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> Heute vor 46 Jahren, Die Mauer und ihr Fall
two-hearts
Beitrag 22.Aug.2007 - 07:28
Beitrag #61


Doppelherzchen mit Knutschchügeli
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QUOTE (advocati @ 21.Aug.2007 - 22:53)
was mir auch immer schon als wohlgehütetes (vor)urteil im kopf herumschwebt: in der ddr hatten alle frauen, die wollten, auch einen job.

stimmt das so?

ich denke, ich kann "ja" sagen!
frauen, die keinen job hatten, waren "selber schuld" und wurden vom strassengesamtbild ausgegrenzt!

alle jugendlichen bekamen eine lehrstelle, wenn sie denn wollten!
alle kinder hatten einen krippen- oder kindergartenplatz!

(fast :gruebel: ) jeder betrieb bot den kindern seiner angestellten sogenannte ferienlagerplätze an...für einen spottpreis (beispiel: im sommer konnten meine schwester und ich für drei wochen für 35 mark komplettpreis verreisen)
im winter das gleiche noch einmal für 2 wochen = 20 mark!

meine erste 1-zimmer-hinterhof-ofenheizungswohnung ohne badewanne kostete 19,90 mark monatlich an miete!

kinderreiche familien konnten sich im amt so bons abholen, damit kamen sie kostenlos ins kino, ins schwimmbad, in freizeitparks!
kinder, welche studierten, bekamen zu ihren 215 mark stipendium noch 60 mark zusätzlich!
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Rafaella
Beitrag 22.Aug.2007 - 07:53
Beitrag #62


Freies Vögelchen
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QUOTE (two-hearts @ 22.Aug.2007 - 08:28)
frauen, die keinen job hatten, waren "selber schuld" und wurden vom strassengesamtbild ausgegrenzt!


wie kann ich mir das denn vorstellen? :rolleyes:


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two-hearts
Beitrag 22.Aug.2007 - 08:08
Beitrag #63


Doppelherzchen mit Knutschchügeli
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QUOTE (Rafaella @ 22.Aug.2007 - 08:53)
QUOTE (two-hearts @ 22.Aug.2007 - 08:28)
frauen, die keinen job hatten, waren "selber schuld" und wurden vom strassengesamtbild ausgegrenzt!


wie kann ich mir das denn vorstellen? :rolleyes:

zu ddr zeiten war der werdegang einer frau im durchschnitt immer derselbe:
krippe (mit 1)
kindergarten (mit 3)
schule (mit 6)
ausbildung (mit 16)
heirat (zwischen 18 und 20)
kinder (zwischen 18 und 20)
arbeiten (ab 20)

alle frauen, die aus diesem schema fielen, waren nicht "normal" ...."ddr-normal" :huh:,
frauen, die nicht arbeiten wollten/konnten, waren entweder alkoholkrank, drogenabhängig, psychisch krank o.ä., sie wurden "beobachtet" und wenn nötig, wurden sie in kliniken oder heimen eingewiesen...also "ausgegrenzt"...weg von der strasse, sozusagen!

Der Beitrag wurde von two-hearts bearbeitet: 22.Aug.2007 - 08:09
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Rafaella
Beitrag 22.Aug.2007 - 08:12
Beitrag #64


Freies Vögelchen
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danke, two-hearts
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Gentian
Beitrag 22.Aug.2007 - 11:02
Beitrag #65


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Hallo,

ich bin auch in der DDR aufgewachsen, war 17 als die Mauer fiel.

Zu Frauen und Berufstätigkeit:
Ich kann dem auch zustimmen, dass alle Frauen, die wollten, einen Job hatten und auch alle eine Ausbildung hatten oder studiert haben, für die Frauen, die nach DDR-Gründung keine Ausbildung hatten, gab es Hausfrauen-Brigaden.
Ich weiß allerdings nicht, ob Frauen weniger Gehalt für gleiche Arbeit bekamen, als Männer.
In meinem Umfeld bzw. bei allen Familien, die ich kannte, sind die Frauen genauso wie die Männer arbeiten gegangen, das eine Frau als Hausfrau zu Hause blieb, hat es selten auch mal gegeben, habe ich aber nie so kennengelernt.

