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> Outing am Arbeitsplatz sinnvoll?
so far away
Beitrag 03.Nov.2015 - 19:32
Beitrag #1


Salatfee
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Hallo zusammen,

seit September mach ich jetzt mein freiwilliges soziales Jahr und arbeite in einer Sonderschule für geistigbehinderte Kinder.
Im Gespräch mit den Kolleg(en)Innen und auch mit den SchülerInnen kam immer wieder das Thema Beziehung auf. Da wurde ich dann auch immer wieder gefragt, ob ich ein Freund hätte,aber das hab ich natürlich immer verneint (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)
Da es nun doch recht häufig vorkam/kommt, kam allgemein in mir die Frage auf, "ist es sinnvoll sich am Arbeitsplatz zu outen?"
Deswegen wollte ich euch mal fragen, wie das bei euch ist. Wissen eure Kollegen und Kollgeinnen alle Bescheid oder nur die engesten KollegInnen/ Kollegen?

Würde mich über ein paar Erfahrungen und Ratschläge sehr freuen (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)

Liebe Grüße
so far away (IMG:style_emoticons/default/wub.gif)
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Antworten (1 - 11)
Mausi
Beitrag 03.Nov.2015 - 19:48
Beitrag #2


Mama Maus
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Ich sag mal so, ich könnte es nicht "im Schrank" zu leben, auch auf Arbeit.
Also vor den Kollegen, ich finde die Patienten (in Deinem Fall Kinder/Eltern) geht es nichts an.

Edit:Das sah ich aber auch mal anders. Als ich in einem Heim für Schwermehrfachbehinderte Erwachsene arbeitete, war ich auch vollumfänglich out.
Genauso wie da, als ich 1 Jahr im Kindergarten arbeitete - da wussten es die Kollegen, die Kinder und die Eltern. Es war für niemanden ein Problem.

Aber das ist etwas, was jeder für sich selbst entscheiden muss.

Der Beitrag wurde von Mausi bearbeitet: 03.Nov.2015 - 19:50
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Cassia
Beitrag 03.Nov.2015 - 19:57
Beitrag #3


Naschkatze
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Da ich selbstständig bin und von zu Hause aus arbeite, hat sich die Frage bei mir fast erübrigt. ^^ Aber generell würde ich sagen,
es kommt darauf an, ...
... inwieweit Du zu Dir und Deiner Se*ualität stehst,
... wie wichtig es Dir überhaupt ist, Kollegen an Deinem Privatleben teilhaben zu lassen (ich denke mal, man muss nicht zwingend
jedem alles erzählen, unabhängig vom Thema)
... wie die rechtliche Seite aussieht - soweit ich weiß, gibt es beispielsweise katholische Einrichtungen, in denen zumeist Hauptamtliche
gar nicht erst eine Stelle bekommen, wenn sich herausstellt, dass sie lesbisch sind. Dies führt dazu, dass eine Menge Leute ihre Se*ualität
verschweigen, um ihren Job nicht zu verlieren (siehe auch den Thread Priester und Homose*ualität).
Wobei das vermutlich eh' kein Thema ist, denn als FSJler bist Du kein Hauptamtlicher und außerdem ohnehin in einer evangelischen
Einrichtung (wobei die auch nicht immer die Weltoffensten sind).

Auf lange Sicht ist es aber wohl das beste, kein Geheimnis daraus zu machen. Du musst nicht gleich jedem unter die Nase reiben, dass Du
lesbisch bist, aber es macht vieles letztlich einfacher, wenn Du dazu stehst und selbst ganz natürlich und ungezwungen damit umgehst.
Ich habe viel zu lange um den heißen Brei herumgeredet und mir damit auch so einiges verbaut. Dass ich mich endlich dazu entschlossen habe,
das Thema ganz offen zu händeln, ist eine ziemliche Erleichterung - selbst wenn hin und wieder negative Rückmeldungen kommen.

Solltest Du allerdings den Eindruck haben, dass ein Großteil Deiner Kollegen dem Thema eher ablehnend gegenübersteht, musst Du
für Dich selbst entscheiden, ob und wem gegenüber Du Dich outest. Im Grunde hängt es davon ab, wie die Umwelt Deiner Meinung nach
reagieren wird und ob Du glaubst, damit entsprechend umgehen zu können.


