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Beitrag
#1
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Naschkatze ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 329 Userin seit: 16.03.2007 Userinnen-Nr.: 4.205 ![]() |
Ich verfolge seit einiger Zeit die Berichterstattung über exessive Gewalt von Jugendlichen/Heranwachsenden.
Die allgemeinen Straftaten aus dieser Gruppe nehmen seit zwei Jahren leicht ab, die Brutalität und Hemmungslosigkeit bei Gewalttaten ist jedoch gestiegen. Immer häufiger gehen Heranwachsende scheinbar grundlos auf wehrlose Menschen los. Die Abnahme von Straftaten kann auch darin begründet sein, dass es von Jahr zu Jahr weniger Menschen in der betreffenden Altersklasse gibt. In dem "Fall Brunner" gibt es drei Täter: Markus ist wegen Körperverletzung und Diebstahl vorbestraft und saß bereits wegen schwerer räuberischer Erpressung im Jugendarrest. Er hatte einer Rentnerin eine Pistole an den Kopf gehalten und Geld erpresst. Um die Familie kümmern sich seit Jahren die Behörden. Sebastian schnupfte mit 12 Jahren Heroin. Danach schluckt er LSD und Ecstasy-Pillen, kokst und kifft jahrelang, schmiß die Schule. Seine Mutter ist psychisch krank und mit der Erziehung ihres Sohnes überfordert, der Vater stirbt früh. Im November 2008 nimmt ihn das Jugendamt in Obhut. Vorbestraft ist er wegen schwerer Körperverletzung, räuberischer Erpressung und Drogendelikten. Christoph ein Jungen aus gutem Haus. Der säuft und kifft und wurde wegen Körperverletzung und Diebstahl zu Sozialstunden verurteilt wurde. Sebastian und Christoph leben zur Tatzeit im easyContact House, einer Hilfeeinrichtung, sie erhalten Betreuung durch Sozialarbeiter und Therapeuten. Christoph, der die anderen zwei zu weiteren Taten aufforderte, sie hinterherschickte und gemeinsam mit ihnen 15 Euro von den Kindern (die Brunner hiervor schützte)rauben wollte, wurde bereit verurteilt. Er war bei der Tötung selbst nicht anwesend. Allerdings schrieb er nach der Tat hierzu im Internet und musste sich auch hierfür wegen einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten verantworten (da kann sich jede selbst vorstellen was er zur Tat schrieb). Da bei ihm auch Betäubungsmittel sichergestellt worden waren, wurde auch deren unerlaubter Besitz angeklagt. Das Jugendschöffengericht beim Amtsgericht München verurteilte ihn unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter räuberischer Erpressung zu 19 Monaten Jugendstrafe zur Bewährung. Der sich in einer Suchttherapie befindende Verurteilte erhielt als Bewährungsauflage, diese für weitere fünf Monate fortzusetzen. Da Taten von Jugendlichen zumeist ohne Vorstrafen enden, es zu Wiederholungen und einer Schwere der Tat kommen muß, braucht es einiges um vorbestraft zu sein. Vorrang hat im Jugendstrafrecht, solange es irgendwie vertretbar scheint, der Auftrag zu Erziehung bzw. Hilfsangebote. Christoph hat die Tat nicht bereut, nicht die räuberische Erpressung, nicht seine Schläge gegen die Opfer an dem Bahnhof, bevor Brunner eingriff. Dies schließe ich daraus, dass er nach der Tat öffentlich zu Gewalt aufrief im Zusammenhang mit dem Fall. Vor Gericht und somit auch später in der Presse wurde er "Wortführer" der Tat genannt. Auf seine Herkunft aus einem schlechten Miieu kann er sich nicht berufen, stattdessen auf Drogenkonsum. Dies ergab für ihn eine Bewärungsstrafe. Ob die Teilnahme an einer Therapie als Strafe angesehen werden kann bezweifele ich persönlich auch wenn es juristisch so gesehen werden kann. Markus und Sebastian geben als Milderungsgrund Alkoholkonsum an, zudem wird öffentlich