Die Frauen meiner Familie sind auch nach Geburt eines Kindes sofort nach dem Babyjahr wieder Vollzeit arbeiten gegangen, denn es gab ja Kinderkrippen für Kinder unter drei Jahren. Viele Betriebe hatten betriebseigene Kinderkrippen und - gärten. Das mit den Kinderkrippen war aber so eine Sache, es gab große Dramen, wenn die Mütter dort ihre Kleinkinder ablieferten, die Kinder weinten oft sehr doll beim Abschied. Meine Mutter erzählte mir auch, dass sie ihre ersten zwei Kinder noch 1 - 3 Jahre in die Kinderkrippe gab, es aber schon Probleme mit Heimweh gab (die Kinder waren dort ganztags!). Beim dritten Kind (das war ich) gab es so große Heimweh-Probleme, das sie mich bis zum 2.Lbj nur noch halbtags dort hingab (also auch nur halbtags arbeiten konnte) und beim vierten Kind hat sie es wegen Heimweh-Probleme dann ganz aus der Krippe genommen und blieb mit ihm zwei Jahre zu Hause.

Für Frauen gab es einen Tag im Monat den sie bezahlt frei hatten (ich glaube, der hieß Haushaltstag), den Tag konnten sie frei wählen. Und in vielen Einrichtungen gab es auf der Arbeit einen "Frauenruheraum", in den sich die Frauen in der Pause zurückziehen konnten und zu dem Männer keinen Zutritt hatten (gab es in unserer Schule und auch auf den Arbeitsstellen meiner Mutter und Tante, da war ich nämlich als Kind immer drin, wenn sie mich mit zur Arbeit nahmen).
Im Kindergarten und Schule wurde auch dazu angehalten, dass wir Kinder doch auch mit im Haushalt helfen und die Mütter damit unterstützen, da diese ja meist auch Vollzeit arbeiteten. Wir schrieben dazu auch mal Aufsätze. Im Kindergarten und Schule lernte ich solche Lieder wie: "Wenn Mutti früh zur Arbeit geht..." oder
"Meine Mutti ist Abteilungsleiter und steht auf Arbeit ihren Mann, doch zu Hause kommt sie gar nicht weiter, packe ich im Haushalt nicht mit an....".
Mein Tante und Oma erzählten mir von "Hausfrauen-Brigaden", in denen Hausfrauen, die keinen Beruf erlernt hatten, arbeiteten, ich glaub, meine Oma war in einer, war danach aber in einem Gaswerk fest angestellt. Später gab es diese Hausfrauenbrigaden nicht mehr, da ja jeder eine Ausbildung hatte.

In der Schule verblieben wir Kinder nach dem Unterricht im Hort (= Betreuung in der Schule am Nachmittag). 16.00 Uhr ging ich dann selbstständig mit Schlüssel nach Hause - von der 1. Klasse an, da meine Eltern erst nach mir heim kamen. Wenn eins meiner Geschwister oder ich mal krank waren, blieb mal meine Mutter, mal mein Vater mit dem kranken Kind zu Hause. Wenn das Kind nicht bettlägrig war, kam es auch vor, dass meine Mutter es mit zur Arbeit nahm.

In der Schule hatten wir die Fächer Werkunterricht (dort lernten wir den Umgang mit Werkzeugen), Schulgartenunterricht (dort lernten wir Gartenarbeit) und Nadelarbeit (nähen, häkeln, stricken). Bei uns war es so, dass alle, Mädchen wie Jungen gleichermaßen, an allen Fächern teilnahmen. Nadelarbeit war zwar ein fakultatives Fach, aber Mädchen wie Jungen nahmen daran teil. Bei der Berufswahl wurden die Mädchen ermutigt auch "männliche Berufe" zu wählen. An den PA-Unterricht (PA = Produktive Arbeit, es gab einen Tag an dem wir den ganzen Tag PA hatten und dazu in einer Fabrik waren) nahmen auch Mädchen wie Jungs teil, dort arbeiteten wir in der Metallverarbeitung.