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McLeod
Beitrag 03.Nov.2015 - 20:30
Beitrag #4


mensch.
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ZITAT(Cassia @ 03.Nov.2015 - 19:57) *
generell würde ich sagen,
es kommt darauf an, ...
... inwieweit Du zu Dir und Deiner Se*ualität stehst,


Also von mir wissen ganz viele Menschen, mit wem ich zusammen lebte, lebe oder leben möchte. Aber über meine Se*ualität wissen die alle nix. Das wissen die Beteiligten und das reicht dann auch. (IMG:style_emoticons/default/morgen.gif)

McLeod
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Cassia
Beitrag 03.Nov.2015 - 20:40
Beitrag #5


Naschkatze
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(IMG:style_emoticons/default/blush.gif) ... Okay, falsches Wort benutzt. Was ich eigentlich meinte war, inwieweit sie dazu steht, mit einer Frau zusammenzuleben.
Besser? (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)
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McLeod
Beitrag 03.Nov.2015 - 20:55
Beitrag #6


mensch.
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Vielleicht mach ja auch nur ich so einen Unterschied (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) Von meinen Hetero-Freunden und -Familienmitgliedern weiß ich ja auch nichts von ihrer Se*ualität. Bei einigen meiner schwulen Freunde... ähm... ja... viel aus der Kategorie TMI, auch wenn ich früher mal interessiert gefragt hab, wie das mit dem Darkroom funktioniert und ob der wirklich stockduster sei. (IMG:style_emoticons/default/rolleyes.gif)

Bin ja bekennende Freundin der Selbstverständlichkeit. Rede in 98% der Fälle über mein Leben, wie es durchschnittlich viele andere Menschen tun. Spezielle Kreise s.o. ausgenommen (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif) Und es rennen keine Menschen durch die Gegend und sagen: "ich bin übrigens hetero" oder "seit ich weiß, dass ich auf Männer stehe, fühle ich mich befreit" (selbst wenn es ihnen vielleicht so geht...) oder "ich liebe einen Mann und bin stolz drauf" (gefährlich, gefährlich - hatten wir nicht neulich die Diskussion hierum?)

Also gibt es Coming-out im Sinne zeremonieller Offenbarungen bei mir quasi nicht mehr. Wen ich etwas privater kenne, kommt nicht drumherum und kann sich ggf. noch überlegen, ob ich eine Mitbewohnerin habe (so ich eine habe) oder im beruflichen Kontext (also weniger privat) ob wir mit dem selben Nachnamen Cousinen oder Stiefschwestern sind (so wir denselben Nachnamen haben)... Oder ob das eine Liebesbeziehung ist. Und manchmal ist "meine Freundin hat mich verlassen wegen einer anderen, was für eine sch...-Zeit" auch unmissverständlich. So ich sowas so erlebe und sage und so.

Ich finde die Frage aber immer wieder und weiter spannend.

Ich würde aber gerne mal die Gegenfrage stellen. Nicht: was spricht für einen offenen Umgang, sondern was dagegen?

McLeod

Der Beitrag wurde von McLeod bearbeitet: 03.Nov.2015 - 20:56
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Cassia
Beitrag 03.Nov.2015 - 21:13
Beitrag #7


Naschkatze
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ZITAT(McLeod @ 03.Nov.2015 - 20:55) *
Bin ja bekennende Freundin der Selbstverständlichkeit. Rede in 98% der Fälle über mein Leben, wie es durchschnittlich viele andere Menschen tun. Spezielle Kreise s.o. ausgenommen (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif) Und es rennen keine Menschen durch die Gegend und sagen: "ich bin übrigens hetero" oder "seit ich weiß, dass ich auf Männer stehe, fühle ich mich befreit" (selbst wenn es ihnen vielleicht so geht...) oder "ich liebe einen Mann und bin stolz drauf" (gefährlich, gefährlich - hatten wir nicht neulich die Diskussion hierum?)

Also gibt es Coming-out im Sinne zeremonieller Offenbarungen bei mir quasi nicht mehr.


Bei mir ist das in etwa ähnlich. Es ist eben so: Je natürlicher, selbstverständlicher und entspannter man selbst mit dem Thema umgeht,
genauso unkompliziert reagiert (im Idealfall) die Umgebung - von Ausnahmen abgesehen.
Wenn man allerdings ein großes Thema daraus macht und bei jeder unpassenden Gelegenheit ankommt mit "übrigens, ich bin lesbisch!"
und das am besten noch in aggressiv-herausforderndem Tonfall, wird man aufgrund dessen vermutlich ein paar Probleme haben - nicht
wegen der Sache an sich.

ZITAT(McLeod @ 03.Nov.2015 - 20:55) *
Ich finde die Frage aber immer wieder und weiter spannend.

