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> Philosophie trifft Neurowissenschaft..., ... oder die Freiheit der lesbischen Identität
Lucia Brown
Beitrag 10.Sep.2009 - 11:45
Beitrag #1


- keep it up you go girl -
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Die menschliche Freiheit, sagen Hirnforscher, ist eine weit verbreitete Illusion, es gibt sie nicht. Unser Handeln wird vielmehr von der Aktivität unserer Neuronen gesteuert, und die "Freiheit", die wir dabei empfinden, ist eine Einbildung, die uns das Hirn vorspielt.

Glauben wir den Hirnforschern, dann müssen wir wegen unserer Passivität keine Schuldgefühle haben. Wir sind ohnehin neurobiologisch determiniert - und können nichts dafür, wenn wir die Hände in den Schoß legen.

Wenn wir über Seelisches und Geistiges nachdenken, die unsere lesbische Identität betreffen, wo und wie suchst du Antworten?

Wie wichtig ist dir ein geisteswissenschaftliche Orientierungswissen und wie wichtig, die Fähigkeit, es selbst zu erwerben?

Ist dir das egal was Forscher sagen und wichtig ist es dir, für deine Freiheit zu kämpfen?

Viele Fragen und ich wünsche mir viele bunte Antworten.


Lg

Lucia Brown

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 10.Sep.2009 - 11:46
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Antworten (1 - 31)
McLeod
Beitrag 10.Sep.2009 - 11:56
Beitrag #2


mensch.
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Ach jeee... ich finde Neurowissenschaften wichtig. Allerdings fehlt mir persönlich der Glaube daran, diese Wissenschaft sei schon so weit ins Funktionieren des Hirns eingestiegen, dass solche Behauptungen ernst zu nehmen wären. Vor allem, da es mal wieder um die Schnittstelle von Biologie und Philosophie geht, denn die Definition von Freiheit auf "biologisch" würde mich mal interessieren.

Vor ein paar Jahren ist mir ein fundierter Artikel dazu in die Hände gefallen, der die Inspiration und Kreativität, just den Moment vor dem Gedanken thematisierte. Also ehe die Neuronen feuern. Die Frage nachdem, was dieses Neuronenfeuer ursprünglich auslöst. Der Ursprung war zu dem Zeitpunkt noch unklar. Vielleicht wähnen sie sich ja derzeit schon weiter...?

Vereinfacht stelle ich mir Identität als steten Prozess von gesammelter und in den Neuronenverknüpfungen manifestierter Erfahrung vor, die sich im Dialog mit den aktuell vorhandenen Reizen befindet. Rezipieren, einsortieren, alte Verknüpfung festigen oder neue schaffen...

Und gerade der Punkt "einsortieren" ist keiner, den ich pur determiniert beschreiben würde.

Wobei ich natürlich in meiner menschlichen Naivität voll daneben liegen könnte. Immerhin ist mir Gedanke so sympathisch, dass ich deswegen vielleicht nicht allzusehr kritisch nachforsche / -lese... (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif)

McLeod
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shark
Beitrag 10.Sep.2009 - 12:20
Beitrag #3


Strösenschusselhai
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Ich finde die Neuropsychologie ein spannendes wissenschaftliches Feld.
Und was bisher herausgefunden wurde, durchaus bemerkenswert.

Jedoch scheint es so zu sein, dass das Gehirn in seiner Komplexität von uns Menschen - so wissenschaftlich wir auch daran gehen mögen - noch mehr mögliche Ueberraschungen zu bieten hat als bisher Erkenntnisse gewonnen werden knnten.

Insofern - aber auch wegen einer grundsätzlichen "Wurschtigkeit" bezüglich meiner Homosexualität - beschäftigt mich die Frage von "echter Freiheit der Entscheidung" diesbezüglich nicht so wahnsinnig stark.
Die Antwort nach der Herkunft meines Lesbisch-Seins interessiert mich nicht wirklich.

Ich denke, die neuronale Aktivität in unseren Gehirnen, noch vor der aktiven Entscheidung für oder gegen etwas, entsteht durch Erfahrungen, also hirnphysiologische Lernprozesse, die unser Hirn gemacht hat, derer wir uns als denkende Menschen wenig oder sogar gar nicht bewusst sind.
Oft jedenfalls erst nach der Entscheidung in der Reflektion.

Insofern bin es immer noch Ich als shark, die entscheidet - wenn auch oft weniger bewusst und eher intuitiv (also: unbewusst wissend) als es mir vorkommen mag.

Hmm... ob ich jetzt Deine Frage beantwortet habe... ich weiss es nicht wirklich.
Aber ich bin gespannt auf weitere Aeusserungen zu diesem Thema.


Gruss


shark



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sonnenstrahl
Beitrag 10.Sep.2009 - 12:38
Beitrag #4


verboden vrucht
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Da hatten wir doch schonmal was zu einem ganz ähnlichen Thema ...
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june
Beitrag 10.Sep.2009 - 16:31
Beitrag #5


Treue Seele
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Oh, mein Paradethema!

Also, die Hirnforscher lassen sich prima mit Peter Bieri entkräften (einigen von euch bestimmt besser bekannt als Pascal Mercier, seinem Pseudonym als erfolgreicher Schriftsteller).
Der Philosoph Bieri postuliert, dass der Begriff "Willensfreiheit" ein Begriff der Geisteswissenschaften ist und insofern nicht von den Hirnforschern verwendet werden darf - tun Hirnforscher dies dennoch, müssen sie sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, einen Kategorienfehler (ergo einen logisch unzulässigen Schluss) begangen zu haben.

Was heißt das für mich konkret?

Ich habe die Brisanz der Determinismus-Debatte stets abzuschwächen versucht, indem ich auf meine Gefühle verwiesen habe: So lange ich mich frei "fühle", so lange sehe ich mich im Alltag gezwungen, Entscheidungen "selbst" zu treffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses "selbst" letztendlich determiniert ist (*irgendwie* determiniert sind wir ja immer - sozial etc. pp. ...) oder inwiefern hier Willensfreiheit ihr kreatives Entscheidungsspiel treiben darf.

De facto würden bahnbrechende Ergebnisse der Hirnforscher wohl hauptsächlich fürs Strafrecht relevant - nunja, statt in den Knast kämen Täter wohl fortan eher in die forensische Psychiatrie.

Mein Selbstverständnis als Lesbe bleibt davon absolut unberührt - so wie es von allen anderen Theorien ebenfalls unberührt bleibt. (Hab ich doch neulich gelesen, dass frau "lesbisch wird", wenn die Mutter sich im ersten Drittel der Schwangerschaft doll erschreckt hat...tsts...)

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Lucia Brown
Beitrag 11.Sep.2009 - 10:28
Beitrag #6


- keep it up you go girl -
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ZITAT(McLeod @ 10.Sep.2009 - 12:56) *
Vereinfacht stelle ich mir Identität als steten Prozess von gesammelter und in den Neuronenverknüpfungen manifestierter Erfahrung vor, die sich im Dialog mit den aktuell vorhandenen Reizen befindet. Rezipieren, einsortieren, alte Verknüpfung festigen oder neue schaffen...

Und gerade der Punkt "einsortieren" ist keiner, den ich pur determiniert beschreiben würde.

McLeod


So sehe ich es derzeit auch. Verstehe ich dich richtig? Zwischen Leib- und Geistzuständen besteht Identität?

