:


Und ich behaupte, richtig "bequem" wird das Leben ohnehin erst dann sein, wenn Du Dir gar keine Gedanken mehr machst, das, was Du bist hinter dem, was Du weder bist noch sein willst, verstecken zu wollen.
Und wenn Du Dich eines Tages wirklich in dieser wohligen Bequemlichkeit einrichten willst, dann musst Du Dich auf den Weg dahin machen.
Warten aufs Aufwachen nützt nix. Rütteln und Schütteln und raus aus dem falschen Bett hinterm Schrank ist angesagt. ;)

shark
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Geneviève
Beitrag 26.Jun.2008 - 23:19
Beitrag #10


Vorspeisenexpertin
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@malene, an eine Coming-Out-Gruppe dachte ich schon desöfteren, allerdings ist das Coming Out ja nicht das, was mir Probleme bereitet. Daher weiß ich nicht, ob ich da nicht fehl am Platz wäre.
Kann und mag jemand zu diesem Thema vielleicht Erfahrungen beisteuern?


Viele Grüße,

Geneviève
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Leah
Beitrag 26.Jun.2008 - 23:24
Beitrag #11


Meer sein
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Hey :)

wenn das Coming Out nicht Dein Problem ist,was ist dann genau Dein Problem? Das Du mit anderen Frauen,die Frauen lieben nicht in KOntakt kommst,oder schwer?

:blumen2:
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Geneviève
Beitrag 27.Jun.2008 - 00:10
Beitrag #12


Vorspeisenexpertin
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Hallo Leah,

um das mal klarer zu schreiben:
Mein Problem liegt nicht darin, zu wissen, dass ich lesbisch bin und auch nicht darin, dazu zu stehen, sondern einfach darin, dass mir die Dorf-Atmosphäre von damals noch nachhängt und einige der damaligen falschen Glaubenssätze noch nachhallen, obwohl ich rein vom Verstand her weiß, dass sie falsch sind, zumindest heute. Damals war das aber meine Realität (allein sein mit meinem Empfindungen/meiner Liebe; keine Aussicht auf eine Welt, in die ich passe, zumindest nicht in naher Zukunft; nicht ernst genommen zu werden in meiner Homosexualität und einige andere Dinge, die ich weniger klar bis gar nicht benennen kann) und das lässt sich nicht einfach abschütteln. Natürlich könnte ich mir sagen: „War alles Quatsch damals, heute ist es ja anders, geh einfach weiter“, aber dann würde ich es immer noch fühlen.
Ich muss einfach in einer anderer Realität ankommen, sozusagen. Deshalb denke ich ja daran, wie das früher gewesen ist, damit ich das klar habe und abschließen kann und heute anders leben kann.

War das jetzt verständlicher? :gruebel:


Viele Grüße,

Geneviève
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H_Golightly
Beitrag 27.Jun.2008 - 03:47
Beitrag #13


Naschkatze
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Hallo Geneviève!

QUOTE (Geneviève @ 26.Jun.2008 - 23:19)
@malene, an eine Coming-Out-Gruppe dachte ich schon desöfteren, allerdings ist das Coming Out ja nicht das, was mir Probleme bereitet. Daher weiß ich nicht, ob ich da nicht fehl am Platz wäre.
Kann und mag jemand zu diesem Thema vielleicht Erfahrungen beisteuern?

Du darfst nicht annehmen, dass es in einer Coming Out- Gruppe ausschließlich darum geht, zu erörtern, was man denn nun sei, sondern sie dient vielmehr dazu, mit anderen lesbischen Frauen in Kontakt zu treten. Ich bin seit geraumer Zeit in einer CO- Gruppe und bei uns ist es so, dass man gemeinsam Unternehmungen macht und sich mit Themen der Frauenliebe beschäftigt, wie z. B. Filmabende usw. Das tut eigentlich jedem gut, auch wenn er schon länger weiß, dass er auf Frauen steht. Man lernt einfach, (selbst)bewusster mit dem Thema umzugehen, wird offener anderen gegenüber und lernt nebenbei auch andere Frauen kennen, was wohl mit das Wichtigste an der ganzen Sache ist. Ich denke, jeder der in irgendeiner Weise an sich oder an äußeren Umständen zweifelt, ist in einer CO- Gruppe richtig.

QUOTE (malene)
:huh: Was mich stutzen macht, ist das Wort "bequemer", obwohl Du doch so sehr unter Deinem "Hinter-der-Wand-sein" leidest, Holly. :troest:

Du hast ja so recht. Vielleicht ist "bequemer" auch der falsche Ausdruck, ich meine wohl eher "weniger beängstigend".

LG
Holly
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Leah
Beitrag 27.Jun.2008 - 10:40
Beitrag #14


Meer sein
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QUOTE (Geneviève @ 27.Jun.2008 - 01:10)
Hallo Leah,

um das mal klarer zu schreiben:
Mein Problem liegt nicht darin, zu wissen, dass ich lesbisch bin und auch nicht darin, dazu zu stehen, sondern einfach darin, dass mir die Dorf-Atmosphäre von damals noch nachhängt und einige der damaligen falschen Glaubenssätze noch nachhallen, obwohl ich rein vom Verstand her weiß, dass sie falsch sind, zumindest heute. Damals war das aber meine Realität (allein sein mit meinem Empfindungen/meiner Liebe; keine Aussicht auf eine Welt, in die ich passe, zumindest nicht in naher Zukunft; nicht ernst genommen zu werden in meiner Homosexualität und einige andere Dinge, die ich weniger klar bis gar nicht benennen kann) und das lässt sich nicht einfach abschütteln. Natürlich könnte ich mir sagen: „War alles Quatsch damals, heute ist es ja anders, geh einfach weiter“, aber dann würde ich es immer noch fühlen.
Ich muss einfach in einer anderer Realität ankommen, sozusagen. Deshalb denke ich ja daran, wie das früher gewesen ist, damit ich das klar habe und abschließen kann und heute anders leben kann.

War das jetzt verständlicher? :gruebel:


Viele Grüße,

Geneviève

Hallo Geneviève :)

ja das war verständlich!
Ich kann das verstehen,da ich das in meiner Kindheit und Jugend auch so hatte...auch bei mir hallt das noch nach,ich denke wenn Dich das so beschäftigt,was bei mir auch in verschiedensten Situationen wieder mal hoch kommt,dann solltest Du viel mit Frauen darüber reden,denen es vielleicht früher auch so ging...
Ansonsten werden neue Erfahrungen das auf längere Sicht gesehen,besser machen,je mehr und öffter Du schöne neue Erfahrungen machst,desto besser ist es für Dich - auch einen neuen Standpunkt zu finden,und die Vergangenheit auch als solche zu betrachten....

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burtonhasale87
Beitrag 27.Jun.2008 - 11:38
Beitrag #15


Gemüseputzi
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Hi.

Ich bin änlich wie ihr in einer kleinen Gemeinde aufgewachsen, in der es das Wort homosexualität eigntlich gar nicht gibt.
Zum Glück hab ich mich aber dazu entschlossen studiern zu gehn, denn ich glaube wenn ich zuhause gebliebn wäre, hätte ich irgendeinen Freund und würde mich "scheinglücklich" fühlen.
Ich habe auch schon beziehungen mit männer gehabt weil es bei uns so üblich ist, hab mich aber nie so richtig glücklich dabei gefühlt.
Aber dann in Wien kam die große Wende... ich bin einmal mit einem bekanntn in der Szene unterwegsgewesn, es hat mir unglaublich gut gefalln und ich habe bald danach meine Freundin kennengelernt.
Inzwischn wohnen wir zusammen und meine gesamte Familie, alle meine freunde und der großteil der Uni weiß das ich lesbisch bin.
Es hat natürlich auch gedauert bis ich mich geoutet habe, aber es hat mir und meiner Freundin geholfen.
Ihre Familie weiß es nicht und aufgrund ihres Berufes können wir leider oft nur "als Freunde" etwas unternehmen.

Glg betty
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kenning
Beitrag 27.Jun.2008 - 16:12
Beitrag #16


Naschkatze
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QUOTE (Geneviève @ 26.Jun.2008 - 23:19)
Was ich sagen wollte und wohl mal deutlicher ausdrücken sollte, war einfach nur, dass es damit nicht getan ist, in Gesprächen an entsprechenden Stellen einfließen zu lassen, dass man lesbisch ist, sondern auch offen sein muss, sich tatsächlich auf andere lesbische Frauen einzulassen, um welche kennen zu lernen und dieser letzte Punkt war eben bislang nicht der Fall bei mir, was ich allerdings selbst nicht wirklich realisiert habe.


Dieses Gefühl kann ich gut nachvollziehen. Mir geht es schon seit einer Weile ähnlich. Doch leider hab ich noch keinen Ausweg aus dieser Situation gefunden. ... Auch wenn einem bewußt geworden ist, was vorgeht ... wie ändert man das was man fühlt?

QUOTE (Geneviève @ 26.Jun.2008 - 23:19)

@malene, an eine Coming-Out-Gruppe dachte ich schon desöfteren, allerdings ist das Coming Out ja nicht das, was mir Probleme bereitet. Daher weiß ich nicht, ob ich da nicht fehl am Platz wäre.
Kann und mag jemand zu diesem Thema vielleicht Erfahrungen beisteuern?


In einer direkten CO-Gruppe, war ich zwar nicht, aber ich bin in der ersten Zeit nach meinem CO regelmäßig zu diversen Veranstaltungen (div. Frauenfeste, Lesbenabend, usw) gegangen. Ich hab auch einige Frauen kennengelernt und Kontakte geknüpft ... doch geholfen hat es mir letztendlich leider nicht. Im Endeffekt habe ich mich in der "Szene" nicht besonders wohlgefühlt ... was wahrscheinlich mehr an mir lag als an sonst irgendwas ... bin einfach kein Partymensch. Die meisten Kontakte sind inzwischen ebenfalls im Sande verlaufen ... es waren einfach zu wenige gemeinsame Interessen vorhanden ... nur daß man Lesbisch ist, reicht für mein Empfinden einfach nicht aus als Gemeinsamkeit. ... Also stehe im immer noch mit meinem Wunsch da, gleichgesinnte Frauen kennenzulernen ... und hab keine Ahnung wie ich es anpacken soll.

Das sind aber nur meine ganz persönlichen Erfahrungen. Vielleicht gehts Dir @Geneviève ja ganz anders dabei. Ums ausprobieren, wirst Du vermutlich nicht herumkommen.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall alles Gute dazu.

kenning
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Geneviève
Beitrag 28.Jun.2008 - 15:33
Beitrag #17


Vorspeisenexpertin
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Hallo Holly, Leah, Betty und kenning,

danke für eure Antworten. :)

@Holly: Gut zu wissen, offenbar hatte ich bislang ein falsches oder zumindest verkürztes Bild auf Coming Out- Gruppen. Danke für die Aufklärung diesbezüglich. Demnach wäre eine CO-Gruppe ja doch eine realistische Option.

@kenning:
Vielleicht geht es gar nicht darum, die tatsächlichen eigenen Gefühle zu ändern – das klingt so nach verdrehen und missachten. :gruebel:
Ich habe, zumindest für mich, den Eindruck, dass es viel mehr darum geht, zu den eigenen Gefühlen weiter durchzudringen und zu erkennen, dass einige der Empfindungen noch im Sinne eines „damaligen Lebens“ funktionieren und irgendwie nur darauf reagieren und noch nicht realisiert haben, dass es heute anders ist bzw. sein könnte und die dementsprechend für das heutige Leben über-lebt sind, also einfach nicht mehr realistisch und angemessen, sondern bloß Automatismus.

Kurzes persönliches Beispiel, um zu verdeutlichen, was ich meine:
Ich hatte früher in diesem begrenzter Klima der Dorfatmosphäre wirklich nur zwei Möglichkeiten: entweder ich mache da mit und habe eine Beziehung zu einem Mann, heirate so zwischen 18 bis Mitte 20 und bekomme flugs mindestens ein Kind, kaufe ein Haus in dem gleichen oder einem der umliegenden Dörfer und bleibe für immer da – oder ich mache eben nicht mit.
Das nicht-mitmachen war jedoch tatsächlich und ausschließlich darauf ausgelegt, nicht mitzumachen, also nicht stattdessen etwas anderes zu machen, sondern „bloß“ Verweigerungshaltung, Antihaltung. Also Selbstdefintion im Sinne eines „Ich bin nicht x,y, z und ich will nicht a,b und c“.
Was fehlte, war „Ich bin g, h und i und ich will j, k und l“.

Die Selbstdefinition des Nichtseins reicht mir nicht mehr. Das war alles, was ich mir damals erlauben konnte, aber heute wirkt das für mich selbst zu verkürzt, zu eng.
Mein Selbstbild auszuweiten, scheint mir momentan das zu sein, was ich bräuchte. Und in dieser Ausweitung wird dann wohl Raum sichtbar, den ich bislang unbeachtet gelassen habe und dessen Anblick dann mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen wird, dass auch meine Empfindungen sich neu positionieren, weil sie irgendeinen Bezug dazu herstellen müssen.

... Ich weiß nicht, ob das verständlich ist, ich habe gerade ziemliche Probleme damit, das klar zu kriegen und kann erst recht nicht dafür garantieren, dass ich das morgen oder in drei Stunden noch genauso sehe wie jetzt. Ich bin gerade im Umbau, scheint mir. Aber gut. ;)

Was lesbische Veranstaltungen irgendeiner Art angeht, dachte ich bislang genau das, was du geschrieben hast: Ich bin kein Partymensch und allein die Tatsache, dass andere Frauen auch lesbisch sind, heißt noch lange nicht, dass ich sie mögen muss oder sie mich oder dass wir uns irgendetwas zu sagen haben oder dass es uns miteinander gut geht. Dafür braucht es dann doch mehr.
Es geht mir auch gar nicht primär darum, zwanghaft andere kennen zu lernen. Sondern einfach darum, meine Welt zu erweitern und in einigen Punkten realistischer zu sehen. Sollte ich dabei auf Menschen treffen, die ich wirklich mag, ist das toll. Und wenn nicht, dann eben nicht, ist ja keine Bedingung für Welterweiterung.
Aber du hast Recht, ums Ausprobieren werde ich nicht herumkommen. Was habe ich schon zu verlieren außer einem Welt- und Selbstbild, das in einigen Punkten sowieso nicht passt und das mir früher zwar geholfen hat, heute jedoch einengt?!


Viele Grüße und :blumen2: für eure ganzen Gedankenanregungen,

Geneviève
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Leah
Beitrag 28.Jun.2008 - 21:48
Beitrag #18


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Hallo Geneviève,

außerdem gibt es auch noch,außer Partys,eben Gruppen,wie zB eine Coming Out Gruppe,oder Gruppen die den CSD organisieren...usw.,wo man auch ganz ohne Zwang seinen Horizont erweitern kann und nette Frauen kennen lernt...

Ich bin auch nicht so der Partymensch....auf den meisten Veranstaltungen des Vereins in dem Ich bin,war ich gar nicht - schäm ein wenig - weil ich zum einen nicht so der Partygänger bin...und zum anderen es meinst an nem Wochenende war wo ich nicht zu hause war... Aber man trifft sich auch regelmäßig - kommt ins Gespräch...es ist ganz nett!

:)
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kenning
Beitrag 29.Jun.2008 - 00:34
Beitrag #19


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QUOTE (Geneviève @ 28.Jun.2008 - 15:33)

@kenning:
Vielleicht geht es gar nicht darum, die tatsächlichen eigenen Gefühle zu ändern – das klingt so nach verdrehen und missachten. :gruebel:
Ich habe, zumindest für mich, den Eindruck, dass es viel mehr darum geht, zu den eigenen Gefühlen weiter durchzudringen und zu erkennen, dass einige der Empfindungen noch im Sinne eines „damaligen Lebens“ funktionieren und irgendwie nur darauf reagieren und noch nicht realisiert haben, dass es heute anders ist bzw. sein könnte und die dementsprechend für das heutige Leben über-lebt sind, also einfach nicht mehr realistisch und angemessen, sondern bloß Automatismus.


Naja, daß Gefühle verdrehen und mißachten auf die Dauer nicht funktioniert, habe ich spätestens bei meinem CO feststellen müssen, welches für mich schon so eine Art kleiner Weltuntergang war. Deswegen frage ich mich ja, wie schaffe ich es etwas zu ändern ... also wirklich von Grund auf ... so, daß ich mich dann auch wirklich wohl fühle damit und ein positives Lebensgefühl daraus entsteht.

Einerseits verspüre ich in mir den Wunsch Frauen kennenzulernen (mein Freundeskreis besteht zu 90% aus Männern ... alles sehr nette und gute Freunde, aber halt doch rein gefühlsmäßig anders als mit Frauen zu kommunizieren und Freundschaften zu pflegen) und neue Erfahrungen zu machen ... andererseits spuken mir immer wieder solche Automatismen, wie Du sie erwähnt hast, im Kopf herum. Zu den eigenen Gefühlen weiter durchdringen ... erweitern der Möglichkeiten ... klingt erstmal verlockend, andererseits aber auch etwas beängstigend für mich ... ich denke darüber muß ich erstmal nachdenken und schauen, ob ich was draus machen kann.

Wg den Erfahrungen in der Szene/Partys/usw: Kann gut sein, daß meine Erfahrungen in keiner Weise repräsentativ sind .. immerhin war es sehr kurz nach meinem CO, daß ich dort hingegangen bin, wo ich sozusagen noch in einer Art Krisensituation war. Gut möglich, daß meine eigene ungefestigte Situation auch dazu beigetragen hat, daß ich mich nicht wirklich darauf einlassen konnte. Möglicherweise, wären meine Erfahrungen heute, würde ich es nocheinmal versuchen, ganz anders. Auch darüber werde ich, denk ich mal, noch eine Weile nachdenken ...

Vielen Dank jedenfalls für den Gedankenaustausch ... habe im Moment das Gefühl, daß dies zumindest ein Schritt ist ... keine Ahnung wohin und wie weiter ... aber zumindest ein Schritt ...

kenning
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H_Golightly
Beitrag 29.Jun.2008 - 01:23
Beitrag #20


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Hallo!

QUOTE (kenning @ 29.Jun.2008 - 00:34)

Naja, daß Gefühle verdrehen und mißachten auf die Dauer nicht funktioniert, habe ich spätestens bei meinem CO feststellen müssen, welches für mich schon so eine Art kleiner Weltuntergang war. Deswegen frage ich mich ja, wie schaffe ich es etwas zu ändern ... also wirklich von Grund auf ... so, daß ich mich dann auch wirklich wohl fühle damit und ein positives Lebensgefühl daraus entsteht.

Diese Frage stellt sich mir leider auch immer noch. Und ich konnte bisher noch keine zufriedenstellende Antwort für mich finden. Das heißt, im Kopf ist es natürlich schon klar, aber das Gefühl will dabei einfach nicht mitspielen. Ich habe auch schon viele sehr nützliche Tipps und Ratscghläge erhalten, wie man ein positives Lebensgefühl gewinnen kann, nicht zuletzt durch die netten Leute hier im Forum, aber mir fehlt einfach der Mut, diese auch durchzusetzen. Ich denke, die Einsicht muss von innen her kommen, wenn man etwas zum Positiven hin verändern will. Wenn man nicht überzeugt ist, dann wird es auch nix.

QUOTE (kenning @ 29.Jun.2008 - 00:34)
Einerseits verspüre ich in mir den Wunsch Frauen kennenzulernen

... andererseits spuken mir immer wieder solche Automatismen, wie Du sie erwähnt hast, im Kopf herum. Zu den eigenen Gefühlen weiter durchdringen ... erweitern der Möglichkeiten ... klingt erstmal verlockend, andererseits aber auch etwas beängstigend für mich ... ich denke darüber muß ich erstmal nachdenken und schauen, ob ich was draus machen kann.

Geht mir genauso. Man fühlt sich wie hin und her gerissen, denn man weiß nicht, was man tun soll. Man überlegt sich, welche Vor und - Nachteile alles hat und kommt letztlich doch zu keinem Ergebnis. Aus Unsicherheit verharrt man dann lieber in seinen gewohnten Bahnen.

LG
Holly


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Geneviève
Beitrag 30.Jun.2008 - 21:53
Beitrag #21


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Hallo ihr alle :)

@Holly, du hast als Grund für ein Verharren in gewohnten Bahnen Unsicherheit angegeben.
Hat mich beschäftigt. Ich sehe in Unsicherheit sicher einen möglichen Grund, um bei etwas zu bleiben, das immer so gewesen ist, aber nicht (mehr) funktioniert. Ich bezweifle allerdings, dass das der einzige mögliche Grund ist. Ist man bei neuen Dingen nicht immer mehr oder weniger unsicher? Ich habe schon einige Dinge getan, obwohl ich unsicher gewesen bin. Also muss mehr dahinter stecken, nehme ich an.

Wenn es „nur“ Unsicherheit wäre, wäre die Sache einfacher, glaube ich. Ich sehe da mehrere Komponenten und wahrscheinlich gibt es noch viel mehr als die, die ich sehe:
Verinnerlichte falsche Bilder; verinnerlichte falsch gesetzte Grenzen und ebenso verinnerlichte falsch gesetzte Lebensräume; frühere Alternativlosigkeit; Angst vor extrem negativen Reaktionen (besonders wenn man in einem Umfeld aufgewachsen ist, das sehr begrenzt und vereiheitlicht war, auf das man aber angewiesen war – als Kind ist man nun mal abhängig von der Gunst anderer, das wirkt leider nach); anerlernte Selbstbegrenzung, um bloß nicht zu kollidieren mit Erwartungen anderer Menschen, auf die man angewiesen war und auf deren Akzeptanz oder gar Respekt man nicht hoffen konnte; falsche und anerlernte Folgsamkeit; verwirrende Botschaften (Homosexualität als Phase oder gar Krankheit, Umdeutungen von Gefühlen usw.); Einengung des eigenen Sicht- und Wahrnehmungsfeldes, um überhaupt in einem Umfeld leben zu können, das nicht zu einem passt und um nicht dauernd die Sehnsucht danach zu fühlen, woanders zu sein (denn diese Sehnsucht quält, wenn es ausgeschlossen ist, dass sie sich in absehbarer Zeit erfüllt); und noch ganz viele Sachen mehr, für die mir allerdings gerade die Wörter fehlen. :gruebel:

Unsicherheit sehe ich eher als Produkt all dieser möglichen Erfahrungen, sozusagen die Spitze des Eisbergs.
Muss natürlich nicht auf dich zutreffen, Holly, ist nur ein Gedanke zum Thema, der für mich persönlich passender scheint.

@kenning, ich bin beim Lesen deines Postings und danach beim Thema des sich-einlassens hängen geblieben. Musste auch darüber erst eine Weile nachdenken und bin damit auch noch nicht fertig.
Du hast ja geschrieben, dass du dich in Kontakt mit anderen lesbischen Frauen/Szene nicht wohl gefühlt hast, womöglich weil du dich nicht darauf einlassen konntest, und dass ein Großteil deiner Freunde männlich sind, obwohl du auch gern weibliche Freundinnnen hättest.
Ich habe das Gefühl, damit etwas anfangen zu können.

Ich habe seit sechs Jahren immer mal wieder halbherzig nachgesehen, was es in der näheren bzw. weiteren Umgebung so für „lesbische Veranstaltungen“ gibt, bin aber nie hin gegangen, fand immer irgendwas daran blöd oder zu weit weg oder ungünstig aus irgendwelchen anderen Gründen (tatsächliche Gründe wie auch vorgeschobene Gründe). Mir scheint, ich habe nur nachgesehen, was es gäbe, um es zu verwerfen und als etwas zu erklären, das nicht meins ist.
Ich merke einen Nachhall davon auch jetzt noch, wenn jemand mir reale Vorschläge unterbreitet, was ich denn machen könnte (gerade deshalb :blumen2: an @Leah für die Vorschläge). Selbst die Anmeldung in diesem Forum war für mich ein riesiger Schritt und hier zu schreiben ist es nach wie vor, wenn auch zunehmend weniger. Das alles lockert sich allmählich, eine Abwehr hat immer weniger (Schein-)Argumente.

Mit Freundschaften ist es bei mir, zumindest unter einem Punkt betrachtet, ähnlich wie bei dir. Ich habe zwar nicht hauptsächlich männliche Freunde. Aber ich habe höchstens Bekanntschaften derzeit, Menschen, denen ich begegne, mit denen ich aber privat nichts zu tun habe. Extremrückzug, wie schon irgendwo erwähnt. Das funktioniert auch, aber als ich dein Posting gelesen habe, wurde mir was klar, was vielleicht bei dir auch so ist, vielleicht auch nicht, mir hat sich der Gedanke nur aufgedrängt:
Ich habe für mich das Gefühl, dass mein Rückzug von Menschen etwas ist, das ich tat, um bloß nicht mit etwas konfrontiert zu werden, das mir gefallen könnte, das mich darauf stoßen würde, dass es Leben gäbe, das mir entsprechen würde. - Was mich wieder zurückführt zu den Dingen, die ich eingangs in diesem Post schrieb.

