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> Leaving the life, Vorsicht, kann triggern!
malene
Beitrag 30.Oct.2011 - 12:30
Beitrag #1


Gut durch
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« Leaving the life » von Ann E. Menasche handelt nicht, wie es der Titel auf den ersten Blick nahe legt, vom Freitod. Es handelt sich um Interviews von Lesben, die zur Heterosexualität (zurück)gefunden haben.

Das Buch, mir zufällig in die Hände geraten, interessierte mich nicht besonders, nach kurzem Durchblättern wollte ich es schon aus der Hand legen, als mich die Besitzerin des Buches, eine Bekannte, darauf aufmerksam machte, dass 72% der befragten Ex-Lesben als Grund für ihre „Bekehrung“ NICHT die Anziehung zu Männern als Grund angegeben haben. Nein, der überwältigende Teil der Frauen behauptete, es sei der Druck der Umwelt gewesen, die Norm der Gesellschaft, die sie zur Aufgabe ihrer Identität bewogen hat.

Ich schwankte zwischen Ungläubigkeit und Entsetzen. Immerhin waren die Interviews in den 90er Jahren geführt worden, und nicht etwa in den obskuren fünfziger oder sechziger Jahren, und es handelte sich bei den Interviewten um Amerikanerinnen. Mir als Sandkastenlesbe, die ihre Sexualität immer frei und sehr glücklich ausgelebt hat, kam es immer absolut unverständlich und absurd vor, wie jemand seine Gefühle von seiner Umwelt reglementieren und kontrollieren lassen konnte.

Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, lehnte ich es ab, mir das Buch auszuleihen. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, ich war im beruflichen Stress und wollte lieber etwas Vergnüglicheres lesen. Und überhaupt war all dies zu seltsam und zu weit weg, es betraf niemanden, den ich kannte.

Einige Wochen später erfuhr ich vom Selbstmord einer meiner Exen. Ich hatte seit Ewigkeiten keinen Kontakt mit ihr, wusste, dass sie vor paar Jahren einen Mann geheiratet hatte und hatte damals darüber kopfschüttelnd gelacht. Es sah ihr nicht ähnlich, aber ich hatte mir darüber keine Gedanken gemacht. Menschen können sich ändern, ich hatte keinen Kontakt mehr mit ihr und überhaupt… das Leben ist eben kein gerader, ruhiger Fluss.

Die Details ihres Freitods waren schockierend. Weder ihr Mann noch ihre Freunde wussten, dass sie depressiv war. Alle schienen von allen Wolken zu fallen, als sie erfuhren, dass er lange und sorgfältig im Voraus vorbereitet worden war. So sorgfältig, dass sie erst zwei Wochen nach ihrem Tod gefunden wurde, vom Hund eines Spaziergängers.

Sie hatte mich immer angerufen, als es ihr schlecht ging. Als wir uns aus den Augen verloren, schien diese Rolle niemand übernommen zu haben. Nachdem ich das genaue Datum ihres Todes rekonstruiert hatte, erinnerte ich mich, dass ich in den Wochen zuvor öfter seltsame Anrufe erhalten hatte. Wenn ich mich meldete, hörte ich jemand am anderen Ende der Leitung atmen und dann rasch auflegen. Es ging Wochen lang so und schließlich hob ich nicht mehr ab, wenn die Nummer unterdrückt war. War sie es? Höchstwahrscheinlich, meine Festnetznummer ist seit Jahren die gleiche geblieben, und niemand sonst hatte Anlass zu diesem seltsamen Verhalten.

Nun, ich konnte nichts Näheres über die letzten Jahre und Monate ihres Lebens erfahren, außer dass sie ihrem Mann und ihrer Umgebung in der heimatlichen Kleinstadt fremd geblieben war. So fremd, dass sie niemandem einen Brief hinterlassen hatte. Ich hatte auch erfahren, dass ihre Mutter schon lange auf eine standesgemäße und heterosexuelle Heirat gedrängt und sie mit ihrer (eingebildeten?) Krankheit erpresst hatte. Dass meine Ex meinen Weggang (dies ist mehr als zwei Jahrzehnte her) nie verwunden und dass ihre Mutter mich als das Paradebeispiel weiblicher Wankelmütigkeit hingestellt und dagegen die männlich Standhaftigkeit gelobt hatte.

Nun, ihr sagt euch vielleicht, wozu noch über all dieses vergeudete Leben schreiben.

