lesbenforen.de

Willkommen, Gast ( Anmelden | Registrierung )

> Bitte beachten

Du kannst deinen Beitrag nach dem Posten 90 Minuten lang editieren, danach nicht mehr. Lies dir also vor dem Posten sorgfältig durch, was du geschrieben hast. Dazu kannst du die "Vorschau" nutzen.

Wenn dir nach Ablauf der Editierzeit noch gravierende inhaltliche Fehler auffallen, schreib entweder einen neuen Beitrag mit Hinweis auf den alten oder wende dich an die Strösen.


Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Webseite erklärst du dich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.

> Köhler hat gut reden, vorort und doch fern
JannaBerlin
Beitrag 21.Sep.2006 - 21:16
Beitrag #1


Gemüseputzi
****

Gruppe: Members
Beiträge: 32
Userin seit: 25.04.2006
Userinnen-Nr.: 2.874




Vielleicht haben es einige von Euch eben im "heutejournal" gesehen. Der Bundespräsident hält eine Rede in einer Neuköllner Hauptschule. Die Schülerinnen und Schüler, Jugendliche mit "Migrationshintergrund", die "es nicht leicht haben", sehen wir, wie sie an Spinat-Blätterteighäppchen noch die letzten Griffe tätigen. Danach noch ein-zwei kurz-frequentierte Einspieler "Wir wollen es auch einmal besser haben."
Und dann folgen Schlagphrasen des staatlichen Oberhaupts
à la "die Jugend ist unsere Ressource" et cetera.
(Just in diesem Augenblick fällt mir wieder jenes Unwort "Humankapital" ein.)
Die Kamera zeigt Herrn Köhler am Rednerpult, die Politprominenz der ersten Reihe und auch die anderen Sitzreihen, besetzt mit gestriegelten Anzugträgern.
Mein Blick sucht jene "Problemkinder" vergebens.
Und doch! Der Sprecher schiebt noch nach: Sogar ein schnelles Handy-Erinnerungsphoto mit dem Bundespräsidenten war noch drin!
Na dann!

Euch noch einen schönen Abend.
Janna

:huh:
Go to the top of the page
 
+Quote Post
 
Start new topic
Antworten
JannaBerlin
Beitrag 22.Sep.2006 - 12:44
Beitrag #2


Gemüseputzi
****

Gruppe: Members
Beiträge: 32
Userin seit: 25.04.2006
Userinnen-Nr.: 2.874



Guten Tag.

Vorweg. Es tut mir Leid, dass ich etwas unbeholfen bin, was das korrekte Zitieren anbelangt. Jenes Zitieren mit Kästen und Umrahmungen. So bleibt mir nur das Hoffen, dass dies nicht weiterhin als ein Indiz für formale sowie inhaltliche Unkenntnis erfasst wird.
Vielleicht gelingt es mir in den nachfolgenden Zeilen mein Motiv etwas zu lichten und mich zu erklären.

