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> Der plötzliche Tod
Bilana
Beitrag 21.Aug.2008 - 13:09
Beitrag #1


Capparis spinosa
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Ein plötzlicher Tod, wie geht mal real(istisch) damit um? Das ist seit sehr langer Zeit ein Thema von mir, es begleitet mich seit meiner Kindheit.
In den vergangen Monaten und Jahren habe ich versucht mir eine Einstellung dazu zu erarbeiten, mit der ich leben kann. Verstehen, dass der Tod zum Leben dazu gehört. Im letzten Jahr habe ich einen Menschen verloren, der mir wichtig war. Es war sehr traurig, aber irgendwie ok. Der Mensch war weit über 80, seine Zeit war wohl gekommen. Ich habe getrauert, aber es war okay.

Heute ist etwas geschehen, was ich nicht begreifen, erfassen kann. In der Bahn vor mir oder auf dem Bahnsteig heute Morgen starb ein Mann. Ich denke, er starb. Die Rettungskräfte noch mit ihm beschäftigt, aber ich denke nicht das sie ihm noch helfen konnten. Es hatte wohl schon zu lange gedauert, denke ich.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass ich so etwas erlebe. Menschen sind plötzlich tot und alle anderen machen bewusst auf „business as usual“. Je plötzlicher der Tod um so „normaler“ geben sich die Leute. Auf dem Bahnsteig haben einige wenige in Richtung des tragischen Geschehens geguckt. Die meisten wirkten so unnormal, normal. Züge fuhren rein und raus, Menschenströme stiegen um, gingen vorbei.
Klar, habe ich auch gemacht, einfach umsteigen. Gibt eh nichts zu tun. Die Rettungskräfte waren ja schon da.

Ich kann damit nicht umgehen, denke ich. Weiß eigentlich gar nicht was ich denken soll.
Merke nur wie die alte Angst wiederkommen. Als es im Büro meiner Chefin heute Vormittag so still war, kein Tippen, keine Telefonate, kein Gekrame wie sonst, musste ich gucken gehen ob sie noch da ist, ob sie noch lebt.
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Schräubchen
Beitrag 24.Aug.2008 - 16:22
Beitrag #2


Dreht manchmal durch...
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"Man könnte viele Beispiele für unsinnige Ausgaben nennen, aber keines ist treffender als die Errichtung einer Friedhofsmauer. Die, die drinnen sind, können sowieso nicht hinaus und die, die draußen sind, wollen nicht hinein." (Mark Twain)

Diesen Satz hat mein Opa vor knapp sieben Wochen von sich gegeben, als wir am Grab meiner Großtante waren. Danach drehte er sich in seinem Rollstohl zu mir um und meinte, dass ich ihn von dort wegbringen solle, weil er "schon früh genug dorthin käme". Fünf Tage später ist er in seiner Wohnung gestorben.

Mein Opa ist 95 Jahre geworden, ein stolzes Alter! Aber er hat seit mindestens 15 Jahren immer gesagt, dass er eine "Eintagsfliege" wäre. Für ihn war der Tod immer anwesend. Wir haben darüber gesprochen. Ganz normal, weil er es als etwas normales empfand. Er hat die Einsätze im 2. Weltkrieg überlebt, war in Gefangenschaft, hat in seinem späteren Leben diverese Unfälle und Krankheiten gehabt, und hat nicht zuletzt fast alle Bekannten aus seiner Generation überlebt. Sein einzigster Wunsch war es, zu Hause sterben zu dürfen. Er wollte in keine Klinik, wollte keine Schläuche und Maschinen und schon gar keine Studenten, für die er nur ein "Versuchskaninchen" wäre. Sein Wunsch ist erfüllt worden.
Vielleicht ist es für mich deshalb relativ "leicht" mit seinem Tod umzugehen.

Schwerer war für mich der plötzliche Tod meines Bruders. Ich habe mich damals geweigert, ihn mir in der Friedhofskapelle noch einmal anzusehen. Und auch, wenn mir damals alle gesagt haben, dass ich das irgendwann bereuen könnte, bin ich mir heute sicher, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Das letzte Bild, dass ich von meinem Bruder im Kopf habe, ist, wie er auf einem Stuhl steht und fluchend versucht eine Lampe unter der Decke anzuschließen. Eine ganz typische Szene für ihn.
Als ihn seine Frau einen Tag später vermisste und wir ihn suchen mussten, wusste ich, dass wir ihn finden werden. Und obwohl ich gehofft habe, dass ihm nichts passiert ist, wusste ich tief in mir drinnen, dass ich ihn nicht wieder sehen werden. Eine tiefe Ahnung von dem, was passiert war.

Ich selbst bin relativ offen mit seinem Tod umgegangen. Ich hab die Menschen mit mir konfrontiert. Dabei ist es vorgekommen, dass sie die Straßenseite gewechselt haben, wenn sie mich sahen, oder ohne ein Wort, völlig perplex hinter mir her gesehen haben. Andere haben mir ihr "Beileid" ausgesprochen, ein Wort, dass ich bis heute nicht mag und selbst nie benutze. Ich hab immer gesagt, dass ich ihr "Beileid" nicht brauche, nur ihr "Mitgefühl".
Auch bin ich bereits am nächsten Tag wieder arbeiten gegangen, hab mir nur am Tag seiner Beerdigung frei genommen. Für mich war das die beste Therapie überhaupt. Im Kindergarten war ich den Fragen und Kommentaren der Kinder ausgeliefert und es ist erstaunlich mit welcher Selbstverständlichkeit die Kleinen mit diesem doch schweren Thema umgehen. Ich habe Fragen beantworten müssen, die ein Erwachsener niemals stellen würde. Angefangen bei so "leichten" Sachen, wie: "Bist du traurig?", über Fragen, wie: "Kannst du ihm denn noch Tschüss sagen?", bis hin zu Fragen, wie: "Wenn du ihm einen Brief schreiben willst, kann der den denn überhaupt noch lesen?" (Ich wollte mich, wie gesagt, nicht in der Friedhofshalle verabschieden, sondern statt dessen einen Brief ins Grab legen)

Auch heute ist der Umgang mit seinem Tod oft sehr merkwürdig. Ich selbst habe kein Problem, darüber zu reden, zu erzählen. Für mich zählt nicht sein Tod, sondern sein Leben und all die schönen und weniger schönen Erinnerungen an ihn, die sowohl sein, als auch mein Leben ausmachen.
Was ich gar nicht mag, ist der Satz: "Das tut mir leid", den ich meist von Menschen höre, denen ich von seinem Tod erzähle und die ihn nicht kannten. Ich weiß dann nie so recht, wie ich darauf reagieren soll.

Abschließend kann ich sagen, dass der Tod für mich, heute etwas ist, was eben dazu gehört. Ich habe erlebt, wie meine Oma jahrelang als Pflegefall dahin vegetierte, ich habe die Krebserkrankung einer Tante miterlebt. Für beide war der Tod eine Erlösung. Ich hab einen guten Freund durch einen Autounfall verloren, hab den plötzlichen Tod meines Bruders hinnehmen müssen und den absehbaren Tod meines Opas. Das alles hat weh getan, tut auch heute mitunter noch weh, doch ich möchte meinen Beitrag mit einem Satz abschließen, den mein Opa immer gesagt hat, wenn ein junger Mensch starb, und von dem ich glaube, dass er eine Wahrheit beinhaltet, die ihm sein Leben gelehrt hat:

"Wer weiß was ihm erspart geblieben ist!"

Der Beitrag wurde von Schräubchen bearbeitet: 24.Aug.2008 - 16:50
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