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> Sekte mit Homophobie
Watching
Beitrag 18.Mar.2015 - 03:27
Beitrag #1


Vorkosterin
*

Gruppe: Members
Beiträge: 3
Userin seit: 17.03.2015
Userinnen-Nr.: 9.227



Hallo Mädels,

bin neu hier und möchte mich und meine Geschichte kurz vorstellen:

meine Eltern sind religiöse Fanatiker und gehören einer Sekte an. Dementsprechend streng wurde ich erzogen.
Für mich war schon immer klar (schon als kleines Kind), dass Frauen/Mädchen mich anziehen. Erst in der Pubertät wurde diese "Neigung" zu einem Problem, dank der Sekte. Ich führte aus Angst vor der Sekte und vor meinen Eltern ein Doppelleben, verlobte mich mit einem jungen Mann, der ebenfalls dieser Sekte angehörte.
Mit Ende 17 lernte ich ein Mädchen kennen... Wie es der Zufall so wollte, kam sie als Neuzugang in meine Klasse.
Ich war von Anfang an in sie verliebt, hätte mich aber nie von mir aus getraut, irgendeinen Schritt in diese Richtung zu tun.
Zum Glück war sie nicht so schüchtern wie ich und machte mir schnell klar, dass sie mich mag. Wir schrieben uns im Unterricht kleine Zettelchen und gestanden uns unsere Gefühle.
Eines Tages kam ich nach Hause, meine Mutter stand bereits im Eingang und sah mich mit einem Blick an, den ich in ihren Augen noch nie zuvor gesehen hatte. In dem Moment wusste ich, dass mein bisheriges Leben vorbei war...
Sie hatte in meinem Zimmer und in meinen Sachen gewühlt während ich abwesend war und eben einen dieser Zettel entdeckt. Ich wiederhole jetzt nicht, was sie damals alles zu mir sagte, aber von dem Tag an verlor ich meine Mutter.

Immer wenn ich nach Hause kam war das Gefühl von Familie und Geborgenheit völlig kaputt. Ich hatte niemanden zum Reden und auch sonst war von der Sekte, in der ich ja schließlich aufgewachsen war und dort viele Freunde hatte, niemand mehr für mich da. Ich wurde ausgeschlossen, ignoriert und geschnitten. Wenn sie mir auf der Strasse oder im Geschäft begegnen, dann wechseln sie die Strassenseite oder tun so, als würden sie mich nicht kennen.
Mit 19 warf meine Mutter mich zu Hause raus.
Ich nahm mir ein kleines Appartement und lebte dort mit dem Mädchen mehr schlecht als recht.
Es gab wahnsinnig viel Streit zwischen uns, wir hatten Geldsorgen und ich war psychisch sehr labil. Dann fing ich an, wahllos mit Männern und Frauen zu schlafen, weil ich alles an mir und in meinem Leben in Frage stellte. Es war eine schlimme Zeit - ich habe andere und mich selbst verletzt.
Mittlerweile bin ich Anfang 30 und zum ersten Mal in einem Forum wie diesem. Mich würde sehr interessieren, ob es hier noch andere Frauen gibt, die aufgrund religiöser Dinge Ähnliches erlebt haben wie ich. Es wäre schön, wenn Ihr mir davon "erzählt"...

Viele Grüße, Watching
(sorry für den langen Text)
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Joey
Beitrag 18.Mar.2015 - 14:18
Beitrag #2


Im Frühling.
************

Gruppe: Members
Beiträge: 14.196
Userin seit: 14.12.2004
Userinnen-Nr.: 931



Liebe Watching,

als ich Deine Zeilen gelesen habe, war es, als würde ich meine eigene Geschichte lesen. (Manch langvertretene Forum-Userin mag sich an mein "Drama" von damals noch erinnern.)
Ich muss mich gerade ein bisschen sammeln.

Seit ich 11 war gehörte ich einer freikirchlichen Gemeinde an und wenn ich eines in den Jahren gelernt habe: Je freier sich etwas in der Richtung schimpft, desto engstirniger wird alles angesehen.
Meine Eltern waren damals auch in der Gemeinde. Wir waren eine Bilderbuchfamilie, alle sehr aktiv und in verantwortungsvollen Positionen. Dass ich aber "anders" war, spürte ich sehr früh und fragte meine Eltern immer wieder um Rat, weil ich von ihnen wissen wollte, ob ich wohl lesbisch sein könnte. Sie verneinten es und wir beteten gemeinsam, damit ich solche Gedanken/Gefühle nicht mehr haben würde.

Ich habe mich zwar mal in einen Jungen aus der Gemeinde verknallt, aber es waren immer Frauen, denen ich hinterher sah und in deren Gegenwart ich nervös wurde, dass sich meine Worte und Gedanken verflüchtigen.

