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> Coming-out, Klappe die 2.
Woody
Beitrag 20.Nov.2015 - 17:54
Beitrag #1


Fürstin Pückler
*********

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Hallo ihr Lieben,

irgendwie treibt mich der Gedanke über meine Identität seit einigen Tagen / Wochen wieder umher.

Es ist alles noch unkonkret, dennoch ist es viel, was in mir los ist.
Ein Teil dessen, was los ist, hat mit fehlendem Austausch zu tun.
Das ist der Grund, warum ich auch diesen Beitrag schreibe.

Ich hatte schon mal erwähnt, dass ich mit einem Transmann in einer Beziehung war.
Wir sind inzwischen getrennt und es gab im Nachhinein sehr böses Blut.

Vor der Beziehung hatte ich eine Freundin, aber es hielt nicht lange.
Dennoch brachte die Zeit mit ihr eine Auseinandersetzung mit mir selbst mit sich.
Ich wurde mir immer sicherer, dass ich keinen Mann mehr möchte.

Dann kam der Mensch, den ich als Frau kennenlernte und jetzt ....

Innerhalb der Beziehung hatte es keinen Platz mehr für meinen Prozess der Selbstfindung, der Identitätsbildung.
Ich bekam das Deckelchen "Hetero" aufgesetzt und mehr gab es da nicht zu reflektieren.
Er hat sich so verändert, ist so konservativ geworden. Er hat angefangen über lesbische Frauen zu urteilen.

Wir sind seit Juli getrennt und er hat mir vieles genommen. Materiell und immateriell.
Ich fühle mich manchmal wie ein geprügelter Hund.


Seit der Trennung hat sich etwas schönes entwickelt:
Der oben beschriebene Prozess geht weiter.
Ich traue mich zu fragen, was ich schön finde, was ich liebe, was ich begehre...

Ich habe es auch wieder mit einer Frau ausprobiert.
Wenn ich eine Frau spüre, aber auch wenn ich in mich spüre bin ich mir wieder sicher, dass ich keinen Mann möchte.

Es ist gerade so viel in mir aber die größte Frage ist:
Wie gehe ich damit um?

In meinem Umfeld wussten alle von einem "ihm" und davor wusste kaum jemand von einer "ihr".
Nur sehr wenige wussten überhaupt von seiner Transidentität.

Es ist, als müsste ich nochmal komplett neu anfangen, bei null.

Das einzige was ich in der Hand habe ist diese Sicherheit, dass ich keinen Mann mehr möchte.

Ich habe Angst vor Ablehnung, gerade weil ich ein Kind habe.
Ich habe Angst vor Problemen an meiner Hochschule.
Inzwischen habe ich mir einen Namen gemacht und ich möchte eine Hochschullaufbahn einschlagen.
Ich habe Angst vor Konsequenzen, dass geredet wird.

Es ist mir klar, Angst ist kein guter Ratgeber, aber...

Ich würde mich so gerne über all das austauschen, aber ich weiß nicht mit wem.
Ich war vor ihm und zeitweise während ihm bei einem Stammtisch. Teilweise hatte ich Gespräche dieser Art.
Ich will nicht wieder ankommen und nochmal alles aufrollen, auch weil sie ihn kennen.
Mit der Frau, die ich oben erwähnt habe, kann ich nicht darüber reden.
Sie versteht nicht, warum ich mir überhaupt so viele Gedanken mache.

Es geht mir auch nicht nur um ein Outing sondern darum, dass ich mein bisheriges Selbstbild nun mit dem wieder lesbisch oder überhaupt lesbisch sein in Verbindung zu setzen versuche.
Dieser Prozess ist so holprig. Was war ich weit weg von mir...

Ich weiß ich bin kompliziert, aber ich gehöre einfach zu den Menschen, die sich viele Gedanken machen.
Ich möchte Klarheit darüber wer ich bin.

Zudem wünsche ich mir Erfahrung, wie so ein Outing abläuft. Ab wann ist es völlig normal zu sagen, dass man Frauen liebt und begehrt, dass man lesbisch ist...
Momentan spielt sich fast alles noch innerlich ab.

