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> die Entstehung von Vorurteilen, welche Bedingungen braucht es dazu?
Geneviève
Beitrag 12.Aug.2008 - 13:52
Beitrag #1


Vorspeisenexpertin
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Hallo ihr alle,

ich habe ja schon in Miriams Vorurteils-Auflösungs-Thread bekundet, dass ich auch das Thema der Entstehung von Vorurteilen interessant finde, daher ein Extra-Thema dazu für alle, die das ebenfalls interessiert.

Ich nehme als Ausgangspunkt mal einige Äußerungen aus Miriams Thema hier auf, sofern ihr keinen Einspruch dagegen erhebt.

@shark, du hast angemerkt, dass du nur in den Punkten Vorurteile hattest, in denen du auch eine Übereinstimmung zwischen den Vourteilen, die dir vermittelt worden sind, und der Realität gesehen hast.
Das finde ich interessant und auf jeden Fall mehrere Überlegungen wert.
Ich stelle bei mir fest, dass mir von manchen Menschen früher beispielsweise vermittelt worden ist, dass Menschen aus Russland grundsätzlich arm und dumm wären und mangelnde Körperhygiene aufweisen würden. Ich habe das nie geglaubt.
Auch dann nicht, als ich erstmals Kontakt zu einer russischen Familie hatte, die wirklich arm war, relativ ungebildet und die häufiger mal unangenehm gerochen haben.
Trotzdem habe ich diese Erfahrung nie auf Menschen aus Russland allgemein ausgeweitet und da kein Vorurteil entwickelt.

Und die erste Lesbe, die ich einigermaßen bewusst wahrgenommen habe, war meine frühere Musiklehrerin, eine kompetente, engagierte, faire, respektvolle, selbstbewusste und schöne Frau.
Trotzdem hatten sich gewisse Vorurteile Lesben (also auch mir selbst) gegenüber eingeschlichen.
Vielleicht weil ich erlebt habe, dass die Vorurteile größere Macht hatten als die tatsächliche vorurteilsfreie Realität – jene Lehrerin ist mit ziemlich fiesen Mitteln buchstäblich aus der Schule gemobbt worden, ganz egal was für ein hinreißender und kennenswerter Mensch sie gewesen ist.

Deine Anmerkung, dass es auch immer darauf ankommt, von wem und von wie vielen und zu welcher Zeit man Vorurteile vermittelt bekommt, halte ich auch für wichtig und interessant, @shark.

@robin, du hast geschrieben, dass du davon überzeugt seist, dass erst einmal jeder Mensch rassistisch wäre.
Das befremdet mich etwas, um ehrlich zu sein.
Ich erinnere mich daran, als Kind, ich war noch in der Grundschule, erlebt zu haben, wie ein dunkelhäutiger Mitschüler (der einzige im Übrigen) auf dem Schulgelände mit einem Messer bedroht worden ist. Ich war erschüttert darüber und habe das überhaupt nicht kapiert, war nur geschockt. Als ich nachfragte, warum jemand so was macht, sahen mich ein paar meiner Mitschülerinnen mit hochgezogenen Augenbrauen an und sagten etwas wie: wegen seiner Hautfarbe!
Als wäre das logisch und vollkommen klar.
Das hat mich wieder schockiert, weil ich keinen Bezug zwischen irgendeiner Hautfarbe und einem Messerangriff oder auch nur einer trennenden Andersartigkeit bilden konnte.
Der Tag war der erste, an dem ich bewusst wahrnahm, dass einige Menschen hierzulande in dunkleren Hautfarben etwas Außergewöhnliches, Befremdendes sehen.
Zuvor war es einfach so, dass ich natürlich gesehen habe, dass sich die Hautfarbe meines Mitschülers von denen der meisten anderen unterschied – aber auch die Hautfarben der Anderen waren nicht alle gleich. Einige sind schnell rot geworden, einige waren blasser und die meisten im Sommer brauner. Das war für mich in etwa so spektakulär wie die Tatsache, dass es unterschiedliche Augenfarben gibt – nämlich gar nicht.
Ich habe mich damals echt dumm gefühlt, als Hautfarben für manche Menschen um mich herum einen Unterschied gemacht haben, der sogar in Messerangriffen gipfeln konnte.
Und ich fürchte, seitdem habe ich diese frühere Unbelastetheit in Bezug auf Hautfarben zumindest zum Teil verloren, weil ich mich jetzt immer frage, ob ein entsprechender Mensch auch so was erlebt hat und ob es für ihn einen Unterschied macht und ob es daher auch für mich einen machen sollte (in Respekt davor, dass es unter Umständen sicher schwierig ist, mit dunklerer Hautfarbe durchs Leben zu gehen, wenn man dabei Messerangriffe befürchten muss).