Nach dem ersten Mal mit einer Frau war für mich klar, dass da etwas in mir ist, das ich so nicht länger verbergen konnte und es stürzte mich in ein absolutes Gefühlschaos. Als ich am nächsten Morgen nach Hause kam, hatte ich Angst, meine Eltern würden von meiner Stirn ablesen können, dass ich unkeusch war. (S*x war schließlich vor der Ehe Tabu und mit einer Frau unvorstellbar!)
Ich habe meinen Eltern irgendwann reinen Wein eingeschenkt. Sie beteten für mich und auch meine Bezugsperson in der Gemeinde wurde eingeweiht. Ich glaubte, die Phase wäre vorbei – bis ich auf meine erste richtige Freundin traf. Ab dem Zeitpunkt führte ich ein Doppelleben. In der Gemeinde war ich ein großes Vorbild, zuhause die Freundin einer Frau. Über Monate habe ich versucht, beides unter einen Hut zu bekommen, bis ich gemerkt habe, dass der Hut mit jedem Augenblick kleiner wurde.

Nach langem Ringen entschloss ich mich daher, die Gemeinde zu verlassen. Alle fielen aus allen Wolken und meine Eltern überhäuften mich mit Vorwürfen. (Ich kann mir wirklich ganz genau vorstellen, was Du Dir von ihrer Seite aus immer anhören durftest.)
Unsere so innige Beziehung erlitt einen herben Schaden. Ich verlor nicht nur den Draht zu ihnen, sondern auch mein komplettes soziales Umfeld und wäre beinahe daran zerbrochen. Eine Zeitlang war ich es sogar.
Ich wollte mich anfangs selbst nicht so akzeptieren, glaubte alles, was mir vorgeworfen wurde. Glaubte, dass ich verkehrt wäre. Ich wollte mich selbst so sehr davon überzeugen, dass die Frauen nur eine Phase wären, dass ich mich tatsächlich auch in heterosexuelle Abenteuer stürzte und sogar eine Beziehung führte. Das versuchte ich drei, vier Jahre und stellte fest, dass mir immer etwas fehlte. Mit meinen Eltern war es zwischenzeitlich besser. Die Beziehung zu meinem damaligen Exfreund beruhigte sie.
Und obwohl es familiär wieder besser war, fühlte ich mich leer. Und irgendwann merkte ich, dass ich vor mir nicht mehr weglaufen konnte. Nein, ich merkte, dass ich nicht mehr weglaufen wollte.

Und dann fing ich an. Ich wollte meinen Glauben nie aufgeben und glaubte immer, ich müsse das tun. Aber so war es nicht und diese Erkenntnisse brauchte bei mir einige Jahre.

Dann traf ich diese eine Frau und wollte es einfach nicht mehr verstecken. Also biss ich in den sauren Apfel und gestand es meinen Eltern, nachdem es viele Jahre kein Thema mehr war. Sie hatten die Gemeinde zu dem Zeitpunkt gerade verlassen. 7 Jahre nach mir. Ihre Reaktion war nicht überwältigend, doch nach einiger Zeit waren sie bereit, meine damalige Freundin kennen zu lernen. Ich weiß, dass sie viele Probleme damit hatten, aber wie durch ein Wunder (und ich sehe es als Wunder) kommen sie immer besser damit zurecht. Sie akzeptieren es nicht nur; sie lieben mich. Aber dieser Prozess hat lange gedauert und ich bin überzeugt davon, dass es nicht funktioniert hätte, würden sie noch in der Gemeinde verwurzelt sein.
Manchmal bin ich selbst überrascht, wie selbstverständlich meine Mama vor anderen von mir erzählt. Das zu sehen ist jedes Mal berührend und wäre vor 10 Jahren undenkbar gewesen.

Die Gemeinde fehlt mir nicht mehr. Zwar hatte es mich anfangs sehr getroffen, wenn ich beim zufälligen Zusammentreffen ignoriert wurde, jedoch ist dies nun etwas, das mir nichts mehr anhaben kann. Die Freundschaften, die ich damals hatte, waren keine. Und was echte Freunde sind, habe ich erst im Laufe der letzten Jahre erleben dürfen.

Der Weg zu meinem jetzigen Ich war steinig und nicht immer leicht. Ich habe viel gerungen, gezweifelt, geweint, aufgegeben und gehofft.
Und jeder kleinste Schritt hat sich gelohnt.

Ich wünsche Dir, dass Deine Eltern den Absprung auch eines Tages schaffen. Ich wünsche Dir, dass sie irgendwann erkennen, dass es Dein Leben ist und Du Diejenige bist, die sich damit glücklich fühlen muss. Und dass sie erkennen, dass Liebe nichts mit erfüllten Erwartungen zu tun hat, sondern gänzlich davon frei ist!

Ich bin mir sicher, dass sich alles zum Guten fügen wird. Vielleicht braucht es einfach noch ein bisschen Zeit. Mir hat der Austausch mit anderen damals sehr gut getan. Freundschaften, Freizeitvergnügen. Ich kann nicht mehr sagen, wie ich alleine aus meinem Loch gekrabbelt bin. Irgendwie und irgendwann… da ging es auf einmal besser, weil ich keine Lust mehr hatte, die Erwartungen zu erfüllen, die andere an mich stellten. Ich wollte einfach sein dürfen, wie ich sein wollte.
Und das war der Schritt für mich in ein neues Leben und auf eine spannende Reise. Zu mir.

Und ich wünsche Dir, dass Du Dich auf eben diese begeben kannst und Dein Ziel erreichst und alle Last hinter Dir lassen kannst.

Vielleicht kann Dir meine Geschichte ein bisschen weiterhelfen oder Dir zumindest Mut machen.


P.S.: Das ist mal ein langer Text. (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)
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