Mehr oder weniger sind wir determiniert. Jedoch sollte dieser nicht zu einem politischen Fatalismus führen und da bin ich als Lesben schon von berührt. Vor 30 Jahren ging ich noch auf die Straße und sang an der Walburgisnacht mit 500 anderen Frauen: "Wir sind die homosexuellen Fraun". Heute schreibe ich in einem Lesbenforum und frage mich, was habe ich erreicht und wer bin ich heute und warum bin ich nicht mehr Kampflesbe und warum gibt es immer noch Schranklesben?


lg

Lucia Brown







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PennyLane
Beitrag 11.Sep.2009 - 10:37
Beitrag #7


Idealistin
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Was für ein spannendes Thema! (IMG:style_emoticons/default/smile.gif) Ich versuche mich mal an einer Antwort...

Ich denke nicht, dass "Willensfreiheit" eine totale Illusion ist. Natürlich sind wir von allen Seiten Einschränkungen und Regelungen unterworfen und unsere neuronale "Hardware" trägt sicher auch ihren Teil dazu bei, komplette Freiheit unmöglich zu machen. Aber in einem gewissen Rahmen, denke ich, sind wir durchaus frei, Entscheidungen zu treffen und uns über Vorgaben (seien sie biologischer oder sozialer Art) hinwegzusetzen. (Sage ich etwas hochmütig aus meiner glückseligen Position heraus, Entscheidungen treffen zu können. Aber vielleicht ist das auch nur meine persönliche Illusion, dass es diese Freiheit gibt.)

Andererseits bin ich durchaus überzeugt von den Erkenntnissen der Hirnforschung und der Meinung, dass sich Verhalten, Wahrnehmung, Emotionen neuronal / neurochemisch verankern lassen.
Ich würde mich allerdings weder auf die eine (geisteswissenschaftliche) noch auf die andere (naturwissenschaftliche) Seite festlegen. Auch wenn ich jetzt riskiere, mich dem Vorwurf der Un-Logik auszusetzen und Kategorienfehler zu machen (was ich jetzt einfach mal in Kauf nehme), habe ich das Gefühl, dass es an der Zeit wäre, die mehr oder minder gut begründeten Grabenkämpfe zwischen Geistes- und Naturwissenschaften zu beenden. Ist es nicht letztendlich das Herangehen an dieselbe Sache von verschiedenen Ausgangspunkten aus? Betrachtet die Neurowissenschaft nicht auf empirischer Ebene das, was die Geisteswissenschaft phänomenologisch fasst? Sind das nicht letztendlich zwei Seiten derselben Medaille?

Nun ja, neurobiologisch determiniert...ich weiß ja nicht. Das Gehirn ist ziemlich veränderungsfähig (und kann z.B. durch Erfahrungen, Übungen, Aktivitäten durchaus beeinflusst werden) und ich denke, die Chance, durch eigene Aktivitäten über die biologischen Grundlagen hinauszuwachsen bzw. Einfluss darauf zu nehmen, ist durchaus vorhanden. Von daher finde ich den Einwand, dass wir aufgrund unserer neuronalen Ausstattung nichts für unsere Passivität können, nicht so besonders angemessen.

Was mein Lesbischsein in diesem Spannungsfeld zu suchen hat... ich weiß es nicht genau. Ich weiß lediglich, dass ich schon als sehr junges Kind Frauen weitaus interessanter und anziehender fand als Männer; obwohl ich bis ich erwachsen war ausschließlich mit heterosexuellen Beziehungen konfrontiert war. Das würde mich eher in Richtung neurobiologische Grundlage denken lassen - aber die Freiheit, ob ich dem nachgehe, liegt bei mir.
Vielleicht ist das der Punkt: unsere Biologie macht uns ein Angebot - ob wir dem nachkommen, das können wir (im Idealfall?) selbst entscheiden. Und vielleicht beeinflusst unsere Entscheidung wieder das Biologische? Ich sehe da eher eine Wechselbeziehung statt einen Gegensatz.

Soviel erstmal zu meinen Gedanken. Allerdings weiß ich jetzt nicht, ob ich Deine Fragen auch nur annähernd beantwortet habe, Lucia Brown... (IMG:style_emoticons/default/unsure.gif)
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Sägefisch
Beitrag 12.Sep.2009 - 09:53
Beitrag #8


Schlaudegen.
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Meine Biologie ist auch ich.

Ich kann sie vielleicht nicht umfassend steuern, aber ehrlich gesagt kenne ich nicht wenige Leute die z.B. ihre Gefühle und Entscheidungen offensichtlich auch nicht so recht im Griff haben und diesen ähnlich ausgeliefert zu sein scheinen wie ihrem Stoffwechsel.

Diese Bipolarität, den Gegensatz zwischen dem erklär- und messbaren, und dem nicht zu quantifizierenden muss man in Identitätsfragen also nicht unbedingt mitmachen.

Ist es denn hilfreich wenn man ernsthaft in Erwägung zieht, letztendlich gar kein Selbst zu sein sondern ein neuronaler Mikadohaufen der nichts dafür kann? Ich möchte nicht wo leben wo sich die Erkenntnis durchgesetzt hat dass grundsätzlich nichts zu machen ist, dann bleibt nämlich nicht nur der Abwasch stehen.

Wie ich also sehe, bin ich immerhin frei genug um solche Dekonstruktivismen gepflegt auf Mondscheinbegegnungen zu verweisen. (IMG:style_emoticons/default/girl.gif)
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sonnenstrahl
Beitrag 12.Sep.2009 - 10:17
Beitrag #9


verboden vrucht
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ZITAT(Sägefisch @ 12.Sep.2009 - 10:53) *
Ist es denn hilfreich wenn man ernsthaft in Erwägung zieht, letztendlich gar kein Selbst zu sein sondern ein neuronaler Mikadohaufen der nichts dafür kann? Ich möchte nicht wo leben wo sich die Erkenntnis durchgesetzt hat dass grundsätzlich nichts zu machen ist, dann bleibt nämlich nicht nur der Abwasch stehen.


Dem mag ich momentan nichts weiter hinzufügen ... (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)

(Da jonglier ich doch lieber weiter mit meinen Stoffbällen statt mich in deprimierender Kopfakrobatik zu verhaspeln ... ) (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)
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Lucia Brown
Beitrag 12.Sep.2009 - 21:48
Beitrag #10


- keep it up you go girl -
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ZITAT(sonnenstrahl @ 12.Sep.2009 - 11:17) *
(Da jonglier ich doch lieber weiter mit meinen Stoffbällen statt mich in deprimierender Kopfakrobatik zu verhaspeln ... ) (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)


Die Beiträge finde ich sehr spannend und sie habe mich zum Nachdenken angeregt. Sogar deine Stoffbällchen Jonglage. Warum, wirst du dich frage? Mich bewegt gerade sehr viel und ich habe mit diesem Eingangstext versucht diese Gedankenwelt in Worte zu fassen. Wie ich jedoch finde ist es mir noch nicht gelungen, weil mir ein wenig Grundlagenwissen fehlte und ich einfach immer noch lerne. Das finde ich so klasse.

Ich setzte mich also in "Bewegung" und sprach mit Freundinnen über meine Gedankenwelt, die ich nun versuche hier aufs "Papier" zu bringen.

Mir geht es nicht um diese belanglosen Zeitungsüberschriften: "Mutter hatte Schluckauf bei der Geburt und deshalb ist die Frau lesbisch geworden". Und einer Wissenschaft die mir Denken vorschreibt, gehe ich aus dem Weg. Die Konkurrenz der Wissenschaften sollte in konstruktives Miteinander transformiert werden.