Das nur zur Erklärung, warum ich deine Meinung zum Thema, @robin, erst mal gar nicht nachvollziehen kann.
Also wenn du mir erklären magst, wie du darauf kommst, würde mich das freuen. Meine eigenen Erfahrungen zum Thema weisen nämlich in die ganze andere Richtung.


Des Weiteren frage ich mich, ob die Entstehung von Vorurteilen (gegen sich selbst und in Folge dessen auch gegen Andere, die in dem vorurteilsbelasteten Punkt ähnlich sind) grundsätzlich etwas mit mangelndem Selbstwertgefühl zu tun hat.
Ich würde beispielsweise nur verwirrt lachen, wenn jemand mir erläutern würde, warum Menschen mit Zehen, die wie meine geformt sind, in irgendeiner Form minderwertig seien.
Wenn mir jetzt aber von Anfang an eingeredet worden wäre, dass die Form meiner Zehen irgendeine Relevanz für meine Persönlichkeit und meinen Wert als Menschen hat und ich auch erlebt hätte, dass Menschen aufgrund der Form ihrer Zehen schlecht behandelt werden, dann würde ich auf so etwas allerdings wahrscheinlich schon ansprechen, ganz einfach deshalb, weil ich in diesem Punkt verunsichert wäre.

Wirft die Frage auf, ob Vorurteile sich nur in Bereichen bilden können, in denen eine Verunsicherung besteht.
Und Verunsicherungen sind wohl häufig da anzutreffen, wo das Selbstwertgefühl nicht hinreichend ausgebildet ist und/oder wo eine einigermaßen massive Verwirrung besteht (durch Nicht-Übereinstimmung von Selbstwahrnehmung und Spiegelung durch andere und/oder Sprunghaftigkeit in den jeweiligen Spiegelungen und/oder durch mehr oder weniger totalen Widerspruch zwischen eigener Wahrnehmung und der Wahrnehmung anderer auf die gleiche Sache bezogen).


Mich interessiert, wie ihr das seht, was ihr zum Thema Entstehung bzw. Nicht-Entstehung von Vorurteilen sagen mögt usw.


Viele Grüße,

Geneviève
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Geneviève
Beitrag 29.Aug.2008 - 12:15
Beitrag #2


Vorspeisenexpertin
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Hallo kröpi,

dass man im Laufe seines Lebens bestimmte Dinge einfach lernt und dann auf Basis dieses Erlernten auch an ähnliche Situationen heran geht und dass das durchaus die Aufgabe hat, das Leben einfacher (da übersichtlicher) zu gestalten, bezweifle ich gar nicht.
Das sehe ich auch so.

Ich würde allerdings eine Unterscheidung treffen zwischen Vor-Annahme und Vor-Urteil.
Um mal bei deinem Beispiel zu bleiben, ein Lächeln mit etwas Positivem zu verknüpfen und daran diesen Unterschied, den ich meine, zu erläutern:
Ich mag es, wenn Menschen mich anlächeln (und bin auch eine, die eine Menge lächelt). Und ich verbinde das in erster Linie mit etwas Positivem.
Trotzdem habe ich lernen können, dass Lächeln nicht gleich Lächeln ist und dass es da gravierende Unterschiede gibt (wie z.B. ein schleimiges Abo-Andrehungs-Versuch-Lächeln, ein schmieriges Macho-Lächeln irgendeines Typen, ein Zwangs-Lächeln von einer Verkäuferin, der es in Wirklichkeit gerade überhaupt nicht gut geht).