Ja und den Ferien, wie two-hearts schon schrieb, gab es von den Betrieben Ferienplätze, jeder Arbeiter war im FDGB und es gab FDGB-Ferienheime für den Urlaub und die Ferien. Außerdem waren wir immer im Ferienlager und ich war sogar in internationalen Pionierlagern (wo Pioniere aus allen Ostblockländern zusammen kamen). Den Rest der noch verbleibenden Ferien waren wir dann bei meiner Oma.

Ach und was mir noch einfällt, in den Kaufhäusern gab es einen Kinderspielraum, in den die Mütter ihre Kinder vor dem Einkaufen abliefern konnten und danach wieder abholen. Dort wurden die Kinder auch betreut.

Also für Kinder-Unterbringung und -Betreuung war ausreichend gesorgt, um den Frauen die Berufstätigkeit zu erleichtern.
Two-hearts hat ja die kinderreichen Familien angesprochen, wir waren so eine. Ehepaare mit vier oder mehr Kindern und alleinerziehende Mütter mit drei oder mehr Kindern, waren kinderreich. Es gab dann eine Menge Vergünstigungen, z.B. gab es auch die Schulmilch kostenlos, die Verpflegungspauschale für Kindergarten und Essensgeld für die Schule waren stark verbilligt, auch Kleidung gab es günstiger.

Ach ja, und der Frauentag am 8. März wurde gefeiert, der Muttertag dagegen nicht (weil er als Nazifeiertag galt).

Hier eine Seite über die Stellung der Frau in der DDR:
http://www.ddr-geschichte.de/Frauen/body_frauen.html
edit: link funzt nicht
http://www.ddr-geschichte.de/
unter: Gesellschaft -> Frauen

QUOTE
alle jugendlichen bekamen eine lehrstelle, wenn sie denn wollten!


Naja, "wenn sie denn wollten", das habe ich anders erlebt. In der 8.Klasse sollten die Schüler ihren Berufswunsch äußern. Danach wurde eine Ausbildungsstelle gesucht, was von der Schule unterstützt und ein Ausbildungsplatz zugesichert wurde. So ging garantiert jeder Schüler nach der 10. Klasse in die Ausbildung über, es sei denn sie oder er ging auf die EOS (Erweiterte Oberschule), um Abitur zu machen. Das durften aber nur zwei Schüler aus jeder Klasse, meist je ein Junge und ein Mädchen. Theoretisch sollte es so sein, das die zwei Klassenbesten auf die EOS kamen, praktisch lief es aber so, dass die zwei Schüler auf die EOS kamen, deren Eltern irgendwelche hohen Parteitiere waren. Alle anderen gingen garantiert in die Ausbildung über, manche auch schon nach der 8. Klasse, wenn die Schulleistungen schlecht waren (also selbst Schüler, die Schule schwänzten, Problemschüler waren und nur schlechte Noten bekamen, bekamen garantiert einen Ausbildungsplatz).
Da ich in meiner rebellierenden Phase war, hatte ich keinen Berufswunsch angegeben und mich nicht um eine Ausbildung gekümmert. Die 10. Klasse war ran und es ging natürlich gar nicht, das ich nach Ende der 10. Klasse ohne Ausbildung bleibe, sowas durfte es nicht geben. Also wurde mir kurzerhand ein Beruf und ein Ausbildungsplatz zugewiesen und ich musste nach den Ferien dort erscheinen. Da mir die Ausbildung keinen Spaß machte, blieb ich einmal unentschuldigt von der Arbeit fern. Daraufhin wurde ich sofort vor irgendeiner Kommission geladen. Beim zweiten Mal bekam ich eine Verwarnung und den Hinweis, wenn es ein drittes Mal vorkommt, kann ich eine Anzeige bekommen. Denn Leute, die in der DDR der Arbeit unentschuldigt fernblieben, konnten mit einer Anzeige rechnen wegen "Landstreicherei". Bei mir kam es nicht dazu, weil sich sofort die Jugendhilfe einschaltete. Die Jugendhilfe war eine Einrichtung vom Jugendamt und schaltete sich immer ein, wenn Jugendliche vom rechten Weg abkamen (während der Schulzeit hatten ja noch Pionier- und FDJ-Organisation Einfluss, danach gab es immer noch die Jugendhilfe für strauchelnde Jugendliche). Ich wurde also quasi zu einer Ausbildung gezwungen.