Ferner darum, warum wird z.B. das Coming-Out so unterschiedlich bewältigt. Die einen Frauen damit ein riesiges Problem haben und andere Frauen sich darüber freuen endlich das zu leben, was in ihnen schlummerte.

Warum bleiben Frauen lieber im "Schrank" und warum kämpfen anderen Frauen für ihre Identität und riskieren sogar ihr Leben?

Ich fand eine mögliche Antwort in der Resilienzforschung. Habe erfahren, dass Resilienz z. B. die Fähigkeit ist Schwierigkeiten zu meistern, Rückschläge auszuhalten, die Wunden der eigenen Seele zu heilen und ist der Wille zu überleben.

Und nun will ich das mal hier im Raum stehen lassen und euch fragen, was euere Fähigkeiten sind, Schwierigkeiten zu meistern, Rückschläge auszuhalten usw.

Ein abschließender Satz, weil ich ja noch auf die Stoffbällchen eingehen möchte. Wir lernen durch Bewegung und dadurch entwickeln wir im Gehirn, mehr Vernetzungen und höhere Konzentrationen an Neurotransmittern zur Stimulierung beziehungsweise Hemmung der zerebralen Aktivität.

So, jetzt aber erst mal gut für heute.

Lg

Lucia Brown

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 13.Sep.2009 - 10:55
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sonnenstrahl
Beitrag 12.Sep.2009 - 22:54
Beitrag #11


verboden vrucht
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ZITAT(Lucia Brown @ 12.Sep.2009 - 22:48) *
Ein abschließender Satz, weil ich ja noch auf die Stoffbällchen eingehen möchte. Wir lernen durch Bewegung und dadurch entwickeln wir im Gehirn, mehr Vernetzungen und höhere Konzentrationen an Neurotransmittern zur Stimulierung beziehungsweise Hemmung der zerebralen Aktivität.


(IMG:style_emoticons/default/bounce.gif) Ja. (IMG:style_emoticons/default/bounce.gif) ... Es lebe unser Nervensystem (das zentrale ebenso wie das autonome!)! Als wunderbarer Mittler zwischen unserem Selbst, unserem Ich und unserer werten Körperlichkeit. Ich postuliere mal: Je mehr wir es trainieren (IMG:http://www.en.kolobok.us/smiles/artists/phil/phil_31.gif) und sensibilisieren, desto mehr wird unsere durchpulste Erdlingshülle sich zielstrebig und mit Freuden dorthin bewegen, wo unser Selbst in aller Freiheit schon seit jeher ist. Und unser konditioniertes (nicht determiniertes) Ego mit seinem Rucksack voller "guter" und "schlechter" Erfahrungen poliert sich einstweilen gelassen die Fingernägel ... Wat´n schönes Konstrukt nach Prinzessin sonnenstrahls Geschmack ... (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif)

Guet´s Nächtle allerseits ....


(IMG:http://www.en.kolobok.us/smiles/artists/laie/Laie_25.gif)
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LadyGodiva
Beitrag 14.Sep.2009 - 18:14
Beitrag #12


Strøse
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Ich halte die Vorstellung, Produkt meiner Selbst zu sein für einen wohltuend-natürlichen Systemfehler im (wohlgemerkt selbstkonstruierten) Bild vom idealen Menschen - und den Wunsch nach Perfektion für eine ebenso biologische Notwendigkeit, um eben nicht die Hände in den Schoß zu legen (oder dort liegen zu lassen). Letztere mag beim ein oder anderen unterschiedlich ausgeprägt sein und determiniert wohl am ehesten den individuellen Leidensdruck im Sozialen.
Abgleich schafft Selektionsdruck. Ob wir konkurrenzlos glücklich und frei wären? Vermutlich nicht, der Vergleich mit dem jeweils anderen bestimmt auch ganz viel positiv attribuierte Empfindungen - vielleicht sind wir beispielsweise auch nur deshalb liebesfähig und empfänglich, weil wir um unser Fehlen wissen.
Insofern scheint es mir fast schon irrelevant, ob es ein menschliches Freisein gibt, so lange ein menschliches Freifühlen möglich ist.

Der Beitrag wurde von LadyGodiva bearbeitet: 14.Sep.2009 - 19:35
Bearbeitungsgrund: -los! macht's verständlicher
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june
Beitrag 15.Sep.2009 - 08:49
Beitrag #13


Treue Seele
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@Lucia: Aber es gibt ja durchaus diesen mitunter auch recht konstruktiven Dialog zwischen Philosophie und Neurowissenschaften! Nachzulesen in unzähligen Veröffentlichungen (vgl. amazon). Auch gibt es Wissenschaftler, die in beiden Disziplinen zu Hause sind und daher "verknüpft" veröffentlichen können, z.B. Gerhard Roth (der zugegebenermaßen tendenziös ist, aber nun ja) oder Mathias Gutmann.

Jetzt die Frage: Was hat das mit Coming Out-Problemen und Resilienzforschung zu tun?

Mir scheint, hier werden verschiedene Diskurse miteinander vermengt und mir fehlt momentan noch die Schnittstelle...

Liebe Grüße
June
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Lucia Brown
Beitrag 15.Sep.2009 - 09:36
Beitrag #14


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ZITAT(june @ 15.Sep.2009 - 09:49) *
Mir scheint, hier werden verschiedene Diskurse miteinander vermengt und mir fehlt momentan noch die Schnittstelle...

Liebe Grüße
June


Mir inzwischen auch. Ich bade ja sehr gerne in meinen Gedankenwellen. Jedoch steht gerade wieder die Arbeit auf der Tagesordnung, die mir keine Zeit zum Forschen lässt. Nun gut, vielleicht knackt eine andre hier das Rätsel und findet eine Verbindung.

lg

Lucia Brown


Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 16.Sep.2009 - 10:51
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dandelion
Beitrag 15.Sep.2009 - 10:17
Beitrag #15


don't care
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ZITAT(june @ 15.Sep.2009 - 09:49) *
Mir scheint, hier werden verschiedene Diskurse miteinander vermengt und mir fehlt momentan noch die Schnittstelle...

so, wie es scheint, war das durch das Eingangsposting auch gewünscht: bunte, ein bißchen "durcheinandere" Standpunkte aus allen Bereichen der Wesenssuche und Denkerforschung.
edit: okay, hat sich überschnitten. dann bitte ich das als einen möglichen Empfängerhorizont zu betrachten und gut (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)

momentan bin ich an einem Punkt, der mir vor wenigen Jahren unerreichbar schien:
es ist mir egal. und es geht mir gut damit (IMG:style_emoticons/default/smile.gif) daher kein On-Topic von mir.


Der Beitrag wurde von dandelion bearbeitet: 15.Sep.2009 - 10:18
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Hortensie
Beitrag 15.Sep.2009 - 10:48
Beitrag #16


"Jeck op Sticker"
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Ich denke nicht, dass es etwas mit Lesbisch sein zu tun hat, aber es gibt schon Grenzbereiche, wo durch neurologische Schädigungen die Steuerungfähigkeit der betroffenen Personen verloren geht.

Als Beispiel fallen mir spontan Hirnverletzungen z.B. nach schweren Stürzen ein, die verursacht durch Brüche der Schädelknochen schwere Hirnschädigungen nach sich zogen und für die betroffenen bedeuteten, danach weitesgehend begrenzt und beaufsichtigt leben zu müssen, um sie selber und ihre Umwelt vor ihren Handlungen zu schützen.