Jedenfalls bin ich hier und lese und schreibe und das ist gewiss etwas Neues für mich und bewegt ganz viel. :blumen2:


Viele Grüße,

Geneviève
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Leah
Beitrag 30.Jun.2008 - 22:05
Beitrag #22


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QUOTE (Geneviève @ 30.Jun.2008 - 22:53)
Wenn es „nur“ Unsicherheit wäre, wäre die Sache einfacher, glaube ich. Ich sehe da mehrere Komponenten und wahrscheinlich gibt es noch viel mehr als die, die ich sehe:
Verinnerlichte falsche Bilder; verinnerlichte falsch gesetzte Grenzen und ebenso verinnerlichte falsch gesetzte Lebensräume; frühere Alternativlosigkeit; Angst vor extrem negativen Reaktionen (besonders wenn man in einem Umfeld aufgewachsen ist, das sehr begrenzt und vereiheitlicht war, auf das man aber angewiesen war – als Kind ist man nun mal abhängig von der Gunst anderer, das wirkt leider nach); anerlernte Selbstbegrenzung, um bloß nicht zu kollidieren mit Erwartungen anderer Menschen, auf die man angewiesen war und auf deren Akzeptanz oder gar Respekt man nicht hoffen konnte; falsche und anerlernte Folgsamkeit; verwirrende Botschaften (Homosexualität als Phase oder gar Krankheit, Umdeutungen von Gefühlen usw.); Einengung des eigenen Sicht- und Wahrnehmungsfeldes, um überhaupt in einem Umfeld leben zu können, das nicht zu einem passt und um nicht dauernd die Sehnsucht danach zu fühlen, woanders zu sein (denn diese Sehnsucht quält, wenn es ausgeschlossen ist, dass sie sich in absehbarer Zeit erfüllt); und noch ganz viele Sachen mehr, für die mir allerdings gerade die Wörter fehlen. :gruebel:

Das kann ich genau so auch für mich unterschreiben....
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Leah
Beitrag 30.Jun.2008 - 22:12
Beitrag #23


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QUOTE (Geneviève @ 30.Jun.2008 - 22:53)
Ich habe seit sechs Jahren immer mal wieder halbherzig nachgesehen, was es in der näheren bzw. weiteren Umgebung so für „lesbische Veranstaltungen“ gibt, bin aber nie hin gegangen, fand immer irgendwas daran blöd oder zu weit weg oder ungünstig aus irgendwelchen anderen Gründen (tatsächliche Gründe wie auch vorgeschobene Gründe). Mir scheint, ich habe nur nachgesehen, was es gäbe, um es zu verwerfen und als etwas zu erklären, das nicht meins ist.
Ich merke einen Nachhall davon auch jetzt noch, wenn jemand mir reale Vorschläge unterbreitet, was ich denn machen könnte (gerade deshalb :blumen2: an @Leah für die Vorschläge). Selbst die Anmeldung in diesem Forum war für mich ein riesiger Schritt und hier zu schreiben ist es nach wie vor, wenn auch zunehmend weniger. Das alles lockert sich allmählich, eine Abwehr hat immer weniger (Schein-)Argumente.

Mit Freundschaften ist es bei mir, zumindest unter einem Punkt betrachtet, ähnlich wie bei dir. Ich habe zwar nicht hauptsächlich männliche Freunde. Aber ich habe höchstens Bekanntschaften derzeit, Menschen, denen ich begegne, mit denen ich aber privat nichts zu tun habe. Extremrückzug, wie schon irgendwo erwähnt. Das funktioniert auch, aber als ich dein Posting gelesen habe, wurde mir was klar, was vielleicht bei dir auch so ist, vielleicht auch nicht, mir hat sich der Gedanke nur aufgedrängt:
Ich habe für mich das Gefühl, dass mein Rückzug von Menschen etwas ist, das ich tat, um bloß nicht mit etwas konfrontiert zu werden, das mir gefallen könnte, das mich darauf stoßen würde, dass es Leben gäbe, das mir entsprechen würde. - Was mich wieder zurückführt zu den Dingen, die ich eingangs in diesem Post schrieb.

Jedenfalls bin ich hier und lese und schreibe und das ist gewiss etwas Neues für mich und bewegt ganz viel. :blumen2:


Viele Grüße,

Geneviève

Alles was Du schreibst kommt mir irgendwie doch sehr bekannt vor...um so toller finde ich,dass Du Dich hier angemeldet hast und dass Du hier schreibst und dass Du alles so hinterfragst und gerne verstehen möchtest - dass zeigt ganz klar wie sehr Du Dich mit Dir beschäftigst und wird Dir sicher gut tun in Deinem - für DICH - Vorankommen!

Es ging mir auch lange so...bis ich das irgendwann für mich klar hatte....für mich geordnet hatte...und trotzdem,wenn ich mit dem "Alten" und "negativen von damals" zu tun habe,kommen doch immer wieder auch Fragen in mir hoch,oder alte Gefühle...die immer wieder verstanden werden wollen und geordnet werden wollen...

Kann das doch sehr gut nachempfinden und finde gut was Du tust :zustimm: :blumen2:
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Summer86
Beitrag 01.Jul.2008 - 01:18
Beitrag #24


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da muss ich Leah 100%ig zustimmen!!! echt wahnsinn welche gedankengänge du so gut in worte fassen kannst, Geneviève! ich kann das auch alles sooo sehr nachempfinden... habe auch seid wochen oder fast monaten das gefühl das sich mein "innenleben" langsam irgendwie umkrempelt... weg von den alten, durchs dorfleben, eingetrichterten lebensweisen und rein ins neue leben :) genau wie ihr beschrieben habt finde ich es auch total schwer diese gedanken in gefühle umzuwandeln... es klingt alles logisch aber das dann wirklich umzusetzen ist echt nicht leicht... genau deswegen vermute ich auch, wie in meinem ersten beitrag ("die richtige") das ich mich immer an frauen klammere wo ich sowieso weiß das daraus nichts entsteht weil ich vielleicht noch gar nicht soo weit bin eine lesbische beziehung einzugehen?! :was: im kopf scheint das alles so leicht aber das in der realität auszuleben... uff... weiß nicht ob ich das wirklich einmal hinkriege... ich hoffe es sooo sehr und ich gebe mir echt mühe mich da immer weiter zu "entwickeln" nur bin ich nicht mal richtig geoutet und versuche doch immer noch allen vorzuspielen ich sei hetero, obwohl ich SICHER weiß das ich mindestens bi bin... mit männern kann ich mir zur zeit überhaupt nichts mehr vorstellen aber man soll ja niemals nie sagen... und da ich noch keine beziehung zu einer frau hatte, denke ich kann ich mich selber noch(?!) nicht komplett als lesbisch bezeichnen... davon abgesehen mag ich das wort auch gar nicht... ich weiß das es eigentlich dumm ist und ich mich damit irgendwie doch nur noch selber behindere bzw unnötig schwer mache... aber naja, wie gesagt, bin ich halt momentan in dieser "umbruchphase" die mir aber echt eeewig lang zu sein scheint :( durch dieses thema hier und vorallem eure guten beiträge hilft es mir schon das alles eeetwas klarer zu sehen bzw definieren zu können.... hätte nie gedacht das es doch noch andere gibt die so denken wie ich... freut mich richtig :D

Der Beitrag wurde von Summer86 bearbeitet: 01.Jul.2008 - 01:21
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Leah
Beitrag 01.Jul.2008 - 08:46
Beitrag #25


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@ Summer... es kann nicht alles auf einmal gehn....Du mußt diesem Prozess in und um Dir auch Zeit geben...Step by Step... Du wirst sicher fähig sein eine lesbische Beziehung zu führen,aber alles was neu ist braucht erst mal Zeit...

:blumen2:
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Geneviève
Beitrag 02.Jul.2008 - 01:46
Beitrag #26


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Hallo Summer86,

warum sollte man niemals nie sagen? (ernst gemeinte Frage – diesen „Anspruch“ kenne ich, aber bislang konnte mir niemand plausibel erklären, warum man das nicht behaupten sollte.)
Ich finde es ziemlich befreiend, auch mal „nie“ zu sagen, für mich persönlich. Und viele Dinge, denen ich einmal ein „nie“ verpasst habe, sind noch immer „nie“. Einige nicht, aber darum bin ich auch froh.
„Sag niemals nie“ ist, zumindest meiner Erfahrung nach, oft ein Satz, der einem gesagt wird, wenn man etwas über sich selbst erklärt, dass manchen anderen nicht in den Kram passt („Mama, ich werde nie heiraten“, „Onkel Metzger, ich werde nie wieder Fleisch essen“, „Zeugen Jehovas, die ihr an meiner Tür klingelt, ich werde nie einer Sekte/religiösen Gruppierung beitreten“ und eben auch „Ich werde nie eine Beziehung zu einem Mann haben“).
Also ich sage in einigen Fällen nie und bin stolz drauf. :) Weil das nämlich tatsächlich etwas war, das ich mir erkämpfen musste und das befreiend war, als ich es endlich hatte.
Und selbst wenn ich mich in einer dieser Nie-Aussagen irre (wenn ich mal in einem Flugzeug abstürze und auf einer unbewohnten Insel lande, auf dem keine für mich essbaren Pflanzen wachsen, sondern nur Tiere leben und ich daher gezwungen bin, doch Fleisch zu essen, um zu überleben), was soll dann schlimm daran sein, dass ich die Nie-Aussage einst traf? Darf sich niemand irren, muss man immer alle Eventualitäten bedenken und mit einkalkulieren? Dann dürfte ich nicht mehr aus dem Haus gehen aus Angst, überfallen zu werden oder von Außerirdischen entführt zu werden – zugegeben, das sind Extrembeispiele, aber sie verdeutlichen, wie unsinnig das wäre.

Ich hatte auch noch nie eine Beziehung zu einer Frau, bezeichne mich aber trotzdem als lesbisch. Weil es sich richtig anfühlt und wahr.
Kenne allerdings den Gedanken, dass ich das nicht dürfte, weil ich eine Beziehung ja nie erlebt habe. Und auch den dazu passenden Gedanken, dass ich das auch deshalb nicht dürfte, weil ich nie S*x mit einem Mann hatte. - Aber etwas, das man nicht will, wird sich schwer richtig und gut anfühlen, wenn man sich denn doch dazu zwingt (schon allein deshalb nicht, weil man sich eben zwingen musste). Und etwas, das sich richtig anfühlt und das man will, wird sich nur schwer als der totale Reinfall entpuppen. Nicht wenn es um so grundlegende Dinge wie Liebe und Sexualität geht. Die sind ja nicht plötzlich einfach da, irgendwo außerhalb von einem, sondern beginnen im Inneren, haben da ihren Nährboden, ihren Ursprung, finden im Äußeren eben ihre Resonanz. Oder so ähnlich. :gruebel:

Das Wort „lesbisch“ nícht mögen, ja das kenne ich auch. Inzwischen mag ich es sehr gern, aber das hat bei mir Jahre gedauert. Ich vermute, es hatte weniger mit dem Wort an sich zu tun, sondern viel eher mit der Angst vor einem mehr oder weniger fassbaren Begriff und damit gewissermaßen mit einer Festschreibung - wie eben auch das „nie“. Ich habe das vermieden, war eine Zeit lang auch richtiger so, weil ich mit einem eher unbeschriebenen Zustand eine Weile besser klar gekommen bin. Jetzt fühlt sich das Wort aber gut an. :)

Ich stimme @Leah zu, dass manche Dinge Zeit brauchen, unter Umständen viel Zeit. Aber ich merke gerade, dass das nicht immer quälend und bedrückend sein muss. Im Moment ist es für mich eher interessant und spannend. :bounce:

Viele Grüße,

Geneviève
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kenning
Beitrag 02.Jul.2008 - 14:13
Beitrag #27


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QUOTE (Geneviève @ 30.Jun.2008 - 21:53)

@kenning, ich bin beim Lesen deines Postings und danach beim Thema des sich-einlassens hängen geblieben. Musste auch darüber erst eine Weile nachdenken und bin damit auch noch nicht fertig.
Du hast ja geschrieben, dass du dich in Kontakt mit anderen lesbischen Frauen/Szene nicht wohl gefühlt hast, womöglich weil du dich nicht darauf einlassen konntest, und dass ein Großteil deiner Freunde männlich sind, obwohl du auch gern weibliche Freundinnnen hättest.
Ich habe das Gefühl, damit etwas anfangen zu können.

Ich habe seit sechs Jahren immer mal wieder halbherzig nachgesehen, was es in der näheren bzw. weiteren Umgebung so für „lesbische Veranstaltungen“ gibt, bin aber nie hin gegangen, fand immer irgendwas daran blöd oder zu weit weg oder ungünstig aus irgendwelchen anderen Gründen (tatsächliche Gründe wie auch vorgeschobene Gründe). Mir scheint, ich habe nur nachgesehen, was es gäbe, um es zu verwerfen und als etwas zu erklären, das nicht meins ist.
Ich merke einen Nachhall davon auch jetzt noch, wenn jemand mir reale Vorschläge unterbreitet, was ich denn machen könnte (gerade deshalb :blumen2: an @Leah für die Vorschläge). Selbst die Anmeldung in diesem Forum war für mich ein riesiger Schritt und hier zu schreiben ist es nach wie vor, wenn auch zunehmend weniger. Das alles lockert sich allmählich, eine Abwehr hat immer weniger (Schein-)Argumente.

Mit Freundschaften ist es bei mir, zumindest unter einem Punkt betrachtet, ähnlich wie bei dir. Ich habe zwar nicht hauptsächlich männliche Freunde. Aber ich habe höchstens Bekanntschaften derzeit, Menschen, denen ich begegne, mit denen ich aber privat nichts zu tun habe. Extremrückzug, wie schon irgendwo erwähnt. Das funktioniert auch, aber als ich dein Posting gelesen habe, wurde mir was klar, was vielleicht bei dir auch so ist, vielleicht auch nicht, mir hat sich der Gedanke nur aufgedrängt:
Ich habe für mich das Gefühl, dass mein Rückzug von Menschen etwas ist, das ich tat, um bloß nicht mit etwas konfrontiert zu werden, das mir gefallen könnte, das mich darauf stoßen würde, dass es Leben gäbe, das mir entsprechen würde. - Was mich wieder zurückführt zu den Dingen, die ich eingangs in diesem Post schrieb.

Hallo Genèvieve!

Vielen Dank nocheinmal, daß Du Dich so mit meiner Situation beschäftigst .. obwohl ich ja eigentlich in Deinen Thread gepostet habe. Es sind da für mich einige wirklich gute Anregungen dabei.

Wg den halbherzigen Versuchen, wollte ich nochwas dazu sagen: Bei mir war es eher so, daß ich, nachdem ich endlich kapiert hatte (bzw vollends eingesehen hatte), daß ich Frauen (und nicht Männer toll finde :patsch: ), gemerkt, habe, daß ich irgendwie andere Lesben kennenlernen muß, damit ich mich nicht mit meinen eigenen Vorstellungen vom Lesbisch-sein total verrückt mache. Es hat ein paar Monate gedauert, dann bin ich zu verschiedenen Veranstaltungen gegangen und hab auch Leute kennengelernt und habe die dann auch über einen längeren Zeitraum relativ regelmäßig getroffen. Der Kontakt ist nach einer Weile mehr oder weniger abgebrochen bzw habe ich mich auch zurückgezogen, weil ich mich trotz des gemeinsamen Lesbisch-Seins irgendwie fremd gefühlt habe, weil eben meine sonstigen Interessen, die mich bewegen und die mir wichtig sind und die ich mit meinen anderen Freunden teile, nicht erwidert wurden.

Generell schließe ich nicht aus, daß es lesbische Frauen geben kann, mit denen ich auch noch mehr Gemeinsamkeiten finden könnte. ... doch leider habe ich zur damaligen Zeit auf den Veranstaltungen, die ich besucht habe, keine davon getroffen. Natürlich (und das meinte ich mit innerlich nicht aufgeschlossen genug sein) könnte es daran liegen, daß ich innerlich irgendwie noch nicht bereits dazu war, weil ich damals eben noch zu sehr mit mir selber beschäftigt war (CO, wer bin ich?, was will ich?, usw.) als daß ich wirklich Kapazitäten dafür frei gehabt hätte mich auf andere Menschen richtig einzulassen. Daher schließe ich nicht aus, daß das Ergebnis anders sein könnte, würde ich die gleichen Dinge heute unternehmen.

So finde ich mich heute eben in einem ähnlichen Denkmuster (es gibt eh niemand der Gemeinsamkeiten mit mir hat) wieder. ... Früher in meiner Teenagerzeit war das eben bezogen aufs Lesbisch-sein, jetzt ist es umgekehrt bezogen auf meine anderen Interessen. ... Wobei es damals ja nicht gestimmt hat und heute wahrscheinlich auch nicht stimmt .. ich muß es "nur" irgendwie schaffen diesen Automatismus das immer wieder reflexartig zu denken abzulegen, damit ich irgendwann auch mal wirklich unvoreingenommen auf andere zugehen kann ... bzw irgendwoher die Energie finde, wieder mal aktiv neue Leute kennenzulernen.

kenning

edit: Ergänzt.

Der Beitrag wurde von kenning bearbeitet: 02.Jul.2008 - 14:23
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H_Golightly
Beitrag 02.Jul.2008 - 21:11
Beitrag #28


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Hallo Geneviève!

QUOTE (Geneviève @ 30.Jun.2008 - 21:53)
@Holly, du hast als Grund für ein Verharren in gewohnten Bahnen Unsicherheit angegeben.
Hat mich beschäftigt. Ich sehe in Unsicherheit sicher einen möglichen Grund, um bei etwas zu bleiben, das immer so gewesen ist, aber nicht (mehr) funktioniert. Ich bezweifle allerdings, dass das der einzige mögliche Grund ist. Ist man bei neuen Dingen nicht immer mehr oder weniger unsicher? Ich habe schon einige Dinge getan, obwohl ich unsicher gewesen bin. Also muss mehr dahinter stecken, nehme ich an.

Wenn es „nur“ Unsicherheit wäre, wäre die Sache einfacher, glaube ich. Ich sehe da mehrere Komponenten und wahrscheinlich gibt es noch viel mehr als die, die ich sehe:
Verinnerlichte falsche Bilder; verinnerlichte falsch gesetzte Grenzen und ebenso verinnerlichte falsch gesetzte Lebensräume; frühere Alternativlosigkeit; Angst vor extrem negativen Reaktionen (besonders wenn man in einem Umfeld aufgewachsen ist, das sehr begrenzt und vereiheitlicht war, auf das man aber angewiesen war – als Kind ist man nun mal abhängig von der Gunst anderer, das wirkt leider nach); anerlernte Selbstbegrenzung, um bloß nicht zu kollidieren mit Erwartungen anderer Menschen, auf die man angewiesen war und auf deren Akzeptanz oder gar Respekt man nicht hoffen konnte; falsche und anerlernte Folgsamkeit; verwirrende Botschaften (Homosexualität als Phase oder gar Krankheit, Umdeutungen von Gefühlen usw.); Einengung des eigenen Sicht- und Wahrnehmungsfeldes, um überhaupt in einem Umfeld leben zu können, das nicht zu einem passt und um nicht dauernd die Sehnsucht danach zu fühlen, woanders zu sein (denn diese Sehnsucht quält, wenn es ausgeschlossen ist, dass sie sich in absehbarer Zeit erfüllt); und noch ganz viele Sachen mehr, für die mir allerdings gerade die Wörter fehlen. :gruebel:

Unsicherheit sehe ich eher als Produkt all dieser möglichen Erfahrungen, sozusagen die Spitze des Eisbergs.
Muss natürlich nicht auf dich zutreffen, Holly, ist nur ein Gedanke zum Thema, der für mich persönlich passender scheint.

Natürlich, so wie du es beschrieben hast, meinte ich das auch. Ich habe das alles nur mit dem Begriff "Unsicherheit" zusammengefasst. All die Unterpunkte, die du aufgezählt hast, fallen für mich darunter. Am meisten jedoch machen mir immer noch zu schaffen, was andere (von mir) denken könnten und die festgesetzten Normen der Gesellschaft, die einen in bestimmte Bahnen zu drängen versuchen. Und weil ich dem nicht entsprechen kann, schäme ich mich eben. Und diese Scham kann ich einfach nicht ablegen. :roetel: Derweil verharre ich lieber in meiner Schutzhülle und brüte vor mich hin. :patsch:

Und was die Bezeichnung "lesbisch" betrifft, nunja, ich hatte ja auch noch keine Beziehung mit einer Frau (zu einem Mann sowieso nicht), aber auch ohne diese Erfahrung weiß ich sehr wohl, wie ich fühle. Und aus diesem Grund finde ich den Satz "Wie willst du das wissen, wenn du noch gar keine Beziehung hattest?" auch mehr als daneben. Zum Glück hat das (außer im Internet) noch nie jemand zu mir gesagt.

LG
Holly
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Leah
Beitrag 02.Jul.2008 - 21:14
Beitrag #29


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Ich kenne den Satz leider auch....habe ihn gerade in meiner Umbruchphase,außgerechnet von meiner Familie gehört...

Aber da alle meine Freunde total cool reagiert haben....habe ich mich lieber daran gefreut,als mich über meine Familie aufzuregen,denn damit hatte ich ohnehin gerechnet... :rolleyes:
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Geneviève
Beitrag 02.Jul.2008 - 23:56
Beitrag #30


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Hallo :),

wieder so viele Gedankenanregungegn, freut mich richtig. :blumen2:

@Holly, du schriebst von Scham. Das beschäftigt mich auch.
Was Homosexualität betrifft, bin ich groß geworden mit Behauptungen, dass lesbische Frauen nur noch nicht den Richtigen gefunden hätten, dass man ihnen mal zeigen müsste, was sie denn verpassen (ich könnte kotzen), dass sie verwirrt wären, dass sie aufgrund traumatisierender Erfahrungen von Männern absehen und sich notgedrungen Frauen als zweite Wahl zuwenden würden – all diese Behauptungen sind weder emotional noch rational auch nur ansatzweise logisch, im Gegenteil, sie sind arrogant, verletzend, beleidigend, herabwürdigend und vieles mehr. :mecker: Sie haben mich in meiner Würde verletzt, als Mensch, als Mädchen/Frau, als Lesbe. Als ob lesbische Liebe etwas wäre, das aus Gewalt geboren werden könnte, als ob lesbische Liebe etwas wäre, das zweite Wahl und niemals richtig erfüllend und niemals bis in den Kern echt wäre. Als ob lesbische Liebe etwas defizitäres wäre.
Ich habe diese Argumente nie verstanden. Aber es waren Erwachsene, die das sagten und wenn ich darüber diskutieren wollte, verstehen wollte, kamen keine Argumente, sondern ein „dafür bist du zu jung“ o.ä.
Und irgendwann dachte ich fälschlicherweise, dass so viele Menschen sich doch nicht gleichzeitig irren könnten und dass es an mir läge, dass ich es nicht verstehe – und damit begannen die Verdrehungen und die Scham. Ich wollte nicht so gesehen werden (und war daher lange darum besorgt, was andere von mir denken und dass ich mich "richtig" verhalten müsste). Ich wollte nicht, dass irgendjemand etwas so Grundlegendes und Persönliches an mir so sehr missversteht, so sehr in den Dreck zieht.
Das tat in jeder einzelnen Pore weh, in jedem Organ, in jeder Zelle, das macht mich heute noch tottraurig, wenn ich daran denke.
Daher kam die Scham. Das waren damals verbohrte Menschen, die gar nicht verstehen wollten (!), ich habe argumentieren können, so präzise und gut ich es eben vermochte, aber es brachte rein gar nichts. Sie sahen, was sie sehen wollten, das und nicht mehr. Und das ist schlimm, wenn diese Verhaltensweisen Menschen betrifft, mit denen man auf engstem Raum leben musste, die man jeden Tag sehen musste und von denen man wollte, dass sie einen einfach nur lieben. So wie man ist.

Das ist meine Erklärung für die Schamgefühle, sicher nicht die vollständige, ich untersuche das selbst gerade, mal wieder.
Mich interessiert, wo du die Herkunft dieser Scham siehst, falls du dazu etwas schreiben magst.


Zu einigen anderen Punkten aus euren Beiträgen möchte ich gern in den nächsten Tagen noch etwas schreiben.

Bis dahin und viele Grüße,

Geneviève
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H_Golightly
Beitrag 03.Jul.2008 - 02:13
Beitrag #31


Naschkatze
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Hi Geneviève, gerne möchte ich auf deine Frage antworten. :)

QUOTE (Geneviève @ 02.Jul.2008 - 23:56)
Das ist meine Erklärung für die Schamgefühle, sicher nicht die vollständige, ich untersuche das selbst gerade, mal wieder.
Mich interessiert, wo du die Herkunft dieser Scham siehst, falls du dazu etwas schreiben magst.

Bei mir ist es eher so, dass meine Scham von innen heraus kommt. Ich bin bisher noch nie mit Leuten konfrontiert worden, die sich negativ über Homosexualität geäußert hätten und mein Umfeld (Familie und Freunde) ist auch sehr tolerant. Ich kann mich also nicht beschweren. Die Familie ermutigt mich sogar, mir eine Freundin zu suchen. :roetel: Und doch ist da diese verdammte Scham.
Ich habe Angst, vor den Reaktionen der Leute und befürchte, sie könnten mich nach einem Outing mit anderen Augen sehen, es eklig finden usw. Und ich bin mir sicher, viele finden es auch eklig, weil sie sowas dann gleich auf sich beziehen und es sich für sich selbst gar nicht vorstellen könnten. Und wenn es nur das Getratsche ist, das mir eigentlich egal sein sollte- ich fände es furchtbar, das Gespräch des Tages zu sein. Auch wenn es nur ein erstauntes "Was, duuu...?" ist. Das allein würde mir schon reichen, dass ich mich unwohl fühlen würde. -_-
Ich schäme mich auch, weil ich mit "normalen" Frauen nicht mithalten kann. Wenn sie freudestahlend von Familie und Kindern erzählen, macht mich das immer total traurig, weil ich weiß, ich werde niemals so wie sie sein können. Und leider kann man diesem Einfluss auch gar nicht entgehen, denn man wird tatgtäglich (fast ausschließlich) mit diesen Heterodingen konfrontiert. Für solche wie mich ist einfach kein Platz in dieser Welt. Auch redet kaum einer über Homosexualität, ich habe das Gefühl, es wird einfach totgeschwiegen. Wie soll man da Selbstbewusstsein entwickeln?

Ich finde es sehr traurig, dass dein Umfeld so homophob eingestellt ist/ war. Ich stelle es mir noch eine Spur schlimmer vor, wenn man in solch einem Umfeld leben muss, wo Homosexualität offen negativ diskutiert wird. Hast du es wenigstens geschafft, dich von diesen ignoranten Leuten zu distanzieren oder bist du denen noch immer ausgeliefert?

LG
Holly
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shark
Beitrag 03.Jul.2008 - 09:39
Beitrag #32


Strösenschusselhai
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QUOTE (H_Golightly @ 03.Jul.2008 - 03:13)
Für solche wie mich ist einfach kein Platz in dieser Welt.