Lächeln allgemein mit etwas Positivem zu verknüpfen, wäre hierbei das, was ich Vorannahme nenne.
Ein Ausgehen von etwas, das ich gelernt habe (denn meist ist ein Lächeln wirklich positiv, sagt zumindest meine Erfahrung), das aber trotzdem nicht als unumstößliches Urteil da ist und im Einzelfall mehr oder weniger sofort beiseite gelassen werden kann, eben wenn mir jemand entgegen kommt, der/die mir irgendetwas andrehen will.

Bei Vorurteilen sieht das meiner Meinung nach anders aus.
Die sitzen fest, selbst wenn gegensätzliche Dinge erlebt werden.
Da ist die Grundhaltung kein „Ich gehe erst mal von x aus, bin aber durchaus dazu in der Lage, x fallen zu lassen (entweder ganz oder für die spezielle Situation), wenn ich y bemerke“.
Die Grundhaltung bei Vorurteilen scheint mir zu sein: „Ich gehe von x aus, selbst wenn um mich herum eine y-Situation besteht und ich bin nicht dazu in der Lage, die y-Situation wahrzunehmen und sie in mein Weltbild zu integrieren und das werde ich auch nie sein (wenn ich nicht wirklich daran arbeite), egal was um mich herum geschieht“.
Vorannahmen sind demnach diese Lebensvereinfachungs-Einordnungen, die allerdings auch um andere, neue Situationen erweitert werden können und das relativ automatisch und problemlos.
Vorurteile hingegen sind fest stehende Kategorisierungen, die sich nicht so einfach auflösen lassen und die auch nicht, ohne dass man wirklich etwas dafür tut, um andere Aspekte erweitert werden können.

Der Ausgangspunkt „Feuer ist gefährlich und schlecht“ schützt erst mal, vor allem, wenn man Kind ist und es deshalb sein lässt, in Feuerzeuge oder in den brennenden Ofen zu fassen oder einen Brand zu legen.
Wenn das eine Grundannahme ist, dann kann man später trotzdem realisieren, dass Feuer, wenn richtig damit umgegangen ist, positive Funktionen hat (Wärme, Licht).
Wenn das ein Vorurteil ist, rennt man sein Leben lang schreiend und zitternd vor Feuer weg, auch dann, wenn man gerade ein eigentlich ganz gemütliches Lagerfeuer erlebt. Man ist nicht dazu in der Lage, komplexere Sätze zu bilden wie: „Feuer kann gefährlich und schlecht sein (Hausbrand z.B.), aber (!) auch angenehm und nützlich (beim Grillen z.B.).“
D.h. ein Dazulernen, mit Widersprüchen umgehen zu können und sie trotzdem integrieren zu können in das eigene Weltbild und die eigenen Ausgangspunkte, ist bei Vorurteilen nicht ohne Weiteres möglich. Dazu bedarf es Arbeit und nicht einfach einem Eintritt in Situationen, die dem Vorurteil widersprechen.
- Ist zumindest meine Meinung zum Thema.


Mir geht es hier darum, zu überlegen, warum manche gelernte Dinge sich als Vorannahme in einem selbst ausbilden und manche eben als Vorurteil.

Darin, dass es wichtig und das Leben vereinfachend ist, von bestimmten erlernten Dingen einfach auszugehen, stimme ich dir völlig zu (sonst würde ja Lernen auch gar nicht funktionieren und man würde immer wieder die gleichen Fehler machen).
Ich stimme dir auch völlig darin zu, dass neue, unbekannte, fremde Situationen eine gewisse Herausforderung sind, mit der man irgendwie umgehen muss und das auch auf Basis des bisher Erlebten macht.
Für mich gibt es eben nur diesen massiven Unterschied, ob diese Ausgangspunkte, mit denen man auf die Welt zugeht, Vorannahmen oder Vorurteile sind.


Viele Grüße,

Geneviève
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