@lucia meintest Du solcherart verändertes, nicht mehr der eigenen, willentlichen Entscheidung und mit keinerlei ethischen Grundsätzen vereinbarendes Verhalten?
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PennyLane
Beitrag 15.Sep.2009 - 11:45
Beitrag #17


Idealistin
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Ich habe das Gefühl, dass in der Frage eigentlich zwei Themen vermischt sind, die sich zwar überschneiden, aber doch zunächst mal auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sind.

Die eine Frage ist eine eher theoretische, die sich auf die Diskussion "Philosophie vs. Natur- (Neuro-)wissenschaft" bezieht. Also, letztendlich geht es um die Frage: auf welcher Ebene können wir uns und unser Erleben / Verhalten besser erklären; auf der neuronalen Ebene oder auf der Ebene unserer subjektiven Äußerungen und Entscheidungen (also mit Hilfe der Neurowissenschaft oder der Geisteswissenschaften)? Ich bin nach wie vor der Meinung, dass beides zwei Seiten derselben Medaille sind, entsprechend sehe ich durchaus Schnittstellen.
Allerdings ist es nun mal so, dass die Neurowissenschaften (wie Naturwissenschaften allgemein) in der wissenschaftlichen wie allgemeinen Öffentlichkeit glaubwürdiger dastehen, da sie (scheinbar?) objektive Belege liefern und Hypothesen handfest absichern können. Interessant zu beobachten auch an der Disziplin der Psychologie, die sich allmählich (zumindest an manchen Unis) aus der geistes-sozialwissenschaftlichen Ecke hin zu den Naturwissenschaften schleicht.

Die zweite Frage betrifft eher eine praktische Ebene: was genau hat das alles z.B. mit meiner Identität als Lesbe zu tun und warum lebe ich die genau so, wie ich es tue? Ist das einfach etwas, das in meinem Gehirn passiert, auf das ich keinen Einfluss habe? Oder entscheide ich das selber, ist es mein freier Wille, habe ich meine Entscheidung vielleicht aus philosophischen Erwägungen heraus (oder wie auch immer) frei getroffen?
Allerdings... mein Gehirn gehört zu mir; es bestimmt sicher in gewissem Umfang was ich tue, aber andererseits habe auch ich einen gewissen Einfluss darauf. Allein das wiederholte Denken von bestimmten Gedanken kann ja zu neuronalen Veränderungen führen.

Was die Frage betrifft, warum es auch in Deutschland immer noch "Schranklesben" gibt: ich schätze mal, dass das auch mit Erfahrungen zu tun hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand für das "Schranklesben-Dasein" entscheidet kann sich allein dadurch erhöhen, dass besagte Person in einer Familie aufgewachsen ist, in der Homosexualität als "krank" und "unnormal" abgewertet wurde und keine Akzeptanz dafür bestand. Das sind sicherlich Erfahrungen, die sich sowohl auf gehirnstruktureller als auch auf der Ebene des eigenen Erlebens, Verhaltens und der Selbstdefinition niederschlagen. Von dem "Schranklesben-Dasein" hin zu offen gelebter Homosexualität zu kommen, erfordert meiner Meinung nach eine Menge Veränderung sowohl auf neuronaler Ebene als auch auf der Ebene der Selbstreflexion und -definition, der freien Willensbildung.

Ich denke, ob einer der beiden Bereiche (neurowissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher) überflüssig ist oder wichtiger ist oder "zu erst da war" ist eigentlich hinfällig, ich sehe beide Bereiche eher eng verzahnt.
Nicht zu vergessen, dass wir über zwei verschiedene Wissenschaftszweige reden: beide befassen sich mit dem Menschen, aber die Neurowissenschaften kommen aus einer ganz anderen Ecke mit anderem Fokus und anderem Menschenbild (und anderem Anspruch) als die Geisteswissenschaften. Aber ihr jeweiliger Gegenstand charakterisiert einen Teilbereich der (in dem Fall) menschlichen Existenz; halt nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Edit: Rechtschreibfehler entdeckt

Der Beitrag wurde von PennyLane bearbeitet: 15.Sep.2009 - 11:48
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pandora
Beitrag 23.Sep.2009 - 09:17
Beitrag #18


auf dem Hochseil des Lebens balancierende Wölfin
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*schieb*

da mich diese thema immer noch brennend interessiert, aber leider leider nicht viel dazu sagen kann...
"auch den link noch einmal sehr konzentriert und aufmerksam gelesen hab" echt spannend.
vielleicht hat ja noch eine lust was dazu zu schreiben, oder andere ansatzpunkte und sichtweisen.
ob tante lucia sich was überlegt und bald mal wieder zeit hat, sich mit ihrem thema zu beschäftigen? (IMG:style_emoticons/default/gruebel.gif) (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)


edit... nach nochmaligen durchlesen meines textes, habe ich erkannt, der letzte satz könnte wie eine ermahnung klingen, war aber ganz bestimmt nicht so gemeint. (IMG:style_emoticons/default/bluemele.gif) (IMG:style_emoticons/default/bluemele.gif) habe ihn aber im sinne der nachvollziehbarkeit, drin gelassen

Der Beitrag wurde von pandora bearbeitet: 23.Sep.2009 - 09:50
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Lucia Brown
Beitrag 23.Sep.2009 - 10:50
Beitrag #19


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@ PennyLane

In deinem Beitrag wird deutlich, was ich mit diesem Tread ansprechen wollte. Es befinden sich hier zwei Themen und ich bin schon der Meinung, dass sie etwas miteinander zu tun haben. Die Theorie trifft auf die Praxis oder auch umgekehrt.

Du schreibst, dass es eine Menge Veränderungen erfodert und dies sowohl auf der neuronalem Ebene als auch auf der Ebene der Freien Willensbildung, aus dem Schrank zu gehen, bzw. die Tür zu öffnen.

Genau diese Schnittstelle sollte meiner Meinung nach vertieft werden. Kannst du da noch ins Detail gehen?

Welche Ideen, Gedanke und Wissen usw. habt ihr dazu?


@Pandorra

Hier bin ich.

Neben dem Schranklesben Fennomen beschäftigt mich auch die Frage, wie Lesben zu einem offenen lesbischen Leben gelangen, obwohl in ihrer Familie Tanten versteckt gelebt haben.

Daher die Frage an euch alle. Welche Fähigkeiten besitzt ihr, offen lesbisch zu Leben?

Wäre schön, wenn wir hier noch etwas bei diesem zwei Gesichtspunkte gedanklich verweilen könnten. Freue mich auf weiter Beiträge.
lg

Lucia Brown

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 23.Sep.2009 - 21:57
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DerTagAmMeer
Beitrag 23.Sep.2009 - 12:39
Beitrag #20


Adiaphora
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Philosophie trifft Neurowissenschaft ... und stolpert über Soziologie und Politik.

Für mich ist eine elementare Schnittstelle beider Diskurse, dass die Strukturentwicklung unseres "Nervenkostüms" ebenso abhängig von fördernden Bedingungen ist wie unser "Bewusstsein", auf dessen Grundlage wir unser Leben und die Welt, in der wir leben, zu gestalten suchen.

Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt - dennoch wachsen immer mehr Kinder abgeschrieben in behördlich verwalteter Armut, Vernachlässigung und erschreckend umfassender Hoffnungslosigkeit auf.