Hallo, Holly,

Seit so langer Zeit nun lese ich immer wieder von Dir, dass Du heterosexuelle Menschen beneidest, Dich schämst für Deine Homosexualität, Dich am falschen Platz fühlst in dieser heterosexuell geprägten Welt, Angst hast vor Ekelgefühlen Anderer Dir gegenüber und Deine Umwelt als grundsätzliche lesbenfeindlich (sogar trotz der Ermutigung durch die Familie), Dein "Schicksal" als beinahe "grausam" wahrnimmst.

Mich macht das traurig - gerade weil Du offenbar die eher besseren "Startchancen" hättest, verglichen mit vielen, die schon in der Familie extremen Druck zu erwarten hätten, outeten sie sich.

Und es macht mich auch ein bisschen wütend - Du verharrst in einem Status des Selbsmitleids, der Dich ganz sicher niemals dorthin bringen wird, wo Du behauptest, hinzuwollen: Zu einem, von innen kommenden, erträglichen bis wunderbaren lesbischen Selbstverständnis.
Das wird nicht von Zauberhand gestaltet eines Tages neben deinem Morgenkaffee zur "Benutzung" bereitliegen.

Nimms mir bitte nicht übel, aber Du drehst Dich schwindeligmachend in einem Kreisel, der nirgends einen Ausweg bieten kann, wenn Du nicht selbst ein Loch reinsägst und mal schaust, was alles an positiven, lesbischen Lebensentwürfen möglich wäre.

Wieso solltest Du keine Familie gründen können?
Wieso meinst Du, in einem heterosexuellen Umfeld nicht friedlich lesbisch leben können?
Kommen denn all die positiven Berichte hier gar nicht bei Dir an?
Treffen sie nicht auf einen kämpferischen Nerv, der, einmal aktiviert, Dich spüren lassen könnte, dass es nicht unmöglich ist, glücklich lesbisch zu leben?

Und wenn Du derart missmutig in eine mögliche, aktiv frauenliebende Zukunft schaust, von der Du denkst, sie könne Dich nur für immer ins Abseits stellen: was denkst du wohl, wie es die Anderen geschafft haben?

Oder bringt es Dir gar irgendwelche, unbewussten "Vorteile", Dich als "Opfer" zu fühlen?


Ich glaube ernsthaft, dass Du an Dir arbeiten musst, wenn Dein Ziel wirklich das sein sollte, eines Tages selbstbewusst in einer Frauenbeziehung leben zu können.
Und es scheint, alle positiven Vorbilder, alles, was das Forum an Mutmachen bieten kann, erreichen Dich nicht.

Vielleicht solltest Du ernsthaft in Betracht ziehen, Deinen Leidensdruck in wirkliche Arbeit mit Dir selbst münden zu lassen, anstatt selbstmitleidig zu "jammern", was alles Dir niemals möglich sein wird.

Wenn nötig, auch mit professioneller Hilfe.

Aber vielleicht verliebst du Dich ja auch einmal so richtig dolle - und plötzlich kommen doch ein paar Sonnenstrahlen von "drüben" bei Dir an und alles Schlimm-Erwartete relativiert sich...

Ich wünsch Dir das von Herzen. So oder so.


shark


edit: Und zum Thema "Totschweigen": Wenn Du willst, dass das, was Du am Verschweigen und Unsichtbarmachen so furchtbar findest, einmal ein Ende nimmt, solltest Du selbst daran denken, das "Schweigen" zu brechen.

Du brauchst dazu Selbstbewusstsein und mut. Und diese beiden Eigenschaften sind auch mir nicht in die Wiege gelegt worden; ich musste sie mir hart erarbeiten. Und Andere auch.
Aber das muss frau auch wollen. Wirklich wollen.
Abwarten ist, ich schrieb es schon mal, eine passive Art des Umgangs mit Problemen.
Und befördert nur eines: abhängig zu sein, von dem, was von "aussen" kommt; auf das zu reagieren, was Andere tun.

Den eigenen Platz in dieser Welt muss jede sich suchen - lesbisch oder nicht.

Und dein Problem ist nicht die Umwelt. Dein Problem bist Du.

Du könntest Gestalterin Deines Lebens sein. Willst Du das?


edit2: Schreibfehler eliminiert und Satz um- (neu-)gebaut. Satz eingeschoben. Und noch einen...

Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 03.Jul.2008 - 10:18
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Geneviève
Beitrag 03.Jul.2008 - 11:54
Beitrag #33


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Hallo Holly,

danke für die Beantwortung der Frage.

Wenn du nie negativen Kommentaren ausgesetzt warst, woher kommt dann die Scham? Man wacht ja nicht eines Tages auf und denkt sich, dass man sich dafür schämen müsste, lesbisch zu sein oder dass andere einen gar für eklig halten könnten. Solche Ängste und Befürchtungen sind ja nicht angeboren und einfach in einem drin. Warum sollten sie auch? Ich sehe keinen realistischen Grund dafür.
In meiner Gegenwart sind solche Dinge (bezüglich eines eklig finden, auch mit absurden „Wehe, du fasst mich an“-Sätzen) tatsächlich gesagt worden. Woher kommen diese Befürchtungen bei dir?

Was deine Frage nach Kontakt oder Nicht-Kontakt zu meinem damaligen Umfeld betrifft: Ich habe zu gar keinem Menschen von damals mehr Kontakt. Auch und besonders nicht mehr zu meiner Familie. Ist auch besser so, der Schritt war befreiend.
Bevor ich neben Menschen stehe, die mich nur gelten lassen, wenn ich mich ducke und bücke und kleiner mache, als ich bin, stehe ich lieber ganz allein auf weiter Flur. Das ist erträglicher, weil ständiges Bücken zu Rückenproblemen führt und irgendwann kriecht man am Boden und zerbricht. Zerbrechen wollte ich nie, kriechen auch nicht. Und je weiter es mir möglich ist, das Ducken aufzugeben, desto aufrechter kann ich sein. Und so weit am Boden habe ich auch gar nichts verloren, niemand hat das. Das Leben spielt sich weiter oben ab.

Mir fällt beim Lesen von @sharks Beitrag noch etwas ein.
Wut war immer wichtig. Ich durfte die lange nicht haben. Wütend zu sein war mir verboten, aus vielen Gründen. Ich habe die so einige Jahre unterdrückt und auf verschiedenste Weisen gegen mich selbst gerichtet. Als ich damit angefangen habe, sie auf die zu richten, zu denen sie gehört, war das wie Schreien und das Sprengen von Fesseln, wie aufrichten eben. Das hat einen ganz gewaltigen Teil der Scham gesprengt. Weil ich plötzlich stolz auf mich war und mich mit mir selbst einig.
Was die noch verbliebenen und hin und wieder auftauchenden Reste von Scham angeht, hilft es mir tatsächlich, traurig zu sein. Weil das irgendwann vorbei ist und in Wut übergeht und damit in Kraft und Aktivität.
Insofern würde ich shark in dem Punkt wiedersprechen, dass Selbstmitleid einen nicht weiter bringen würde (aber vielleicht verstehen wir unter Selbstmitleid nicht das Gleiche?). Stimme allerdings gleichzeitig darin zu, dass auch etwas Kämpferisches sein muss, um weiter zu kommen. Nur ist es zumindest bei mir so, dass sich dieses Kämpferische früher oder später einfach von selbst ergibt, wenn ich lange genug traurig gewesen bin. Sozusagen als natürliche Folge dessen, weil ich nicht für immer traurig sein will. Trauer ist dann Platz schaffen und ausruhen, für die anschließende Wut und Aktivität. Irgendein in mir verankerter Prozess, der einfach so abläuft. Wenn ich traurig bin, stelle ich mich restlos auf meine eigene Seite. Und wenn ich da lange genug stehe, will ich auch was für mich ändern.


Viele Grüße,

Geneviève
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Mausi
Beitrag 03.Jul.2008 - 12:22
Beitrag #34


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:zustimm: @shark
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H_Golightly
Beitrag 03.Jul.2008 - 21:37
Beitrag #35


Naschkatze
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@shark:

Jetzt hast du mir ja wieder gehörig den Kopf gewaschen. :blink: Ich wollte mit meinem Beitrag eigentlich gar nicht so viel Aufsehen erregen und "jammern" schon gar nicht, sondern lediglich meine Empfindungen schildern, nachdem mich Geneviève nach den Gründen meiner Scham gefragt hatte. :roetel:

QUOTE (shark @ 03.Jul.2008 - 09:39)
Nimms mir bitte nicht übel, aber Du drehst Dich schwindeligmachend in einem Kreisel, der nirgends einen Ausweg bieten kann, wenn Du nicht selbst ein Loch reinsägst und mal schaust, was alles an positiven, lesbischen Lebensentwürfen möglich wäre.

Ich habe an andere Stelle schon geschrieben, dass ich seit kurzem in einer Coming Out- Gruppe bin. Ist das nicht schon ein kleines Löchlein?

QUOTE (shark @ 03.Jul.2008 - 09:39)
Und es scheint, alle positiven Vorbilder, alles, was das Forum an Mutmachen bieten kann, erreichen Dich nicht.

Natürlich erreichen sie mich, aber eben nur online. Das alles im realen Leben in die Tat umzusetzen, ist nochmal was ganz anderes.

QUOTE (shark @ 03.Jul.2008 - 09:39)
Aber vielleicht verliebst du Dich ja auch einmal so richtig dolle - und plötzlich kommen doch ein paar Sonnenstrahlen von "drüben" bei Dir an und alles Schlimm-Erwartete relativiert sich...

Das ist eben meine Hoffnung. Dann sieht alles sicher ganz anders aus. Im Moment bin ich ja nur Einzelkämpferin, die beziehungstechnisch nicht mal etwas vorzuweisen hat.

QUOTE (shark @ 03.Jul.2008 - 09:39)
edit: Und zum Thema "Totschweigen": Wenn Du willst, dass das, was Du am Verschweigen und Unsichtbarmachen so furchtbar findest, einmal ein Ende nimmt, solltest Du selbst daran denken, das "Schweigen" zu brechen.

Meinst du damit, ich solle mit anderen offen darüber reden? Das könnte ich nie im Leben.




@Geneviève:

QUOTE (["Geneviève")
Wenn du nie negativen Kommentaren ausgesetzt warst, woher kommt dann die Scham? Man wacht ja nicht eines Tages auf und denkt sich, dass man sich dafür schämen müsste, lesbisch zu sein oder dass andere einen gar für eklig halten könnten. Solche Ängste und Befürchtungen sind ja nicht angeboren und einfach in einem drin. Warum sollten sie auch? Ich sehe keinen realistischen Grund dafür.

Das habe ich doch schon versucht zu erklären. Es ist das durch und durch heterosexuell geprägte Umfeld, dass dafür sorgt, dass ich mich unnormal fühle.

QUOTE (["Geneviève")
In meiner Gegenwart sind solche Dinge (bezüglich eines eklig finden, auch mit absurden „Wehe, du fasst mich an“-Sätzen) tatsächlich gesagt worden. Woher kommen diese Befürchtungen bei dir?

Diese Befürchtungen kommen aus Erfahrungen, die mich gelehrt haben, dass alles, was irgendwie anders ist, verspottet wird. Und das waren viel harmlosere Dinge als Homosexualität.

QUOTE (["Geneviève")
Was deine Frage nach Kontakt oder Nicht-Kontakt zu meinem damaligen Umfeld betrifft: Ich habe zu gar keinem Menschen von damals mehr Kontakt. Auch und besonders nicht mehr zu meiner Familie. Ist auch besser so, der Schritt war befreiend.
Bevor ich neben Menschen stehe, die mich nur gelten lassen, wenn ich mich ducke und bücke und kleiner mache, als ich bin, stehe ich lieber ganz allein auf weiter Flur. Das ist erträglicher, weil ständiges Bücken zu Rückenproblemen führt und irgendwann kriecht man am Boden und zerbricht. Zerbrechen wollte ich nie, kriechen auch nicht. Und je weiter es mir möglich ist, das Ducken aufzugeben, desto aufrechter kann ich sein.

Das hast du genau richtig gemacht. Es ist zwar traurig, die Familie deswegen zu verlieren, aber immer noch besser, als ewig zu leiden.

QUOTE (["Geneviève")
Insofern würde ich shark in dem Punkt wiedersprechen, dass Selbstmitleid einen nicht weiter bringen würde (aber vielleicht verstehen wir unter Selbstmitleid nicht das Gleiche?). Stimme allerdings gleichzeitig darin zu, dass auch etwas Kämpferisches sein muss, um weiter zu kommen.

Bei mir ist das vermeintliche Selbstmitleid wohl eher eine Art Schutzfunktion. Ich fühle mich mit dieser Sache einfach zu sehr überfordert. Wenigstens bin ich schon beim Selbstmitleid angelangt, denn vorher habe ich ausschließlich verdrängt.
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Geneviève
Beitrag 04.Jul.2008 - 14:21
Beitrag #36


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Hallo ihr alle,

@Holly, danke für die erneute Erklärung :blumen2:
Also ist es das Anders-Sein (als die Mehrheit der Menschen deiner Umgebung), das das eigentliche Problem ist und infolgedessen wird auch Lesbisch-Sein zum Problem? Hoffe, ich habe das jetzt richtig verstanden.

In Bezug auf Selbstmitleid meinte ich genau das, was du zum Schluss geschrieben hast. Für mich ist Selbstmitleid ein notwendiger Schritt, um überhaupt früher oder später etwas zu verändern, weil sonst tatsächlich bloß Verdrängung vorhanden ist und die bringt definitiv nicht weiter.

@kenning, ich finde deinen Gedanken interessant, dass du so sehr mit dir selbst beschäftigt warst, dass da keine Kapazitäten waren, anderen wirklich zu begegnen und sich einzulassen.
Ich glaube, das kann ich auch auf mich beziehen, fühlt sich passend an.
Und in diesem Zusammenhang scheint es mir (für mich) so, als hätte ich bislang gar keinen Platz für Gegenwart gehabt, weil ich so viel mit Vergangenem zu tun hatte und das erst klären musste und muss, um Raum zu schaffen für Gegenwart.
Allerdings lockert sich das gerade, irgendwo und irgendwie ist allmählich Raum frei geworden, was ein ziemlich überwältigendes Gefühl ist, in jeglicher Hinsicht.

Viele Grüße,

Geneviève
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pandora
Beitrag 05.Jul.2008 - 10:44
Beitrag #37


auf dem Hochseil des Lebens balancierende Wölfin
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QUOTE (H_Golightly @ 03.Jul.2008 - 22:37)


QUOTE (shark @ 03.Jul.2008 - 09:39)
edit: Und zum Thema "Totschweigen": Wenn Du willst, dass das, was Du am Verschweigen und Unsichtbarmachen so furchtbar findest, einmal ein Ende nimmt, solltest Du selbst daran denken, das "Schweigen" zu brechen.

Meinst du damit, ich solle mit anderen offen darüber reden? Das könnte ich nie im Leben.





... warum nicht?
was ist so schrecklich daran endlich ,mal in die hufe zu kommen und dir den respekt zu zollen, der dir gebührt?
ich habe den eindruck liebe holly, dass du hier seit einigen jahren auf sehr hohem niveau jammerst.
du sagst immer wieder ich kann das nicht, die anderen und ja aber....
ich möchte dir einfach noch einmal den gutgemeinten rat geben...unternimm endlich etwas.
nimm dir ein paar der ratschläge, die viele frauen hier, seit langem versuchen zu geben, zu herzen und setze sie um.
wenn du dir immer wieder sagst, "es geht nicht, ich kann das nicht, ich traue mich nicht", wird es auch nicht gehen...hast du schon einmal etwas von der selbsterfüllenden prophezeiung gehört?
du bist eine intelligent junge frau, setzt die energien die du jetzt beim jammern verschwendest, in positives für dich um.
kämpfe...kämpfe für dich und dein seelenheil

edit...prophezeihung :patsch:

Der Beitrag wurde von pandora bearbeitet: 05.Jul.2008 - 10:52
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davvero
Beitrag 05.Jul.2008 - 19:21
Beitrag #38


Stadtei
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Hmmmmmmmmmm… Aber sollte nicht jede die Zeit bekommen, die sie braucht???? Ist das nicht so individuell, wie jede selbst??? :gruebel:

Hallo Holly!

Ich habe nun Deine Beiträge nicht seit Jahren verfolgt. Dennoch gefällt mir an dem, was ich von Dir jetzt lese, dass Du ehrlich zu Dir bist und Dich nicht hinter fadenscheinigen Ausreden versteckst!
Ganz nebenbei erwähnt, habe ich mal sehr über die Aussage einer Lesbe (im Schrank lebend) geärgert, dass sie es unmöglich fände, dass meine Wohnungsbaugenossenschaft beim Vertragsgespräch ganz direkt gefragt hat, ob mein Freundin und ich in einer lesbischen Lebensgemeinschaft leben würden. Sie meinte, dass würde die gar nichts angehen. Das sehe ich ganz anders! Ich habe mich darüber gefreut, dass mein Gegenüber so „normal“ mit der Frage umgegangen ist und hatte null Probleme damit, diese wahrheitsgemäß zu beantworten!
Wie soll denn die Gesellschaft mit etwas einen ganz normalen Umgang erlernen, wenn wir´s selbst am liebsten überall unter, nein, in den Schrank gekehrt hätten?
Aber das nur, weil es mir gerade einfiel.
Vor Jahren haben sich am Schreibtisch neben mir zwei Kolleginnen über lesbische Liebe unterhalten. Beide haben lautstark betont, dass sie sich das für sich gar nicht vorstellen könnten.
Davon erzähle ich, weil Du geschrieben hast:

"Und ich bin mir sicher, viele finden es auch eklig, weil sie sowas dann gleich auf sich beziehen und es sich für sich selbst gar nicht vorstellen könnten."

Eine der beiden, hat dann ein paar Jahre später (als sie bereits in einem anderen Betrieb beschäftigt war) die andere angerufen und gefragt, welcher Schalter am Flughafen noch dieser tolle für Last Minute Reisen wäre. Daraufhin fragte die andere nun neugierig, ob sie mit ihrem neuen Freund dahin fliegen würde. Zur Antwort bekam sie: „Nein, ich habe jetzt eine Freundin“.
Soviel dazu, wie ernst man solche Gespräche nehmen sollte. Viele von denen haben die selbe Angst wie Du, ob lesbisch oder nicht. Sie wollen auch nur „normal“ sein!

Ob man gut darüber offen reden kann, ist ja hauptsächlich davon abhängig, wie offen man generell mit Menschen umgeht. Ohnehin etwas verschlossen, ist es ja nur logisch, dass es nicht der natürlichen Begabung entspricht, nun freimütig das das größte Geheimnis zu lüften. Das kann ich verstehen!

Aber Holly, bei allen Verständnis komme ich auch zu keinen anderen Schluss als shark und pandora: Irgendwann musst Du was tun! Nur finde ich, Du musst wissen, wann das sein soll!

Mir hilft bei solchen Entscheidungen der Blick in die Zukunft. Stelle mir dann vor, wie ich mit 85 in meinem Schaukelstuhl sitze und über mein Leben nachdenke und mich frage, was gut und was schlecht war. Und was ich besser hätte machen können.
Vielleicht versuchst Du´s mal damit?

Wofür ich gar kein Verständnis habe ist folgender Satz: „Für solche wie mich ist einfach kein Platz in dieser Welt.
Wen meinst Du denn mit „solche“. Das kommt wirklich sehr gejammert rüber und da musst Du wirklich dringend an Deiner Einstellung und Deinem Bild von Dir selbst arbeiten. Und das sollte, meiner Meinung nach, erstmal Dein nächster Schritt sein. Und wenn Du mit diesem Bild von Dir auch schon so viele Jahre rumläuft, dann wäre vielleicht professionelle Hilfe angebracht?

Aber Deinen Platz in dieser Welt wirst Du Dir selber suchen müssen! Das kann Dir niemand abnehmen!
Doch mit geradem Rücken und erhobenen Kopf hat Frau einfach den besseren (Über-)Blick!

Deshalb wünsch ich Dir an dieser Stelle freie Sicht und viel Erfolg! :)

davvero

edit: Tippfehler, was verändert, was weg genommen, am liebsten alles wieder gelöscht :wacko: und dann doch einfach nur was ergänzt.

Der Beitrag wurde von davvero bearbeitet: 06.Jul.2008 - 13:17
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Ninchen
Beitrag 05.Jul.2008 - 20:52
Beitrag #39


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Ich bin jetzt noch nicht sooo alt, aber denke kann trotzdem etwas dazu schreiben.
Ich selber bin auch auf dem Land/auf dem Dorf aufgewachsen.
Ein kleines Dörfchen in dem es noch recht viel Landwirschaft gibt, aber auch Supermärkte und Kino.
Die Gesellschaftsschicht ist hier wohl auch eher nach dem üblichen Muster "Mann mit Frau, Haus, Kind und Hund" gestrickt.
Aber es gibt auch hier vereinzelt ein paar homosexuell lebende Frauen, zwar stark in der Unterzahl aber es gibt sie hier.
In der nächst größeren Stadt (etwa 20 Mi.Autobahnfahrt) ist es normal, da wird es in der heutigen Zeit als normal angesehen und dort gibt es dann auch Szeneclubs ect. und da ist es nicht so die Seltenheit, dass es homosexuelle Paare gibt (wie wohl in jeder Großstadt seit wenigen Jahren).

Aber man kann vielleicht nicht so ganz den Vergleich ziehen, zwischen jetzt vor 17 als vor 30 Jahren...da liegt schon ein Unterschied vor.
Aber grundsätzlich denke ich, dass sich die Tore der bunten, vielfältigen Welt weiter öffnen werden und es immer mehr Akzeptanz geben wird und es vielleicht irgendwann gar kein tabu- oder heickles Thema mehr sein wird.
Grundsätzlich ist die Akzeptanz der Gesellschaft schon gestiegen und das ist auch gut so.

Der Beitrag wurde von Ninchen bearbeitet: 05.Jul.2008 - 20:55
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shark
Beitrag 07.Jul.2008 - 15:23
Beitrag #40


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QUOTE (H_Golightly @ 03.Jul.2008 - 22:37)


QUOTE (shark @ 03.Jul.2008 - 09:39)
Nimms mir bitte nicht übel, aber Du drehst Dich schwindeligmachend in einem Kreisel, der nirgends einen Ausweg bieten kann, wenn Du nicht selbst ein Loch reinsägst und mal schaust, was alles an positiven, lesbischen Lebensentwürfen möglich wäre.

Ich habe an andere Stelle schon geschrieben, dass ich seit kurzem in einer Coming Out- Gruppe bin. Ist das nicht schon ein kleines Löchlein?


QUOTE (shark @ 03.Jul.2008 - 09:39)
edit: Und zum Thema "Totschweigen": Wenn Du willst, dass das, was Du am Verschweigen und Unsichtbarmachen so furchtbar findest, einmal ein Ende nimmt, solltest Du selbst daran denken, das "Schweigen" zu brechen.

Meinst du damit, ich solle mit anderen offen darüber reden? Das könnte ich nie im Leben.





Ich habe diese zwei Teile Deines Postings zitiert, um deutlich zu machen, was ich meine:

Der Besuch einer CO-Gruppe an sich ist begrüßenswert und scheint mir mehr als sinnvoll in Deiner Lage, aber vorneweg gleich für alle Zeiten ("nie im Leben") auszuschließen, dass Du "rauskommst" mit Deinen frauenliebenden Gefühlen, zeigt zumindest mir, dass Du noch meilenweit entfernt davon bist, auch nur leise in Betracht zu ziehen, dass Homosexualität etwas "Normales" und Lebbares sein könnte.

Unter Lesben lesbisch zu sein ist am Ende das Einfachste am CO...

Welchen Nutzen ziehst Du (oder willst Du ziehen) aus der Teilnahme an der CO-Gruppe?

Den eigentlichen Weg - den hinaus aus all der Scham, diesen weltfernen Befürchtungen und Deinem Selbstmitleid - musst Du nämlich trotzdem allein gehen.
Und dazu gehört mindestens so etwas wie eine denkbare, positive Prognose.


shark

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Geneviève
Beitrag 08.Jul.2008 - 23:28
Beitrag #41


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Hallo an alle Leserinnen,

ich weiß, dass die Einträge, auf die ich mich gleich beziehe, nicht mir galten, sondern Holly. Dennoch kann ich nicht verhindern, dass ich eine Weile darüber nachgedacht habe, weil ich Hollys Zögern und das Empfinden von Dingen wie düsteren Zukunftsprognosen, Scham und weitere Emotionen nachvollziehen kann.

Ich verstehe allerdings immer noch nicht, was so furchtbar schlimm daran sein soll, diese Gefühle zu fühlen, verstehen zu wollen, als solche zu benennen, darüber kommunizieren zu wollen und sie einfach mal als solche stehen lassen zu wollen – das ist nicht zwingend gleichbedeutend damit, sie für immer an Orten im Leben zu lassen, die bestimmend sind.
Diese sich hier zeigende, doch recht vehemente Abwehr von Äußerungen dieser Empfindungen (Scham, Hilfslosigkeit, Ausweglosigkeit, Einsamkeit, Abgetrenntheit von anderen u.v.m.) verstehe ich nicht, wirklich nicht.
Es gibt Gründe dafür und wenn man jahrelang in einem heteronormativen Umfeld bzw. homophoben Umfeld (was letztlich nichts wirklich substanziell Unterschiedliches ist, beides negiert homosexuelle Menschen und lässt sie nicht als sie selbst gelten) aufgewachsen ist bzw. darin nach wie vor lebt, dann hat das Nachwirkungen. Das sind elementare erste Welterfahrungen und elementare erste (im weiten Sinn, also nicht bloß als Partnerschaft gemeint) Beziehungs- und damit unmittelbar auch Selbsterfahrungen.
Wenn ich mich mit denen nicht auseinander setze, dann werden die immer die Plätze besetzen, die eigentlich für Schönes und Lebenswertes reserviert sind. Und dann funktioniert es – meiner Meinung nach – nicht, einfach als Befehl an sich selbst zu schicken: Nun mach mal, raus hier.
Das empfinde ich persönlich als Verleugnung von Emotionen, als ihr krampfhaftes Wegdrängen-Wollen, weil sie unerträglich scheinen. Und das wird für mich niemals den Weg frei machen zu einer Befreiung davon. Es würde nur negieren, was aufgrund verschiedener Gründe da ist. Negation ist alles andere als gleichzusetzen mit Überwindung, vielmehr ist Negation von Vorhandenem in meiner Weltsicht eine Zementierung dieses Vorhandenen, das man eben mit anderen Farben anmalt, das im Kern aber immer noch der gleiche quälende Mist ist.