Ich würde aber gerne mal die Gegenfrage stellen. Nicht: was spricht für einen offenen Umgang, sondern was dagegen?


Naja, das kommt darauf an: In einer idealen Welt spricht überhaupt nichts dagegen. In der Welt, in der wir aktuell leben, dagegen schon
so einiges - je nachdem wie die persönlichen Lebensumstände sind, in welcher Gesellschaft (das heißt, z. B. in welchem Land) man
lebt usw. Generell kann man immer und überall einen offenen Umgang pflegen, nur an manchen Orten kann einen das u. U. das Leben kosten.

Selbst wenn viele in diesem Forum persönlich keine oder nur wenige negative Erfahrungen gemacht haben, ist es doch eine Tatsache,
dass in vielen Bevölkerungsschichten und Gegenden (selbst hier im vielgelobten Westen) ein offener Umgang konfliktbelastet sein kann.
Und mit "offenem Umgang" meine ich nicht, Heavy-Petting in der Fußgängerzone, sondern z, b. einen schlichter Begrüßungskuss zwischen zwei
Frauen oder zwei, sich an den Händen haltende Männer usw.

Also, was spricht dagegen? Um mich mal selbst zu zitieren: Im Grunde hängt es davon ab, wie die Umwelt Deiner Meinung nach reagieren
wird und ob Du glaubst, damit entsprechend umgehen zu können. Je nachdem, wie Du dies siehst, entsprechend spricht es für bzw. gegen
einen offenen Umgang.

Der Beitrag wurde von Cassia bearbeitet: 03.Nov.2015 - 21:26
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McLeod
Beitrag 03.Nov.2015 - 21:26
Beitrag #8


mensch.
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Wenn ich Dich richtig verstehe, spricht für Dich dagegen, was Du über die Menschen um Dich herum denkst?
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Cassia
Beitrag 03.Nov.2015 - 21:53
Beitrag #9


Naschkatze
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Naja, damit meinte ich weniger, das was ich ihnen (möglicherweise in einem Anfall von Paranoia) unterstelle, sondern eher das,
was offensichtlich ist.
Wenn jemand generell schlechte Schwulen-Witze erzählt, sich abfällig über die "Mannsweiber" äußert oder Ähnliches von sich gibt,
kann ich schon davon ausgehen, dass bei so einem Typen zumindest ein gewisses Unverständnis vorprogrammiert sein wird, sobald
ich mich ihm gegenüber oute.

Gibt es denn für Dich etwas, das gegen einen offenen Umgang sprechen würde?
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McLeod
Beitrag 03.Nov.2015 - 22:49
Beitrag #10


mensch.
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Wie vielen Menschen hast Du zugehört, als sie abfällig über "Mannweiber" gesprochen haben? Oder wie viele haben neben Dir einen Schwulenwitz erzählt? Und wie haben sie auf Dich gewirkt?

edit: ich frage mangels eigener Erfahrung damit.

Der Beitrag wurde von McLeod bearbeitet: 03.Nov.2015 - 22:52
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Cassia
Beitrag 03.Nov.2015 - 23:40
Beitrag #11


Naschkatze
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Okay, ein paar Beispiele - lass' mich überlegen:

Ein paar Kollegen in meinem Nebenjob haben sich mal ausgiebig darüber ausgelassen, dass ihrer Meinung nach die meisten Frauen nur
"eingebildete" Lesben seien im Sinne von, sie hätten eben noch nie einen Freund gehabt und wenn man sie sich so ansehen würde, könnte
man sich schon vorstellen warum usw. ...
Nach einer Weile habe ich dann doch mal die Frage gestellt, wie viele lesbische Frauen sie eigentlich persönlich kennen oder woher sie ihr
grandioses Wissen sonst haben. Darauf kam die Antwort, dass sei doch allgemein bekannt und ob ich vielleicht eine Lesbe sei. Habe mit
"ja" geantwortet, worauf es erst einmal still war. Dann ein unsicheres Lachen und ob das ein Witz gewesen ist. Ich: "nein". Folge: Peinliches
Schweigen, sonst nichts.

Oder: Ich habe ein paar Männer aus einem anderen Land (ich will jetzt nicht darauf eingehen, aus welchem, weil es im Grunde keine Rolle
spielt) zur Polizei begleitet, weil sie ein paar Stempel auf ihren Pässen gebraucht haben. Auf unserem Weg kamen wir an zwei Männern
vorbei, die engumschlungen über die Straßen gingen. Den Rest des Weges haben sich meine Begleiter über die beiden lustig gemacht und
das teilweise auf ziemlich üble Art.