über ihre Herkunft und Perspektivlosigkeit berichtet als mögliche Ursache der Tat. Zudem geben sie an von Brunner angegriffen worden zu sein und sprechen von Impulsverlusten und Erinnerungslücken. Nach ähnlichen Taten in München in denen Angeklagte Alkoholenthemmung angaben wurde dies bei Urteilsverkündung in Bayern nicht als Milderungsgrund anerkannt. Grund damals war, dass das Gericht nicht davon ausgeht, dass ein betrunkener Mensch dermaßen zielgerichtet und schnell Schlagen und Treten kann. Wie es in diesem Fall gesehen wird ist unklar. In Bezug auf Betreuung vor der Tat wurde gesellschaftlich intensiv Hilfe in der Familie und individuell für die Täter geleistet. Ich bin ratlos und wütend wenn ich daran denke wie wenig Maßnahmen, ob Strafe oder Hilfe, bei den drei Tätern halfen. Ich bemerke an mir, ich habe wenig Lust mit Gründe zu überlegen wieso sie diese Tat begehen "mussten". Wenn ich mir überlege, dass es Menschen gibt die von sich sagen, sie rasten einfach aus und sind nicht mehr zu bremsen, dann bekomme ich persönlich Angst. Ich hätte ihnen nichts entgegenzuhalten. Ich könnte auch nicht darauf vertrauen am Boden liegend, ohnmächtig, verschont zu werden von weiteren Verletzungen. In solchen Momenten denke ich bezogen auf diese Täter ist es einfach Glück ihnen nicht zu begegnen. |
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Beitrag
#2
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Strösenschusselhai ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Admin Beiträge: 21.898 Userin seit: 10.11.2004 Userinnen-Nr.: 741 ![]() |
Aus der Entwicklungspsychologie wissen wir, dass Kinder erstens Teil eines "größeren Ganzen", Teil ihrer Gesellschaft sein wollen, dass sie "nach Gruppe suchen".
Dass sie zweitens gleichzeitig aber auch nach Selbstständigkeit trachten, Selbstwirksamkeit spüren wollen. Und ich denke, an beidem (von "Fall" zu "Fall" unterschiedlich in der Gewichtung) mangelt es vielen Jugendlichen heute. Genau wie an der Möglichkeit, miteinander selbstgewählte, selbsterdachte "Abenteuer" zu erleben. Wir "vereinzeln" immer mehr - oft auch schon innerhalb der Familie. Soziale Gefüge zerfallen bzw. können erst gar nicht "selbstverständlich" entstehen. Und viele Eltern kümmert es in der Tat wenig, was ihre Kinder so treiben - Hauptsache, allfällig eingehandelter Ärger dringt nicht zu ihnen vor, hat für sie keine Konsequenzen. Ich habe oft erlebt, dass Eltern zum Beispiel dauerhaftes Schulschwänzen ihrer Kinder erst dann als Problem anerkannten, wenn die Polizei diese morgens zuhause abholte oder bereits Bußgelder verhängt wurden. Genau dasselbe bei Delikten, die zu Sozialstunden führten. Erst wenn der erste Arrest anstand, haben sich diese Eltern mit dem Problem der Straffälligkeit (und damit noch lange nicht mit ihrem Kind) auseinandergesetzt. Diese Kinder entbehren oft schon früh schlicht und einfach des "Schutzes" ihrer Eltern - auch des "Schutzes" vor sich selbst, vor noch unausgereiften Entscheidungen, vor Haltlosigkeit. Sie vermissen (meist ohne das wirklich benennen zu können) das oben unter "erstens" Erwähnte: Teil zu sein der Familie, Teil zu sein auch der Gesellschaft, in der sie leben, der sie sich aber mangels Erfahrung mit ihr nicht zugehörig fühlen können. Was bleibt ihnen also? Der unter "zweitens" erwähnte innere Trieb: Sie machen sich früh frei von allem, streben hinaus aus der ohnehin nicht "funktionierenden" Familie und finden dort "draußen" Andere, denen es genauso geht. Ohne aber "Übung" in dem Balanceakt zu haben für das, was uns Menschen gleichzeitig Geborgenheit und Eigenständigkeit