Ich wünschte mein Weg wäre damals nicht unterbrochen worden, dann wäre ich jetzt schon zehn Schritte weiter.

(IMG:style_emoticons/default/gruebel.gif)















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McLeod
Beitrag 24.Nov.2015 - 11:14
Beitrag #2


mensch.
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Liebe Woody,

es ist so ein Satz, der mich selbst sehr vorsichtig werden lässt, der sich da gerade in mir formt: Deine Gedanken kommen mir ganz fürchterlich bekannt vor. Der Wunsch nach Bedingungslosigkeit und die Enttäuschung, wenn es – mal wieder – deutlich wird, dass es welche gab oder gibt. Das Gefühl von starker Begrenzung, wenn jemand einen Stempel auspackt, fest ins Kissen drückt und dann – irgendwie – auf meine gedankliche Haut.

Manchmal kann ich das gelassen nehmen. Menschen sind wie sie sind und sie dürfen so sein – wer bin ich, sie mir anders zu wünschen?

Umso mehr schätze ich Begegnungen, in denen es anders ist. In denen ich mich nicht verführt fühle, stärker zu wirken, als ich bin. Gerade erinnere ich mich an „Der Teufel trägt Prada“, ein Film von dem mir eigentlich nur eins in Erinnerung geblieben ist, dass Meryl Streep gegen Ende Schwachsein erlebt, eine Niederlage, den (DEN) Kontrollverlust. Und dass sie sich dann den Staub von den Knien wischt, das Krönchen zurecht rückt, innerlich und danach weitergeht, nahezu unverändert. Nahezu eben nur. So wie das Zentrum für politische Schönheit eine Rettungsinsel im Mittelmeer verankert und es fast unverändert lebensgefährlich bleibt. Fast.

Diese Gefühle – jetzt ist es genug, einfach weinen, Wunden heilen lassen, indem sie mal an die Luft kommen – relativieren nicht alles andere, und schon gar nicht negieren sie es. Aber ja, es gibt Menschen, die es dann genauso sagen: „Sie ist ja gar nicht so, wie man denkt...“

Souveränität ist es, die Menschen sagen zu lassen, was sie meinen sagen zu müssen. Und für sich zu entscheiden, was gut und richtig, möglich und machbar ist. Für meinen Teil habe ich da noch viel zu üben und zu stärken. Wie das so ist, wenn es nicht zur Grundausstattung gehört. Ich finde es erstrebenswert, unabhängig zu sein. Dann kann ich näher bei Menschen sein, ihnen klarer, wahrnehmender begegnen. Sie mehr so sein lassen wie sie sind. Auch mit kritischen Fragen, mit Grenzwertigem. Dann sind meine Grenzen sicherer, als sie es jetzt sind. Stelle ich mir jedenfalls vor. Natürlich bleibt ein Mensch verletzbar. Vielleicht (stelle ich mir jedenfalls vor) weniger vom Impliziten, vom Nicht-Wissen oder Nicht-Verstehen-Können/Wollen.

„Was soll ich denn von mir erzählen, ohne dass jemand zu mir sagt...“

Es mag Menschen geben, die denken, dass Konventionen und Normen zu befolgen vor Ungemach, Schmerz und Ablehnung schützen könnte. Und wenn sie ein passendes Kleidungsstück sind, spricht nichts dagegen, sie sich anzuziehen. Dann passt es und das ist in Ordnung so. Und es ist okay, zu denken dass die eigenen Lösungen vielleicht auch auf und für andere passen. So läuft hier ja beispielsweise auch ganz viel unterstützende Kommunikation im Forum ab.

Mich interessiert wieder was: Was macht es mit Dir, wenn jemand sagt „ich bin glücklich“ und Du siehst Arbeitsfrust und Zeitmangel?

Herzliche Grüße
McLeod
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Woody
Beitrag 24.Nov.2015 - 17:50
Beitrag #3


Fürstin Pückler
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Erst einmal nur hierauf eine Antwort:

ZITAT(McLeod @ 24.Nov.2015 - 11:14) *
Was macht es mit Dir, wenn jemand sagt „ich bin glücklich“ und Du siehst Arbeitsfrust und Zeitmangel?


