lesbenforen.de

Willkommen, Gast ( Anmelden | Registrierung )

> Bitte beachten

Du kannst deinen Beitrag nach dem Posten 90 Minuten lang editieren, danach nicht mehr. Lies dir also vor dem Posten sorgfältig durch, was du geschrieben hast. Dazu kannst du die "Vorschau" nutzen.

Wenn dir nach Ablauf der Editierzeit noch gravierende inhaltliche Fehler auffallen, schreib entweder einen neuen Beitrag mit Hinweis auf den alten oder wende dich an die Strösen.


Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Webseite erklärst du dich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.

> Von der Schwierigkeit, umzudenken., Wohin retten sich die Entwerteten?
Sägefisch
Beitrag 05.Nov.2006 - 17:33
Beitrag #1


Schlaudegen.
************

Gruppe: Members
Beiträge: 4.102
Userin seit: 25.08.2004
Userinnen-Nr.: 71



Sonntagsgedanken -

Schon früh formte sich in mir eine, in aller Bescheidenheit, grosse Sensibilität für die Ungleicheit unter den Menschen in unserem Eckchen der Welt und eine gewisse Unversöhnlichkeit ihr und ihren Repräsentanten gegenüber.

So ist mir der ganze Themenkomplex Freiheit - Unabhängigkeit - Tätiges Leben und der Zugang zu diesen Gütern bis heute sehr zentral geblieben, es beschäftigt mich und ich nehme vieles in der Welt sozusagen durch diese Brille wahr.

Während gerne mit breiter Brust getönt wird, es bräuchte hierzulande niemand verhungern und Analphabet bleiben, wird fast völlig unterschlagen, dass sich längst noch ganz anderes Abgehängtsein etabliert hat, das vielleicht manches mal sogar mehr schmerzt als ein hungriger Magen am Ende des Monats.

Verwobenheiten erahnend und erfahrend, zu denen oberflächliche Unterschichts- und sonstige Debatten noch gar nicht durchgedrungen sind, rumort in mir die Frage, wie man es denn eigentlich anstellen soll, sich der eigenen ökonomischen Überflüssigkeit zu entziehen, so sie einen denn ereilen sollte.

Alternative Lebensentwürfe waren quasi Bestandteil meiner Muttermilch - teilweises Selbstversorgertum und Rückzug aufs eigene Fleckchen sind mir durchaus sympathische Ideen - sich von rein erwerbsbezogenen Wertigkeiten loszulösen klingt nach einer sehr vernünftigen Sache - neue Wege mahnen sich all jenen an, denen der Weg in eine sichere Angestelltenexistenz oder anderweitig günstige Verortung im gesellschaftlichen Gefüge nicht so offen daliegt, wie es den Willigen einst versprochen war.

Aber was sind nun die Lösungen?

Wenn ich mir konkrete Beispiele so ansehe: letztlich setzen sie fast alle wieder herkömmliche Eintrittskarten voraus. Die Landkommune, die ohne Omas kleinbürgerlichen Bausparvertrag nie zustande gekommen wäre. Der Globetrotter, der ohne vorherigen Einstieg weder seinen bunt bemalten Bus noch was zum Aussteigen hätte. Kleine Gewerbe, die Kreditwürdigkeit voraussetzen. Sprich: eigener, physischer Freiraum als Ticket zu eigenen Spielregeln.

Wo all dies für meine Eltern gut möglich und heute noch für viele machbar sein mag - für manche ist es das schon nicht mehr. Es wachsen welche heran, die keine reelle Perspektive auf einen eigenen Raum haben.

Deren Teil des Arbeitsmarktes bestenfalls noch nicht mal mittelfristig berechenbare Verhältnisse bietet, und sicher keine Planbarkeit die für mehr als eine abbezahlte Schrankwand von Quelle reichen würde.

Vielleicht ein viel grösserer Bruch als der früherer Generationen: welche Entwürfe sind möglich, wenn die Güter (dazu zähle ich weniger Konsumluxus, sondern wertiges wie Quadratmeter, Mobilität, Zukunftsaussichten, Realisierungsmöglichkeiten...) und der Zugang zu ihnen verteilt sind und man auf der falschen Seite vom Zaun gelandet ist?

Gleichzeitig gescheucht und gemieden, wird der Wunsch nach Refugium zukünftig sicher zumindest bei denen wachsen, die sich nicht in Verblödung und Verrohung verlieren.

Gibt es dieses Eigene dann nur noch im Kopf?

Wohin gehen querköpfige Überflüssige, die nicht auf fette Jahre zurückgreifen können (eigene oder elterliche)? Bislang kennen wir nur Umwälzungen und Verweigerungen aus Zeiten der Vollbeschäftigung - wie wird sich ein gesellschaftlicher Bruch ohne Wirtschaftswunder im Rücken ausformen?

Wie macht man sich innerlich frei mit der Aussicht, höchstwahrscheinlich niemals unabhängig von Vermietern, schlechten Arbeitgebern und staatlichen Sanktionen zu werden?

Oder entziehen sich zukünftig nur noch die, denen der Zufall hilft, und der Rest wird sich an den Wind im Gesicht gewöhnen müssen? Wird Freiraum ein Privileg für leidlich Abgesicherte?

Der Beitrag wurde von Sägefisch bearbeitet: 05.Nov.2006 - 17:52
Go to the top of the page
 
+Quote Post
 
Start new topic
Antworten
Sägefisch
Beitrag 06.Nov.2006 - 15:32
Beitrag #2


Schlaudegen.
************

Gruppe: Members
Beiträge: 4.102
Userin seit: 25.08.2004
Userinnen-Nr.: 71



Nun geht es hier recht schnell um lebensnotwendige Grundversorgung und ideellen Freiraum - was mich wieder an "hier muss keiner verhungern" denken lässt.

Stimmt ja auch. Abgesehen davon, dass dies eben auch nichts mehr ist was man mal eben einfach zugestanden bekommt, ohne sich weitgehend sinnfreie und dadurch schikanös anmutende Eingriffe in die eigene Existenz gefallen zu lassen, und ohne mit ständiger Sanktionierungsdrohung zu leben. Sprich - es wird enormer Druck aufgefahren, der einen in eine Richtung drückt in der eh nichts wartet - was macht das mit der psychischen Gesundheit eines Menschen? Zudem wissend, dass sehr viel grössere Fiskalschädlinge sich unter Berufung aufs Schweizer Bankgeheimnis hochgradig privat bewegen können.

Wohl dem also, der die oben erwähnte Robustheit mitbringt und davon nicht zermürbt wird. Sich vielleicht sogar innerlich trotzdem frei machen kann von den Bewertungen, denen er ja, trotz Ausgeschlossenseins, unterliegt.

Das alles zählt für mich im Grunde zum Thema Überleben - sprich, sich irgendwie zurechtfinden, durch möglichst unschädliche Reaktion auf die jeweilige Lage, und Anpassung an die Gegebenheiten.

Meine eigentliche Frage bezog sich aber gerade auf das, was darüber hinausgeht - sich nicht nur nach Kräften in dem Eckchen einrichten, das einem zugestanden wird - sondern in ein tätiges Sein kommen, ohne auf den Zugang zum vordefinierten Modell angewiesen zu sein, auf den viele warten werden bis sie schwarz sind.

Go to the top of the page
 
+Quote Post

Beiträge in diesem Thread


Reply to this topicStart new topic
1 Besucherinnen lesen dieses Thema (Gäste: 1 | Anonyme Userinnen: 0)
0 Userinnen:

 



Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 07.07.2025 - 21:41