Wir befürworten eine "Sozialpolitik", die dazu führt, dass immer mehr Kinder in einem Umfeld groß werden müssen, das ihnen kaum eine Chance lässt, die angeblich allen offenstehenden "Bildungsagebote" zu nutzen. Schon im Kindergartenalter fehlen die körperlichen und mentalen Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen. Mangelnde Koordinations- und Konzentrationsfähigkeit haben Verunsicherung und Verweigerung zur Folge und verhindern zuverlässig, dass aus der eigenen Entwicklungsfähigkeit, Mut und Selbstbewusstsein gezogen werden kann. Mal ganz abgesehen davon, dass es ein von Existenz- und Verlustängsten geprägter Alltag ohnehin schwer macht, langfristige Ziele zu verfolgen. Auch für Erwachsene, die schon sehr lange üben, und die negativen Folgen ihrer liebsten Vermeidungsstrategien sehr genau kennen.

So kurz vor der Bundestagswahl erscheint es mir deshalb weniger relevant, ob wir unsere Identität nun als neuronales System oder als Ergebnis reflektierender Bewusstseinsakte verstehen ... vielmehr stelle ich fest, dass sich beides nur entwickeln konnte, weil meine persönlichen Voraussetzungen günstig waren, weil in mich und meine Entwicklung eine gehörige Portion Aufmerksamkeit, Geduld, Zeit, Raum, Rücksicht, Geborgenheit, Zuwendung, Mühe und Lebenserfahrung investiert wurden.

Sicher machen Obst, Gemüse, Sport und musikalische Früherziehung allein noch keinen gesunden und lebensfrohen Menschen ... ebensowenig wird jedes Kind, das zwischen FastFood, Playstation und RTL aufwächst, antriebslos und depressiv ... doch die Gräben zwischen den Welten werden breiter, die Brücken seltener und statt Verständnis füreinander nehmen Neid und Missgunst zu ... auf beiden Seiten.

Ich weiß auch nicht, wie sich das effektiv ändern lässt. Aber ich habe das Gefühl, dass es höchste Zeit ist. Und ich empfinde sowohl die elitären Diskurse der Philosophie als auch die verantwortungsbefreiten Hypothesen der Neurowissenschaft als ausgesprochen weltfremd.
Beide drehen sich in kuschelig-abstrakten Oberschichtenpantöffelchen um sich selbst, statt vor die Tür zu gehen und sich der sozialen Probleme anzunehmen, die uns unbeeindruckt von kategorischem Imperativ und Ritalin über den Kopf wachsen.

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 23.Sep.2009 - 12:43
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Lucia Brown
Beitrag 23.Sep.2009 - 21:50
Beitrag #21


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@ DTAM so wie ich deinen Beitrag verstehe, sprichst du den Nutzen der Philosophie und der Neurowissenschaft an. Ein sehr interessanter Aspekt, wie ich finde.

Als vita contemplativa hat die Philosophie großen gesellschaftlichen Nutzen - heute wie zu allen Zeiten.

Auch die Neurowissenschaften finden ihren Nutzen z.B. in der Pädagogik, sehr modern gerade in der Resilienzforschen, wie ich sie bereits oben erwähnt habe.

Für weitere Beiträge über Nutzen beider Bereiche ist hier sicherlich auch Raum.

lg

Lucia B.

Ps: Die Philosophie ist schon so alt und daher wird sie die Bundestagswahl 2009 auch noch überleben. (IMG:style_emoticons/default/rolleyes.gif)

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 23.Sep.2009 - 21:59
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DerTagAmMeer
Beitrag 23.Sep.2009 - 22:01
Beitrag #22


Adiaphora
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ZITAT(Lucia Brown @ 23.Sep.2009 - 22:50) *
Ps: Die Philosophie ist schon so alt und daher wird sie die Bundestagswahl 2009 auch noch überleben. (IMG:style_emoticons/default/rolleyes.gif)

Da hast Du recht! Wie gut, das ist doch schon mal was! (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)

Edit: Ich hab noch mal drüber nachgedacht, ob ich wirklich den "Nutzen" ansprechen wollte. Bzw. was ich überhaupt ansprechen wollte, weil es mich gerade bewegt.
Und "Nützlichkeit" ist es nicht. Ganz im Gegenteil. Verantwortung vielleicht.

Dabei richtet sich der unterschwellige Vorwurf in erster Linie gegen mich selbst. Ich habe gewisse Überzeugungen, ein bestimmtes Weltbild, eine Vorstellung davon, wie es im Leben laufen sollte ... welche Entscheidungen "vernünftig" oder sinnvoll sind. Ich stelle fest, dass die Welt zu komplex ist, um sie auf einfache Formeln zu bringen und zucke ratlos mit den Achseln, wenn das von mir gefordert wird, weil Menschen Halt und Orientierung suchen.
Ich glaube beispielsweise nicht daran, dass Geschlecht, Sexualität, Religion und Nationalität wesensbestimmende Merkmale sind. Auch mein eigenes Identitätskonzept ist derart verschwurbelt, dass sich Dreiviertel der Menschen eher mit dem Zeigefinger an die Stirn tippen als dass ich sie auf neue Gedanken bringen würde.
Ich bin ein Nischenpflänzchen, dass in den meisten Ländern dieser Erde ganz schnell klein beigeben und im Schrank verschwinden würde, um gewalttätigen Übergriffen und massiver Ausgrenzung zu entgehen. Die "Freiheit" meiner offen queeren Identität basiert ja nicht darauf, dass ich so taff und selbstsicher bin ... sondern profitiert davon, dass ich mich in einem Umfeld bewege, das sich viel auf die eigene Toleranz einbildet und sich ohnehin gern mit Schwulen und Lesben umgibt (weil wir ja alle so kreativ, individuell und besonders sind!).
Da ist einfach dieses Urvertrauen, dass man mich schon mag, wenn man mich erstmal kennt ... dass mir schon jemand helfen wird, wenn ich selbst nicht mehr kann ... dass es das Leben einfach gut mit mir meint. Um kurz zu machen: ich hatte einfach Glück.
Andere haben das nicht. Und da bin ich dann auch recht schnell mit meinem Latein am Ende und überweise die Ratsuchende gern an Habermas, den lieben Gott oder Frau Sonnenstrahl. Und das genügt einfach nicht.

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 23.Sep.2009 - 23:25
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Lucia Brown
Beitrag 23.Sep.2009 - 22:17
Beitrag #23


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Zum Nutzen fällt mir noch ein, dass hier viele Frauen dieses Wissen unbewusst und bewusst benützen. Gerade auch beim Beantworten der Beträge vieler neuer Userinnen wie z.B.: "Hilfe, ich liebe eine Frau, was soll ich tun!"

Oft ziehe ich den Hut, vor soviel Wissen hier im Forum. Klasse!

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 23.Sep.2009 - 22:24
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Hortensie
Beitrag 24.Sep.2009 - 13:15
Beitrag #24


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Ich habe Schwierigkeiten mit diesem Thread. Ich finde es aber gut, dass durch die letzten Beiträge, dass was uns Menschen beeinflusst erweitert wurde.

Ich finde die augenblickliche Entwicklung in der Psychologie hin zu fast ausschließlicher Verhaltenstherapie fast schon zu oberflächlich.

Da es wahrscheinlich viele Dinge gibt, die sich oft unbewusst prägend (und manches verhindernd9 auswirken können, tendiere ich mehr hin zum systemischen Ansatz.