So weit zu meinem persönlichen Verständnis bezüglich dieser Thematik.
Wenn mir jemand erläutern kann und will, was es bringen soll, sich einfach zu etwas zu zwingen, was man nicht fühlt, dann würde mich das echt freuen, ich verstehe es nämlich wirklich nicht.
Verinnerlichte Scham und ähnliche Gefühle sind für mich nichts, das auch nur annähernd rational ist. Und daher kann ich es auch nicht rational lösen, sondern nur emotional. Indem ich einfach so genau wie möglich emotional untersuche, woher das eigentlich kommt, wie das gewesen ist und was das mit mir macht – dabei sehe ich irgendwann, wenn ich tief genug drin bin, was ich stattdessen mal empfunden habe, bevor ich die Homophobie in meinem Umfeld bewusst wahrnahm und einordnen konnte, bevor all das an mir zu zehren begann. Was stattdessen meine eigenen (!) Gefühle sind, losgelöst von äußeren Verdrehungen und Beschmutzungen. Ich muss dann nicht mehr die Meinung der damaligen Mehrheit annehmen, weil ich mich selbst nicht mehr untergrabe.

Würde ich stattdessen einfach so tun, als gäbe es all die aus den damaligen Erfahrungen entstandenen Gefühle und Gedanken nicht, dann würde mich das keinen Schritt weiter bringen, eher zurückwerfen, weil ich dann zwangsläufig erleben würde, dass meine Hoffnung auf Änderung nicht aufgegangen ist, eben weil ich einfach noch nicht so weit war und jede andere Erfahrung zum Scheitern verurteilt wäre, weil das Fundament in mir dafür noch nicht stimmt.
Positive Erfahrungen zu lesen, ist immer schön, keine Frage. Aber sie hebeln die eigenen Erfahrungen niemals aus. Nichts ist so eindrücklich wie eigene Erfahrungen.


Und bevor das ein endlos-Beitrag wird, höre ich an dieser Stelle mal auf und frage einfach in die Runde, was diejenigen von euch, die den hier geäußerten vehementen Anregungen zur mehr oder weniger sofortigen Änderung zustimmen, genauer über die angesprochene Thematik denken.
Vielleicht habe ich irgendetwas missverstanden, vielleicht ist mir das einfach nur fremd, vielleicht haben wir vollkommen unterschiedliche Wege, um zum gleichen Ziel zu gelangen, ich weiß es nicht. Ich finde es nur interessant.


Viele Grüße,

Geneviève


edit: vergessenes Wort ergänzt

Der Beitrag wurde von Geneviève bearbeitet: 08.Jul.2008 - 23:34
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shark
Beitrag 09.Jul.2008 - 00:14
Beitrag #42


Strösenschusselhai
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QUOTE (Geneviève @ 09.Jul.2008 - 00:28)

Wenn mir jemand erläutern kann und will, was es bringen soll, sich einfach zu etwas zu zwingen, was man nicht fühlt, dann würde mich das echt freuen, ich verstehe es nämlich wirklich nicht.

Oh, ich meine nicht, dass sich auch nur Irgendeine zwingen sollte, zu fühlen, was sie nicht fühlt oder zu agieren, wie es ihr (noch nicht) nicht möglich ist.

Was ich aber wage zu erwarten, ist die ehrliche Beschäftigung mit den Ursachen für solch weitgehenden Mangel an Selbstbewusstsein und Eigenliebe, um letztlich destruktiven, behindernden Gedanken und Prognosen überhaupt etwas entgegensetzen zu können. Das darf dann auch gerne einmal eine Therapie sein - vor allem, wenn da, wie es den Anschein macht, eine Menge Leidensdruck ist, der sich aber anstatt in lebenstraumerfüllende Aktion nur in Selbstmitleid ergiesst.

Ich habe vollstes Verständnis für Aengste, aber nur ganz wenig für jahrelang unverändertes, rituelles Bejammern so gar nicht bejammernswerter Möglichkeiten.

Fast alle sind wir in heteronormativer Umgebung sozialisiert worden. Auch ich.
Und ich bin, wie Du, für eine Auseinandersetzung mit diesen Lebens- und Beziehungserfahrungen.
Wo es geht, kann rational gearbeitet werden, wo nicht, emotional.
Gerade WEIL nur so ein zufriedenes, selbst-bewusstes Leben möglich ist.

Aber unter Arbeit an Problemen mit dem Selbstbewusstsein verstehe ich etwas Anderes als das blosse Beklagen von fiktiv Unmöglichem unter Vorwegnahme der Unveränderbarkeit der eigenen Haltung.


Am Ende mündet alles in die Frage: "Will ich glücklich sein?"


shark



edit: Halben Satz eingefügt.

Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 09.Jul.2008 - 00:22
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Geneviève
Beitrag 09.Jul.2008 - 00:50
Beitrag #43


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Hallo shark,

danke für deine Erläuterungen.

Was genau verstehst du unter Selbstmitleid?
Für mich bedeutet Selbstmitleid immer ein echtes Gefühl, das grundsätzlich dazu benötigt wird, von außen auferlegte und übernommene quälende Gedanken und Gefühle auszuhebeln und durch etwas zu ersetzen, das tatsächlich etwas Eigenes ist, etwas Unverbogenes, Heiles, Gesundes, Lebendiges, Lebensfähiges und durchweg Lebenwollendes.
Ich kann da nur von mir persönlich ausgehen und bei mir sieht es so aus, dass ich, wenn ich eine Situation/einen Gedanken/ein Gefühl, das mir schadet und mich quält, noch nicht auflösen und noch nicht inaktivieren und stattdessen etwas Lebenswertes aktivieren kann, noch zu wenig Selbstmitleid habe.

Das, was du, wenn ich dich richtig verstehe, mit Selbstmitleid meinst, würde ich für mich unter „unechtes/gespieltes/manipulatives Selbstmitleid“ fallen und ist für mich das Gegenteil von dem, was ich unter Selbstmitleid verstehe.
Daher hat es auch nach längerem Nachdenken darüber und auch nach längerem Nachfühlen in mir nur Irritation und Verständnislosigkeit hervorgerufen, dass hier geschrieben wurde, dass es notwendig wäre, aus dem Selbstmitleid heraus zu kommen. Alles in mir sagte nämlich einstimmig nicht „weniger Selbstmitleid“, sondern „viel mehr Selbstmitleid“ (gemäß meiner eigenen Definition).


Aber wenn ich deine Erklärung lese, dann habe ich gerade das Gefühl, dass wir eigentlich etwas sehr Ähnliches meinen.


Viele Grüße,

Geneviève
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shark
Beitrag 09.Jul.2008 - 01:01
Beitrag #44


Strösenschusselhai
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Ich verstehe, was Du meinst, glaube ich; das, was Du als "mehr Selbstmitleid" beschreibst, wäre für mich "mehr Respekt für mich und meine Bedürfnisse, mehr Eigenliebe".
Spüre ich diese, so will ich für mich, die "geliebte, respektierte Person", auch mehr Frieden, mehr Glück, mehr Freude an mir selbst und für mich. Und weniger Traurigkeit, weniger Scham oder Angst oder Unfreiheit.

Und um diesen Zustand des "In die Welt-Gehörens" zu erreichen, muss ich für mich sorgen. Und schauen, was mich bisher davon abgehalten hat, glücklich zu werden.

Gruss,


shark
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H_Golightly
Beitrag 09.Jul.2008 - 01:37
Beitrag #45


Naschkatze
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Hallo ihr Lieben,

ich habe natürlich eure letzten Beiträge mitverfolgt und mir große Gedanken über das gemacht, was ihr geschrieben habt. Ich wusste, offen gestanden, zuerst nicht so recht, was ich euch zurückschreiben soll, außer ein Danke für die guten Ratschläge vielleicht, aber das bringt ja auch nicht viel. Aus diesem Grund zog ich es vor, weiter über eure Sätze nachzudenken. Und wahrlich, es bewegt sich etwas in mir. Wie sehr, das kann ich gar nicht in Worte fassen, weil ich es selbst noch nicht überblicke. Ich weiß nur, dass ich im Moment hin und hergerissen bin zwischen all dem Wirrwarr, den Gedanken und den Gefühlen, die hier zur Sprache kommen und ich kann nur sagen, dass fast nichts davon rational begreifbar wäre, jedenfalls im Moment noch nicht. Zur Zeit strömt alles auf mich ein und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll (da sind wir wieder bei dem ominösen Kreis, aus dem ich nicht hinaus finde- oder ist es mittlerweile schon eine ganze Kugel?).


QUOTE ("Geneviève")
Es gibt Gründe dafür und wenn man jahrelang in einem heteronormativen Umfeld bzw. homophoben Umfeld (was letztlich nichts wirklich substanziell Unterschiedliches ist, beides negiert homosexuelle Menschen und lässt sie nicht als sie selbst gelten) aufgewachsen ist bzw. darin nach wie vor lebt, dann hat das Nachwirkungen. Das sind elementare erste Welterfahrungen und elementare erste (im weiten Sinn, also nicht bloß als Partnerschaft gemeint) Beziehungs- und damit unmittelbar auch Selbsterfahrungen.

Verinnerlichte Scham und ähnliche Gefühle sind für mich nichts, das auch nur annähernd rational ist. Und daher kann ich es auch nicht rational lösen, sondern nur emotional.

Ich sehe das auch so. Diese Schamgefühle sind einfach da und man kann sich nicht dagegen wehren. Und sie können auch aufkommen, ohne dass man mit einem homophoben Umfeld konfrontiert wurde, das kann ich ja aus eigener Erfahrung bestätigen.
Da es gerade so gut passt, hier ein Bespiel aus der Praxis: Da ist also diese eine Kollegin, in die ich schon seit über einem Jahr total unglücklich verliebt bin. Was auch immer ich tue, ich muss meine Gefühle ihr gegenüber unterdrücken (schließlich möchte man ja die Freundschaft nicht zerstören). Sehe ich sie, muss ich aufpassen, dass sie von all meinen Gefühlen nichts mitbekommt, ich muss aufpassen, wie ich mich verhalte, was ich sage usw. Dabei komme ich mir schon ziemlich erbärmlich vor. Doch die Gefühle ihr gegenüber zu unterdrücken ist ja nur das Eine. Hinzu kommt ja noch, dass ich meine gesamte sexuelle Orientierung unterdrücken muss, da ich ja auch nicht allgemein über das Thema spechen kann. Sie würde ja schließlich Verdacht schöpfen können. Glaubt mir, aus meiner Perspektive ist das kein glücklicher Zustand, in dem ich da verharre. Teilweise wirkt sich das sogar schon auf meine Gesundheit aus. Wenn ich doch nur eine Lösung parat hätte. :gruebel:
Ihr hattet geraten, die Gefühle doch als etwas Positives zu sehen. Wie gern würde ich das tun, wenn meine Gefühle denn auch positiv besetzt wären. Aber durch das unglückliche Verliebtsein sind die schönen Gefühle dahin.
Tja, so ist momentan der Stand der Dinge bei mir. Es dreht sich, we schon erwähnt, alles im Kreis. Aber es brodelt auch ganz heftig in mir- auf der Suche nach einer Lösung.


Liebe Grüße
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schneeland
Beitrag 09.Jul.2008 - 06:04
Beitrag #46


Gut durch
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Hallo Holly,

mal direkt auf Dein letztes Posting bezogen:
Wenn Du wirklich etwas ändern willst solltest Du es mit Hinterfragen der eigenen Einstellungen versuchen. Zunächst einmal sieht es für Dich so aus, als wären die Dinge genauso wie Du sie derzeit wahrnimmst. Ist ja zunächst mal logisch, richtig? ;)
Aber wenn die Einstellungen und Gedanken die man hat, dazu führen, dass es einem schlecht geht, sowohl seelisch als auch körperlich, dann empfehle ich, diese Gedanken mal zu hinterfragen, denn: sind sie zielführend (Ziel wäre vermutlich: Ich fühle mich wieder wohl, könnte aber auch was anderes sein)? Wenn nicht, wäre die nächste Frage, gibt es alternative Betrachtungsweisen der Situation? Und dann die Gedanken im einzelnen:
Kann ich es ihr wirklich niemandem sagen ich sei lesbisch weil dann die Kollegin automatisch merkt, dass ich sie toll finde?
Ist es eine bewiesene Tatsache, dass, sollte ich (worst case szenario) der Kollegin sagen, wie toll ich sie finde, die Freundschaft beendet ist?
Was würde im schlimmsten Falle passieren, wenn ich einer anderen Person erzähle, dass ich lesbisch bin? Wie geht es mir damit? Wie fühlt sich das an? Könnte ich dieses schlimmste aller schlimmen Szenarien überleben?
Das sind jetzt mal nur ein paar Denkanstöße in die Richtung, wie hinterfrage ich meine eigenen Gedanken und Einstellungen zu einem Thema. Ob sie dir was nützen weiß ich natürlich nicht, aber einen versuch ist es wert, denn man muss sich auch immer fragen: Was habe ich denn zu verlieren?
Als Buchempfehlung hätte ich ganz allgemein: "Im Gefühlsdschungel" Von Stavemann. Weiterhin viel Erfolg liebe Holly und ganz viel Kraft und Mut, denn meine Erfahrung zeigt: Man kann nur sich selbst ändern und nicht die anderen. Und die Situationen sind meist nur halb so bedrohlich wie man sie sich über Jahre im Kopf ausmalt :blumen2:
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Mausi
Beitrag 09.Jul.2008 - 06:45
Beitrag #47


Mama Maus
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Vielleicht sollte man einfach mal ergänzen, dass wir, die hier länger dabei sind, schon seit Jahren (Dich) Holly begleiten.
Und viele schon lange Zeit versucht haben, Hilfestellung zu geben oder eben echt Energie rein gesteckt haben, in unterstützende, beistehende Beiträge.
Wenn aber über Jahre (!) hinweg, sich nichts ändert und eben, wie Shark es schreibt, weiterhin jammernde, Selbstmitleidige Beiträge kommen, die noch dazu das lesbisch sein in schlechtes Licht rücken, weil sie/du selbst es nicht akzeptieren kann, so ist es was anderes.

Dann kommen nunmal irgendwann "energische" Postings, die dieses ewige "sich selbst bemitleiden" und eben dieses "Ach mir gehts so schlecht also brauch ich dutzi-dutzi" nicht mehr wirklich hören/lesen können.
Dann wird eben auf Weiterentwicklung gepocht, statt auf passives Verharren.


Schlicht und ergreifend, Holly, suchst Du die Umgebung und das Leben, was Du führen willst Dir aus.
In Deinem Falle würde ich eher von "nicht wollen" denn eher "nicht können" reden.
Irgendetwas muss es DIr ja geben, so versteckt und unterdrückt zu leben.
Aber dann hilft auch kein Beklagen.
Entweder du Willst Out oder DU willst es nicht!
Aber beides ist eine Entscheidung!
V.a. da Deine Eltern ja echt positiv reagiert haben und Dir keine Steine o.ä. in den Weg legen - ein absoluter +-Punkt ggü. ganz vielen anderen.

Von dem her - entweder DU entscheidest Dich für Dein lesbisches Leben oder dagegen, aber mach nicht Deine Umgebung dafür verantwortlich, für was Du dich entscheidest!
SO homophob kann diese nämlich nicht sein, wenn Deine Eltern so gut reagieren!

Mausi

Der Beitrag wurde von Mausi bearbeitet: 09.Jul.2008 - 07:28
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Geneviève
Beitrag 09.Jul.2008 - 15:18
Beitrag #48


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Hallo ihr alle,

nur ein paar spontane Gedanken, die mir beim Lesen eurer Beiträge durch den Kopf schwirren:

Ich kann mich noch ziemlich genau an meine ersten CO-“Gespräche“ erinnern. Ich war 17 und diesbezüglich vollkommen unsicher (ob der Reaktionen), habe intensiv mit mir darum gerungen und permanent das Gefühl gehabt, ich müsste platzen, wenn ich nicht irgendetwas mache. Das war so unerträglich, dass es mir irgendwann weniger schlimm schien, etwaige negative Reaktionen in Kauf zu nehmen, als weiterhin so zu tun, als wäre ich nicht ich. Trotzdem hatte ich Panik, habe um jedes einzelne Wort gerungen, konnte nicht schlafen im ganzen Gedanken- und Gefühlskarussell. Nichts, was ich noch mal erleben will.
Die Reaktionen waren größtenteils pseudo-tolerant (von denen, denen ich das persönlich vermittelt habe. Die, die es einfach so mitbekommen haben später, haben auch anders reagiert, aber das hatte ich ohnehin erwartet).
Diese Pseudo-Toleranz hat mir allerdings zu schaffen gemacht, im Grunde mehr als die mehr oder weniger offen diskriminierenden Reaktionen. Denen konnte ich etwas entgegen setzen, da konnte ich ganz und gar wütend sein.
Aber bei pseudo-toleranten Reaktionen war nichts Greifbares da, gegen das ich mich habe zur Wehr setzen können. Oberflächlich wirkte alles respektierend – aber das war es nicht.

Ein Beispiel dazu:
Mein Vater (ich habe meinen Eltern nie direkt von meiner Homosexualität erzählt, ich wollte nicht, dass sie mit meinem Leben zu tun haben) hat, als er irgendwann, ich war 19, selbst eingesehen hat, dass ich lesbisch bin, nebenbei zu mir gesagt, dass ich, wenn ich mit Männern nicht klar komme, mir eben eine Frau suchen sollte, wäre doch kein Problem.
Das klingt vielleicht erst einmal nicht so übel, aber das war es für mich trotzdem.
Homosexualität war für ihn etwas, das da ist, wenn man mit einem Menschen des anderen Geschlechts nicht zurecht kommt. Sozusagen als Folge einer Störung eines angeblich natürlichen Begehrens eines gegengeschlechtlichen Menschens. Die Wahl zweiter Klasse, das Symptom einer Störung.
„Sich eine Frau suchen“ ist außerdem so ein Ausdruck, bei dem ich brechen könnte, besonders in diesem Ton, den er hatte. Als würde ich in einen Baumarkt gehen und einen Eimer Wandfarbe kaufen, als wären Frauen etwas, das abwartend und willenlos im Regal steht und das man sich einfach nur nehmen muss, wenn man sie denn will, weil sie sowieso kein Eigenleben und keine eigenen Wünsche hätte (was im Übrigen auch deshalb verwirrend war, weil ich auch Frau bin, nach seiner Definition deshalb auch willenlos und gefügig im Regal zu stehen hätte, was dem von ihm empfohlenen aktiven Suchen widerspricht. Die in seinen Augen Unvereinbarkeit von Frau und Lesbe; Lesbe als Nicht-ganz-Frau).
Und entgegen seiner Behauptung war es für mich in meinem damaligen Umfeld sehr wohl ein Problem, lesbisch zu sein. Sein „Ist doch kein Problem“ war einfach nur Abwertung meines Gefühlslebens und der Leistung, die ich für mich erreicht hatte, als ich es endlich nicht mehr verschwieg, dass ich lesbisch bin.
Im Grunde sagte er damit „Mach bloß kein Problem daraus, lass mich damit in Ruhe, belaste mich nicht damit, ich will nichts damit zu tun haben, ich will bloß, dass alles klappt, weil ich mir dann keine Gedanken darüber machen muss.“
Und das ist – für mich – auch eine Form der Homophobie, verborgen hinter einer Pseudo-Toleranz, was direkte Gegenwehr und damit Integrität erschwert, weil das, gegen das man sich auflehnt, sich verkleidet hat und damit viel ungreifbarer und unbenennbarer wird.

Ich weiß jetzt nicht, wie das bei dir bzw. deinen Eltern bzw. deinem näheren Umfeld ist, Holly. Ob diese Menschen wirklich tolerant sind oder nur so tun. Wenn sie nämlich nur so tun, dann finde ich es absolut unangebracht, ihre Reaktionen als positiv zu bewerten. (Damit sage ich nicht, dass sie nicht wirklich respektvoll und untersützend sind, nur dass ich nicht weiß, ob sie es sind oder nur so tun. Das kannst nur du beurteilen, Holly.)
Ich musste nur daran denken, dass scheinbare Toleranz nicht immer tatsächlich Toleranz ist, von Respekt und Unterstützung ganz zu schweigen.

Und @shark, Selbstrespekt und Eigenliebe und ein Für-sich-selbst-einstehen sind bei mir wirklich immer die wesentlichsten Bestandteile von dem, was ich kurz Selbstmitleid nenne; sie sind die Essenz dieses Gefühls. Dann meinten wir wirklich das Gleiche, nur mit unterschiedlichen Begriffen.
Ich stelle also fest, dass ich unter dem Begriff "Selbstmitleid" offenbar etwas massiv anderes verstehe als du und einige andere hier. Ich werde das im Hinterkopf behalten und für mich mal nach Begriffen suchen, die unmissverständlicher sind.


Viele Grüße,

Geneviève
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Mausi
Beitrag 09.Jul.2008 - 15:53
Beitrag #49


Mama Maus
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Wenn Holly sagt, ihre Eltern haben gut reagiert, dann nehme ich es so hin. Andere Hinweise habe ich schließlich nicht!

Selbstmitleid - naja - wie gesagt, Jahrelang "jammern" und an der Situation nichts ändern hat etwas sehr passives - und - eben somit auch Gewinnbringendes.
Dass dann natürlich die eher "schräg" angeschaut werden, die dann eben mit Beiträgen wie "Komm in die Pötte" oder "Änder Deine Situation ob etwas Unveränderlichem" schräg angeschaut werden, ist mir auch klar, da dann ja dem "einfühlsamen" widersprochen wird, was bei solchen Verhaltensweisen eigentlich erwartet wird.
Weil - wenn jemand am Boden ist, darf man ja nichts sagen - Selbstreflektion und Handeln auch nicht voraussetzen. Anders, wenn jemand das am Boden liegen selbst gewählt hat, aufgrund dessen seit Jahren Angst vor einer Entscheidung zu haben.

Und durch dieses Gefühlschaos sind die Meisten hier durch - mit noch ganz anderen Hintergründen, als die, die hier bekannt sind.
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LadyGodiva
Beitrag 09.Jul.2008 - 16:04
Beitrag #50


Strøse
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Mein Elternhaus ist nicht homophob.
Es ist homanop. (Anopie=Nichtsehen)

So sehr, dass mein Vater wohl völlig ohne Hintergedanken scherzen konnte:
"Der Mann, den du später einmal heiratest, tut mir jetzt schon leid."
Da war ich sechs Jahre alt. Maximal. Und wusste aber schon, dass meinem Vater diesbezüglich wohl wenig Bedauernswertes ins Haus stehen würde - auch, wenn ich mir damals meine Zukunft ganz anders frauenorientiert vorgestellt habe.

Heute weiß er, dass es diesen armen Kerl wohl wirklich nie geben wird; aber er will nicht mehr wissen als eben das. Keinen Mann zu haben ist Halbfrausein.
Als Frau keinen Mann zu haben, bedeutet, niemals Beziehung zu haben, also, keine gültige, wirkliche.
Mir selbst war ab fünfzehn dann ziemlich klar, wofür mein Herz schlägt.
Dass es Lesben gibt und ich dann wohl auch so eine bin, habe ich wohl fast zeitgleich ausgemacht. Da ich im selben Maße frauenhungrig wie von der Tatsache überzeugt war, ein Leben lang alleine zu bleiben, habe ich mich lakonisch-pubertär mit einem recht immunen Herzen hingegeben.
Geredet habe ich eigentlich mit niemandem über mein Lesbischsein, es war einfach da. Vermutlich auch für meine Mitschüler, jedenfalls habe ich nach etlicher Mobberei, die natürlich in der Verleumdung einer Lehrerinnen-Schülerinnen-Freundschaft gipfelte, in einer höheren Klassenstufe die Schule sehr umständlich und konsequenzenreich gewechselt, um in ausreichend Ruhe und Distanz mein Abitur ablegen zu können.
Mit meiner Frauenliebe habe ich meine Eltern tatsächlich erst mit meiner ersten langjährigen Partnerin konfrontiert - davor schien's für meine Mutter ein recht vages Damoklesschwert gewesen zu sein... und für meinen Vater wohl die gleiche Unvorstellbarkeit wie jene nach der bloßen Information, welche gleichbedeutend rangiert mit der Aussage, dass sein Leben schwiegersohnlos bleiben wird. (Außer mein Bruder entdeckt eine verborgene schwule Veranlagung.)
Als die Beziehung zu meiner damaligen Partnerin zerbrochen ist, waren die ersten beiden "konstruktiven" Äußerungen meiner Mutter:
"Gut, dass ihr nicht verheiratet wart."und
"Es wird Zeit, dass du dich dann auf ein völlig autonomes Leben vorbereitest."(Damit war gemeint: meinen funktionierenden Alltag nicht mehr von einer Partnerschaft abhängig machen, die aus ihrer Substanz heraus nicht von Dauer sein kann.)
Von den Nachbarn darf niemand erfahren dass... und das und das und das von mir. Mein leichtestes Leben in meinem Heimatort habe ich als weiße, glatte Wand, auf die jehers die Vorstellungen und Wünsche der hiesigen Menschen projeziert werden können. Mir genügt das für ein paar Tage "Heimaturlaub", allerdings ist mir auch eines klar: es wird nie ein Zurück geben für mich. Dazu bin ich (inzwischen) zu echt, zu viel, viel zu ich.
Das Leben, das ich als Erwachsene führe, habe ich recht hart meinem Umfeld abgetrotzt. Gegen alle Widerstände und gegen einen recht reichen Schatz an Erfahrungen, die mir das Gegenteil beweisen sollten.
Daher denke ich, prinzipiell stehen jeder als Lohn der Anstrengung Autonomie und Abgrenzungsfähigkeit offen. Für ein eigenes Leben, nach dem eigenen Kopf und Herzen.