Achja, wenn auch die Jugendhilfe nichts gebracht hätte, wäre nächste Station der Jugendwerkhof (Knast für Jugendliche, in dem sie arbeiteten und eine Ausbildung machten) gewesen oder die Jugendpsychiatrie. :huh:

Lieben Gruß
k.d.

edit: Rechtschreibfehler

Der Beitrag wurde von k.d. bearbeitet: 22.Aug.2007 - 11:15
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two-hearts
Beitrag 22.Aug.2007 - 11:50
Beitrag #66


Doppelherzchen mit Knutschchügeli
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klasse k.d., danke für deinen beitrag!

an diesen allmonatlichen haushaltstag meiner mutter mag ich mich auch erinnern! zu kindergartenzeiten durften wir auch immer zu hause bleiben. unsere mutter fuhr dann mit uns immer in die kreisstadt und dort assen wir dann immer einen leckeren broiler! :lol:
und in schulzeiten durften wir dann immer nach dem unterricht nacht hause! :bounce:
ansonsten war ich auch "schlüsselkind"!
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Gentian
Beitrag 22.Aug.2007 - 12:04
Beitrag #67


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QUOTE
zu ddr zeiten war der werdegang einer frau im durchschnitt immer derselbe:
krippe (mit 1)
kindergarten (mit 3)
schule (mit 6)
ausbildung (mit 16)
heirat (zwischen 18 und 20)
kinder (zwischen 18 und 20)
arbeiten (ab 20)


Ja, vor allem das frühe Heiraten und Kinderkriegen war üblich.
Wir waren ja vier Kinder und lebten in einer Vier-Raum-Wohnung, Wohnzimmer, Schlafzimmer der Eltern und zwei Kinderzimmer. Als meine große Schwester mit 18 schwanger war, fanden sie und ihr Freund keine Wohnung, sie sollten erstmal heiraten. Aber auch danach bekamen sie nicht gleich eine Wohnung (Wohnungen waren knapp, obwohl sehr viele Altbau-Wohnungen leer standen, teilweise ganze Häuser oder halbe Straßenzüge, in diesen Ruinen spielten wir immer als Kind, es gab wohl kein Geld für Sanierungen und die meisten Leute wollten sowieso in die "Luxus-Neubauwohnungen", die Innenklo, Bad mit Badewanne und Zentralheizung hatten, was tatsächlich Luxus war. Bekam ein junges Paar eine Altbauwohnung, musste diese meist erstmal von den Beziehern selbst ausgebaut und saniert werden).
So kam es, das meine Schwester hochschwanger mit ihrem Freund, dann Mann, bei uns einziehen musste, sie zogen in ein Kinderzimmer, meine zweite Schwester bekam das zweite Kinderzimmer und mein Bruder und ich mussten ins Schlafzimmer meiner Eltern ziehen. Hochzeit und Polterabend fand auch in unserer Wohnung statt. Da sie ewig keine Wohnung bekamen (es gab eine einzige staatliche Häuserverwaltung, die KWV, wo man sich zwecks Wohnungswunsch anmelden musste und eine Wohnung zugewiesen bekam), drohten meine Schwester und ihr Mann, dass sie sich auf dem Marktplatz stellen mit Schildern, auf denen steht "Wir sind die ersten Obdachlosen der DDR". Daraufhin bekamen sie plötzlich sofort eine Wohnung, das war so eine Altbau-Ruine, die wir (gesamte Familie) erstmal ausbauen mussten.
Tja und kurz darauf wurde meine zweite Schwester mit 18 schwanger und heiratete und dasselbe Drama ging von vorne los.