Oder: Wie ich in meinem Vorstellungsthread ja schon geschrieben habe, war Outing in meiner Familie ebenfalls nie ein Thema, weil einfach
klar war, wie die Reaktionen sein würden.

Wie haben all diese Leute auf mich gewirkt? Es mag sicher einige geben, die Witze machen, ohne groß darüber nachzudenken. Ich vermute,
dass tun die meisten von uns immer mal wieder. Diese Leute sind nicht bösartig, sondern eher gedankenlos. Man kann ja einen etwas aus-
gefallenen Humor haben, nur sollte man sich überlegen, wem man wann was erzählt.
Doch bei vielen sind es Vorurteile, Engstirnigkeit oder Schlimmeres. Solche Leute machen mir, ehrlich gesagt, ein bisschen Angst. Vor allem,
weil man so gar nicht mit ihnen diskutieren kann. Im besten Fall machen sie Zugeständnisse und hören einem wenigstens zu. Aber viele
bleiben dabei, weil diese Witze ja einen wahren Kern hätten und wir Schwulen und Lesben sie nur deshalb nicht komisch fänden, weil wir
der Wahrheit nichts ins Auge sehen wollen. Habe ich auch schon gehört.

Oder: Ein Kollege in oben erwähntem Nebenjob konnte es gar nicht fassen, dass ich auf Frauen stehe, weil ich so gar nicht wie ein Kerl aussehen
würde ...

Was soll man dazu noch sagen?
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McLeod
Beitrag 04.Nov.2015 - 09:30
Beitrag #12


mensch.
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Ich finde es sehr schön, wie Du beschreibst, was die Kollegin mit ihrer "allgemein bekannten" Meinung getan hat, nachdem sie verstand, dass sie gerade die erste lesbisch liebende Frau ihres Lebens (wissentlich zumindest) kennengelernt hat. Das spricht in meinem Logikzentrum totel *für* Miterlebbarkeit, Sichtbarkeit, offen leben - nenn und mach es wie Du magst (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)

Und ja, die deutlich abwertendere Haltung von Männern gegenüber anderen Männern - insbesondere, aber nicht nur, wenn sie einen Mann lieben - kenne ich auch aus wenigen Situationen selbst, ist allerdings (für mich jedenfalls) auch ein anderes Thema. Ich verhalte mich dann emotional solidarisch, wenn ich mich mitgemeint fühle - bei aller "allgemein" gehaltenen Rederei. Das passierte mir auch, als ich in den 90ern in den USA auf einen deutsch-stämmigen, alten Mann traf, der als Kind mit seinen Eltern in den 1930ern ausgewandert war. Seine Frau fragte: "ist das deutsch? es klingt wie jiddisch..." Und ich hatte einen Knoten im Magen. Da hab ich mich einer Gruppe zugehörig oder verbunden gefühlt, zu der ich gar nicht gehören konnte, auch wenn die Staatsangehörigkeit dieselbe ist. Um zum konkreten Fall - Männer lästern beleidigend über andere Männer; Menschen werten andere Menschen ab - zurückzukehren... da empfinde ich uns als Gesamtgesellschaft gerade in einem Lernprozess, wie mit sowas umgehen. Schweigend weitermachen als sei nix geschehen scheint nicht die beste Lösung zu sein. Man muss sich da aber auch nicht persönlich in die Waagschale werfen, wie es in der ersten Situation so wundervoll funktioniert hat. Im Stadion hab ich mich mal umgedreht, als einer zwei Reihen hinter mir mehrfach irgendwas mit "Schiri, schwul, Halbzeit, Kabine, Nummer 13" (vom Gegener natürlich) schrie. "Das hat hier nichts zu suchen!" (oder so änhnlich) - laut und deutlich. Ich war spontan, hab nicht überlegt, und dann hatte ich Herzrasen, als ich mich wieder nach vorne gedreht hab. (IMG:style_emoticons/default/rolleyes.gif) Er hat noch ein bisschen gemurrt, auch sowas wie "Frauen gehören nicht ins Stadion" und zu gern hätte ich mich umgedreht und gesagt "ich hab fast 90 Bundesligaspiele gemacht, und Du?" aber ich wollte ja keinen Zweikampf (Hahnenkampf), sondern dass er aufhört mit dem homophoben Kram. Und das hat er. Ein paar Minuten später hat er gar nichts Dummes mehr rumgebrüllt und gemurmelt.