Holly, das wächst sich schon noch zurecht. :wink:
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Geneviève
Beitrag 09.Jul.2008 - 17:40
Beitrag #51


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Hallo Mausi,

nur um das noch mal klar zu stellen:
Ich bin mit Sicherheit keine Befürworterin von Passivität, Abwehr von Selbstreflexion und Abschiebung von Eigenverantwortlichkeit für das eigene Leben, weder auf mich selbst bezogen noch auf jeden beliebigen anderen Menschen bezogen.
Das war nicht das, was ich habe sagen wollen – im Gegenteil!
Jammern zum Zweck des Jammerns ist mit Sicherheit nichts, das ich mir selbst oder anderen empfehlen würde. Ich bin da ganz einer Meinung mit dir.
Passives Jammern ohne jede Form der Auseinandersetzung ist etwas grundlegend anderes als das, was ich mit Selbstmitleid meinte. Das habe ich nun häufiger erläutert, besser kann ich es nicht. Oder vielleicht doch, noch ein letzter Versuch:

Selbstmitleid ist für mich persönlich eine Variante von Mitgefühl mit sich selbst. Und Mitgefühl mit sich selbst zu haben, beinhaltet für mich eben nicht (!) Passivität und Vermeidung von Selbstreflexion und Vermeidung von Aktivität für sich selbst, sondern genau das Gegenteil.
Mitgefühl für sich selbst bedeutet für mich schlicht Selbstauseinandersetzung, Forschung im eigenen Sein, sich selbst so nahe kommen wie nur möglich, zu wissen, wer man ist, die eigenen Empfindungen/Wünsche/Schmerzen/Hoffnungen/Kräfte etc. zu fühlen, das eigene Leben in die eigenen Hände zu nehmen und Wege für sich selbst zu suchen und zu finden, die lebenswert sind. Sich selbst wahrnehmen und sich aktiv und eigenverantwortlich für sich einsetzen, in jeder Hinsicht.

Ich hoffe, das ist jetzt klarer geworden. Im Grunde scheint mir, dass wir nicht einmal unterschiedlicher Meinung sind.


Viele Grüße,

Geneviève



edit: vergessenes Wort hinzugefügt

Der Beitrag wurde von Geneviève bearbeitet: 09.Jul.2008 - 17:42
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Mausi
Beitrag 09.Jul.2008 - 18:02
Beitrag #52


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Hallo Geneviève,

nein, ich verstehe durchaus was Du meinst - und auch, was Du mir sagen willst.
Ich denke nur, dass Selbstmitleid oft auch in eine Richtung fangen kann und gefangen halten kann.
Natürlich kann man dabei Selbst reflektieren, aber oftmal sieht man dabei nur in eine Richtung - und zwar die Negative.
Alles positive wird ausgespart - und - es kann passieren, dass soviel Energie ins "negative Mitleid mit sich selbst" gepowert wird, dass Lösungsmöglichkeiten verschlossen bleiben.
Und irgendwann passiert es vielleicht, dass dieses Leid einem so gefällt, weil einfach noch andere Aspekte dabei sind - eben die der Passivität - man muss nichts tun, denn es ist so etwas unvorstellbar schlimmes, dass man es nichts ändern kann.

Und da fühle ich mich dann angegriffen - lesbisch sein ist nichts schlimmes, wenn man sich aus dem Kokon heraus begibt, der sich durch (Selbst-)Mitleid erstellt hat.

Hm - ich denke ich verzettele mich?

Homphobe Umgebung - ich denke ich sehe es eher so wie LG - meine Umgebung war -die meiste Zeit "homanop" (danke für die Übersetzung ;) ) - wobei durchaus negative Sprüche ggü. Schwulen gekommen sind, diese waren sichtbar.

Allerdings war mir das je egal - auch unabhängig davon, dass mir eben noch nicht bewusst war, dass ich Frauen liebe. Ich sprach dagegen, sagte "es ist nicht eklig" und hielt da allgemein dagegen.
Und so - ja - soviel wurde vom dem Thema nicht gesprochen - familiär negativ nur.
Allerdings hatte ich in meiner Jugend Freundinnnen, die dem Thema ggü. nicht abgeneigt waren "Ausprobieren könnte man ja" - aber auch da - ich machte weder mit noch sagte ich was dazu, hatte die "Gelegenheit" ergriff sie aber nicht.
Ich kam, von mir aus, niemals auf die Idee es schlecht zu finden, egal wie es mir ggü. transportiert worden ist. War dann auch recht fix recht offensiv, sagte einer Klassenkameradin, dass ich in sie verliebt bin (nicht ganz freiwillig gesagt - aber trotzdem) - aber eben Beziehung zu Mann hatte und eben aus der auch nicht raus wollte, mir auch klar war, dass sie nicht so empfand.

ich war da einfach anders - getreu dem Motto - entweder man mag mich, mit allen Facetten oder man lässt es sein. Alleine war ich oft und lange in meinem Leben, Außenseiter ebenfalls, und genau deswegen - verstellen bringt nicht viel - und wenn ich nur lange genug suche und ich selbst bleibe, dann gibt es auch Leute, die mich mögen (wie gesagt, mein Selbstbewusstsein war nicht sonderlich existent, meine "Selbsttreue" jedoch immer, gelitten habe ich trotzdem wie ein Hund, daher - ich kannte das Gefühl ja vorher und wusste, dass ich nicht "sterbe" wenn man mich deswegen ablehnen würde ;) ). Und was bringen mir denn Freundschaften und ein Leben, was auf einem nicht- annehmen meiner Selbst oder der Befürchtung dessen basiert? Wie sicher bin ich denn dann in meinem Leben? Ich will lieber Klarheit, und ebne so den Weg für Ehrlichkeit - und andere nach mir.

Keine Ahnung - so halt - bei mir gewesen. Egal, wie die Umgebung war.

Mausi

edit: um das kurz zusammen zu fassen: Ich begreife mich als Teil meiner Umgebung und kann sie daher aktiv mitgestalten. Heißt - ich kann, durch Reden, Outen, Aufklären Dinge verändern, Horizonte erweitetern, andere Sichtweisen rein bringen. Ich bin da von natur aus eher aktiv und versuche eben zu verändern, statt zu verharren. Ebenfalls eine Möglichkeit - von dem her nehme ich Umgebung nicht so "negativ" oder "homophob" wahr, weil sie, in meinen Augen und für mich, veränderlich ist.

Der Beitrag wurde von Mausi bearbeitet: 09.Jul.2008 - 18:08
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Geneviève
Beitrag 09.Jul.2008 - 20:08
Beitrag #53


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Hallo Mausi,

ich fand es wirklich interessant, deine Ausführungen zu lesen, danke dafür.
Mir ist dabei etwas aufgefallen, das mir vorher nicht konkret klar gewesen ist.

Du schriebst von der Gefahr, in einem negativen Selbstmitleid (ich bleibe der Einfachheit halber einfach bei diesem deinen Begriff) für immer gefangen bleiben zu können, weil einem diese Gefangenschaft gefallen könnte.
Das ist etwas, das mir völlig fremd ist. Passivität hat für mich persönlich niemals etwas Positives, im Gegenteil, die ist ungeheuer quälend. Genauso abstoßend und nicht etwa beruhigend oder gar wünschenswert ist für mich der Gedanke daran, (real oder eingebildet) etwas so Schlimmem gegenüber zu stehen, dass ich rein gar nichts dagegen tun kann. Ich empfinde bei den Gedanken daran kein: Hier ist es so bequem, hier bleib ich. Sondern ein: Nichts wie weg hier, ich will hier nicht sein.
Bequemlichkeit ist nichts, das ich Eigenständigkeit, Lebendigkeit, Selbst-Sein vorziehen würde, schon der Gedanke ist für mich absurd. Warum sollte ich in etwas verharren, das mir nicht gut tut? Weil es bequem ist – was ist denn daran bequem, wenn es überall drückt? Da bewege ich mich lieber und komme irgendwo an, wo es mir gefällt.

Ich habe nie beachtet, dass ein Verharren in Schwarzmalerei möglich ist. Weil es für mich persönlich beim Betrachten von und der Auseinandersetzung mit negativen Dingen/Erfahrungen/usw. immer und ausnahmslos darum geht, sie zu verlassen. Nicht etwa darum, da drin stecken zu bleiben.
Um sie zu verlassen, muss ich sie zwangsläufig betrachten (weil ich wissen muss, was genau ich nicht will und wovon genau ich weg will und wie ich da hinein gekommen bin und wie ich das zukünftig vermeide und wie ich wieder rauskomme). Aber der Anspruch der Betrachtung des Negativen zum Zwecke des Weggangs (!) vom Negativem ist grundsätzlich gegeben.
Alles andere ist keine Option für mich, nicht einmal gedankliche und ich kann mich auch nicht einfühlen in eine Betrachtung von Negativem zum Zwecke eines Sich-darin-fürs-Leben-häuslich-einrichten.
Das ist mir einfach nur fremd.

Ich bin bislang davon ausgegangen, dass das bei jedem Menschen so ist – zugegeben, das ist eine total begrenzte Weltsicht, die mir zudem, wie mir jetzt auffällt, ein paar Mal während meines bisherigen Lebens geschadet hat, weil ich Menschen unterstützte, die sich in ihrem Leiden häuslich eingerichtet hatten und auch nicht weg wollten, sondern nur jede Eigenverantwortung abschieben und bemuttert werden wollten. Ich habe das aber nie richtig sehen können, eben weil das für mich persönlich unvorstellbar ist.

Also ein herzliches Danke an alle an dieser Diskussion beteiligten Frauen hier. Mir zumindest hat das gerade eine Menge gebracht. :blumen2:


Viele Grüße,

Geneviève
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Rafaella
Beitrag 09.Jul.2008 - 20:13
Beitrag #54


Freies Vögelchen
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QUOTE (LadyGodiva @ 09.Jul.2008 - 17:04)

Das Leben, das ich als Erwachsene führe, habe ich recht hart meinem Umfeld abgetrotzt. Gegen alle Widerstände und gegen einen recht reichen Schatz an Erfahrungen, die mir das Gegenteil beweisen sollten.

Liebe LG, das ist mal ein Satz von dir mit dem ich mich voll und ganz identifizieren kann. Danke dafür - das ist der rote Faden meiner Biographie...


lg
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shark
Beitrag 09.Jul.2008 - 20:14
Beitrag #55


Strösenschusselhai
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Geneviève:

Und ich mag, wenn ich das mal sagen darf so zwischendurch, Deine ehrliche und freundliche Art zu schreiben.
Ganz abgesehen davon, dass wir beide offenbar - trotz unterschiedlicher Ausdrucksweise - lebensbejahenden, leidbeendenden Bemühungen und Massnahmen den Vorzug geben vor mehr oder weniger stillem Ausharren im Unglück.

Grüsse,


shark

Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 09.Jul.2008 - 20:15
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Mausi
Beitrag 09.Jul.2008 - 23:24
Beitrag #56


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@Geneviève

Ja - das kann ich unterschreiben. Negative Aspekte - schauen was negativ ist um es dann zu ändern.
So kenne ich es von mir auch, außer in kurzen, heftigen Zeiten - aber auch diese sind überwunden.
Von dem her - ich bin da auch eher aktiv drin, dann eben zu ändern - schließlich soll es ja besser werden.

Aber andere sind eben nicht so - und so wirkt es, stellenweise, nunmal bei Holly - daher eben auch die Beiträge.

Aber ich freue mich, dass wir im Endeffekt das Selbe meinten bzw. den Umgang damit, aber die Begrifflichkeiten einfach unterschiedlich waren. Und es freut mich sehr, dass ich Dir erklären konnte, was ich meinte :)

Liebe Grüsse
Mausi
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Geneviève
Beitrag 10.Jul.2008 - 12:46
Beitrag #57


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Hallo ihr alle,

@shark, danke für das Kompliment. Ich lese auch gern, was du schreibst. :blumen2:

Und @Mausi, dann freuen wir uns jetzt beide, dass wir einander nun verstanden haben. Schön, Grund zur Freude ist immer gut. :)

@all:
Und was das Thema dieses Threads angeht, schreibe ich wohl in den nächsten Tagen noch irgendetwas, momentan habe ich zu viele Gedanken dazu im Kopf, muss das erst mal sortieren.
Ich habe mich in den vergangenen Tagen erstmals mit den möglichen Ursachen von Homophobie befasst (bin vorher nie auf den Gedanken gekommen, das zu tun), was auch bedeutet, Homophobie nicht mal mehr verborgen als etwas zu betrachten, das einige Menschen einfach haben, wie ihre Augenfarbe oder Schuhgröße, sondern als etwas, das im weiten und engen Sinn krank ist.

Das mag banal klingen, aber für mich ist das gerade wichtig, weil es meinen Blickwinkel endgültig umdreht. Ganz einfach deshalb, weil das bedeutet, mich nicht mal mehr hin und wieder durch die Augen einer früher erlebten homophob eingestellten menschlichen Umwelt zu betrachten, sondern diese aus meinen eigenen Augen heraus anzusehen und mit meinen eigenen Gedanken und meinen eigenen Gefühlen wahrzunehmen und zu bewerten. Und das wiederum bedeutet, mich nicht mehr so arg von diversen damaligen Äußerungen angegriffen und verletzt und in einem Rechtfertigungszwang gegen ohnehin unsinnige und unlogische Behauptungen zu fühlen, um meine durch sie angegriffene Integrität wieder herzustellen.
Wenn ich Homophobie als das betrachte, was sie ja auch tatsächlich ist (unlogisch, keineswegs normal, substanzlos in ihren Behauptungen, entweder – je nach Mensch – unzugänglich gegenüber jeder Diskussion oder veränderbar, u.v.m.), dann verliert sie den früheren Macht-Status. Was mich automatisch noch unabhängiger und freier macht. Und damit grundsätzlich mehr Platz für eine Art Selbstverständlichkeit meines eigenen Seins lässt.


Viele Grüße,

Geneviève
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Leah
Beitrag 10.Jul.2008 - 15:35
Beitrag #58


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Liebe Geneviève,

ich bemerke so was dieser Thread,dieser Austausch hier mit Dir macht und ich persönlich habe das Gefühl,dass es Dir richtig viel bringt! Auch wenn ich die letzte Zeit nur noch stille Mitleserin war,so finde ich dieses Thema und wie alle damit umgehen doch sehr wichtig und regt mich nach wie vor sehr zum Mit-Denken an... Die verschiedenen Denkensweisen und Ängste und auch das unterschiedliche Verständnis für dieses Thema finde ich so interessant...
Jeder hat seine ganz persönliche Geschichte und dennoch verbindet uns alle so viel....da jeder,mehr oder weniger,diese Fragen durch hat....eine Lösung für sich gefunden hat - oder noch dabei ist eine zu finden....

:blumen2:

Danke vor Allem an Dich für dieses Thema....dass man nie so ganz zu Ende denken kann..... :blumen2: und auch an alle anderen für ihre Gedanken,Ansichten....worüber man immer wieder aufs neue Nachdenken kann...

:)
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Geneviève
Beitrag 11.Jul.2008 - 03:58
Beitrag #59


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Hallo ihr alle,

etwas wirr vielleicht, ist schon spät (oder früh, je nachdem), aber das stört mich prinzipiell nicht. ;)


Hollys Satz „Für solche wie mich ist einfach kein Platz in dieser Welt“ ist einer von den Sätzen, die mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen sind. Weil das etwas ist, das ich auch lange immer mal wieder genau so formuliert habe.

Ich musste heute daran denken, dass ich als Kind (ich war vier oder fünf) einen Ring hatte. Der war eigentlich gar nichts Besonderes, ich weiß nicht mal mehr, woher ich ihn hatte. Aber ich konnte buchstäblich Stunden damit verbringen, den anzusehen. Der hatte einen ganz einfachen, geschliffenen, durchsichtigen (Glas)Stein, nicht mal groß, nicht mal besonders hübsch – aber ich habe es geliebt, zuzusehen, wie im Licht Farben entstanden und wie sie sich veränderten, wenn ich den Stein oder die Lichtquelle drehte. Das Farbspiel hat mich angezogen. Es hat mich fasziniert, wie etwas, das im Dunkeln so langweilig und gewöhnlich und simpel und endlich und fassbar war, im Licht so bunt, so veränderbar, überraschend, komplex und mehr wurde als das, was es auf den ersten Blick schien.
Das Gleiche mit Weihnachtsbaumkugeln. Ich mochte Weihnachten hauptsächlich wegen des Lichtes. Wenn keine Lichter am Baum angeschaltet waren, fand ich es beinahe grotesk, einen Baum mit Kugeln und allerlei Firlefanz zu behängen. Die Kugeln waren einfach bloß runde Glasdinger, meist nicht mal besonders ansehnlich.
Aber ich habe auch da, wenn das Licht an war, das Farbspiel geliebt, die Spiegelungen, die Veränderungen in jedem Flackern, in jeder Bewegung.
Es hat mich gerührt, dass etwas so Einfaches etwas so Schönes hervorbringen und in sich bergen kann.

Warum ich das überhaupt erzähle, ganz abgesehen davon, dass es eine gedankliche Assoziation war:
Ich glaube, mit einem Platz für einen selbst ist es etwas sehr ähnliches wie mit geschliffenen Glassteinen und Weihnachtsbaumkugeln. Es kommt darauf an, welche Umgebung man für sie schafft.
Und einfach nur einen Platz einnehmen zu wollen, auf dem sowieso schon Millionen Andere stehen und der vorgegeben und festgetrampelt und totgetrampelt ist, ist so, als würde ich einen geschliffenen Glasstein in einen fenster- und lichtlosen Raum legen. Es wäre bloß ein Materialklumpen, langweilig, nichtssagend, exakt wie Tausend andere zurechtgesägt und bedeutungslos.
Das eigentlich Spannende ist doch, selbst einen Platz kreieren zu können, fern ab von Fertigbausätzen. Und dabei – und nur dabei – kann man dann das Wunder erleben, wie etwas vermeintlich ganz Einfaches und Alltägliches und Unbesonderes plötzlich eine solche Schönheit Preis gibt, das man gerührt daneben steht und gar nicht anders kann, als es zu lieben.

Ich glaube, ich hänge zu sehr an diesen Wundern, um einfach nur einen Platz einnehmen zu wollen, der vorgefertigt ist und zu dem ich einfach nicht gehöre, an dem ich nur eine deplatziert wirkende Kugel an einem überladenen Baum wäre.
Ich bin zu neugierig dafür, habe zu viel Lust am Erschaffen und zu viel Spaß an Kreativität und zu viel von etwas, für das ich keinen Begriff habe. Liebe zu diesem Entdecken vielleicht.

Shark meinte, dass es letztlich um die Frage ginge, ob man glücklich sein wolle oder nicht. Ich glaube, es geht um mehr als um Glück. Darum, ob man Materialklumpen sein will oder Wunder.


Eigentlich wollte ich bloß Danke sagen dafür, dass ihr mich an die Weihnachtsbaumkugeln und den Ring erinnert habt.


Viele Grüße,

Geneviève
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Glühwürmchen
Beitrag 11.Jul.2008 - 17:14
Beitrag #60


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QUOTE (Geneviève @ 11.Jul.2008 - 03:58)

Shark meinte, dass es letztlich um die Frage ginge, ob man glücklich sein wolle oder nicht. Ich glaube, es geht um mehr als um Glück. Darum, ob man Materialklumpen sein will oder Wunder.



und von mir vielen Dank für diesen wunderbar treffenden Satz (stellvertretend für den ganzen Beitrag)

:blumen:
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kenning
Beitrag 12.Jul.2008 - 02:23
Beitrag #61


Naschkatze
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QUOTE (Geneviève @ 11.Jul.2008 - 03:58)
Eigentlich wollte ich bloß Danke sagen dafür, dass ihr mich an die Weihnachtsbaumkugeln und den Ring erinnert habt.


Viele Grüße,

Geneviève

Hallo!

Auch wenn ich momentan wieder recht wenig Zeit zum mitschreiben habe (möchte ja doch lieber erst drüber nachdenken bevor ich Blödsinn schreibe ;)), lese ich immer noch sehr interessiert mit.

Die letzten Tage war ich doch eher etwas ratlos was ich mit den von mir durch diesen Thread neu gewonnen Erkenntnissen anfangen kann bzw wie ich am besten zb aus diesen alten Denkautomatismen ausbrechen kann. Damals (in meiner Jugend, Teenageralter usw) waren diese Automatismen (zb der Gedanke: Es kann eh nie eine Frau geben, die mich toll finden würde, also brauch ich auch keine Frauen näher anschauen) ja so eine Art Überlebensstrategie und als solche auch sicher wichtig und hilfreich. Doch heute schadet mir der (und ähnliche) Gedanke(n) mehr, als er mir nützt. ... Nur wie mache ich es, daß ich derartige Gedanken ablege? So wirklich ganz klar, ist mir mein weiterer Weg noch nicht, doch ich denke, daß es in vielen kleinen Schritten (vermutlich langsam, aber doch) vorwärts gehen wird ... mühsam ... wie immer ... aber wenigstens vorwärts ...

Was ich dabei (also bei meinen Introspektionsversuchen) auch bemerkt habe, ist daß ich mich, wenn ich rundherum viel Streß habe zb mit Arbeit usw. auch irgendwie mehr abkapsle ... mehr nur das Mindestprogramm was gemacht werden muß abspule, aber sonst recht wenig Energie übrig habe um mich noch weiter mit (zumindest für mich schwierigen) Themen wie zb in diesem Thread angesprochen oder zb dem Kennenlernen neuer Personen zuzuwenden.

In solchen Situationen treffe ich dann in meiner (wenigen) Freizeit am liebsten Leute, die ich schon gut kenne und wo ich weiß, daß es ein sehr gemütliches Treffen sein wird ... also Freizeit dient mehr zur Entspannung und weniger als Raum, wo man neues entdecken/kennenlernen kann.

Ich weiß, daß ich in den letzten Jahren wirklich viel Streß hatte ua wegen einer beruflichen Neuorientierung und Ausbildung, die ich gemacht habe. Nebenbei mußte ich auch noch arbeiten. Ein naheliegendes Fazit wäre also, daß ich meine berufliche Situation besser in den Griff kriegen muß zb den neuen Beruf voll durchstarten, damit ich den alten an den Nagel hängen kann ... momentan arbeitete ich noch in beiden Bereichen, was auf die Dauer ziemlich anstrengend ist. Naja, immerhin arbeite ich auch daran ... mal sehn ...

So, jetzt habe ich wieder sehr lang geschrieben ... und bin hoffentlich nicht zu weit vom Thema abgekommen. Eigentlich wollte ich nur Danke sagen @Geneviève, daß Du Deine Erinnerung an den Ring und die Weihnachtskugeln mit uns geteilt hast. Es ist wirklich ein schönes Bild. Ich werde sicher dran denken, wenn mich das nächste Mal der Mut und die Energie zu verlassen drohen. :blumen2:

lg

kenning

Der Beitrag wurde von kenning bearbeitet: 12.Jul.2008 - 02:23
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Geneviève
Beitrag 12.Jul.2008 - 14:44
Beitrag #62


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Hallo kenning,

schön wieder von dir zu lesen. :)

Wie man alte Überlebensstrategien, die heute hinderlich sind und nicht mehr schützend, ablegen kann, weiß ich auch nicht so genau.
Ich frage mich das ebenfalls. Ich glaube allerdings, dass es schon mal ein wichtiger Schritt ist, zu erkennen, dass einem das alte Verhalten heute rein gar nichts mehr bringt. Das, wovor es schützte, ist einfach nicht mehr da.
Ich bin älter, nicht mehr abhängig von einer wohlwollenden Meinung seitens meiner Familie, die ich heute zum Überleben nicht mehr brauche, damals aber schon.
Kommt mir manchmal vor, als würde ich in einer ungefähr zehn Kilo schweren Ritterrüstung durch die Welt laufen, die mich früher so weit wie möglich geschützt hat – die heute aber einfach nur lächerlich, da unangebracht ist und die mich außerdem in meinem Vorwärtskommen behindert, weil sie schwer und sperrig ist und außerdem diverse Helme meinen Blickwinkel stark einschränken und sowieso die gesamte Rüstung alle meine Sinne behindert.

Was man meiner Meinung nach ganz dringend benötigt, ist die Einsicht, dass diese Rüstung heute eben nicht mehr gebraucht wird. Nur dann kommt man überhaupt auf die vage Idee, sie abzulegen.
Und in diesem Zusammenhang erscheint es mir wichtig, zu wissen, wovor sie überhaupt hat schützen sollen, ob die damaligen Gefahren auch heute noch bestehen (oder ob man nur glaubt, dass dem so ist) und wenn sie tatsächlich noch bestehen, ob das Ausmaß noch das Gleiche ist wie früher und ob es nicht bessere, angemessenere Strategien gäbe, damit umzugehen – Strategien, die einem damals nicht zur Verfügung standen, heute jedoch schon.
So eine Mischung aus Ursachenforschung und Konfrontation mit der heutigen Realität, die die Unterschiede beider „Welten“ (also damals und heute) klarer macht.
Früher bin ich es gewohnt gewesen, schon aus Selbstschutz immer darauf zu achten, ob ich von irgendeiner Seite bedroht werden könnte, mein Fokus war geschaltet auf etwas wie: möglichst schnelle, genaue Witterung von Bedrohungen innerhalb meines Umfeldes, um mich wenigstens darauf vorbereiten zu können, wenn ich es schon nicht verhindern kann (und damals konnte ich es nicht verhindern, dazu war ich zu klein und zu abhängig).