schenkt; sie bleiben "schwach" als Menschen. Und führen "schwache" Beziehungen zu Anderen. Da sie aber intuitiv wissen, dass nur starke Verbindungen sie in irgendeiner Form schützen können, tun sie gemeinsam Dinge, die ihnen "stark" vorkommen - und die ihnen Andere (die, die nicht zu ihrer Gruppe gehören) "schwach" vorkommen lassen. Das funktioniert in diesem unreifen Denksystem vor allem und am besten durch Gewalt, durch Wegnehmen, durch Raumgreifen. Und da diesen Kids die Beziehung zu "den Anderen" fehlt und sie sich nicht mit ihnen, mit ihrer Angst, ihrem Schmerz identifizieren können und dürfen (weil sonst ihr System zusammenbricht), mangelt es ihnen auch an Mit- und Schuldgefühl. Dieser Mangel wiederum öffnet Tür und Tor für extreme Gewalttätigkeit, verstärkt noch durch unkontrollierbare Wut darauf, sich selbst aus "draußen stehend" zu erleben.. Und ihr "Abenteuer" wird das "Ungestraft-Davonkommen-Können" und das "Siegen" über alle Anderen - innerhalb und besonders außerhalb ihrer Gruppe. Immer wieder sind solche Jugendliche (zum Beispiel im Rahmen von Gesprächen, die einem "Täter-Opfer-Ausgleich" vorausgehen) selbst erstaunt, wie sympathisch ihnen die "Opfer" plötzlich sind und wie wenig sie eigentlich trennt, wie nah im Gegenteil sie einander hätten sein können. Und ich habe nie erlebt, dass nach einem solchen Gespräch eineR der vormalig, teilweise mehrfach "Opfer" gewordenen, Jugendlichen nochmals angegriffen worden wäre. "Ich kenn die/den jetzt ja. Und der/die ist OK." Diese Kids müssen weit häufiger die Erfahrung machen können, dass die "Anderen ganz OK sind" und dass sie selbst auch "dazugehören" zu dem großen Ding "Gesellschaft". Verantwortung ergibt sich daraus nämlich fast von selbst - und damit sozial verträgliches Verhalten. Wirklich blöd ist, dass (wenn überhaupt) solche Maßnahmen viel zu spät ergriffen werden (da geb ich ella absolut Recht) - viel zu lange wird ignoriert und dann irgendwann hart abgestraft. Das aber fördert bei diesen Jugendlichen nur das Gefühl, nicht dazuzugehören, nicht wichtig zu sein und jede Bestrafung wird irgendwann mit einer Mischung aus Stolz (weil sie wahrgenommen wurden; wenn auch noch so negativ) und Bestätigung ihres Denksystems ("Ich gehöre nicht in diese Gesellschaft; ich werde für das, was ich bin, bestraft.") ge- bzw. ertragen. Dass die erwünschte Wirkung einer Resozialisierung auf diese Weise nicht erreicht werden kann, versteht sich von selbst. Aus der Resilienzforschung weiß man, dass auch Kinder, die in denkbar ungünstigen Verhältnissen groß werden, rechtschaffene und "gesunde" Erwachsene werden können - sie brauchen dazu aber mindestens eine Person in ihrem Umfeld (Tante, Lehrer, Trainerin, Nachbar... wer auch immer; Hauptsache, zu dieser Person besteht eine vertrauensgeprägte, gegenseitig wertschätzende Beziehung), die ihnen vermittelt, "dass sie wer sind" und ihnen Werte vorlebt, die ihnen Eingang in die Gesellschaft verschaffen. Wir alle werden immer mehr zu "EinzelkämpferInnen" in einer Gesellschaft, die Teamgeist predigt und Egoismus lebt. Und genau auf diese Welt bereiten sich diese Jugendlichen vor. Auf eine nicht akzeptable Art, gewiss, aber innerhalb ihres Systems durchaus folgerichtig. Deshalb ist Jugendkriminalität in der Form, um die es in diesem Thread geht, ein deutliches Indiz dafür, dass nicht (nur) in den Familien etwas ganz gewaltig schiefläuft, sondern gesamtgesellschaftlich. shark Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 17.Jul.2010 - 15:40
Bearbeitungsgrund: Fehler beseitigt
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