Über Stereotype wie wer aussieht antworte ich gerade Männern sehr amüsiert, dass die meisten schwulen Männer die ich kenne echt kerlig sind und auf echte Männer stehen, so dass mein Gegenüber sie vermutlich ständig im Fitness-Studio treffen müsste, ohne sie zu bemerken... Oder "Sorry, hab mein Holzfällerhemd nicht an. Musste zur halbjährlichen Inspektion in die Reinigung." Oder auch seufzend: "Ja, das wäre super. Wenn alle maskulinen Frauen lesbisch wären... Das hätte mir so manchen Korb bei einer Hetera erspart." (unabhängig davon, ob das jemals so war... war es ja nicht, ich bin ja gar nicht so wild unterwegs, dass ich mir ständig Körbe einfangen könnte) Wie wäre es mit: "Ach, das ist ja soooo Neunziger!"?

Nun hab ich nichts zur Familie geschrieben, gell? Weil das so ist: es gibt Menschen, die ihre Schwestern, Töchter, Mütter lieber nicht mehr im Leben haben, als sich auf das unbekannte Terrain wagen, auf dem sich die andere gerade zu Hause fühlt, glücklich wird und von anderen geliebt wird. Familie ist ein sehr komplexes Geflecht an Erfahrungen, Glaubenssätzen, ungeschriebenen Regeln, Erbstücken und Kompensationen. Meine macht mich immer noch und immer wieder ganz kirre. *seufz* Ganz unabhängig von Coming-out... Bewertende Umfelder, in denen Nähe davon abhängig gemacht wird, wie konform mensch mit den ungeschriebenen Gesetzen oder ausdrücklichen Bedürfnissen ist - es gibt sicherlich bessere Familienwelten, aber ich hab halt auch nur die eine und sie gehört zu mir, egal wie viel Abstand ich wähle oder andere von mir nehmen. Es ist ein ständiges Gehen, den eigenen Weg unter den Füßen zu behalten. Finde ich. Und ich hab mein Lieben auch selbst bei einigen wenigen Menschen für mich behalten und mein Herz geschützt. Sie wussten "es" zwar dann auch irgendwann über andere aus der Familie, aber wir haben uns aus so vielen Gründen entfernter gehalten, als es ein x-beliebiger Kollege und ich jemals waren.

Also bin ich persönlich auch dafür, den Gedankenlosen eine Chance zum Nachdenken zu geben und zu den Engstirnigen einen Abstand zu wählen, in dem mensch sich selbst noch so gut es geht fühlt - und bei mir ist das ab und an nur mit "stop" sagen so. Manche können ja Engstirnige ganz gelassen so sein lassen, wie sie sind; andere halten per se ihr Umfeld eher für freiere, offener Menschen frei und verspannen sich regelrecht, wenn so ein Engstirni in der Nähe ist; wieder andere fühlen sich auch wohl damit, nicht "zu privat" zu werden, sondern bei sich und in einem kleinen, feinen Freundeskreis vertrauensvoll umzugehen - das hat dann erstmal nix mit den Engstirnis zu tun. Trotzdem werden sie ihren Umgang mit den beschriebenen Situationen finden (müssen). Nicht-Kommunikation gibt es ja nicht und Nicht-Haltung-finden auch nicht.

Für mich war der selbstverständliche, offene Umgang mit mir selbst (der nicht bedeutet, dass diese meine Facette jede/r auf jeden Fall mitbekommt) das Ergebnis diverser Ausprobierereien: wie fühlt sich verschweigen an, wie sehr-wörtlich-nehmen von Fragen (kann ich ja nix dafür, dass sie sich trauen zu fragen, ob ich ne Freundin habe), was passiert, wenn ich sage "ich bin vergeben", "ich war mit meiner Freundin über Silvester in Wien" (war ich leider nie, nur als Beispiel) oder "nächstes Wochenende fahre ich zu L-Beach und freue mich auf wirklich abgefahrene Musik-Acts"... Es ist also keine allgemeinmögliche "Lösung" oder Antwort, sondern es geht vermutlich eher darum, die eigene Comfortzone kennen zu lernen. Die Anderen sind, wie sie sind, ich kann sie nicht nach meinen Wünschen formen und ändern. Wie geht es mir mit ihren Wünschen und Formungseinflüssen, wo bleibe ich wie ich bin, wo kann ich nachgeben, wo fehlt mir aktuell noch Raum? Und was kann ich tun, damit es okay für mich ist?

Ich hoffe, das war jetzt nicht alles zu esoterisch-systemisch-abstrakt ;-)

Liebe Grüße & guten Morgen
McLeod
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