Und es ist ja tatsächlich so, dass es mir auch heute noch passieren kann, dass jemand mir dumme Vorurteile entgegen schleudert.
Aber verletzt mich das heute so sehr wie damals? Im Grunde nicht. Es erinnert (!) mich an die Verletzungen von damals und das macht es so schlimm, weil der erste Impuls in mir ist: Oh nein, es ist alles so wie früher, Ritterrüstung wieder an, ich brauche die noch, ich kann nicht ohne die.
Natürlich ist dieser Gedanke unrealistisch, ich selbst bin nicht mehr die Selbe wie früher und daher kann ich auch anders mit solchen Dingen umgehen. Dennoch ist es der erste Impuls.
Da hilft dann nur, sich das genauer anzusehen, kann ich zumindest von mir bestätigen – was war früher, was ist heute anders, wie gehe ich heute damit um, warum setzt sich der Automatismus in Gang, was kann ich stattdessen tun usw.
Und wenn ich darauf Antworten habe, bewerte ich die heutige Situation anders und traue mich in der Regel auch, anders zu handeln als früher. Das macht dann Spaß, ich fühle mich dann wohl und neugierig und mutig und eins mit mir selbst.


Du sprichst die „Ich werde sowieso nie eine lesbische Beziehung haben“-Automatismen an.
Kenne ich gut. Da gibt es unter Umständen viele Scheingründe: sie mag mich sowieso nicht, sie findet meine Gefühle ekelhaft, sie traut sich nicht usw.
Den „Ich werde generell sowieso niemals gemocht werden“-Automatismus bin ich glücklicherweise los. Aber das hat Jahre gedauert und hatte mit sehr viel mehr zu tun als damit, dass ich als Lesbe in einem homophoben Umfeld aufgewachsen bin.
Was allerdings in mir immer noch da ist, ist die alte Angst, von Frauen (und nur von diesen, Männer sind mir da herzlich egal, das verletzt mich nicht weiter; gegen Abwertung durch Männer bin ich weitgehend immun geworden, ich kann das nicht mehr ernst nehmen) für meine Homosexualität als ekelhaft empfunden zu werden.
Das hat sich in mich eingebrannt.
Früher hatte ich beinahe jeden Tag mit einem Mädchen zu tun (Nachbarin), die betont hat, wie ekelhaft sie Lesben finden würde und dass sie meinte, „bei denen“ befürchten zu müssen, dass sie jede kleine Berührung falsch verstehen und sie dann bedrängen würden. Als wären Lesben Menschen, die jede andere Frau anspringen, die in ihr Sichtfeld gerät. Lesbisch sein war bei ihr gleichgesetzt mit se*ueller Beläst*gung von Mitmenschen und in diese Ecke wollte ich nun wirklich nicht geschoben werden.
Ich hatte Angst davor, dass sie mitbekommt, dass ich lesbisch bin. Durch Blicke, durch mein völliges Fehlen an romantischem und sexuellem Interesse an Männern (das hat sie damals schon desöfteren kritisch kommentiert), durch irgendetwas anderes, was auch immer.
Die Angst habe ich immer noch, auch wenn das rational vollkommen unsinnig ist.

Das ist seltsam, weil ich einerseits kein Problem damit habe, (verbal) dazu zu stehen, dass ich lesbisch bin, aber Panik schiebe, sobald ich das kleinste bisschen tatsächlicher Verliebtheit spüre (ist derzeit nicht der Fall, war aber immer so. Und ein sozialer Rückzug bedeutet auch, mich weitgehend vor der Möglichkeit zu bewahren, mich zu verlieben).
Unsinnigerweise fühle ich mich, wenn ich verliebt bin, so, als würde ich derjenigen, die meine Gefühle gelten, damit irgendeine Last aufhalsen, sie damit beschämen und bedrängen.
Rational weiß ich, dass das Blödsinn ist, aber ich fühle es nicht.

Irgendjemand hier in diesem Thread meinte (sorry, weiß gerade nicht mehr genau wer), dass es am leichtesten wäre, unter Lesben lesbisch zu sein.
Das ist auch so ein Satz, der mich nicht mehr losgelassen hat, seit ich ihn gelesen habe. Bei mir ist das nämlich anders. Das ist für mich am schwierigsten (weshalb ich auch erst jetzt den Mut dazu hatte, mich hier in einem Forum anzumelden und noch nie den Mut hatte, mich zu lesbischen Veranstaltungen aller Art zu trauen).
Wenn ich einer Frau begegne, bei der ich das Gefühl habe, dass sie ebenfalls lesbisch ist und dazu noch das Gefühl habe, dass auch sie genau weiß, dass ich lesbisch bin, dann reagiere ich panisch. Ich werde knallrot, fange an zu schwitzen, kann mich nicht entscheiden zwischen Wegsehen und Blick erwidern, weshalb eine seltsame Mischung aus beidem dabei herauskommt, ich nehme mich selbst irgendwie zerstückelt wahr (meine Arme als so längliche Dinger, die unwohl an mir herunter hängen und von denen ich nicht weiß, was ich damit machen soll, ich bin körperlich verschoben und nicht zusammen passend).
Diese Eindrücke verschwinden restlos, sobald ich nicht mehr in der Situation bin. Aber tauchen genau so wieder auf, wenn sich eine neue dieser Situationen einstellt.
Wie ich das auflösen kann, ist mir auch noch nicht klar.
Aber ich wüsste es gern. Also wenn irgendjemand dazu etwas sagen kann und mag, würde mich das freuen.


Viele Grüße,

Geneviève
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H_Golightly
Beitrag 14.Jul.2008 - 04:24
Beitrag #63


Naschkatze
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Hallo zusammen,

auch ich möchte mich mal wieder zu Wort melden. Habe auch immer fleißig mitgelesen, hatte aber (auch weil ich z. Zt. viel um die Ohren habe) nicht die Zeit, zu antworten. Zunächst einen lieben Dank an alle, die diesen Thread aufrechterhalten. Ich finde ihn sehr interessant und es tut auch gut, von Leuten mit ähnlichen Problemen zu lesen.

Geneviève, du hast hier in deinem letzten Beitrag einiges geschrieben, was auch mich beschäftigt und worüber ich schon oft nachgedacht habe:

QUOTE (Geneviève @ 12.Jul.2008 - 14:44)
Was allerdings in mir immer noch da ist, ist die alte Angst, von Frauen (und nur von diesen, Männer sind mir da herzlich egal, das verletzt mich nicht weiter; gegen Abwertung durch Männer bin ich weitgehend immun geworden, ich kann das nicht mehr ernst nehmen) für meine Homosexualität als ekelhaft empfunden zu werden.
Das hat sich in mich eingebrannt.
Früher hatte ich beinahe jeden Tag mit einem Mädchen zu tun (Nachbarin), die betont hat, wie ekelhaft sie Lesben finden würde und dass sie meinte, „bei denen“ befürchten zu müssen, dass sie jede kleine Berührung falsch verstehen und sie dann bedrängen würden. Als wären Lesben Menschen, die jede andere Frau anspringen, die in ihr Sichtfeld gerät. Lesbisch sein war bei ihr gleichgesetzt mit se*ueller Beläst*gung von Mitmenschen und in diese Ecke wollte ich nun wirklich nicht geschoben werden.
Ich hatte Angst davor, dass sie mitbekommt, dass ich lesbisch bin. Durch Blicke, durch mein völliges Fehlen an romantischem und sexuellem Interesse an Männern (das hat sie damals schon desöfteren kritisch kommentiert), durch irgendetwas anderes, was auch immer.
Die Angst habe ich immer noch, auch wenn das rational vollkommen unsinnig ist.

Ähnliche Ängste habe ich auch. Ich habe zwar nicht solche negativen Erfahrungen wie du machen müssen, doch ich denke, dass die eine oder andere Frau vielleicht so empfinden könnte, wenn ich ihr meine Gefühle gestehen würde. Ist ja eigentlich völliger Quatsch, wenn man es rational betrachtet, nicht wahr? Und dann frage ich mich selbst, wie ich in entsprecheder Situation reagieren würde. Hast du, Geneviève, dir das auch schon mal durch den Kopf gehen lassen? Man kann sich da nun als frauenliebende Frau schwer hineinversetzen, aber wie würden wir wohl empfinden, wenn uns ein Mann seine Liebe gesteht? Wäre es ein Mann, dann würde ich ihm sagen, dass ich die Gefühle nicht erwidern kann, weil ich eben das andere Geschlecht bevorzuge. Ich würde ihn aber keinesfalls verurteilen. Wäre es eine Frau, käme es darauf an, ob ich die Gefühle erwidern kann oder nicht. Aber in keinem der Fälle würde ich die Person (Mann oder Frau) als ekelhaft empfinden. Ich habe jetzt mit Absicht das Extrembeispiel "wenn dir jemand seine Gefühle gesteht" gewählt.
Du sprichst von Ekelgefühlen, die man dir als lesbiche Frau entgegenbringen könnte- meinst du das nur in Bezug auf Heterofrauen, mit denen du befreundet bist (und keine Liebesgefühle für sie hegst) oder beziehen sich deine Ängste eher auf Heterofrauen, in die du verliebt bist? Ich persönlich hätte z. B. mehr Ängste, wenn ich eine Frau direkt damit konfrontiere, in sie verliebt zu sein. Einer guten Freundin (für die ich keinerlei Liebesgefühle hätte) könnte ich es dagegen viel leichter sagen, dass ich lesbisch bin. Von ihr würde ich da auch keine "Ekelgefühle" erwarten. Aber wie würde die Frau, die nun weiß, dass ich sie begehre, reagieren? Würde sie es eklig finden? Ich weiß es einfach nicht. Ich hatte ja nun das Beispiel erwähnt, wie wir selbst reagieren würde. Aber bei uns käme ja noch der "Überraschungseffekt" dazu, nämlich dass die Person einmal erfährt, dass sich jemand in sie verliebt hat und zum zweiten der Jemand auch noch das gleiche Geschlecht hat. Schwer abzuschätzen, wie da die Reaktion ausfallen würde. :gruebel: Generell hängt es doch aber von der jeweiligen Frau und ihrem Einfühlungsvermögen ab, stimmt's?

QUOTE (Geneviève @ 12.Jul.2008 - 14:44)
Das ist seltsam, weil ich einerseits kein Problem damit habe, (verbal) dazu zu stehen, dass ich lesbisch bin, aber Panik schiebe, sobald ich das kleinste bisschen tatsächlicher Verliebtheit spüre (ist derzeit nicht der Fall, war aber immer so. Und ein sozialer Rückzug bedeutet auch, mich weitgehend vor der Möglichkeit zu bewahren, mich zu verlieben).
Unsinnigerweise fühle ich mich, wenn ich verliebt bin, so, als würde ich derjenigen, die meine Gefühle gelten, damit irgendeine Last aufhalsen, sie damit beschämen und bedrängen.
Rational weiß ich, dass das Blödsinn ist, aber ich fühle es nicht.

Hiermit sprichst du mir wirklich sehr aus der Seele. Diese Panik ist auch mir wohl bekannt. Sobald ich merke, ich empfinde mehr für eine Frau als nur Freundschaft, bekomme ich Angst. Das geht mit Schweißausbrüchen, Kloß im Hals, Herzrasen u. ä. einher. Ich denke, der Auslöser dafür ist zum einen die Verliebtheit an sich (ist ja logisch), aber zu einem sehr großen Teil auch die Angst, von ihr "entdeckt" zu werden. Geht es dir auch so? Inzwischen bin ich dabei, diesen letzten Aspekt etwas lockerer zu betrachten, nämlich dass sie es gar nicht entdecken muss (Heterofrauen sind mitunter blinder als man denkt ;) ) und wenn sie es doch merken sollte, das auch nicht der Untergang der Welt ist. Ist ja schließlich kein Verbrechen, jemanden gern zu haben. Überhaupt sollten wir nicht so stiefmütterlich mit unseren (wertvollen) Gefühlen umgehen, sondern sie eher hegen und pflegen. ;)

In diesem Sinne erst mal einen lieben Gruß.


P.S. Ich fand deine Ausführungen mit den Glaskugeln auch wunderschön. :blumen2:
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Geneviève
Beitrag 14.Jul.2008 - 17:10
Beitrag #64


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Hallo Holly,

:blumen2: für deine Fragen.
Du hast mich damit auf etwas gestoßen, das mir gerade wichtig ist.
Du hast natürlich Recht damit, dass ich es nicht eklig finde, wenn jemand mir eine Verliebtheit gesteht. Ich bin dann eher beeindruckt über den Mut, dazu zu stehen und eine wie auch immer geartete Reaktion in Kauf zu nehmen. Auf Ekel würde ich da nicht kommen. Im Gegenteil. Und auch meine Reaktion ist da nichts, wovor sich irgendjemand fürchten müsste. Wenn ich die Gefühle nicht erwidere, versuche ich so respektvoll wie möglich, das zu sagen.

Diese Diskrepanz zwischen dem, was ich selbst in einer solchen Situation empfinde und dem, was ich als Reaktion befürchte, könnte größer kaum sein.
Das war mir zwar klar, aber ich habe das bislang nie weiter beachtet, es ist mir nie als Seltsamkeit aufgefallen, eher als eine Art Naturgesetz – was ja an sich schon merkwürdig ist.
Es scheint so, als würde ich meine eigenen Verliebtheiten überhaupt nicht durch meine Augen sehen, sondern durch die Augen meiner damaligen Nachbarin. Die hätte nämlich Ekel empfunden.
Und hätte ich ihr jemals gesagt, dass ich lesbisch bin, hätte sie automatisch angenommen, ich wäre in sie verliebt, selbst wenn ich in diesem Punkt zu Recht widersprochen hätte. Sie war Mädchen/Frau, ich war lesbisch, also war ich automatisch in sie verliebt (ihre damalige Logik, nicht meine. Und schon gar nicht mein Gefühlsleben).

Generell kann ich sagen, dass ich, wenn ich diese Panik spüre, immer befürchte, dass Frauen so reagieren würden wie die damalige Nachbarin.
Das könnte man paranoid nennen. Unrealistisch für meine heutige Situation ist es allemal.
Das muss ich mal genauer untersuchen und eine klare Trennlinie zwischen „alter Angst“ und „heutiger Realität“ ziehen.
Diese Ängste sind tatsächlich alt, ich werde wieder zwölf oder so, wenn ich sie fühle.

Und ich glaube allmählich, es sind ausschließlich diese alten Ängste, die mich da heimsuchen, denn im Grunde habe ich gar nicht wirklich Angst davor, dass jemand fälschlicherweise oder richtigerweise annimmt, ich wäre in sie verliebt. Das ist etwas, wozu ich heute durchaus stehen könnte, weil ich eigentlich (!) Unehrlichkeit an mir ganz schlecht ertragen kann, was dann automatisch zu einer Ehrlichkeit führt – aber nur dann, wenn ich mich nicht mehr fühle, wie ich mich mit zwölf gefühlt habe: beschämt, überfordert, ungefestigt in mir selbst und mit einem Selbstwertgefühl, das unter der Erde Tunnel gräbt.
Ich falle da nur wieder für einige Momente hinein, wenn mich irgendetwas an damals erinnert. Und fühle mich dann in diesen Augenblicken so, als wäre das Vergangene noch Realität.
Ist es aber nicht. Und je genauer ich das erkenne, umso leichter wird es wohl auch, nicht mehr in alte Gräben zu fallen. Ich weiß dann zwar noch, dass sie da sind und wie es dort drin ist, aber ich muss nicht mehr in ihre Richtung gehen, sondern kann mich daran vorbei zu anderen Orten bewegen.

Holly, fühlst du dich mit dieser Panik in deiner heutigen Realtität verortet oder auch so, als wärst du Jahre jünger?
Ich frage mich nämlich gerade, ob es überhaupt Sinn macht und Grund hat, sich als erwachsener Mensch so panisch und beschämt und ängstlich zu fühlen oder ob das beinahe grunsätzlich alte Ängste sind (abgesehen von Lebensgeschichten natürlich, in denen einem auch als Erwachsene noch fürchterliche Konsequenzen drohen („Ehrenmorde“ z.B. oder Homosexualität als gesetzlicher Straftatbestand), da besitzen diese Ängste natürlich durchaus realistische Gründe).


Viele Grüße,

Geneviève
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H_Golightly
Beitrag 14.Jul.2008 - 19:14
Beitrag #65


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Hallo Geneviève,

es freu mich, dass ich mit meinen Gedanken hilfreich sein konnte. :)

QUOTE (Geneviève @ 14.Jul.2008 - 17:10)
Ich bin dann eher beeindruckt über den Mut, dazu zu stehen und eine wie auch immer geartete Reaktion in Kauf zu nehmen. Auf Ekel würde ich da nicht kommen. Im Gegenteil. Und auch meine Reaktion ist da nichts, wovor sich irgendjemand fürchten müsste. Wenn ich die Gefühle nicht erwidere, versuche ich so respektvoll wie möglich, das zu sagen.

Genauso wäre es bei mir auch. Ich wäre bestimmt beeindruckt über so viel Mut und ich würde mich auch über die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit derjenigen Person freuen. Natürlich muss man auch berücksichtigen, dass wir da ja schon sensibilisiert sind in dieser Hinsicht. Ich kann z. B. nicht mit Gewissheit sagen, ob eine ungeübte Person, die noch niemals unglücklich verliebt war und auch noch keinem eine Liebeserklärungen gemacht hat, da auch so taktvoll reagieren würde. Kommt aber, wie bereits erwähnt, auf den jeweiligen Gemütszustand und Chrakter der Person an.
Eine reife, erwachsene Frau müsste mit sowas eigentlich umgehen können, findest du nicht auch?

QUOTE (Geneviève @ 14.Jul.2008 - 17:10)
Ich Diese Diskrepanz zwischen dem, was ich selbst in einer solchen Situation empfinde und dem, was ich als Reaktion befürchte, könnte größer kaum sein.

Ist bei mir nicht anders. Ich denke z. B., dass man mir den Kopf abreißen könnte oder sie mich anschreien würde. :patsch: Im schlimmsten Fall male ich mir aus, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollte und mich vollkommen missachtet, bzw. gar nicht mehr beachtet. Das sind Horrorszenarien, die mir noch ab und zu im Kopf herumspuken. Was malst du dir als schlimmste Reaktion aus?


QUOTE (Geneviève @ 14.Jul.2008 - 17:10)
Es scheint so, als würde ich meine eigenen Verliebtheiten überhaupt nicht durch meine Augen sehen, sondern durch die Augen meiner damaligen Nachbarin. Die hätte nämlich Ekel empfunden.

Ich mache leider auch oft den Fehler, meine Gefühlswelt mit den Augen der anderen zu sehen. Und das ist das Verkehrteste, was man überhaupt machen kann. Man sollte sich auf seine eigenen Gefühle besinnen und nicht darauf, wie andere unsere Lage einschätzen oder empfinden. Die anderen fragen uns ja auch nicht, ob es uns passt, dass sie hetero sind.


QUOTE (Geneviève @ 14.Jul.2008 - 17:10)
Generell kann ich sagen, dass ich, wenn ich diese Panik spüre, immer befürchte, dass Frauen so reagieren würden wie die damalige Nachbarin.
Das könnte man paranoid nennen. Unrealistisch für meine heutige Situation ist es allemal.

Das ist durchaus verständlich. Du hast diese schlechten Erfahungen gemacht und denkst automatisch, alle anderen würden auch so denken. Aber das ist nicht so. Eine Frau, die ein bisschen nachdenkt, wird nie im Leben so reagieren wie deine damalige Nachbarin. Hast du dir mal überlegt, ob diese Bekannte vielleicht unbewusst selbst mit lesbischen Gefühlen gehadert haben könnte? Oftmals ist so eine übertriebene Reaktion auch nur die Angst davor, sich seine eigenen Gefühle einzugestehen. Oder eben einfach nur Ignoranz.


QUOTE (Geneviève @ 14.Jul.2008 - 17:10)
Holly, fühlst du dich mit dieser Panik in deiner heutigen Realtität verortet oder auch so, als wärst du Jahre jünger?

Das fragst du eine, deren erste (unglückliche) Liebe eine 22 Jahre ältere Frau gewesen ist, die noch dazu verheiratet war? Ich hatte damals wahnsinnige Angst davor, sie könnte etwas davon bemerken. Dabei war wohl die größte Angst, diejenige, die ich damals selbst vor meinen eigenen Gefühlen hatte. Dieses Erlebnis hat mich in meine weiteren Werdegang ziemlich stark geprägt und auch jetzt noch ist dieser Mechanismus "hoffentlich merkt sie es nicht" genauso drin wie damals. Nur, dass ich jetzt ein wenig gelassener damit umgehen kann, weil ich gelernt habe, meine Gefühle geschickt zu überspielen, wenn es drauf ankommt. Das konnte ich damals noch nicht so gut. Aber es ist im Endeffekt auch nicht so günstig, die Gefühle zu überspielen. Eigentlich sollte man lieber dazu stehen, egal was dann kommen mag.


Liebe Grüße
Holly


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Geneviève
Beitrag 14.Jul.2008 - 21:15
Beitrag #66


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Hallo Holly,

was ich mir als schlimmste Reaktion ausmale? - Gar nichts Konkretes, merkwürdigerweise.
Da ist nur dieser Blick, der so voller Verachtung und Abweisung und Hohn und Abscheu und kaltem Hass ist, dass es sich anfühlt, als würden meine Eingeweide einfrieren.

Es ist das Gefühl, innerlich zu erfrieren, vor dem ich mich fürchte. Das Gefühl will ich einfach nie wieder haben. Das war vernichtend, auf ganz vielen Ebenen gleichzeitig und ich habe Jahre damit verbracht, mich da raus zu holen.
Ich fürchte mich demnach eher davor, wie ich auf eine Reaktion reagiere. Die Reaktion selbst ist weniger furchterregend.
:gruebel: Merkwürdig.

Ich vermute, ich fürchte mich davor, dass ich Verachtung und Beschämung wieder glauben könnte. Und damit wieder da wäre, wo ich schon mal war und wo ich nie wieder hin will.
Allerdings bezweifle ich, dass mir das in Gegenwart und Zukunft noch mal anhaltend passieren wird. Dazu dürften zu viele Warnhinweisschilder am Wegrand stehen, die ich da hingepflastert habe, um sicher zu gehen, dass ich da nie wieder lang gehe.
Vielleicht zimmere ich einfach noch ein paar Warnschilder mehr oder schütte den Weg ganz zu und höre auf damit, Angst zu haben; weil ich dann sicher bin, dass ich nie wieder in tiefen, gefrorenen Gräben lande, egal wer mir begegnet.


Viele Grüße,

Geneviève



edit: Rechtschreibung

Der Beitrag wurde von Geneviève bearbeitet: 14.Jul.2008 - 21:17
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Leah
Beitrag 14.Jul.2008 - 21:29
Beitrag #67


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QUOTE (Geneviève @ 14.Jul.2008 - 22:15)
Ich vermute, ich fürchte mich davor, dass ich Verachtung und Beschämung wieder glauben könnte. Und damit wieder da wäre, wo ich schon mal war und wo ich nie wieder hin will.

Das kenne ich....und davor habe ich noch immer,noch heute Angst....

Komisch,oder?
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kenning
Beitrag 14.Jul.2008 - 21:45
Beitrag #68


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Hallo!

Ich habe noch ein wenig über die Ritterrüstung nachgedacht, die ein paar Posts weiter vorne angesprochen wurde. Ich denke, das Bild mit der Rüstung trifft es bei mir ganz gut.

Gerade in letzter Zeit habe ich festgestellt, daß ich eigentlich die letzten Jahre nichts anderes gemacht habe. Ich habe mich in Arbeit (und Ausbildung) vergraben, nur mehr die Leute getroffen, die ich schon seit Jahrzehnten kenne und wo ich weiß, daß sie mir nichts tun werden ... und daneben habe ich auch noch einige Kontakte mit Leuten abgebrochen, die mir ganz und gar nicht gut taten. Doch irgendwo rausgegangen und neue Leute kennenlernen gabs einfach nicht. In der Ritterrüstung sitzen bleiben, war eigentlich immer viel sicherer. ... doch inzwischen merke ich, daß es mir dort gar nicht mehr so gut gefällt ... ich hoffe, ich krieg den Dreh raus, wie man das Teil wieder ablegt bzw wie man es nur im richtigen Moment verwendet, dann wenns nötig ist, also wenn zb eine Schlacht naht, und sonst nicht.

Wg der homophoben Nachbarin wollte ich auch noch was sagen. Ich kann schon irgendwie verstehen, daß man sehr verunsichert ist, wenn man solche Sprüche, wie "Lesben sind eklig" usw immer wieder zu hören kriegt. Doch eigentlich hab ich bei solchen Menschen immer den Eindruck, daß sie im Grunde recht unsicher und zu bedauern sind. Jemand der eine derart harmlose Sache (wie zb lesbisch sein ... es schadet ja keinem) derart mit Haß und Ablehnung verfolgt, macht sich doch eigentlich nur selbst das Leben schwer. Einerseits nimmt sich die Person die Möglichkeit unter Umständen sehr interessante und nette Leute kennenzulernen. Und andererseits vergiftet sie mit ihrer negativen Art ja auch ihr ganzes Umfeld und steckt ihre ganze Energie in negative Gefühle und den Ausdruck derselben. Diese ganze Kälte und der Abscheu usw ist ja im Grunde in dieser armen Frau drinnen und kommt bei ihren Blicken durch ihre Augen und bei ihren Worten durch ihren Mund wieder heraus. Es muß ein sehr unglückliches Leben sein. ... Meiner Meinung nach ist es viel schöner positive Energie auszusenden und die Dinge, die man halt nicht mag, einfach links liegen zu lassen ... es wird ja eh keine zu irgendwas gezwungen.