Zu dir, edelbratschi.
Ja, ich weiß, wie groß die "finanziellen Einschnitte in der Bildung" sind. Das habe ich in dreizehn Jahren Schule, ob hautnah oder mittelbar, beobachten und erleben können. Das universitäre Leben dokumentiert es ähnlich. Es ist mir jedoch nicht danach, jedem Hinweis auf ein Loch im Bildungsfass nachzugehen, welches ich meiner Schulzeit ausgemacht habe. Ein persönliches Protokoll verfehlt das Thema, missachtet die Problematik, die von allgemeiner Art ist.
"Bildungsland Nummer Eins". Das wird periodisch plakatiert und, vermengt mit kruden Statistiken, gebetsmühlenartig beteuert. Ohne Frage ist es grundsätzlich gut, wenn Politiker, unabhängig welcher Couleur oder welchen Amtes, Themen ansprechen, die jahrzehntelang eloquent umgangen wurden. Es ist nicht gut, es ist auch nicht "durchaus sinnvoll". Es ist ihre Pflicht.
Und auch trotz des Konjunktivs "Wir sollten", würde ich nicht in Erbsenzählerei verfallen, wenn er letztendlich seine Entsprechung finden würde.
Verstehe mein Bedenken an sogeannten "Grundsatzreden" beziehungsweise an medienwirksamen, öffentlichen Auftritten also nicht als Kritik an ebendiesen, sondern an dem Vakuum, welches bleibt.
Nun mag die Frage aufkommen: Sind wir, bin ich, naiv?
Keine Sorge - ich lebe auch in keiner Illusionsblase, die Angst verspürt durch das 'politische Alltagsgeschäft' oder die 'Realpolitik' zum Platzen gebracht zu werden.
Doch muss ich Dir, edelbratschi, in einem Aspekt widersprechen.
Wahrscheinlich hast du Recht. Mein Beitrag, der diesen Thread eröffnet hat, war vielleicht "bestenfalls eine schlechte Inhaltsangabe". Doch erlaube ich mir, frei nach deinen Worten, "negativ-emotional" zu sein und zu schreiben. Nur unsachlich, das ist etwas Anderes.
Mir fällt nicht ein, die Berichterstattung des heutejournals, Herrn Köhler, sein Tun als Bundespräsident, oder seine Rede zu hinterfragen.
Mir fällt ein, die Bildungspolitik in diesem Land zu hinterfragen, im Wissen, dass sie wiederum zu vielen Faktoren dependent ist, die augenmerklich immense Blockade, den Bildungsetats hinreichend aufzustocken, das Faktum, dass die soziale Herkunft den schulischen Erfolg bestimmt, dass nicht jeder von grundauf als elementare Priorität, als Grundrecht, den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung erhält, dass PISA keine konsquenten Folgen nach sich gezogen hat, nach ephemernen Schlagzeilen versandet ist, ab und an, nach Bedarf, wieder auftaucht, dass Medieninteresse die politische Brisanz bestimmt und die Annahme, es sei mit der bloßen Adaption der skandinavischen Strukturen getan.

"Positive Signale". Ein schwingender Begriff, Corinna Mirja, aber ein wahrer. Vielleicht ungesehen? Die Projektionsflächen fehlen nicht.

Und, Fledi, ich glaube auch nicht an das Schlagwort 'Problemkinder' (wahlweise zu kombinieren mit 'Migrationshintergrund'). Sie werden dazu gemacht.

Missversteht mich nicht. Reaktionärer Aktionismus ist nicht das, was ich meine. Spontaner Opportunismus ist es ebenso wenig. Was mir fehlt, ist eine unmissverständliche Botschaft, die unmittelbar und deutlich umgesetzt wird.
Und, dass jeder die Notwendigkeit als solche wahrnimmt. Dass Menschen kein Kapital sind, aber dass deren Bildung Kapital verbraucht. Dass einem großen Teil der Weg zur Bildung aufgrund verschiedener Parameter versperrt bleibt, dass ihnen die finanzielle Kapazität nicht zur Verfügung steht. Es ist eine Mär zu glauben, dass eines der reichsten Länder der Welt über diese Mittel nicht verfügt. Un im selben Moment will sich die Fassade 'des Landes der Dichter und Denker' gewahrt wissen.
Denkanstöße zu Pflugscharen! - Vielleicht so.

Mab, du findest die besseren Worte als ich es tu'.
"Verbesserungen werden erst eingeführt, wenn es definitiv nicht mehr läuft."
Und dann noch jener Fatalismus, eine Selbstlüge schlechthin: 'Es läuft ja'.
Was mich an deinem Beitrag irritiert hat, ist das:
"Alle können doch gleich lernen, alle haben doch die gleiche Möglichkeit. Nein, eben nicht. "
Und dann schreibst du weiter:
"Und wie es ein berühmter so gerne gesagt hat: Und das ist auch gut so."

Zu deiner ersten Feststellung stimme ich dir zu.
Wie habe ich das Nachgeschobene zu verstehen?