Ich weiß es selbst nicht. Schuldig fühle ich mich nicht, oder zumindest nicht wirklich. Es schmerzt mich aber, dass sie, eine intelligente, interessante Frau, sich derartig von den herrschenden Normen verbiegen, am Ende sogar von ihnen hatte brechen lassen.

Und im Zusammenhang mit „Leaving the life“ frag ich mich, ob sie jemals als offizielle Hete glücklich gewesen war. Und wenn diese 72% der unglücklichen Ex-Lesben auf Deutschland (zum Beispiel) übertragbar sind, sind vielleicht viele der jetzt so hoch gepriesenen freien Bisexuellen oder Neu-Heten viel weniger frei, als wir denken.

Dies nur als Gedanke, nachdem hier öfter mal über die intoleranten Lesben und über die universale Bisexualität, die ganz bestimmt in jedem von uns schlummern müsse, geschrieben wurde.

Das Schreiben hat nun doch gut getan.

edit: -zig Fehler

Der Beitrag wurde von malene bearbeitet: 30.Oct.2011 - 13:19
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malene
Beitrag 03.Nov.2011 - 23:19
Beitrag #2


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ZITAT(Lucia Brown @ 03.Nov.2011 - 21:37) *
@ Marlene - ich weiß nicht genau, wie ich meine Frage formulieren soll. Ich versuche es mal ... Deine Freundin hat den Freitod gewählt und dann hast du diese Studie gelesen und hast die in Zusammenhang gebracht? Verstehe ich das so richtig?


Ich hatte zunächst kurz im Buch geblättert und mich über den Inhalt informiert. Wie gesagt, es interessierte mich nicht weiter, auch wenn ich die Zahlen schockierend fand. Dann erst erfuhr ich vom Freitod meiner Ex.

Dass ich ihren Selbstmord und die Studie in Zusammenhang gebracht habe, klingt vielleicht weniger seltsam, wenn ich kurz zwei Dinge erwähne, über die ich aus Zeitgründen oben nicht geschrieben habe: Ich habe zu Beginn ihrer Ehe von zwei verschiedenen Personen erfahren, dass sie unglücklich sei und mir nachtrauere (ich muss aber hinzufügen, dass ich nicht ihre letzte Frau war).

Und als ich noch Kontakt mit ihr hatte, hatte sie einmal gesagt, dass es vielleicht am einfachsten sei, wenn sie auf ihre Mutter höre und einen Mann heirate, dann würde ihr Leben einfacher werden. Ich hatte dieses Gespräch vollkommen vergessen und mich erst vor kurzem wieder daran erinnert. Damals hatte ich ihren Ausbruch (sie war genervt und erschöpft) nicht ernst genommen und gewitzelt, ihr künftiger Mann würde mir leid tun, sie würde ihn ja doch mit der erstbesten Frau betrügen. Worauf sie erwidert hatte, soweit ich mich erinnere, dass ich sie doch zu gut kennen würde.

Und da waren noch die Telefonanrufe, die nach ihrem Tod aufhörten.

Natürlich kenne ich die genauen Gründe für ihren Freitod nicht, die kennt niemand. Dass sie sich unglücklich und einsam fühlte, kann mehrere Ursachen gehabt haben. Und da sie nun tot ist und sich nicht wehren kann, möchte ich auch nicht behaupten, dass ich mit meiner Vermutung Recht habe. Dieser Verdacht geht mir jedoch nicht aus dem Kopf und fast wäre es mir am liebsten, wenn mir jemand beweisen könnte, dass ich unrecht habe.

Meine Frau meint, ich sollte ihre Angehörigen ansprechen, um vielleicht mehr von den letzten Monaten ihres Lebens zu erfahren, weil sie glaubt, dass mir mehr „Wissen“ helfen würde. Aber da ich mit erheblicher Verspätung von ihrem Tod erfahren habe, möchte ich es ihrer Familie nicht zumuten, alles wieder aufzuwühlen.

Ich habe in den letzten Tagen etwas Abstand zu dieser Sache gewonnen und beginne wieder freundlicher an die Zeiten mit ihr zurückdenken, ohne diese eisige, schuldgeladene Erstarrung. Dank meiner Frau, meiner Freunde und Familie, und nicht zuletzt auch dank Euch hier und Eurer sensibler Reaktionen.
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Der Beitrag wurde von malene bearbeitet: 03.Nov.2011 - 23:33
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