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> Die Qual der Wahl, Das deutsche Krankenversicherungssystem
Welches System haltet ihr für sinnvoll?
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Fledi
Beitrag 29.Jul.2005 - 09:43
Beitrag #1


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im Bezug auf die versicherungswirtschaftliche Lage, ergeben sich interessante Aspekte wenn man sich das jetzige System der Krankenversicherungen näher betrachtet.

Das deutsche System gliedert sich in unterschiedliche Bereiche - so zum einen die gesetzliche Krankenvesicherung mit pflicht- oder freiwillig versicherten Mitgliedern, zum anderen die private Krankenversicherung. Seperat behandelt werden Beamte, die vom jeweiligen Land oder Bund einen gewissen Satz Beihilfe gewährt bekommen und je nach persönlicher Lebenssituation die Restkosten in einer privaten Krankenversicherung absichern.

Da das Versicherungssystem in Deutschland extremen Kürzungen ausgesetz ist, was GKV und Beihilfe anbelangt, machen sich die Parteien unterschiedliche Gedanken hierzu. Mich würde interessieren, welches Modell wen warum am ehesten anspricht.
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sacinema
Beitrag 29.Jul.2005 - 17:17
Beitrag #2


Salzstreuerin
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Beiträge: 98
Userin seit: 30.09.2004
Userinnen-Nr.: 503



Oh, spannendes Thema. Und da muss ich mich doch gleich mal outen, denn ich arbeite im System bei einem Krankenkassenspitzenverband. Hört sich scheußlich bürokratisch an und ist es oft auch. Da ich aber Redakteurin bin, kann ich mich wenigstens mit spannenden Themen auseinandersetzen und kreativ arbeiten. Nun aber zur Qual der Wahl:

IMO werden hier Aspekte miteinander vermischt, die zwar eng zusammen gehören, aber nicht einfach zusammen gemischt werden sollten: Finanzierung, Leistungen und Struktur des deutschen Gesundheitssystems. Die mit der Qual der Wahl abgefragten Konzepte beziehen sich alle nur auf den finanziellen Aspekt. Mir fällt es schwer, hier einen Favoriten anzugeben, da alle Konzepte meines Wissens Mängel aufweisen. Dazu kommt, dass wir letztens unsere halbjährliche Wissenaustauschstunde mit unserem obersten Chef hatten und er geht davon aus, dass sich keines dieser Konzepte durchsetzen wird. Anstattdessen läuft es wohl eher darauf hinaus, dass der Arbeitgeberbeitrag eingefroren wird. Wie dies seit 1. Juli ja schon schleichend an einer Stellschraube geschehen ist. Bei der Finanzfrage geht es IMO tatsächlich um einen Systemwechsel, denn unser jetziges System wird sich nicht mehr ewig finanzieren lassen. Ein neues Konzept müsste IMO gleichzeitig den Faktor Arbeit um die Krankenversicherung entlasten und versicherungsfremde Leistungen wie Mutterschaftsleistungen und Familienversicherung ausgliedern, um die Beiträge zu entlasten.

Damit wären wir dann im Grunde schon beim zweiten Bereich - den Leistungen. Hier hat Bilana ja einige Beispiele genannt, was ihres Erachtens falsch läuft. Meiner Meinung nach unterliegen die Leistungen nicht grundsätzlich einem Systemfehler. Und die Aussage, dass es nicht an den Ärzten liegt, ist schlichtweg falsch. Der einzelne Arzt kann die Übernahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zwar nur wenig beeinflussen (allerdings hat er z. B. bei Vorsorgeuntersuchungen durchaus Spielraum. Wenn er nämlich einen Verdacht auf einen Befund hat, kann er bestimmte Untersuchungen schon vor der Altersgrenze durchführen - auf Kosten der GKV). Um so mehr Einfluss haben dafür die von ihm gewählten Vertreter der ärztlichen Ständevertretungen. Sie legen nämlich im Gemeinsamen Bundesausschuss mit den Krankenkassen fest, welche Leistungen von der GKV übernommen werden dürfen. Und hier sind die Ärzte die ersten, die aufschreien, wenn Leistungen eingeführt werden sollen, deren medizinischer und wirtschaftlicher Nutzen nicht hinreichend belegt wurde. Bestes Beispiel aus den letzten Jahren ist die Akkupunktur. Es waren überwiegend die Ärztevertreter, die immer wieder neue Beweise für die Wirksamkeit dieser Methode verlangt haben. Und Studien, wo ein Teil der Patienten eine Placebo-Akkupunktur bekommt, sind nunmal nicht so ganz leicht durchzuführen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt und vermutet, dass es auch im wirtschaftlichen Interesse der Ärzte liegt, wenn die Akkupunktur weiterhin von den Kassenleistungen ausgeschlossen bleibt. Denn so lange können sie diese Leistung nach dem privaten Gebührensatz berechnen, der um ein vielfaches höher liegt (IMO ein tatsächlicher Systemfehler). Natürlich sind auch die Krankenkassen hier nicht aus ihrer Pflicht zu entlassen und sicherlich läuft auch da manches schief, was die Leistungsgewährung anbetrifft. Aber grundsätzlich geht es danach, was medizinisch notwendig und wirtschaftlich ist.