Zum Abschluss.
Dass dieses Forum den Anspruch erhebt, einer bestimmten Ebene gerecht zu werden, unterstütze ich. Und, dass die Abwesendheit einer Subjektivität, mangelndes Hintergrundwissen, eine gewisse Intention meiner Anklage oder meiner Zeilen beklagt wurde, sehe ich ein.
Ich wundere mich, wieviel Verständnis mit der politischen Landschaft gepflegt wird. Und nun erinnere ich mich an edelbratschis Hinweis, dass selbst Dritte-Welt-Länder die Bildung als Möglichkeit erkannt haben um aus ihre miserablen internationalen Position einen Ausweg zu erhaschen. Dieser Gedanke geisterte mir während der Zeit beim Schreiben durchweg in meinem Kopf herum. Im Wissen, dass er dem Thema nicht zuträglich ist, es jedoch eventuell in einem anderen Licht rückt, ergänze ich das hier und um zu erläutern, weshalb mich Herr Köhlers Rede und das Drumerherum so derangierte:
Er war bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF). Als ein Programm zum Wiederaufbau des Weltwirtschaftssystems seit 1944 wird der IWF als Weltbank-Gruppe gesehen.
Zu seinen Aufgaben gehören: Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Währungspolitik, Ausweitung des Welthandels, Stabilisierung von Wechselkursen, Kreditvergabe (zum Beispiel an Schwellen- und Dritte-Welt-Länder; Kredite, die jene Staaten auf lange Zeit in wirtschaftliche Abhängigkeit befördern und verschulden), Überwachung der weltweiten Geldpolitik.
Im Prinzip ist auch diese Information nur periphär. Grotesk ist es nur, dass Länder, die im Weltgeschehen nur marginal als Akteure auftreten, wie edelbratschi mitteilt, ausgebeutet durch die westlichen Industrienationen, Bildungspolitik betreiben müssen um zu bestehen. Ihnen bleibt nur der Ausweg durch die Förderung von Bildungseinrichtungen.

Ich gebe zu. Es mag sein, dass meine Motivation zu diesem Fernsehbeitrag etwas zu schreiben auch bedingt wurde, durch die derzeitig geführten Diskussionen zu den 'Wahlerfolgen' der Neonationalisten in Berliner Bezirken und Mecklenburg-Vorpommern. Dieses Thema scheint der Frage nach Bildung so sehr fremd und fern zu sein.
Durch eine Mitarbeit in einem Institut für Sozialforschung und Politik sehe ich, wie der Staat zivilgesellschaftliche Einrichtungen fördert beziehungsweise, wie er es nicht tut. Es sind Organisationen, die sich gegen Xenophobie, Rassismus und Antisemitismus, Homophobie und Sexismus und Islamsimus und für demokratische Prinzipien engagieren. Ungesehen leisten sie Arbeit, die der Staat oftmals nicht würdigt. Stetig werden Gelder gekürzt. Und, wenn dann die öffentlich Empörung nach Wahlerfolgen der Nationalisten auf jene Stiftungen fällt, dann wird sich permanent gelobt und auf die vielen Millionen Ausgaben hingewiesen.
Und dann wird heiter diskutiert, politischen Eigeninteressen gefrönt und beschwichtigt.
Doch eigentlich bleibt alles beim Alten.

Und ich wundere mich, wie bei aller proklamierten, politischen Korrektheit und Klarheit, gleich einem Chor eingestimmt wird um seinem Unmut Luft zu machen, Raum zu geben. So habe ich es doch auch getan. Eine sehr intelligente junge Frau hat einmal gesagt, dass 'Wut, der Motor der Seele sei'. Nicht aggressiv, aber als ein Impuls.


Zurück zur Schule.
Womöglich war es so. Der Beitrag hat es versucht, den Jugendlichen eine Stimme zu geben. Hat Herr Köhler einmal das Gespräch gesucht?
Ich wünsche es den Schülerinnen und Schülern und auch ihm.

Auch das wird nicht genügen um zu bestehen. Es ist ein Versuch.

Liebe Grüße
Janna
Go to the top of the page
 
+Quote Post

Beiträge in diesem Thread


Reply to this topicStart new topic
1 Besucherinnen lesen dieses Thema (Gäste: 1 | Anonyme Userinnen: 0)
0 Userinnen:

 



Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 15.05.2025 - 03:46