Durch das Anschauen eines Systems, kann ich mir vielleicht deutlicher machen, wo das "bremsende" oder etwas "verhindernde" liegt.

Wie sagt man so schön, es bricht sich eine leichter einen Arm, als eine Konvention.
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PennyLane
Beitrag 24.Sep.2009 - 17:18
Beitrag #25


Idealistin
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@Hortensie: Nun ja, genau genommen geht der Trend in der Psychologie hin zu schulenübergreifenden Ansätzen, da einfach immer klarer wird, dass nicht jede Behandlungstechnik für jeden Menschen bzw. jede "Störung" oder jedes Anliegen gleich gut geeignet ist.
Was die gesetzlichen Krankenkassen machen, steht auf einem anderen Blatt - hier ist meiner Meinung das Problem, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und gesundheitspolitische Umsetzung starkt auseinanderlaufen.
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sonnenstrahl
Beitrag 24.Sep.2009 - 19:39
Beitrag #26


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ZITAT(DerTagAmMeer @ 23.Sep.2009 - 23:01) *
... Ich bin ein Nischenpflänzchen, dass in den meisten Ländern dieser Erde ganz schnell klein beigeben und im Schrank verschwinden würde, um gewalttätigen Übergriffen und massiver Ausgrenzung zu entgehen. Die "Freiheit" meiner offen queeren Identität basiert ja nicht darauf, dass ich so taff und selbstsicher bin ... sondern profitiert davon, dass ich mich in einem Umfeld bewege, das sich viel auf die eigene Toleranz einbildet und sich ohnehin gern mit Schwulen und Lesben umgibt (weil wir ja alle so kreativ, individuell und besonders sind!).
Da ist einfach dieses Urvertrauen, dass man mich schon mag, wenn man mich erstmal kennt ... dass mir schon jemand helfen wird, wenn ich selbst nicht mehr kann ... dass es das Leben einfach gut mit mir meint. Um kurz zu machen: ich hatte einfach Glück.
Andere haben das nicht. Und da bin ich dann auch recht schnell mit meinem Latein am Ende und überweise die Ratsuchende gern an Habermas, den lieben Gott oder Frau Sonnenstrahl. ...


Frau sonnenstrahl ist ebenfalls ein Nischenpflänzchen.
Und sich dessen sehr bewusst.
Sicherlich in mancherlei Hinsicht eine andere, ganz eigene Art von Gewächs (wie wir alle) - dennoch bin ich mir nicht sicher, ob ich in den meisten Ländern dieser Erde nicht auch den Schrank wählen würde anstelle von Gewalt, Psychiatrie und/oder (verschärfter) Gefangenschaft.


Erst in den letzten Wochen hatte ich beruflich wieder einmal sehr intensiv mit einem Menschen zu tun, gegen dessen Geschichte sich die meine, und viele andere Geschichten, die mir nahegebracht worden sind, mit einem Mal wie Mensch-ärgere-dich-nicht-Sequenzen ausmachen: Mir ist ein Ausmaß an Schmerz und Traumatisierung begegnet, dem ich schlichtweg nicht mit eigener Erfahrung, sondern bestenfalls mit Ahnung und Respekt entgegenkommen kann. Wo 90% meiner Arbeit nur noch aus Dasein, Zuhören, Mitfühlen, Trost und Aushalten besteht. Und ich weiss: Das ist keine Ausnahme. Vielleicht noch bei mir - aber nicht auf der Welt. Es gibt so viele von diesen Menschen. Den Zusammenbruch darf es für einen Großteil von ihnen erst geben, wenn sie in Sicherheit sind. Wohin die meisten gar nicht erst kommen. Was mich immer wieder erstaunt und in manchen Momenten auch beschämt, ist die Kraft, die solche Menschen dennoch zuhauf mobilisieren. Daneben seh ich mich Wohlstands-Pseudowildwuchs am Rande der Verzweiflung angesichts ... meiner Steuererklärung. Da relativiert sich so Manches. worüber ich klage, zum Luxus-Wehwehchen. Und auch der Stolz auf das, was ich leiste und geleistet hab. ...

Dennoch: Was wir alle tun können, ist, sofern wir nicht all unsere Kraft für´s Überleben brauchen, und noch welche übrig haben, und sei es nur ein winziges Bisschen, uns immer wieder auf´s Neue den Grundsatz zu eigen machen: Mach heil, was dich kaputt macht. Das können wir auf uns persönlich, aber auch auf die Menschheit beziehen, deren Teil wir sind. Oder auf unseren Planeten. Und was uns möglich ist, dazu beitragen, dass es hier wie dort besser wird. Jede auf ihre Weise.
Das genügt, finde ich. Mehr können wir nicht tun.
Denn bei allem Einsatz und allem Idealismus: Wer hat etwas davon, wenn wir mehr geben, als wir (momentan!) können? Wenn wir über unsere ganz persönlichen Kräfte, über unser persönliches Latein hinausgehen? (Etwas wozu uns hier zum Glück niemand zwingt.) Ich meine längerfristig. Wenn wir, sobald wir uns anschicken, mal nur (?) zu genießen, die Geißel des schlechten Gewissens schwingen? Wenn wir handeln, ohne uns auch nur ansatzweise kompetent zu fühlen? Wenn wir uns ebenso erschöpfen wie die, denen nichts anderes übrig bleibt? Und den Blick nicht auch immer wieder auf das Schöne und Wunderbare lenken, das das Leben uns zuteil werden lässt. Meines Erachtens würde das dem Leben genausowenig gerecht werden, wie ein permanentes Ausblenden der Schattenseiten.
Ich bin mir sicher, dass wir da sehr differenziert wählen - und wachsen - können, wenn man uns lässt. Ob uns das immer bewusst ist, ist eine andere Frage. Wir entscheiden, zu merken, wann sich ein Fenster auftut. Wann sich eine Chance bietet. Wir entscheiden, ob und wieviel wir unsere Hände in den Schoß legen. Ob wir uns Hilfe suchen, oder nicht. Ob wir uns was beibringen lassen. Ob wir alles glauben, was man uns erzählt und vorlebt. Ob wir neugierig sind und bleiben. Ob wir durch die Schlupflöcher schlüpfen, die sich uns bieten, in jedweder Hinsicht. Ob wir uns gestatten, selbst zu denken, statt Fertigstrick zu übernehmen. Ob wir uns als determiniert verstehen wollen, oder nicht. Ob wir es schnallen wollen, dass dem Bausatz der Großen Grundgütigen eigenständiges Leben eingehaucht wurde, oder ob wir es vorziehen, willfährige Marionetten zu sein. Ob wir uns gestatten, zu fühlen, was wir fühlen. Wie wir mit unseren Erfahrungen umgehen. Was wir uns bewusst machen wollen. Ob und wann wir Eingemachtes aus dem Keller holen. Ob wir kommunizieren, oder nicht. Und wenn ja: Wie. Ob wir uns alles gefallen lassen, oder aufbegehren. Wir wägen ab, wie hoch das Risiko ist. Ob wir es eingehen, oder nicht. Ob wir im Sumpf stecken bleiben - oder in der Theorie. Oder ob wir, mit einer aufbauenden Wegzehrung an Theorie, in die Praxis aufbrechen. Und die eine oder andere Konditionierung währenddessen hinter uns lassen, nach dem Motto "Kuck an, geht auch anders. Whow!".
Und ob und wann wir uns ausruhen.
Das gilt, davon bin ich überzeugt, für jeden Menschen auf dieser Welt.