Grundsätzlich ist der Leistungsgewährungsbereich für mich kein falsches System, sondern eher eine Kulturfrage. Wir sind der westlichen Schulmedizin verhaftet und die fordert nun einmal massenkompatible Beweise für die Wirksamkeit von Leistungen ein. Andere medizinische Richtungen wie die chinesische, die indische oder auch die Homöopathie arbeiten anders. Wenn es nach mir ginge, würden Ärzte auch viel stärker danach bemessen, ob sie einen Patienten tatsächlich gesund machen - egal mit welchen Mitteln. Hauptsache, es hilft. Aber ein solcher Kulturwechsel geht nur langsam von statten und dauert seine Zeit. Aufgeklärte Patienten könnten und sollten hier mit Vorreiter sein.

Hier bin ich bei einem weiteren Thema: der aufgeklärte und mündige Patient - leider in Deutschland vielfach noch in weiter Ferne, aber gerade durch Internet und zunehmend verfügbare Information tut sich hier was. Und ohne die wird es auch keine Reform unseres Gesundheitswesens geben. Glücklicherweise verändert sich so langsam das Bild der Ärzte von den Halbgöttern in Weiß.

Nun noch kurz zum dritten Aspekt: der Struktur des Gesundheitswesens. Auch hier gibt es IMO dringenden Reformbedarf - in allen Bereichen. Leider schätze ich es so ein, dass es nur wenig Bewegungsbereitschaft gibt. Gesundheit ist der Politikbereich mit den meisten Lobbyisten mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen, Voraussetzungen und Vorstellungen. Da mischt die Pharmaindustrie mit (die Macht im Hintergrund), die Ärzte, die Krankenkassen, die Apotheker usw. Sie alle wollen ein Stück vom Kuchen haben und eigene Pfründe und Besitzstände wahren. Schon komisch, dass es immer noch so viele Krankenkassen gibt. Allerdings hat hier seit Anfang der 90er Jahre schon ein heftiger Fusionsprozess eingesetzt. Noch nicht ausreichend IMO - hier gehe ich mit unserer noch amtierenden Gesundheitsministerin konform. Allerdings glaube ich, dass noch weit weniger als 50 Kassen ausreichen würden. Die einzige Gefahr: Es entstünden evtl. riesige noch unbeweglichere Verwaltungsapparte.

Aber noch eine Anmerkung zum Schluss: Wenn ich mich in anderen Ländern wie Großbritannien oder auch den USA so umgucke, dann kann ich gerade an unserem Leistungskatalog, an unserer Struktur und an unserer Finanzierungform nicht so viel Verwerfliches finden. Hier muss niemand monatelang auf eine notwendige OP warten wie in England - noch nicht. Hier gibt es noch nicht Millionen unversicherte Menschen wie in USA - noch nicht (auch wenn die Zahlen hierzulande ebenfalls steigen). Dafür gibt es Länder wie die Schweiz, in der es z. B. um die Zahngesundheit innerhalb der Bevölkerung wesentlich besser bestellt ist als bei uns. Aus dem einfachen Grund, weil die Menschen ihre Zähne besser pflegen. Und dies u.a auch deshalb, weil der Zahnersatz gänzlich aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegliedert wurde.

@ Bilana: Eines interessiert mich doch brennend. Welche Krebsvorsorgeuntersuchungen werden deiner Ansicht nach von der GKV nicht übernommen, obwohl sie dringend medizinisch notwendig wären?

Puh, jetzt ist es ganz viel geworden, aber dass ist auch ein sehr komplexes Thema. Und immer noch habe ich das Gefühl, alles nur angerissen zu haben.
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