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Beitrag
#1
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Vorspeisenexpertin ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 74 Userin seit: 16.09.2013 Userinnen-Nr.: 8.691 ![]() |
Liebes Forum,
im Folgenden möchte ich allen, die mehr über Russland erfahren möchten, in mehreren Teilen das Land, die Leute und das Lebensgefühl näher bringen. LG Viktoria Das andere Antlitz Russlands Teil 1 Anfänge und Allgemeines „Also, jetzt ist sie völlig durchgeknallt!“ war die Reaktion meiner Freunde und Verwandten, als ich vor nunmehr zehn Jahren meinen Entschluss bekannt gab, nach Russland auszuwandern. Wenn mir davor irgendjemand gesagt hätte, dass ich einmal in Russland leben werde, hätte ich nur ungläubig den Kopf geschüttelt, wenngleich ich bereits in der Schule eine Vorliebe für die russische Kultur hatte. Die Anfänge reichen also in diese Zeit vor dreißig Jahren zurück, als ich im Altpapiercontainer eine etwas zerfledderte Ausgabe von Iwan Turgeniews „Väter und Söhne“ in deutscher Übersetzung fand. Schon bei den ersten Sätzen war mir klar, dass man das Buch unbedingt auf Russisch lesen muss. Das war auch gleichzeitig der Impuls für mich, Russisch zu lernen. Das Bild dieser Landschaft in Turgeniews Roman, das vor meinen Augen erstand und eine tiefe Sehnsucht in mir auslöste, und die russische Sprache ließen mich von da an nicht mehr los … So betrat ich an einem trüben Novembernachmittag nach monatelanger akribischer Vorbereitung meiner Auswanderung und einem erhebenden Flug ins Unbekannte zum ersten Mal russischen Boden. Trotz der teilweise krassen Unterschiede zum Westen, empfand ich vom ersten Augenblick an eine gewisse Vertrautheit. Ich fühlte mich nicht fremd hier. Es war vielmehr ein Nachhausekommen. In den anschließenden Wochen und Monaten machte ich Bekanntschaft mit allen Facetten der russischen Bürokratie, bis ich meine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung hatte. Erst danach konnte ich meine berufliche Tätigkeit aufnehmen. Die Zeit bis dahin nutzte ich, um Land und Leute besser kennen zu lernen. Ich knüpfte auch Freundschaften, von denen einige auch wieder zerbrachen. Meine Erfahrung ist, dass Russen und Deutsche mehr verbindet als trennt. Nach zwei Jahren erhielt ich die ständige Aufenthaltsgenehmigung. Nachdem ich vier Jahre in einer Mietwohnung in der Stadt gelebt hatte, kaufte ich das erträumte Haus im Dorf. So erfreut nun die eindrucksvolle Landschaft aus Turgeniews Werk jeden Tag mein Auge. Ich habe ein paar Hobbys zu meinem Beruf gemacht, auch Schreiben gehört dazu. Ich schneidere und entwerfe gerne und habe mir einen entsprechenden kleinen Kundenkreis aufgebaut. Daneben verfasse ich auch diverse Artikel u. Ä. Mein Traum wäre, ein Buch über das wahre Russland zu schreiben, ohne diese Sensationshascherei, der man u. a. in deutschsprachigen Medien oft begegnet und die wirklich ärgerlich ist, weil sie das Bild von diesem herrlichen Land so verzerrt. Das Land hat so viele Facetten. Ich schreibe momentan auch an einem Krimi, allerdings nur für mich selbst. Die Landschaft und Menschen hier inspirieren mich stark, so dass ich noch ein paar schöne Sujets für weitere Krimis auf Lager habe. Übrigens schreibe ich auf Russisch. Nur so kann ich die Nuancen in Sprache und Verhalten der Menschen einerseits und die gesamte Atmosphäre und innewohnende Tiefe andererseits entsprechend rüberbringen. Es bleibt auch noch Zeit für ein paar Nachhilfeschüler. Heimweh habe ich nicht, schließlich bin ich ja freiwillig nach Russland gegangen. Freilich gibt es hier leider auch viel Negatives. Das Leben ist wesentlich komplizierter als im Westen, vor allem außerhalb von Moskau und St. Petersburg, aber beide Städte sind ja ohnehin eine Welt für sich. Vor ca. zwei Jahren hatte ich so eine Phase, in der ich mich meinen russischen Bekannten und Freunden gegenüber oft sehr unverblümt darüber ausließ, was mir hier alles so nicht gefällt. Dabei war ich sicher keine angenehme Gesprächspartnerin. Ich war sogar ein paar