Die Zeit zwischen zwei Blicken, wimpernschlagende (Ver)Wandlung Einstellungen

[LadyGodiva]

Wir tun's angeblich 84 Millionen Mal im Leben (interessanterweise fast doppelt so häufig wie der Welt anderer Teil :rolleyes: ) - seidig weich gleiten sie über unser individuelles Tor zur Welt und takten, mal nervös, mal gelangweilt oder zuweilen gar verführerisch unsere visuelle Wahrnehmung in gyrusgerechte Portionen.
Und doch...
100 ms, in denen uns auch im Wachzustand die Welt blind passiert, unzählige Male alltäglich unspektakulär; gelegentlich jedoch atemberaubend anders, der Augen(nicht)blick, in dem unsere Wahrnehmung eine Metamorphose erlebt.
Ein Schritt zu weit, ein Wort zu viel, eine Geste zu wenig, ein unerwartetes Lächeln, ein Augenaufschlag, eine Hand und etwas fällt wie Schuppen von den Augen - der Moment einer Erkenntnis bleibt tief im Gedächtnis gebranntmarkt, auf Jahre abrufbar in seinen Facetten, mal beruhigende Erleichterung, mal herzklopfende Ahnung mit sich bringend.
Ob nun Wahrnehmung allein oder an anderen, kassandrisch oder eher überfällig-keulenschlagartig...
ich würde gerne mit Euch ein wenig darüber parlieren, inwiefern Kleinstmomente Euer Leben verändert, welches Erkennen sie mit sich gebracht und inwiefern sie Euch geprägt haben.

[LadyGodiva]

Ein solcher Moment, an den ich mich wohl immer erinnern werde und der in mir eine gewaltige Explosion ausgelöst hat, war wohl, als ich zum ersten Mal ganz, ganz viel Freiheit in Gestalt einer deutschen Küstenlandschaft gesehen habe.
Weizenblonde fünf Jahre alt, an Mamas Hand, die immer fester gepresst werden musste angesichts dieser unvorstellbaren Weite... und natürlich, um nicht einer der vielen knatternden Drachen im verrückten Wind zu werden. Damals ist nach meinem Dafürhalten eine Wehmut in mir angeknipst worden, die sich heute immer wieder, in passenden wie unpassenderen Momenten, wie ein kleines Windrad dreht.

Viel später:
Auf dem Hinterhof eine schwerverletzte Taube, die ich, ohne sie in Schmerzfreiheit ent- nicht lassen konnte und gezwungen war, auf beschämend und schmerzhaft dilettantische Weise ihrem Leiden ein Ende zu machen. Noch heute wird sie mir im für sie hoffentlich Erlösung bringenden Moment gegenwärtig - meist dann, wenn ich anderes Tierelend fast wie am eigenen Körper miterleide.