Soviel für heute aus meiner Sicht zum Thema:

ZITAT
Glauben wir den Hirnforschern, dann müssen wir wegen unserer Passivität keine Schuldgefühle haben. Wir sind ohnehin neurobiologisch determiniert - und können nichts dafür, wenn wir die Hände in den Schoß legen.


Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 24.Sep.2009 - 19:47
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Hortensie
Beitrag 25.Sep.2009 - 07:49
Beitrag #27


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Nach sorgfältigem lesen aller Beiträge bleibt für mich noch die Frage offen, weshalb schaffen es dann Menschen organisiert z.B. in Russland zu ihrem Leschbischsein/Schwulsein zu stehen, obwohl Ihnen bekannt ist, in welche Gefahr sie sich begeben und in unserem zivilisiertem Land, in dem keine unmittelbare Gefahr für Lesben und Schwule besteht, bleiben viele lieber ungeoutet???

Ich denke mal, dass die meisten von uns (egal ob geoutet oder ungeoutet) einem hetero-orientiertem Umfeld entstammen und jetzt direkt keinen Kontakt zu LesBiSchwuTrans Leben hatten und trotzdem heute lesbisch leben und sich wahrscheinlich mehr Akzeptanz für ihre Lebensweise wünschen.

Auch wird es nicht so sein, dass unser Privatleben so langweilig ist, und wir ein so unterkühltes Verhältniss zu unseren ArbeitskollegInne/Nachbarn haben, dass wir nicht eine kurzweilige Begebenheit aus unserem Privatleben erzählen mögen.
Aber warum wird dann bei den Personalpronomen gelegentlich "geschummelt" ?

Stecken wir vielleicht in eigenen Ansprüchen/Konditionierungen zu fest?

Aber haben wir uns in anderen Dingen nicht auch "selbstverwirklicht" anstatt Dinge, die wir in unserer Kindheit als nicht gut empfunden, nachzuleben?

Sollten wir selber über Kinder nachdeneken, fallen uns nicht mindestens 12 Dinge ein, die wir auf jeden Fall anders machen möchten?

Haben wir uns nicht die Freiheit genommen, mit dem traditionellen Ernährungsformen zu brechen, andere Wege zu gehen, und haben wir nicht auch erklärt: "Für mich kein Fleisch, ich bin Vegetarerin?"

Würden wir der Lesbe in Ruanda nicht mehr helfen, wenn ihr offen sagen: "Nein ich bin nicht verheiratet, ich bin verpartnert und mir fehlen im Vergleich zu einem hetero Menschen nur Aufgrund meines Lesbischseins noch folgende (formale) Bürgerinnenrechte?"

Was hindert uns eigentlich daran, zwar nicht mit dem Holzhammmer, aber zumindest offen zu unserem Lesbischsein zu stehen?

Was befürchten wir, was passieren könnte?

In einer Nische zu leben, ist doch schon mal ein erster Schritt in das Licht.

Ich bin nicht für "Zwangsouting", aber was hemmt einen selber, sich öffentlich zu zeigen?

Haben wir mit Nachbarn, ArbeitskollegInnen nicht auch positive Erfahrungen gemacht?

Der Beitrag wurde von Hortensie bearbeitet: 25.Sep.2009 - 07:51
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sonnenstrahl
Beitrag 25.Sep.2009 - 09:10
Beitrag #28


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ZITAT(Hortensie @ 25.Sep.2009 - 08:49) *
In einer Nische zu leben, ist doch schon mal ein erster Schritt in das Licht.


@Hortensie: Mit Nischenpflänzchen meine ich nicht, dass ich nur bestimmten Leuten gegenüber geoutet bin. Was mich betrifft, habe ich noch nie im Schrank gelebt. Mal abgesehen davon, dass ich kein Umhängeschild trage, auf dem steht: "Ich lebe lieber lesbisch". Aber ich kann mich einfach nicht muskelspielend hinstellen, und tönen: So wie ich hier bin, wäre ich überall. Ich habe kein Problem damit, und auch nie gehabt, im provinziellen Ort meines Aufwachsens mit meinen geliebten Frauen Hand in Hand zu gehen, und werde ich gefragt, nehme ich kein Blatt vor den Mund, egal ob auf der Arbeit oder anderswo. Ich habe dadurch nie wirklich Nachteile gehabt, sondern im Gegenteil: Man hält mich in aller Regel für eine recht ausdrucksstarke, sehr selbstbewusste Persönlichkeit - wenn auch nicht immer für sympathisch. Da ist sicherlich was dran. Trotzdem: Ich habe schlichtweg keine Ahnung, was aus mir geworden wäre, hätte meine Wiege beispielsweise in Afghanistan oder Pakistan gestanden. Oder in Ecuador. Oder auf Tonga. Menschen können viel zuwege bringen, in den scheinbar auswegslosesten Situationen, das ist mir (siehe oben) klar. Und ich kann sie - was ich beruflich auch tu - dabei unterstützen, in diese Kraft zu finden. Hier, in unserem Land. Ich selbst habe unendlich viele Chancen ergriffen im Leben, über die ich mich auch hätte fernglotzend und nagelstudiobesuchend hinwegöden können. Doch mir fehlt die persönliche Erfahrung, wie es ist, die halbe Familie vor der Nase wegerschossen zu bekommen, weil sie dem Regime nicht genehm waren. Mir fehlt die Erfahrung, grün und blau geschlagen worden zu sein, weil ich ohne männliche Begleitung/ohne Schleier auf der Straße gesehen worden bin. Mir fehlt die Erfahrung, öffentliche Steinigungen miterlebt zu haben. Mir fehlt die Erfahrung, eine Kindheit im Krieg erlebt zu haben. Mir fehlt die Erfahrung kirchlicher Gehirnwäsche von Kindesbeinen an. Ich bin NIE von allen um mich herum geächtet worden. .... Und ich finde es einfach anmaßend, Menschen, die in einem entsprechenden Umfeld aufgewachsen sind und gelebt haben, zu sagen: Raus aus dem Schrank, du Feigling! In Russland haben sie sich organisiert. Das kannst du auch." Da stehen doch möglicherweise zunächst andere Entscheidungen im Vordergrund, die mit dem bloßen Überleben zu tun haben.

ZITAT
... weshalb schaffen es dann Menschen organisiert z.B. in Russland zu ihrem Leschbischsein/Schwulsein zu stehen, obwohl Ihnen bekannt ist, in welche Gefahr sie sich begeben und in unserem zivilisiertem Land, in dem keine unmittelbare Gefahr für Lesben und Schwule besteht, bleiben viele lieber ungeoutet???


Ich vermute mal: Weil sie sich nicht klarmachen, WIE klein die Nachteile sind, die ihnen hier daraus entstehen dürfen und können. Relativ gesehen. Und weil sie, bis auf die gleichgeschlechtlichen Regungen, sehr im Althergebrachten verhaftet sind, und wenig Handlungsbedarf sehen, daran irgendwie zu rütteln. "Ist doch alles schön so, wie es ist. Hauptsache, ich hab meine Ruhe, krieg ´ne Gehaltserhöhung, kann einmal die Woche zum Kegelabend gehen, und sitz am Wochenende nett beim Erdbeerkuchen ...". Veränderung könnte ja anstrengend sein. Und arbeiten und dann noch Rasenmähen müssen ist doch schon anstrengend genug ... (IMG:style_emoticons/default/sleep.gif)

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 25.Sep.2009 - 09:38
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Hortensie
Beitrag 25.Sep.2009 - 09:52
Beitrag #29


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Können offen lebende Lesben und Schwule in Deutschland (und hier meine ich nicht nur die Großstädte, sondern durchaus auch die "Provinz") für Menschen in Ländern, wo dies unsäglich schwieriger ist, nicht eine Art "Leuchtturmfunktion" haben?