Mal drauf und dran, hier alles hinzuschmeißen und in ein anderes Land zu ziehen, wo es sich leichter lebt. Am stärksten war dieser Wunsch die letzten anderthalb Jahre. Aber irgendetwas hat mich immer davon abgehalten. Wenn ich im Flugzeug in die alte Heimat saß und mir vorstellte, dass das mein letzter Flug aus Russland ist, überkam mich immer eine tiefe Traurigkeit, und ich verstand, ich kann dieses Land trotz allem nie verlassen. Ich hätte immer Sehnsucht, Heimweh nach diesem Land. Wie singen so schön die Eagles in ihrem Song „Hotel California“: „You can check out any time, but you can never leave“. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Dieses Jahr im Juli jedoch trat ein Ereignis ein, das meine ursprünglichen Gefühle für Russland wieder erwachen ließ. Ich wollte, als ich, vor allem voriges Jahr, ernsthaft mit dem Gedanken spielte, Russland zu verlassen und in ein anderes Land zu übersiedeln, natürlich meinen Kater mitnehmen. Dazu musste ich ihn aber u. a. kastrieren, impfen und chippen lassen. Nur konnte ich mich einfach nicht entschließen, bei welchem Tierarzt oder in welcher Tierklinik ich das machen lassen sollte. Ich schob alles immer wieder auf – bis dieses Jahr Anfang Juli mein Kater plötzlich krank wurde. Das zwang mich nun, mich für einen Tierarzt bzw. eine Tierklinik entscheiden: Der Weg führte mich direkt zu Larissa, meiner Tierärztin, in die ich mich bis über beide Ohren verliebte. Danach war mein Wunsch, Russland zu verlassen, wie weggeblasen. Ich kann mir nun gar nicht mehr vorstellen, woanders zu leben. Bemerkenswert ist auch, dass ich trotz der vielen Missstände in dem Land nun einfach nicht mehr über Russland schimpfen und Larissa nichts Negatives über Russland sagen kann. Seit Anfang Juli ist so viel passiert … Es ist, als ob nun endlich auch mein Kopf begriffen hätte, was das Herz schon immer wusste, nämlich dass mein Platz hier und Russland mein Zuhause ist. |
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Beitrag
#2
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Vorspeisenexpertin ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 74 Userin seit: 16.09.2013 Userinnen-Nr.: 8.691 ![]() |
Liebe Rafaella,
mit meiner Schilderung wollte ich keinesfalls als naiv oder Närrin rüberkommen. Schließlich habe ich im 1. Teil doch geschrieben "... nach monatelanger akribischer Vorbereitung meiner Auswanderung...". Alles anzuführen, was sich hinter dieser Phrase im Detail verbirgt, hätte den Rahmen gesprengt. Du hast wohl keine Vorstellung davon, wie viel Arbeit hier in Wirklichkeit dahintersteckt, auch wenn (oder gerade weil) sich die Erzählung eher locker anhört. Man wandert nicht aus, ohne sich vorher gründlich über das Zielland zu informieren und zu planen, schon gar nicht in so ein Land. Das kann beträchtlich ins Auge gehen und sehr viel Lehrgeld kosten. Natürlich gibt es eine Menge solcher Abenteurer, aber wer sich in einem anderen Land ernsthaft ein Leben aufzubauen beabsichtigt, geht entschieden anders vor. Ich mag vielleicht so rüberkommen, aber ich bin keine dumme Träumerin, sondern eine gründliche Planerin und Realistin. Ich suche Wege zur Realisierung, lasse mich von Hindernissen nicht abschrecken und schaue der Wahrheit ins Gesicht, so bitter sie auch sein mag. Wahrscheinlich gelingt es mir gerade deshalb, einen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Mit meiner Erzählung wollte ich auch anderen Mut machen, ihre Träume zu realisieren, und ihnen zeigen, dass ein Traum nicht ein Traum bleiben muss, auch wenn der Weg zum Ziel mit unterbeschwerlich ist. Wenn man aber ein Ziel vor Augen hat, meistert man die Hindernisse, die sich einen in den Weg stellen, leichter. Auch hier gilt der wunderschöne Spruch (ich weiß jetzt nicht, von wem er stammt): "Das Leben ist ein steiniger Weg. Ich habe schon viele schöne Steine gefunden." Für meinen Weg nach und in Russland kann ich das nur bestätigen. LG Viktoria |
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Vereinfachte Darstellung | Aktuelles Datum: 06.05.2025 - 19:49 |