Allem voran verunsichert es mich und ich stelle meine Empfindungen in Frage.

Ich sehe etwas und interpretiere es, menschlich halt.
Egal ob Handlungen oder menschliche Regungen, im Gesicht zum Beispiel.
Dazu kommt, dass ich auch sehr viel spüre.
Die Emotionen die ich wahrnehme, muss ich manchmal erst sortieren:
Meine, ihre, seine...
Manchmal ist es aber auch klar, zumindest für mich.

Stimmt mein Gespürtes nicht mit den Aussagen der jeweiligen Person überein, frage ich mich oft nach der Richtigkeit meiner Wahrnehmung.
Ich kann nicht davon ausgehen, dass ich richtig liege und die Person falsch.
Kein richtig oder falsch, unterschiedliche Perspektiven, unterschiedlicher Abstand...
Manchmal habe ich aber auch den Eindruck, die Person will nicht sehen oder spüren, was da ist.
Sie hat ihre Gründe.

Und da weiß ich nicht, was ich sagen soll.
Oft sage ich nichts.
Manchmal erzähle ich von meiner Wahrnehmung, ganz vorsichtig.

Da fällt mir ein schöner Abend mit einer Freundin ein, von dem ich kurz erzählen möchte.

Diese Freundin ist, als ich sie bei dem ganz zu Anfang erwähnten Stammtisch kennenlernte, mit einer Bekannten von mir zusammen gekommen.
Einige Monate später trennte sie sich, während einem Auslandssemester.

Inzwischen ist sie fertig mit ihrem Ingenieursstudium und hat einen Freund, mit dem sie zusammen gezogen ist.
Vor dem besagten Abend, hatten wir viele schöne und tiefe Gespräche, politisch, feministisch... trotz großem Abstand zwischen unseren Treffen.

Bevor das erste Wort viel, hatte ich den Eindruck eine Energiewelle, ein Energiechaos würde mich überrollen.
Sie begann mir zu erzählen, dass sie sich gerade drei Paar Sommerschuhe gekauft hatte, dass ihr Urlaub zu Ende sei usw.
Sie erzählte mir von dem vielen Geld, dass sie jetzt verdiene und von den klassischen Rollen, die sie jetzt lebe.
Dass sie es genieße mit Freundinnen über "Frauenthemen" zu sprechen, in ihrem Faschingsverein genieße von den Männern hofiert zu werden und dem "weiblichen" Tätigkeitsbereich zugeordnet zu werden, auch wenn ihr das anfangs missfallen habe.
Dass sie sich jetzt ein Nest bauen wolle....
Usw. usf.

Ich hörte zu, sah sie an und spürte in mich hinein.
Ich sagte nichts. Ich konnte nichts greifen.

Dann sagte sie, dass sie keine Lust auf ein tiefgehendes Gespräch wie sonst mit mir habe.

Ich war überrascht
und hörte weiter zu.

Dann begann sie mir zu sagen, wie sehr sie sich von mir in Frage gestellt fühlen würde, mit ihrer jetzigen Lebensart.
Dass ich es nicht gut heißen würde usw., aber dass doch alles gut ist, so sei wie sie es wolle.

Ich sagte, dass ich ihr Bedürfnis ein Nest für die Familie zu bauen verstehen kann, denn in ihrem Alter hatte ich es auch, und dass ich ihren jetzigen Weg respektiere.
Dass ich mir wünsche dass sie glücklich ist.
Und dann sprach ich einen Gedanken aus, eine Frage, die mich in diesem Moment bewegte:

Bei allem Genuss der Konventionen, bei der Erfüllung die ihr Leben mit viel Geld mit sich bringt, bei dem Spaß an Gesprächen über leichtere Themen, bei der Einfachheit, wenn Rollen gelebt werden, wie sie eben verteilt sind...
"Gibt es für mich, so wie ich bin, noch einen Platz in deinem Leben?"

Der Beitrag wurde von Woody32 bearbeitet: 24.Nov.2015 - 17:54
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