Die Nervosität, wenn ich mit Frauen zu tun habe (natürlich besonders, wenn ich an ihnen Interesse habe, aber nicht nur), kenne ich auch. Meistens verfalle ich dann in den Mechnanismus mir einzureden, daß sie eh ganz sicher kein Interesse an mir hat (Ritterüstung?) ... dann entspanne ich mich wieder ein wenig. Doch auf die Dauer kann das ja nicht die Lösung sein ...
Wenn ich meinen Gefühlen so nachspüre, ist es bei mir aber nicht so, daß ich mich für meine Gefühle schäme. Es ist eher so, daß ich die Angst habe, ihre Erwartungen irgendwie zu enttäuschen bzw ihren Ansprüchen nicht gerecht zu werden ... sozusagen, daß ich in irgendeinem Punkt nicht gut genug bin. Ich fühle mich dann auch schnell überfordert, denn im Grunde kann ich ja nur so sein wie ich bin und nicht irgendwie anders, wie jemand anderer sich mich vielleicht wünschen würde. ... Im Prinzip bin ich ja auch im großen und ganzen gern so wie ich bin und möchte mich auch gar nicht verstellen oder so. Das würde mir einfach falsch vorkommen und sicher nicht für lange funktinonieren. ... So halb denke ich mir, daß diese Angst zum größten Teil sicher recht irrational ist bzw auch auf alten Mustern beruht. ... und hoffe, daß ich eines schönen Tages eine Frau treffe, die mich nicht nur verzaubert sondern auch noch so mag, wie ich bin. :wub: ... und daß ich dann einfach das richtige tue und mich nicht wieder in meiner Ritterrüstung verkrieche. :roetel: :patsch:

kenning

P.S.: Was ich noch schreiben wollte: Ich finde den Austausch in diesem Thread inzwischen wirklich sehr gut und wichtig für mich. Ich bin echt froh, daß ich mich endlich durchgerungen habe, nachdem ich so einige Jahre fast nur mitgelesen habe, doch endlich einmal auch mitzuschreiben. Danke. :blumen2:
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Geneviève
Beitrag 14.Jul.2008 - 22:43
Beitrag #69


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Hallo ihr alle,

@Leah, ich finde es auch bemerkenswert, dass das die eigentliche Angst ist – wieder da zu landen, wo man mal gewesen ist und nie wieder hin will.
Ist das bei dir eine realistische Angst, d.h. besteht die Gefahr tatsächlich? Oder ist diese Angst nicht vielmehr Zeichen dafür, dass einem ein Rückfall eben nicht mehr passieren wird, gerade weil die Angst davor so groß ist?! Die Angst sozusagen als Schutz davor, noch mal dort zu landen, wo man erfriert (oder ertrinkt oder erstickt oder was auch immer das im Einzelfall sein mag).
So wie ich Angst davor hätte, einen Ort voller hungriger Löwen zu betreten. Da hat die Angst durchaus Sinn und Schutzfunktion.
Ich weiß es nicht. Nur ein Gedanke. :gruebel:


@kenning, ich wollte noch mal schnell was zu meiner damaligen Nachbarin sagen. Ich meinte die Nachbarstochter, die war nur ein paar wenige Jahre älter als ich und für meine Eltern so was wie eine Ersatztochter. Sie war also andauernd da und hatte für mich so etwas wie einen Adoptiv-Schwester-Status.
Aus heutiger Sicht beurteile ich ihre Sichtweisen und Äußerungen etwas anders, sie war selbst noch Kind/Jugendliche. Nur damals war sie eben die Ältere und daher in meinen Augen „groß“, wenn du verstehst, was ich meine. :gruebel:

Hoffnung, auf jemanden zu treffen, die dich mag, wie du bist. Auch dazu mag ich gern was sagen.
Ich weiß nämlich nicht, ob das reichen würde, deine Zweifel dahingehend auszulöschen. Dann bist du ja abhängig vom ständigen Zuspruch eines anderen Menschen (und wenn du selbst daran zweifelst, dass dich jemand genau so mögen kann, wie du bist, wirst du wohl auch einer tatsächlich ehrlichen Zuneigung misstrauen).
Sicher kann es helfen, jemanden zu kennen, die einen so mag, wie man ist, aber nur darauf hoffen würde ich nicht. Das Gefühl muss auch von innen kommen; zumindest meine Erfahrung – und nebenbei gibt man sich, wenn man dieses Gefühl in sich selbst gefunden hat, wohl auch nicht mehr damit zufrieden, mit Menschen näheren Kontakt einzugehen, die einen nicht mögen, wie man ist. Oder die man selbst nicht mag, wie sie sind. Wozu auch? Um sich miteinander ständig schlecht zu fühlen und zu verbiegen?

Und zur Ritterrüstung ein weiteres Bild, das mir gerade im Kopf herumschwirrt:
Womöglich brauchen wir die gesamte Rüstung gar nicht mehr. Vielleicht reicht in Notsituationen nur ein kleiner Teil davon, ein Schild zum Beispiel.
Die ganze Rüstung wieder anzuziehen, dauert ja ewig, wenn man sie denn erst mal abgelegt hat (vermute ich zumindest). Im Bewusstsein, sich heute auch mit einem Schild verteidigen zu können, macht es vielleicht weniger Angst, die Rüstung abzulegen. Denn ein Schild hat man schnell in der Hand; eine ganze Rüstung anzuziehen würde dauern, viel zu lange, was wiederum bedeutet, dass man es sich ungefähr 30 Tausend Mal überlegt, ob man sie ablegt oder nicht.
Und vielleicht sind die Jahre der Schlachten schon lange vorbei und alles, was man noch zur Verteidigung braucht, ist man selbst - Argumentieren klappt, Weggehen funktioniert, Abwarten und noch mal drüber reden hat gewisse Erfolgsaussichten, und als letzten Ausweg Wohnungstür abschließen geht auch. Und wenn es denn besonders verletzend ist, einfach mal fauchen. Oder drohend mit den Zähnen klappern. Oder was immer dir beliebt und dir am ehesten entspricht.


Was die Fruchtbarkeit dieses Austausches angeht, kann ich dir nur beipflichten. Ich habe auch das Gefühl, eine ganze Ecke weiter gekommen zu sein als bisher.


Viele Grüße,

Geneviève
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kenning
Beitrag 15.Jul.2008 - 00:57
Beitrag #70


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Hallo Geneviéve!

Wg der Nachbarin bzw eigentlich deren Tochter: Natürlich wollte ich es nicht so hinstellen als hätte es einfach für Dich sein müssen ihre Kommentare abzubeuteln.
Ich selber hatte auch ein ähnliches Erlebnis. Als ich ca 16 oder 17 war, habe ich versucht mit einer Freundin (zumindest habe ich sie bis dahin für eine gehalten) über das Thema Lesbisch-sein usw zu reden. Ich war mir noch nicht ganz sicher ob es auch wirklich 100% auf mich zutrifft, aber meist geht es mir besser, wenn ich meine Gedanken irgendjemand anderem erzählen kann ... durchs erzählen ordnet sich oft vieles, was sonst eher einen Knoten verursacht oder im Kreis läuft. ... jedenfalls, hat sie mich sobald ich anfing davon zu reden nur mehr ausgelacht und meinte ich wäre in sie verliebt (was nicht gestimmt hat ... ich habe ja nur jemand zum reden gesucht) ... diese Reaktion hat mich damals so erschreckt, daß ich natürlich alles geleugnet habe und danach so gut verdrängt habe, daß es erst ca 10 Jahre später im Zuge einer anderen Katastrophe ans Tageslicht befördert wurde. Mit der Zeit habe ich wohl festgestellt, daß ihr Verhalten sehr oberflächlich war (auch bzgl anderer Themen) und habe heute nicht einmal mehr Kontakt mit ihr ... damals ist es mir aber natürlich sehr nahe gegangen.
Langer Rede, kurzer Sinn: Es freut mich also zu lesen, daß Du ihre Äußerungen und Sichtweisen (die der Nachbarstochter) aus heutiger Sicht anders beurteilst als es damals war. Irgendwie macht es mich generell etwas traurig und hilflos, daß es überhaupt so Leute gibt, die so kategorisch ablehnen und damit andere Leute verletzen ... also reagiere ich wohl etwas heftig bei diesem Thema. Daher versuche ich mir dann auch immer vor Augen zu halten, was ich vorher schon geschrieben habe, daß diese Leute, die so ablehnend sind, sich eigentlich nur selber das Leben schwer machen damit ... ist wohl auch so eine Art Schutzreaktion. Sorry, falls ich Dir damit zu nahe getreten bin.

Wg meinen Zweifeln: Naja, wenn ich es ganz genau nehme, zweifle ich im Grunde nicht wirklich daran liebenswert zu sein .. und ich mag mich auch so wie ich bin. Ich bin also in diesem Sinne nicht abhängig von den Äußerungen anderer ... was Du bzgl des Mißtrauens gesagt hast, da ist aber sicher etwas dran. ... ich habe leider schon einmal die Erfahrung machen müssen, daß ein Mensch, der mir (meiner Meinung nach) sehr nahe war und mit dem mich (meiner Meinung nach) auch eine gute Freundschaft verbunden hat, mir rückblickend betrachtet eigentlich nur etwas vorgespielt und mich ausgenutzt hat. ... Das war auch einer der Gründe, warum ich an den Punkt gelangt bin, wo ich angefangen habe, mich von sozialen Kontakten zurückzuziehen und mich sozusagen immer mehr in meine Ritterrüstung zu hüllen ... weil, daß mir sowas wie damals wieder passiert, will ich echt nicht mehr. :( Irgendwie habe ich damals auch ein bißchen das Vertrauen in mein eigenes Urteilsvermögen (bzgl der Einschätzung anderer Menschen) verloren.

Und jetzt finde ich es wirklich schwer dieses verlorene Vertrauen wiederzufinden ... was sicherlich ein Problem ist. ... was im Grunde auch einen der Punkte ausmacht, die mir momentan allgemein zu schaffen machen ... denn ich habe immer mehr das Gefühl, daß ich so auf diese Art einfach nicht weiterkomme bzw daß mir auch viel Gutes und schöne Erfahrungen entgehen, weil ich mich eben so eingekapselt habe bzw auch sehr schnell zurückziehe, wenn irgendetwas nicht ganz rund läuft. ... einfach auch aus Angst daß ich gerade wieder zu gutgläubig bin. Aber ganz wie Du in Deiner wunderschönen Geschichte von den Weihnachtskugeln geschrieben hast .. wenn die Kugeln nicht das richtige Licht haben, kommen sie gar nicht dazu so richtig schön zu glänzen. ... und ich merke momentan gerade, daß mein Leben eigentlich so ist als würde ich in einem grauen Karton sitzen ... das Licht fehlt. ... und daß ich das heute so wahrnehmen kann ist schon ein Schritt vorwärts, weil die letzen 5 Jahre habe ich außer dem Wunsch mich zu verschanzen nicht wirklich viel wahrgenommen. Erst jetzt, langsam, bin ich wieder soweit, daß ich überhaupt die Kraft aufbringe nachzuspüren, was mir fehlt und woran es eventuell liegen könnte ... So komme ich eben auch darauf, daß ich gewisse Wünsche (zb nach einer Beziehung ... oder danach einfach mal neue Leute kennenzulernen) in den letzten Jahren ziemlich kategorisch unterdrückt habe.

:gruebel: Gut möglich also, daß diese Ängste, die beim (näheren) kennenlernen von Frauen bei mir auftreten auch so eine unbewußte Reaktion sind, mich einfach vor möglichen schmerzhaften Erfahrungen fernzuhalten, indem ich die Ablehnung vorwegnehme und mich gleich selber von ihnen fernhalte. ... muß besser noch eine Weile darüber nachdenken.

Wg dem Schild: So eine Abrüstung in Zwischenschritten ... ich denke, ich könnte mich damit anfreunden ... zumal die Rüstung momentan ja immer schwerer und lästiger wird.

Ich hoffe, ich bin nicht zu sehr vom Thema abgewichen und das was ich geschrieben habe, ist halbwegs verständlich. ... Es gehen momentan gerade so viele Gedanken in meinem Kopf herum, da finde ich es nicht gerade leicht diese auch zusammenhängend wiederzugeben.

kenning
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Leah
Beitrag 15.Jul.2008 - 07:50
Beitrag #71


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QUOTE (Geneviève @ 14.Jul.2008 - 23:43)
@Leah, ich finde es auch bemerkenswert, dass das die eigentliche Angst ist – wieder da zu landen, wo man mal gewesen ist und nie wieder hin will.
Ist das bei dir eine realistische Angst, d.h. besteht die Gefahr tatsächlich? Oder ist diese Angst nicht vielmehr Zeichen dafür, dass einem ein Rückfall eben nicht mehr passieren wird, gerade weil die Angst davor so groß ist?! Die Angst sozusagen als Schutz davor, noch mal dort zu landen, wo man erfriert (oder ertrinkt oder erstickt oder was auch immer das im Einzelfall sein mag).
So wie ich Angst davor hätte, einen Ort voller hungriger Löwen zu betreten. Da hat die Angst durchaus Sinn und Schutzfunktion.
Ich weiß es nicht. Nur ein Gedanke. :gruebel:

Ob die Angst realistisch ist weiß ich gar nicht,ich denke eigentlich nicht,da ich mich ja auch weiterentwickelt habe und durchaus zu meinen Meinungen,und dem was ich wichtig finde,stehen kann....mich nicht mehr so leicht verunsichern lasse...weil diese Menschen,die damals lebenswichtig für mich waren - auch realistisch wichtig waren...wie zB meine Eltern....dies für mich nun gar nicht mehr sind...

Nun das ist so die allgemeine Angst....vor dem zurückfallen....da hin kommen,wo ich schon mal war....eine sehr große Angst....obwohl sich mein Leben tatsächlich so verändert hat,dass das in der Realität wohl gar nicht mehr sein kann - da zu landen....wo ich schon mal war...

Vielleicht ist diese Angst auch nur eine innerliche Reifeprüfung....und warnende Erinnerung an das was mir so gar nicht gut tat....um bei dem zu bleiben wo ich bin und dies zu festigen...
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Geneviève
Beitrag 15.Jul.2008 - 12:11
Beitrag #72


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Hallo kenning,

wegen der Nachbarin: ich habe mich von dir gar nicht angegriffen gefühlt, du bist mir auch nicht zu nahe getreten, keine Sorge.
Ich wusste nur nicht, ob ganz klar geworden ist, in was für einer Beziehung ich zu ihr stand, deshalb habe ich das nachträglich noch erläutert.


Das Vertrauen in sich selbst und in die eigene Urteilskraft zu verlieren, ist – meiner Meinung nach – so ziemlich das Schlimmste, was einem passieren kann. Das verunsichert einfach bis in den Grund, weil es dann nichts mehr gibt, auf das man vertraut und das lähmt und macht leblos, was quält, weil man ja doch noch lebt, aber nicht kann.
Zumindest meine Erfahrung (auf die ich auch lieber verzichtet hätte).

Aber wenn ich zurück blicke, dann stelle ich fest, dass ich es in jedem Fall gespürt habe, wenn mir jemand nicht gut tat und irgendetwas ganz grundlegend nicht gestimmt hat – das Problem war nur, dass ich diese Gefühle nicht ernst genommen habe, bis ich nicht einen Beweis hatte, gegen den ich nicht mehr gegenargumentieren konnte.
Ich bezweifle daher, dass es ein Mangel an eigener Urteilskraft ist, der zu schädigenden Beziehungen jeder Art führt. Aber ein Mangel an einem Ernstnehmen subtiler Anzeichen.
Ich erkläre mir das ungefähr folgendermaßen, dazu muss ich allerdings ausholen:
Ich bin ja in einem winzigen Dorf aufgewachsen. Ich kam da jahrelang nicht raus früher (so gut wie keine Busverbindungen, außer früh morgens zur Schule und direkt nach der Schule wieder zurück, Weg in die Stadt mit Fahrrad zu weit für ein Kind, niemand der mich fahren konnte). Das Dorf war die ganze Welt, was tragisch war, weil ich da nicht hinein gepasst habe, weil ich dort nicht gewollt war, weil ich dort nicht sein wollte.
Wenn man das jahrelang und jeden Tag erlebt, dann hat man aus meiner Sicht nur drei Möglichkeiten: man wird verrückt, man stirbt oder man sucht nach Wegen, die es erträglicher machen.
Ich bin wenigstens in meiner Fantasie geflüchtet, habe mir gedankliche/emotionale Fantasie-Welten erschaffen, die anders waren und in die ich gerettet habe, was ich retten musste. Das war ein Weg des Umgang. Der andere war Idealisierung meines Umfeldes.
Das klingt vielleicht seltsam, aber ich weiß nicht, ob ich nicht gebrochen wäre, wenn ich nicht idealisiert hätte damals. Dunkles, Schmerzhaftes ausblenden und hineindenken von Schönem.
Ich habe nur lange nicht verstanden, dass ich idealisiert habe, es wurde irgendwann normal, ich tat das beinahe immer, es war Strategie, die mir nicht bewusst war. Und eine, die eben davon lebt, die eigene ehrliche Urteilskraft auszublenden und nicht ernst genug zu nehmen.
Man kann sich ausrechnen, was für „Freundschaften“ ich jahrelang hatte, bis ich die Sache mit der Idealisierung einigermaßen kapiert hatte.

Ich weiß überhaupt nicht, ob das auch nur annähernd auf dich zutrifft. Aber was ich sagen will, ist, dass es, glaube ich, keinen Grund gibt, deiner Urteilskraft Versagen zu unterstellen. Vielleicht hast du nur gelernt, sie nicht ernst genug zu nehmen.
Ist nur ein Gedanke, mein eigener Erfahrungsschatz.
Ich weiß nur, dass es zerstörend ist, sich selbst zu misstrauen. Dann hat man natürlich nicht den Funken Lust und Energie auf Leben, weil jedes bisschen Leben potenziell tödlich sein kann.
Um am Leben zu bleiben, darf man nicht leben. Und das funktioniert nicht, weil es paradox ist.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass das am Thema vorbeigeht (und wenn doch, kann ich damit gut leben).
Wenn man es – sei es nun deshalb, weil man als Lesbe in einem homohoben Umfeld lebt und/oder aus anderen Gründen – gewohnt ist, sich in seiner Umgebung nicht wohl zu fühlen, dauernd mit Angriffen zu rechnen, gegen die man sich nicht oder zu wenig wehren kann, und dort über Jahre hinweg nicht wegkommt, dann muss man damit irgendwie umgehen.
Und wenn man in einem solchen Umfeld absolut jede Verletzung als solche wahrnehmen würde, wie sollte man da etwas behalten, das Lebenslust ist und Hoffnung und Freude und Zuversicht und all das?
Ich nehme an, es passiert dort sehr leicht und ist unter Umständen eine Zeit lang sogar nützlich, manchmal überlebenswichtig, dass man einfach dicht macht für die Realität und wenigstens für eine Weile annehmen kann, dass alles in Ordnung wäre, dass es wenigstens einen einzigen Menschen gäbe, mit dem es kein Grundsatzproblem gibt.
Und aus diesem Verhalten, wenn es sich automatisiert, wird eine Missachtung der eigenen Urteilskraft. Die dann in ungute Beziehungen jeder Art führt. Die wiederum ein Misstrauen in die eigene Urteilskraft nach sich ziehen, was dann zur Kapitulation führt.

Der Weg hinaus ist für mich zum einen die Einsicht, dass nicht die eigene Urteilskraft ungenügend ist, sondern dass der Fehler in der Missachtung ihrer leiseren Hinweise und ihrer flüsternden, wispernden Stimmen liegt.
Und zum anderen die Einsicht, dass ich lernfähig bin.

Ist nur eine Idee dazu, es mag zahlreiche andere geben. Aber das ist die, die mir vertraut ist und zu der ich daher etwas sagen kann.

Jetzt weiß ich nicht, ob ich nicht an dir vorbei geschrieben habe. Ich lasse es dennoch mal so stehen.


Viele Grüße,

Geneviève
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Leah
Beitrag 15.Jul.2008 - 12:42
Beitrag #73


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Hallo Geneviève

Deine Welt,oder wie Du Dich in Deiner damaligen Welt beschreibst ist mir auch sehr vertraut....so muß man wohl in einem solchen Umfeld,in dem man lebt,aus dem man nicht ausbrechen kann....alles böse....irgendwie abspalten,bzw verdrängen....und alles andere idealisieren...da es ansonsten für sich keinen anderen Weg gibt,denn zum Weglaufen ist man noch zu klein....zum Verstehen und Zuordnen auch - also sieht man zu Wege zu finden die das Leben irgendwie möglich machen....

Es ist eigentlich bewundernswert wozu man fähig ist,wenn man keine andere Möglichkeit hat....aber genauso wichtig ist es....später zu erkennen warum man wie gehandelt hat...ob das alles so gut und richtig war....und ob man sich von einigem trennt,was nicht gut war und so dann auch die Möglichkeit hat sein Verhalten von früher zu überdenken,was man davon noch braucht und was man in andere Strategien verändern kann....die im HIER und JETZT nützlicher sind...



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kenning
Beitrag 17.Jul.2008 - 00:53
Beitrag #74


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Hallo Geneviève!

Nein, vorbeigeschrieben, hast Du bei mir sicher nicht. Wenn es etwas länger dauert, wenn ich antworte, dann liegt es nur daran, daß ich erst noch etwas über das von Dir geschriebene nachdenken muß, bevor ich antworte. Im Grund beschreibst Du so einiges was sich für mich sehr stimmig anfühlt.

Ich bin zwar nicht in einem kleinen Dorf aufgewachsen, so wie es bei Dir war, sondern in einer Kleinstadt. Leider war es eine sehr konservative und katholische Kleinstadt. Lesbisch sein, war somit als Option einfach nicht vorhanden. Ich erinnere mich, daß ich mich schon als kleines Kind (ca ab der Volksschule) immer als Außenseiter gefühlt habe, obwohl ich es nicht benennen konnte was anders mit mir war bzw mich einfach auch nie richtig getraut habe. Je älter ich wurde, desto weniger habe ich dort hineingepaßt. Vor allem als die Mädels sich dann anfingen für die Jungs zu interessieren, und umgekehrt, fand ich das alles einfach nur doof (besonders nach dem Erlebnis, wo ich ausgelacht wurde, was ich im letzen Post schon beschrieben habe).
Hinzu kam, daß meine Eltern sich trennten, als ich 12 Jahre alt war. Es war eine eher unschöne Scheidung mit recht viel Streiten im Vorfeld und auch nachher noch. Mein Bruder und ich mußten sogar vor Gericht aussagen zu wem wir lieber wollten, Vater oder Mutter. ... das war irgendwie die Hölle damals ...

Auch was Du beschreibst mit der Flucht in Fantasie-Welten .. das kenne ich nur zu gut. Ich hab damals viel gelesen (und auch recht viel ferngesehen) und mir so wie Du es auch beschreibst auch eigene Welten oder Geschichten zusammengebastelt.

Daß mit dem Idealisieren klingt jetzt auch nicht so unwahrscheinlich. Immerhin hatte ich es ja ausgesprochen gründlich verdrängt, daß ich lesbisch war. Genauso stur habe ich dann wahrscheinlich auch die Anzeichen, daß so einiges anderes auch nicht gestimmt hat, verdrängt. :patsch: Jetzt hoffe ich auf jeden Fall, daß ich nachdem ich es ja auch schon geschafft habe einzusehen, daß ich lesbisch bin, auch sonst ein wenig weniger blind sein werde.

Wenn ich so drüber nachdenke, war ich, glaube ich, auch mit dem kategorisieren von Menschen in "der ist nett und tut mir nichts" und "der ist ein Ar*** und schadet mir" einerseits viel zu schnell und andererseits möglicherweise auch zu sehr von Wunschdenken beseelt war. Natürlich weiß ich, daß Schubladendenken nicht gut ist, aber bis zu einem gewissen Grad kann man es ja auch nicht ganz abstellen. ... und möglicherweise habe ich mich einfach auch durch meinen Wunsch mich mit Leuten zu umgeben, die "nett sind und mir nichts tun" verleiten lassen, manchen dieses Label zu geben, die es bei genauerer Betrachtung eigentlich gar nicht verdient haben. Und genauso habe ich wahrscheinlich auch Leuten mit dem anderen Label Unrecht getan. ... Es ist wohl wichtig, daß ich mir wieder öfters vor Augen halte, daß Menschen nicht so zweidimensional sind.

Ich weiß jetzt irgendwie gar nicht, ob das, was ich schreibe, noch zu Deiner Ausgangsfrage bzw zu Deiner Situation etwas beiträgt. Jedenfalls empfinde ich Deine Gedankenanstöße als sehr bereichernd und hilfreich. ... Ich habe aber schon den Eindruck, daß meine heutige Situation sehr nahe (viel näher noch als ich am Anfang dieses Threads geglaubt habe) mit meinen Erfahrungen aus meiner Jugendzeit, wo eben so einiges furchtbar und schmerzhaft war, zusammenhängen.

Lieben Dank also für Deine fortgesetzen Bemühungen. :blumen2:

Viele Grüße

kenning
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DerTagAmMeer
Beitrag 17.Jul.2008 - 08:24
Beitrag #75


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QUOTE (Geneviève @ 03.Jul.2008 - 12:54)
Man wacht ja nicht eines Tages auf und denkt sich, dass man sich dafür schämen müsste, lesbisch zu sein oder dass andere einen gar für eklig halten könnten. Solche Ängste und Befürchtungen sind ja nicht angeboren und einfach in einem drin. Warum sollten sie auch? Ich sehe keinen realistischen Grund dafür.

Auch wenn sich die Diskussion mittlerweile schon weiterentwickelt hat, würde ich hier gern noch mal einhaken.
Irgendwo hab ich schon mal geschrieben, dass wir die Homosexualität nicht erfunden haben - aber (möglicherweise) die ersten sind, die sie offen leben.
Meint: viele von uns sind nicht nur in einer homophoben Umgebung aufgewachsen, sondern eben auch in einer latent homosexuellen - aufgezogen von lesbisch tagträumenden Müttern oder schwul begehrenden Vätern, bisexuellen Tanten und transsexuellen Großvätern: Vorbildern, die eben NICHT offen sondern im Geheimen begehrten und sich ein Leben lang zwangen, den normativen Schein aufrecht zu erhalten.

