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> Von der Schwierigkeit, umzudenken., Wohin retten sich die Entwerteten?
Sägefisch
Beitrag 05.Nov.2006 - 17:33
Beitrag #1


Schlaudegen.
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Sonntagsgedanken -

Schon früh formte sich in mir eine, in aller Bescheidenheit, grosse Sensibilität für die Ungleicheit unter den Menschen in unserem Eckchen der Welt und eine gewisse Unversöhnlichkeit ihr und ihren Repräsentanten gegenüber.

So ist mir der ganze Themenkomplex Freiheit - Unabhängigkeit - Tätiges Leben und der Zugang zu diesen Gütern bis heute sehr zentral geblieben, es beschäftigt mich und ich nehme vieles in der Welt sozusagen durch diese Brille wahr.

Während gerne mit breiter Brust getönt wird, es bräuchte hierzulande niemand verhungern und Analphabet bleiben, wird fast völlig unterschlagen, dass sich längst noch ganz anderes Abgehängtsein etabliert hat, das vielleicht manches mal sogar mehr schmerzt als ein hungriger Magen am Ende des Monats.

Verwobenheiten erahnend und erfahrend, zu denen oberflächliche Unterschichts- und sonstige Debatten noch gar nicht durchgedrungen sind, rumort in mir die Frage, wie man es denn eigentlich anstellen soll, sich der eigenen ökonomischen Überflüssigkeit zu entziehen, so sie einen denn ereilen sollte.

Alternative Lebensentwürfe waren quasi Bestandteil meiner Muttermilch - teilweises Selbstversorgertum und Rückzug aufs eigene Fleckchen sind mir durchaus sympathische Ideen - sich von rein erwerbsbezogenen Wertigkeiten loszulösen klingt nach einer sehr vernünftigen Sache - neue Wege mahnen sich all jenen an, denen der Weg in eine sichere Angestelltenexistenz oder anderweitig günstige Verortung im gesellschaftlichen Gefüge nicht so offen daliegt, wie es den Willigen einst versprochen war.

Aber was sind nun die Lösungen?

Wenn ich mir konkrete Beispiele so ansehe: letztlich setzen sie fast alle wieder herkömmliche Eintrittskarten voraus. Die Landkommune, die ohne Omas kleinbürgerlichen Bausparvertrag nie zustande gekommen wäre. Der Globetrotter, der ohne vorherigen Einstieg weder seinen bunt bemalten Bus noch was zum Aussteigen hätte. Kleine Gewerbe, die Kreditwürdigkeit voraussetzen. Sprich: eigener, physischer Freiraum als Ticket zu eigenen Spielregeln.

Wo all dies für meine Eltern gut möglich und heute noch für viele machbar sein mag - für manche ist es das schon nicht mehr. Es wachsen welche heran, die keine reelle Perspektive auf einen eigenen Raum haben.

Deren Teil des Arbeitsmarktes bestenfalls noch nicht mal mittelfristig berechenbare Verhältnisse bietet, und sicher keine Planbarkeit die für mehr als eine abbezahlte Schrankwand von Quelle reichen würde.

Vielleicht ein viel grösserer Bruch als der früherer Generationen: welche Entwürfe sind möglich, wenn die Güter (dazu zähle ich weniger Konsumluxus, sondern wertiges wie Quadratmeter, Mobilität, Zukunftsaussichten, Realisierungsmöglichkeiten...) und der Zugang zu ihnen verteilt sind und man auf der falschen Seite vom Zaun gelandet ist?

Gleichzeitig gescheucht und gemieden, wird der Wunsch nach Refugium zukünftig sicher zumindest bei denen wachsen, die sich nicht in Verblödung und Verrohung verlieren.

Gibt es dieses Eigene dann nur noch im Kopf?

Wohin gehen querköpfige Überflüssige, die nicht auf fette Jahre zurückgreifen können (eigene oder elterliche)? Bislang kennen wir nur Umwälzungen und Verweigerungen aus Zeiten der Vollbeschäftigung - wie wird sich ein gesellschaftlicher Bruch ohne Wirtschaftswunder im Rücken ausformen?

Wie macht man sich innerlich frei mit der Aussicht, höchstwahrscheinlich niemals unabhängig von Vermietern, schlechten Arbeitgebern und staatlichen Sanktionen zu werden?

Oder entziehen sich zukünftig nur noch die, denen der Zufall hilft, und der Rest wird sich an den Wind im Gesicht gewöhnen müssen? Wird Freiraum ein Privileg für leidlich Abgesicherte?

Der Beitrag wurde von Sägefisch bearbeitet: 05.Nov.2006 - 17:52
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Bilana
Beitrag 06.Nov.2006 - 13:33
Beitrag #2


Capparis spinosa
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Ich finde eine gewisse Grundversorgung mit essen, Kleidung und Wohnraum schon wichtig für mögliches Glück. Aber diese Art von Grundversorgung kann jeder in Deutschland haben.
In meinem eigenen Leben kenne ich beides. Ein Leben im Rahmen eines alternativen Lebensentwurfs, politisch unterdrückt, abgehängt und Freiräume suchend und findent. Ein Leben in dem es zwar genug Essen und Kleidung gab, aber mit adäquatem Wohnraum schon probleme da waren. Eine Toilette für ein 8 Parteien Mietshaus und im Winter mit Ohrenklappen vor dem Heizstrahler auf der Couch sitzen, weil nichtmal die Öfen ausreichend heizten. Kein warmes wasser aus der wand.
Und ich kenne ein Leben in zumindest materiell geordneten bürgerlichen Verhältnissen. Für mich sehe ich halt ganz klar, das mein Wohl(stand) allein von den Menschen abhing die mich umgaben. Noch so großer Wohlstand kann emotionale und geistige Armut kein einziges Stück aufwiegen.
Das sind sicher meine ganz eigenen Erfahrungen. Aber sie bewegen mich doch dazu materiellen Wohlstand als reichlich irrelevant für mein Lebensglück zu bewerten. Und ich sehe welche Freiräume es geben kann, selbst in freiheitlich sehr beschränkten Verhätnissen. Und wenn der Freiraum in dem Glauben und der Arbeit an mehr Freiheit besteht.
Glaube versetzt Berge.
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