bin ich oder bin ich nicht Einstellungen

[kölnerin]

ich habe da ein kleines, wenn nicht inzwischen schon fast ein großes Problem. Ich glaube ich stehe auf Frauen. Aber woher will man das wirklich wissen? Ich träume inzwischen fast jede Nacht davon von einer Frau verwöhnt zu werden. Ich könnte mir auch nichts schöneres vorstellen als mal eine Frau zu küssen und vielleicht auch mal mehr. Es gibt da auch gewisse Frauen (aus meinem Umfeld) die ich total Klasse und toll finde und lieber heute als Morgen küsse möchte/könnte. Aber woher weiß ich, ob sie vielleicht, genauso empfinden wie ich auch? Ich habe ehrlich gesagt Angst davor den ersten Schritt zu machen..
was ist wenn ich ausgelacht werde oder so meine beste freundin verliere ? ich hatte bisher immer typen als freund.. und mittlerweile wird das verlangen mal ne frau zu küssen immer stärker ... kann mir da evt einer helfen ?

[McLeod]

Hallo kölnerin,

als ich die Überschrift zusammen mit Deinem Forumsnamen las, dachte ich: Beste Voraussetzungen *schmunzel* Wobei vermutlich kein noch so passender Wohnort bei jenem Teil des Coming-outs hilft, der da "Selbstfindung" heißt. (Das ist jetzt ohne Schmunzeln gemeint)

Ich will gar keine Gardinenpredigt darüber halten, ob küssen-wollen und tolle-Frauen-um-sich-haben "bessere" oder "schlechtere" Voraussetzungen sind, als "ich hab mich total in meine Lehrerin / Klassen- oder Mannschaftskameradin verliebt" - die ersten mutigen Gedanken über "ich könnte doch..." finden ihre Worte und Anlässe auf unterschiedliche Weise.

Was ich Dir aus meiner eigenen Erfahrung herauskramen kann ist, dass der gedankliche Eiertanz dazugehört. Jedenfalls bei mir. Es gibt sicherlich auch Frauen, die sich ihrer Hetero-, Bi- oder Homoemotionalität ohne jemals Zweifel zu verspüren, sicher sind, waren und sein werden. Dafür gibt's aber auch kein Bundesverdienstkreuz oder eine Freikarte fürs Kino. Es ist, wie es ist - für jede. Bei mir kamen die Zweifel übrigens nicht vor der ersten Frau, sondern danach (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif) Anyway...

Ich glaube was Dir weiterhelfen könnte, wäre zunächst einmal dieses Schwimmen und die Unsicherheit als gegeben und derzeit nicht verbesserbar anzunehmen. Den Gedankenkreis "Bin ich? - Kann ich erst sagen, nachdem... - Das kann ich aber doch erst machen, wenn ich mich vorher sicher bin... - ich kann mir nicht sicher sein, ehe ich nicht... - Bin ich???" kannst Du aus offensichtlichen Gründen nicht beenden. Kennst Du Asterix bei den Schweizern? Ohne Formular X kein Stempel Y und so...

Der Knackpunkt, an dem Du meiner Meinung nach im Moment hängst ist, aus der Akzeptanz des Unsicheren Sicherheit zu gewinnen. Es ist vollkommen okay, nicht vor dem ersten Kuss, dem ersten Nähern, dem ersten vorsichtigen die-Hand-ausstrecken-und-sie-berühren hundertmal auf eine Tafel geschrieben zu haben "Ich bin übrigens lesbisch." - und es ist okay, sich während des ersten Kusses, des ersten Näherns (usw. usf.) auf diese Erlebnisse zu konzentrieren und hinterher immer noch nicht hundertmal an die Wände sprühen zu wollen "Ich bin übrigens lesbisch". Und selbst wenn Du es tätest, würde Dir kein Bundesverdienstkreuz abgenommen, wenn Du 10 Minuten, 1 Woche oder 2 Jahre später Deine Selbsterkenntnis änderst. Selbsterkenntnis ist kein Begriffs-Tattoo, die eigene Identität entwickelt sich weiter (ob wir wollen, oder nicht (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) ).

Also... nun zum nächsten Schritt. Woher Du wissen könntest, ob diverse Frauen in Deiner Umgebung genauso empfinden, wie Du. Hm... Agesehen davon, dass Dir dann Köln mit der Einwohner/innen-Statistik dann doch helfen könnte (IMG:style_emoticons/default/ph34r.gif) - da bin ich ein wenig altmodisch. Beziehungweise spreche aus Erfahrung, dass die Erfahrung um der Erfahrung willen zwar ganz okay war (meistens jedenfalls), viel besser jedoch war die Erfahrung des Liebens. Nun bin ich aber nicht in der komfortablen Lage, den Stab über Deine Situation brechen zu können - ich habe in meinem Selbstfindungsprozessanfang nämlich auch erstmal die unverliebten, kichernd-heimlichen Experimente gewagt und meine Herzensfrauen nur in unbeobachteten Momenten und aus sicherer Entfernung angeschmachtet. Das ist halt so... das gefühlte Risiko bei einer Herzensdame mehr verlieren als gewinnen zu können ist schrecklich groß. Ob es an den Experimenten lag, die mir mehr Selbstbewusstsein und mehr Sicherheit gegeben haben, oder ob ich irgendwann auf den klugen Gedanken "no risk, no fun" gekommen bin, kann ich im nachhinein nicht mehr sagen. Obwohl ich natürlich die Variante in der das Wort "klug" vorkommt schon allein aus Image-Gründen vorzöge.

Nun kannst Du entscheiden, ob Du erst klug wirst und gleich mit Herzensdamen Experimente wagst oder ob Du erst expermentierst und dann schaust, ob Du klüger geworden bist. Und dann gibt es noch die Variante, dass Du gerade dabei bist ein handvoll Hühnerknochen zur Entscheidungsfindung auf den Tisch zu werfen und da kommt dann plötzlich eine Frau vorbei, die alles vom Tisch fegt und Dich auf selbigen wirft und... *piep* Naja, manchmal reißt es eine einfach von den Beinen, das Leben. Ich glaub... so war es bei mir. Heureka - aber leider nüscht mit klug und so. (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif)

Liebe Grüße nach Köln
McLeod

edit: kleine Typos und ein Halbsatz am Ende

Der Beitrag wurde von McLeod bearbeitet: 01.May.2009 - 06:25