Sowie Frankreich (insbesondere Paris mit Simone de Bevoir) oder die skandinavischen Länder eine Art "Leuchtturmfunktion" für die Feministinnen hatten?

Oder sowie San Fransisco eine Art "Leuchtturmfunktion" für die Lesben - und Schwulenbewegung (GLF,Act up) hatten?

Ist es nicht auch gerade durch öffentliche Sichtbarkeit möglich, einen politischen Druck aufzubauen, der eben auch Verfolgung wegen sichtbaren Leben als Lesbe zum Asylgrund machen kann?

Ja, natürlich waren (und sind) auch heute noch Menschen wegen offen gelebten Lesbisch oder Schwulseins davon betroffen, dass ihnen deshalb ein Zeitvertrag z. B. in Köln (oder in einer anderen Stadt) nicht verlängert wird oder Ihnen ein Auftrag gekündigt wird, aber kann sich dass nicht verändern, gerade durch "offenes Leben"?

Ist es nicht vielleicht auch so, dass "verstecktes" Leben eine dauerhafte Belastung darstellen kann, die z.B. zu erhöhtem Suchtmittelverbrauch oder anderen Erkrankungen führen kann?

Der Beitrag wurde von Hortensie bearbeitet: 25.Sep.2009 - 09:53
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Lucia Brown
Beitrag 25.Sep.2009 - 10:50
Beitrag #30


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In eueren Beiträge stecken so viele wunderbare Fähigkeiten. Vielen Dank für eure Offenheit.

Ich stelle mal in den Raum, dass die "Leuchtturmfunktion" schon da ist.

Ich sehe sie hier im Forum, wenn erfahrene Lesben suchenden Frauen beratend zur Seite stehen.
Ich sehe sie, wenn Lesben ihre Hetero-Nachbarin zu einem Konzert eines schwul-lesbischen Orchesters mitnehmen.
Ich sehe sie, dass Lesben unglaublich viel für die Annahme ihrer Identität leisten und leisten müssen. Weltweitgesehen auf unterschiedlichsten Ebenen und mit erschwerten Bedingungen.

Letzteres wird mir zum Beispiel deutlich im den Film: "Die Töchter des chinesischen Gärtners". Auch dieser Film und weitere mutige Filme, unter anderen aus Indien oder Iran, haben "Leuchtturmfunktion".

Es ist eines jener einfachen, aber wunderschönen Paradoxe im Leben: Wenn ein Mensch fühlt, dass ihn ein anderer wirklich annimmt, wie er ist, dann ist er frei geworden, sich von dort aufzumachen und mit der Überlegung zu beginnen.

- wie er sich verändern möchte,
- wie er anders werden kann,
- wie er mehr von dem werden könnte, das zu sein er befähigt ist.

Ich sehe sie bei immer mehr schwul lesbischen Erzieherinnen und Lehrerinnen die sich im Unterricht für Toleranz einsetzen.

Darin steckt ein starkes Potential, dass uns immer wieder Kraft verleiht uns und andere aus dem Nischendasein zu locken.

Ich habe bei der Hirnforschung kein Beispiel gefunden, wo die Kraft der lesbischen Identität berücksichtig wird. Vielleicht weiß eine hier darüber mehr.

Da beschreibt gerade die Philosophie, insbesondere die griechische Philosophie mit Sappho, weitaus mehr!

Lucias Gedanken am Freitagmittag

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 25.Sep.2009 - 13:10
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pandora
Beitrag 25.Sep.2009 - 11:10
Beitrag #31


auf dem Hochseil des Lebens balancierende Wölfin
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ZITAT
Ist es nicht auch gerade durch öffentliche Sichtbarkeit möglich, einen politischen Druck aufzubauen, der eben auch Verfolgung wegen sichtbaren Leben als Lesbe zum Asylgrund machen kann?


natürlich ist dies möglich und wird auch vieleorts so gehandhabt, aber was hat es vielfach für auswirkungen?
verfolgung, misshandllungen, sex. gewalt und vieles mehr sind der preis, der unsereins in vielen landen für die sichtbarkeit, dem kommen aus dem schrank zahlen muß...
und nicht alle sind dazu bereit.
was ich auch mehr als gut verstehen kann.
wenn ich vor der entscheidung stünde, aus dem schrank zu kommen und offen zu leben, dafür aber in kauf nehmen zu müßen, meine familie eventuell an leib und leben zu gefährden, dann käme ein offenes leben für mich nicht in frage.
es sei denn ich hätte die gelegenheit, das land, in dem es solcherlei verfolgung gibt, zu verlassen.

ZITAT
Ja, natürlich waren (und sind) auch heute noch Menschen wegen offen gelebten Lesbisch oder Schwulseins davon betroffen, dass ihnen deshalb ein Zeitvertrag z. B. in Köln (oder in einer anderen Stadt) nicht verlängert wird oder Ihnen ein Auftrag gekündigt wird, aber kann sich dass nicht verändern, gerade durch "offenes Leben"?


ja sicher, auch hier könnte sich durch ein offenes leben und der ständigen sichtbarkeit einiges verändern, aber nicht jedeR ist bereit dafür seine berufliche und somit auch finanzielle existenz aufs spiel zu setzen.
meiner meinung nach, ist für viele menschen ein gutes finazielles fundament, eines der grundvoraussetzungen für ein einigermaßen lebenswürdiges leben.
ich weiß, dass es mir egal wäre ob man mir wegen meines lesbisch seins einen auftrag entzöge, aber ich verstehe diejenigen, denen dies nicht egal ist auch sehr gut.

ZITAT
Ist es nicht vielleicht auch so, dass "verstecktes" Leben eine dauerhafte Belastung darstellen kann, die z.B. zu erhöhtem Suchtmittelverbrauch oder anderen Erkrankungen führen kann?


mir persönlich wäre dieses ständige versteckspielen ein graus und würde meinem psychischen und physischen wohlsein, sicherlich nicht dienlich sein.
ich bin mir fast sicher, dass die die im schrank leben müßen, weil ihnen und/oder ihren liebesten und familienangehörigen ansonsten gefahr droht, doppelt belastet sind und möchte sicherlich mit ihnen teilen.

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Hortensie
Beitrag 25.Sep.2009 - 13:06
Beitrag #32


"Jeck op Sticker"
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Mal so als Buchtipp:

Ilse Kokula >>Wir leiden nicht mehr, sondern sind gelitten!<<
Lesbisch leben in Deutschland, KiWi 1987

Ilse Kokula hat Gespräche geführt mit 13 lesbischen Frauen; 2 davon in der damaligen (1987) DDR.
Anhand dieser Gespräche ist die Lebenssituation lesbischer Frauen damals dokumentiert und in einen gesellschaftlichen Kontext gesetzt worden.

Die Autorin:
Ilse Kokula, 1944 in Sagan/Schlesien geboren, lebt als Sozialwissenschaftlerin in Berlin (West). Sie ist seit 1972 in der Frauen- und Lesbenbewegung aktiv tätig.




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