Kinder blicken durch diesen Schein hindurch, nehmen die verschämt begehrlichen Blicke wahr, erkennen die Leere hinter der Fassade und fürchten die inneren Kämpfe der Erwachsenen, in denen die ihre Leidenschaften niedermetzeln oder im Verborgenen kultivieren. All das wird viel früher Realität zwischen den zwei kleinen Ohren als die eigene Sexualität ins Bewusstsein dringt.

Bevor ich mein eigenes lesbisches Kapitel in unserer staubigen Familiensaga begann, war schon so viel über Scham, Sünde, Ekel, Verderbnis, Gräuel, Liederlichkeit und die Schande des Fleisches geschrieben worden, dass mein vorlauter Schüttelreim "hier stehe ich und liebe dich" den Experten kaum ein müdes Lächeln entlocken konnte.

Seit dem haben sich recht viele Lebensgeschichten und Geheimnisse entblättert. Nicht alle waren Tragödien. Aus manchen hatte die abgelehnte Homosexualität wahre Heilige gemacht (das meine ich nicht zynisch sondern voll ehrlicher Bewunderung). Ihre Lebensgeschichten sind ein Erbe, das ich in mir trage. Sie sind aber auch Aufgabe und Motivation mit meinem Leben zu zeigen: Guckt her, Eure Ängste sind unbegründet! Linksrum geht auch anders - glücklich ohne Heimlichkeiten und Demütigungen. Sehr erfolgreich bin ich mit meiner Propaganda nicht, Alibiehen stehen noch immer hoch im Kurs. Aber wenn sie scheitern und mir der Familien-Buschfunk von der fussballspielenden* Tochter zuträgt, dass diese voll hinter der Trennung ihrer Eltern steht, frag ich mich, ob ihre verrückte Schwippschwapptante vom anderen Ufer vielleicht doch eine neue Familientradition angestoßen hat...

* nein, ich behaupte nicht, dass alle fußballspielenden Frauen lesbisch sind, noch nicht mal, dass alle mit Erfolg und Ehrgeiz fussballspielenden Frauen lesbisch sind. Nein. Nur ein ganz paar wenige Ausnahmen vielleicht :D

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 17.Jul.2008 - 09:01
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Geneviève
Beitrag 17.Jul.2008 - 12:39
Beitrag #76


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Hallo ihr alle,

ich schreibe in den nächsten Tagen noch etwas zum Thema, im Moment mag ich erst mal Folgendes sagen:

@DerTagAmMeer: Herzlichen Dank für deinen Einwurf! Für mich persönlich ist das ein weiteres Puzzleteil, ein wichtiges noch dazu.

Ich bin aufgewachsen mit Ehen innerhalb meiner Familie, die nicht funktioniert haben. D.h. „funktioniert“ haben sie, alle sind verheiratet geblieben. Aber wo da Liebe war, konnte ich nicht sehen, höchstens in sehr rar gesähten Momenten mal aufblitzen sehen, aber wie Sternschnuppen, die einfach verbrannt sind und danach gar nichts mehr waren.
Meine Großeltern mütterlicherseits haben sich beinahe nur gestritten, lautstark und deutlich verletzend; sie haben, so lange ich denken kann, nicht im gleichen Raum geschlafen, meine Oma im Schlafzimmer im Bett, mein Großvater auf der Couch im Wohnzimmer. Ich habe nie gesehen, wie sie sich geküsst, umarmt oder auch nur in die Augen gesehen haben. Selbst beim abendlichen Fernsehen saßen sie nie nebeneinander, sondern jeder auf seiner eigenen Couch.
Meine Großeltern väterlicherseits hatten kaum einen gemeinsamen Alltag, mein Großvater war so oft weg, wie er nur konnte, hatte nur Demütigungen parat für seine Frau (und jeden anderen) und meine Oma hat ihre Kinder und Enkelkinder als Tröster und Gesellschaft gebraucht, damit ihr Leben irgendeinen Inhalt hatte und sie nicht den ganzen Tag auf der Couch lag und die Decke angestarrt hat.

Alle haben sehr früh geheiratet, früh Kinder bekommen. Meine Eltern ebenso. Aber sie haben sich wenigstens nicht dauernd gegenseitig fertig gemacht. Dennoch erschienen sie mir immer wie Geschwister oder bestenfalls alte Freunde.
Meine Mutter hat keinen Hehl daraus gemacht, dass sie es hasste, Frau zu sein. Ich glaube nicht, dass sie transsexuell war (tue ihr mit diesem Eindruck allerdings möglicherweise Unrecht, das weiß ich nicht), sie hatte aber zu viel Schlimmes erlebt und das niemals angesehen und verarbeitet, so dass ihr Frausein als etwas erschien, das lästig und schmerzvoll war, machtlos und unterdrückt.
Was ich mich allerdings schon desöfteren gefragt habe, ist tatsächlich, ob sie lesbisch/bisexuell ist und auch deshalb nicht Frau sein wollte, weil Frau sein und Frauen begehren sich in ihrer Welt ausschloss. Ich habe nur bemerkt, wie anders sie viele Frauen betrachtet hat, wie sie bei einigen aufgedreht-nervös geworden ist, wie sie einigen gegenüber sehr viel zärtlicher war, wie sie tatsächlich etwas haben konnte, das lebendig schien, lachend und kichernd und mit lebendigen, funkelnden Augen, gestikulierend und gelöst.

Meine Familie besteht, was Liebe angeht, aus lauter traurigen Gestalten, die den falschen Menschen geheiratet haben, die teilweise eine regelrechte Verachtung für Liebe jeder Art aufwiesen (mein Vater hat jeden Kuss im Fernsehen abwertend und Augen verdrehend kommentiert, mein Großvater mütterlicherseits anzüglich, meine Großmutter väterlicherseits saß da mit unartikulierter Sehnsucht).
Einer meiner Onkel, der, obwohl lange erwachsen, noch mit in einem Haus mit meinen Eltern und Großeltern väterlicherseits gewohnt hat (er übernahm all die Jahre seine Rolle als Lebensinhalt und Bezugsperson für seine Mutter), hatte niemals in all den Jahren, in denen ich ihn kannte, eine Beziehung, hat sich einer Sekte angeschlossen und dafür gelebt, hatte Frauenkleider im Schrank, hat Kataloge mit der Geschlechtsbezeichnung „Frau“ vor seinem Namen bekommen, hat immer so getan, als wäre er noch Kind. Erwachsen werden ging nicht für ihn. Ihn halte ich tatsächlich für transsexuell. Dass er sich nur in Männer verlieben kann, war klar, allerdings konnte ich das lange nicht benennen.

Kurz gesagt: Da war so viel Sehnsucht und Scham und heimliches Begehren in meiner Familie, dass es erschlagend war, als gäbe es ein riesiges, dunkles, schwarzes Tuch, das über Allem lag und Lebendigkeit verhinderte, weil ausnahmslos keiner von ihnen es hat ertragen können, jemanden lebendig und unbelastet und ununterdrückt in seiner/ihrer Liebe und Sexualität zu sehen. Vielleicht weil ihnen dann eher bewusst gewesen wäre, was sie eigentlich an sich selbst unterdrücken und wie weh das getan haben muss.
Demzufolge bin ich damit aufgewachsen, dass Liebe und Sexualität etwas Gefährliches wäre, etwas Verachtenswertes, etwas Auszulachendes, etwas wie eine Atombombe, das man besser nicht anrührt.
Ehrlich, DerTagAmMeer, vielen Dank für deinen Hinweis in diese Richtung, dazu fällt mir ganz viel ein.


Viele Grüße,

Geneviève
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DerTagAmMeer
Beitrag 17.Jul.2008 - 17:26
Beitrag #77


Adiaphora
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QUOTE (Geneviève @ 17.Jul.2008 - 13:39)
Demzufolge bin ich damit aufgewachsen, dass Liebe und Sexualität etwas Gefährliches wäre, etwas Verachtenswertes, etwas Auszulachendes, etwas wie eine Atombombe, das man besser nicht anrührt.

Doch dem ist ja nicht so :)

Wenn Du mit offenen Augen durch die Regenbogenwelt gehst, wirst Du diese Sehnsüchte wiedererkennen - an Menschen, für die es Glück, Lebendigkeit und Stolz bedeutet so zu fühlen.

Im Köln gibt es beispielsweise seit vielen Jahren eine schwule Cheerleader-Combo, die Pink Poms, bei denen die pralle Lebensfreude gestandener Kerle mit rosa Puscheln mir alljährlich die Freudentränen übers Gesicht kullern lässt. Ähnlich geht's mir beim Anblick der legendären Dykes on Bykes: Wie beeindruckend und lässig hätte Tante xyz auf solch einem Ofen ausgesehen! Mit Lederjacke und Bluejeans statt C&A-Polyester-Kostüm, mit raumgreifenden Tattoos statt Perlmutt-Nagellack und vor allem: mit einer Geliebten im Beiwagen, die sie für das bewundert, was sie so besonders macht.

Mir tut es gut, die Geschichten meiner "homophoben Ex-Umwelt" heimlich und in Gedanken umzuschreiben, ihnen ein queeres Happy End zu verpassen und die vermeintlichen Atombomben mit bunten Schirmchen und Wunderkerzen zu spicken, bis die ihre heimliche Identität als Eisbombe und umjubelter Höhepunkt der Traumschiffparade preisgeben.

Vielleicht versteht die ein oder andere Lesbe im Alibert :wavey: so auch besser, warum es mich so fuchsteufelig macht, wenn heterosexuelle Normvorstellungen unter "uns" propagiert werden. Wenn aus der stolzen Dyke ein übergewichtiges Mannweib mit groben Gesichtszügen gemacht wird, der frau in Gedanken erst ein C&A-Polyester-Kostüm anzieht, um ihre "Attraktivität" zu beurteilen.
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kenning
Beitrag 17.Jul.2008 - 22:54
Beitrag #78


Naschkatze
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Hallo Geneviève!

Jetzt möchte ich auch mal wieder was schreiben, daß konstruktiv zum eigentlichen Thema beiträgt.

Ich kann sehr gut nachempfinden, daß Du, nach allem was Du bis jetzt aus Deiner Kindheit und Jugend beschrieben hast, Dich noch heute von Deiner damaligen Situation belastet fühlst. Sicher ist es für Dich nicht leicht Dich von den schlechten Vorbildern, die Du damals hattest, zu lösen.

Doch niemand wird ja dazu gezwungen, die Fehler seiner Vorfahren zu wiederholen. Das passiert vielleicht, wenn man unreflektiert einfach nur alles nachmacht, wie man es zu Hause vorgelebt bekommen hat. ... Aber das machst Du ja nicht. Sieh doch einmal wie weit Du schon gekommen bist. Du bist von zu Hause ausgezogen und aus dieser kleinen Dorfwelt ausgebrochen. Du hast Dich hier im Lesbenforum registriert, trotz vorherigem Zögern, und schreibst (meiner Meinung nach) sehr einfühlsame und gedankenvolle Beiträge (... und hast sogar schon das Aphorissima-Shirt damit gewonnen ;) ). Schon alleine von diesen Beiträgen habe ich eigentlich nicht den Eindruck, daß Du blank ohne nachzudenken alles nachmachst, wie es Dir früher vorgelebt wurde. Also bist Du ja eigentlich schon auf dem besten Weg in eine freudvollere Zukunft.

@DerTagAmMeer schreibt, daß man nur mit offenen Augen durch die Regenbogenwelt zu gehen braucht um auch positive Beispiele zu finden, Menschen, die mit ihrer Homosexualität voll Lebensfreude umgehen. ... Ich denke, daß man solche positiven Beispiele auch finden kann, wenn man sich allgemein zwischenmenschliche Beziehungen anschaut. Nicht alle Partnerschaften (egal ob Ehe oder anders verbunden) sind schlecht und enden in Steit und Unfrieden oder vegetieren am Rande des Unerträglichen vor sich hin. Da gibt es auch viele positive Beispiele an denen man sich orientieren kann ... solange man den Mut und die Offenheit hat danach Ausschau zu halten. Klar, hat unsere Kindheit und Jugend einen prägenden Einfluß auf uns ... doch wir sind dennoch auch eigenständige Persönlichkeiten. Auch wenn es vielleicht wenig ist, was uns gegeben wurde ... jetzt wo wir erwachsen sind, liegt es auch an uns etwas daraus zu machen bzw es eben besser zu machen als es uns vorgelebt wurde.

Du hast weiter vorne im Thread geschrieben:
QUOTE (Genviève)
Wenn ich einer Frau begegne, bei der ich das Gefühl habe, dass sie ebenfalls lesbisch ist und dazu noch das Gefühl habe, dass auch sie genau weiß, dass ich lesbisch bin, dann reagiere ich panisch. Ich werde knallrot, fange an zu schwitzen, kann mich nicht entscheiden zwischen Wegsehen und Blick erwidern, weshalb eine seltsame Mischung aus beidem dabei herauskommt, ich nehme mich selbst irgendwie zerstückelt wahr (meine Arme als so längliche Dinger, die unwohl an mir herunter hängen und von denen ich nicht weiß, was ich damit machen soll, ich bin körperlich verschoben und nicht zusammen passend).
Diese Eindrücke verschwinden restlos, sobald ich nicht mehr in der Situation bin. Aber tauchen genau so wieder auf, wenn sich eine neue dieser Situationen einstellt.

Jetzt frage ich mich: Wie oft warst Du denn schon in so einer Situation? Kannst Du vielleicht etwas genauer benennen was Dir so große Angst macht? Nur weil eine Frau lesbisch ist, macht sie das ja nicht zu einem Geneviève-verschlingenden Ungeheuer? Was wäre denn das schlimmste was in so einer Situation passieren könnte?

Könnte es sein, daß Du nur einige vage Vorstellungen und gar keine echten Erfahrungen hast, wie lesbische Frauen sein könnten? In dem Fall verwundert es mich nicht, daß natürlich Deine Erfahrungen von früher schwerer wiegen (und Dich natürlich noch mehr belasten) als Deine möglichen Erfahrungen, die Du ja (noch?) nicht gemacht hast. Diese sind ja auch noch etwas nebulös und damit auch emotional viel schwerer greifbar.

Und gerade das Kennenlernen von neuen Menschen, könnte Dir ja auch in Bezug auf mögliche Beziehungsmodelle bzw neue Vorbilder für Dich weiterhelfen ... wenn Du zb Frauen kennenlernst, die miteinander glücklich sind und das auch ausstrahlen.

So einiges von dem was ich geschrieben habe, ist natürlich reine Interpretation und Spekulation und muß auf Dich natürlich gar nicht zutreffen ... also falls das der Fall ist, sag mir bitte, wenn ich am Ziel vorbeigeschossen habe.

lg

kenning
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Geneviève
Beitrag 18.Jul.2008 - 01:33
Beitrag #79


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Hallo ihr alle,

@DerTagAmMeer und @kenning, :blumen2: für eure Beiträge. Ich habe sie gelesen und auch versucht, Antworten auf deine Fragen zu finden, kenning (du hast übrigens nicht daneben geschossen).
Die Sache ist: ich habe für meine heutige Situation rein gar keine, nicht mal ansatzweise, eine triftige Begründung für Ängste und für Zögern und all das.
Ich hatte die früher und das ist das, was ich noch fühle.
Diese Diskrepanz überfordert mich manchmal - das, was ich lernte, war absoluter Müll. Das, was mir beigebracht worden ist, war in keiner Weise lebensfähig. Das, worum ich mich jahrelang bemühen musste (Unauffälligkeit, Angepasstheit, Stummheit, Selbstbeschneidung und vieles mehr), bis ich glaubte, keine Luft mehr zu bekommen, ist alles andere als eine notwendige „Lektion fürs Leben“ gewesen, es sei denn, man verwechselt Leben mit Tod. Oder mit Qual.

Ich achte meine Familie ohnehin nicht (mehr), aus sehr vielen Gründen nicht. Aber einzusehen, dass sie mir rein gar nichts beigebracht haben, beibringen konnten, ... ich weiß nicht, wie ich das beschreiben kann. Ungefähr so, als würde ich von Wesen abstammen, die mit mir rein gar nichts mehr gemeinsam haben. Vielleicht wie ein Kuckuck, der in einem Nest voller anderer Vögel einer ganz anderen Art aufwächst, sie nicht versteht, sie ihn nicht verstehen, dann wegfliegt und sieht, dass er Jahre damit verbracht hat, zu lernen, was ihm nichts nützt, was ihm im Gegenteil einfach nur schadet.
Wenn es eins gab, das alle Familienmitglieder gemeinsam hatten, dann war es unerfüllte Liebe, unterdrückte Liebe, Lieblosigkeit in verschiedenen Formen und Abstufungen. Unter anderem darauf hat mich DerTagAmMeer gestoßen.
Homophobie war die eine Sache, mit der bin ich allmählich durch, glaube ich.
Lieblosigkeit und ein allgemeines „Verbot“ (doch, ich denke, ich kann dazu Verbot sagen), glückliche Liebesbeziehungen zu haben, war die andere Sache. War mir bislang nicht bewusst. Oder irgendwie doch bewusst, aber nicht so klar wie jetzt gerade.

Und ehrlich gesagt habe ich momentan zum allerersten Mal überhaupt das Gefühl, dass das alles lange her ist – in Jahren gemessen ist es nicht wirklich lange, aber es fühlt sich an wie aus einer anderen Welt.
Grau und neblig und klein irgendwo am anderen Ende eines Ozeans, starr und kalt, wie ein kontinentweiter Friedhof.
Ich glaube, ich breche einfach nur das letzte Gebot aus den gesammelten Mitgliedschaftsregeln meiner Familie. Ich habe so viele Gebote davon in den letzten Jahren so gründlich gebrochen, dass das eigentlich nichts Ungewöhnliches mehr ist.
Nur lautet das allerletzte, das ich noch nicht gebrochen habe: Du sollst nicht lieben. Schon gar nicht glücklich und stolz und frei und zurück geliebt und aufrichtig.
Und wenn ich das breche, dann bin ich, glaube ich, wirklich draußen. So ganz und gar, das Gebots-Buch wird zerrieseln in Asche und dahin wehen, woher es gekommen ist. Von mir weg, auf den Friedhofskontinent auf der anderen Seite des Ozeans.

Ich glaube, diese Aussicht lässt mich noch zögern. Weil das ein so gewaltiger Schritt ist. Ein Schritt, den ich will und den ich gehen werde, keine Frage. Und einer, auf den es sowieso immer hinaus gelaufen ist, schon als Kind.
Das, was ich noch machen muss für mich, ist, glaube ich, noch ein allerletztes Mal Abschied nehmen. Ich fühle mich ungefähr so, als würde ich Blumen in den Ozean streuen.
Und obwohl ich immer wollte, dass das alles, die Familiengebote und meine Zwangs-Mitgliedschaft dort, eines Tages restlos vorbei sein würden und obwohl ich die ganzen letzten Jahre darauf hingearbeitet habe, überrascht es mich, dass es tatsächlich ein Ende haben kann. Und dass ich es sehe, fühle.
Überwältigt mich gerade ziemlich, weil ich nicht damit gerechnet habe. Aber es erleichtert.

Wirklich und ehrlich vielen Dank für eure Gedankenanregungen und Beiträge!


Viele Grüße,

Geneviève
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kenning
Beitrag 18.Jul.2008 - 12:02
Beitrag #80


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Hallo!

Es ist sicherlich hart so ein Resümee über die eigene Familie ziehen zu müssen.

Bei mir war es so, daß gerade in der Zeit als meine Eltern sich trennten, einige Dinge vorgefallen sind, die heute noch schmerzhaft sind, wenn ich dran denke. zb hat meine Mutter sich im Keller ein kleines Zimmer eingerichtet, in das sie sich sehr oft zurückzog. Ich erinnere mich, daß ich Stunden vor der Türe verbracht habe, gebeten und gebettelt habe, aber trotzdem nicht hineingelassen wurde. Erst als unsere Katze kam, hat sie die Türe geöffnet, aber auch nur um die Katze hineinzulassen. ... Ich fühlte mich so alleine, zurückgestoßen und im Stich gelassen mit der ganzen Situation ... Irgendwann als ich älter war, habe ich dann erkannt, daß sie es nicht absichtlich gemacht hat, um mich zu verletzen, sondern weil sie sich selbst nicht mehr zu helfen wußte.

Ich denke, daß es in Deiner Familie vielleicht ähnlich sein könnte. Irgendwie sind ja alle dort in diesem Netz an Regeln und Verboten gefangen und schaffen es nicht sich daraus zu befreien. Wahrscheinlich haben sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten versucht das beste für Dich zu geben, aber solange sie sich selbst nicht befreit haben, ist das Ergebnis natürlich weit davon entfernt wirklich hilfreich oder wohltuend für Dich zu sein.

QUOTE (Geneviève @ 18.Jul.2008 - 02:33)

Das, was ich noch machen muss für mich, ist, glaube ich, noch ein allerletztes Mal Abschied nehmen. Ich fühle mich ungefähr so, als würde ich Blumen in den Ozean streuen.


Hast Du schon überlegt diese Metapher in die Tat umzusetzen? Habe mir gerade gedacht, daß es Dir vielleicht helfen könnte eine Art Abschiedsritus zu vollziehen ... also wirklich Blumen in den Ozean zu streuen (oder falls keiner in der Nähe ist, halt in einen Fluß, der sie dann dorthin bringt.) ... Wenn Du keine Blumen kaufen willst, könntest Du ja auch welche malen ... oder einfach Zettelchen machen, wo diese ganzen Verbote aus Deiner Familie draufstehen und die dann wegwerfen ...

War nur so eine Idee, weil solche symbolischen Akte mir manchmal gut weiterhelfen. (Ich hab zb in den letzten Tagen meine ganze Wohnung aufgeräumt und ganz viele Sachen, die Erinnerungen an schlechte Erlebnisse beinhalten und die ich eigentlich gar nicht mehr brauche weggeworfen. War für mich auch so eine Art Befreiung.)

lg

kenning
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Geneviève
Beitrag 19.Jul.2008 - 23:27
Beitrag #81


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Hallo kenning,

ich glaube inzwischen, es geht weniger um den Abschied; ich muss mich da also selbst berichtigen.
Der ist gar nicht problematisch. Wie die allerletzten Millimeter eines sehr resistenten Pflasters abzuziehen. Ich habe das meiste davon schon runter, weiß, wie das für mich geht und dass es kurz ziepen wird, dann noch ein paar Sekunden nachhallen und dann vorbei sein.
Der Knackpunkt bei dem inneren Bild, Blumen ins Meer zu streuen, liegt gar nicht, wie ich erst dachte, bei diesem Streuen. Sondern dabei, mit dem Streuen fertig zu sein, nichts mehr in den Händen zu haben, mich umzudrehen – und was dann ...

Im Grunde geht es sehr viel eher um einen Anfang, scheint mir. Von dem habe ich nämlich kein Bild.
Ich habe allerdings Lust darauf, nachdem das alte Buch der Familiengebote zerfallen ist, mir mein eigenes zu schreiben. Mit dem, was ich für richtig und wichtig halte und mit zusätzlichem Platz für Streichungen, Hinzufügungen, Änderungen, Zusätzen usw., die ich irgendwann in der Zukunft vielleicht haben werde.
Eine Art Kompass, denn wenn ich schon auf einem neuen Kontinent angekommen bin, brauche ich irgendeinen Orientierungspunkt, sonst verlaufe ich mich. Und dieser Orientierungspunkt will ich dieses Mal selbst sein, keine lebensfeindlichen Regeln Anderer.
Etwas als Orientierungspunkt zu benutzen, das nicht ich selbst bin, wird mich sowieso nie zu Orten führen, an denen es mir gefällt.
Deshalb ist der Verlust des alten Familienbuches erleichternd. Jedes Mal, wenn ich versucht habe, dem wichtige Informationen und Richtungsweisungen zu entnehmen, habe ich mich schlecht gefühlt, weil es immer nur eins sagte: du bist falsch.
Das hat mich verwirrt, das hatte ein Gefühl von Unzulänglichkeit und Verlorenheit. Und eben auch von Scham und all den anderen unschönen Dingen.

Und ich glaube, wenn ich mich selbst als Orientierungspunkt sehe, werde ich auch keine Angst mehr davor haben müssen, zurück zu schippern auf den Friedhofskontinent. In meiner Weltkarte wird dort nämlich nicht „zu Hause“ stehen, sondern „Wüste“.

Was ich eigentlich sagen will:
Mir geht zu viel durch den Kopf, als dass ich es anders schreiben könnte als in Bildern.
Und ich bin fertig mit Streuen und habe Lust auf Schreiben. Und wenn ich damit fertig bin, werde ich los gehen, den Kontinent erkunden.
Also kurz gesagt: Es geht mir besser. Heller, bewegungsfreier, unverstellter, atmender. Mit deutlich weniger nieder drückender Vergangenheitslast auf den Schultern, stattdessen mit Gegenwart und Platz für Zukunft.


Viele Grüße,

Geneviève
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kenning
Beitrag 20.Jul.2008 - 01:35
Beitrag #82


Naschkatze
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Hallo Geneviève!

Ich habe gerade Deine Posts in diesem Thread nocheinmal revue passieren lassen und meine, daß sich in diesen letzten 5 Seiten ganz ordentlich was getan hat. Deine letzen Posts lesen sich ganz anders als am Beginn des Threads. Nachdem Du so einige gewaltige Schritte vorwärts gemacht hast, kann ich die Emotion innezuhalten und zu schauen, daß die Gedanken wieder etwas geordneter werden, sehr gut verstehen.

Davor, daß Du in Deiner neuen Welt die Orientierung verlierst, brauchst Du, denke ich, aber keine Angst zu haben. Wie Du selber an früherer Stelle in diesem Thread geschrieben hast, gibt es ja diese innere Stimme, die einen im Falle des Falles darauf hinweist, ob etwas gut für einen ist, oder nicht. Solange man nur gut genug zuhört, ist also der Wegweiser immer zur Stelle. (Vielen Dank Dir auch für die Erinnerung daran.)

Ich wünsche Dir Alles Gute beim Krafttanken und beim Erkunden Deiner neuen Welt.

lg

kenning
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