@two-hearts: erinnerst du dich auch an den ESP- und PA-Unterricht und vor allem der Wehrunterricht (die Jungs kamen sogar in ein Wehrlager, lernten alles über Armee, Verteidung, Anwendung von Waffen usw., ich glaub, das war in der 9.Klasse)? :wacko:

Ja und Broiler aßen wir auch oft, sogar wenn wir mal essen gingen, gingen wir dazu in eine Gaststätte mit dem Namen "Zum Goldbroiler" und aßen Broiler. :lol:
Aber was wieder gut war: die Gaststätten waren saubillig. Als Kinder/Jugendliche sind wir immer in Gaststätten gegangen, die z.B. "Wildbretstübel" hießen und haben dort Wildschwein- und Rehbraten für ein paar Mark gegessen. Dafür wiederum gab es nur einmal im Jahr im Gemüseladen Melone. Da durften die Leute sogar ihren Arbeitsplatz verlassen, um sich anzustellen. Mein Vater hat sich stundenlang angestellt und holte dort die Melone ab (es durfte jede Familie nur eine Melone bekommen), kam damit nach Hause und dann gab es Festtagsessen, die ganze Familie am Tisch und die Melone aufgeteilt. :blink:

Ach herrje, so viele Kindheitserinnerungen, v.a. die ganzen Pionierlieder fallen mir gleich wieder ein ...

k.d.[QUOTE]
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Rafaella
Beitrag 22.Aug.2007 - 12:19
Beitrag #68


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Spannend ! :rolleyes:

Ist für mich schon ein Unterschied, ob ich das irgendwo nachlese oder als "erlebte Geschichte" erzählt bekomme.
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two-hearts
Beitrag 22.Aug.2007 - 13:28
Beitrag #69


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QUOTE (k.d. @ 22.Aug.2007 - 13:04)
@two-hearts: erinnerst du dich auch an den ESP- und PA-Unterricht und vor allem der Wehrunterricht (die Jungs kamen sogar in ein Wehrlager, lernten alles über Armee, Verteidung, Anwendung von Waffen usw., ich glaub, das war in der 9.Klasse)? :wacko:

was meinst du denn, natürlich erinnere ich mich...jetzt wieder! :lol:

ja esp und pa-unterricht! grusel grusel. pa ging ja noch, aber esp war ja voll der schreck!
ich habe damals in berlins grösster glühbirnenfabrik geschufftet! :lol:
alle zwei wochen für 4 stunden!
ich mag mich erinnern, dass ich in einem der schuljahre in der vorweihnachtszeit lichterketten zusammengebaut habe! das fand ich noch ganz interessant! und am ende der 4 stunden wurde immer nach quantität und qualität abgerechnet und entsprechende noten verteilt!
ich stand auch mal vier stunden am laufband und musste verpackte glühbirnen in kartons packen! meine güte, war das ein sch....!!!
aber immer noch lieber als esp-unterricht!

an den wehrunterricht erinnere ich mich auch! das war doch wohl der hammer!
alle anderen klassen haben aus dem fenster gehangen, wenn wir mädels da in uniform, mit käpi und koppel (hiess das so?) über den schulhof im gleichschritt maschierten! ja und die jungs waren im wehrlager...die armen!!!

ich musste dann im studium noch einmal für 3 wochen in so ein wehrlager...es war die hölle! daran mag ich mich gar nicht mehr erinnern!
im drauffolgenden studienjahr für drei wochen in die apfelernte...göttin!!! ich mochte jahrelang keine äpfel mehr essen!

apropo ernte! in der aktuellen kamera wurde immer berichtet, dass die ernte der bauern zu 110% eingefahren wurde. wir ddr-ler waren schon ein verdammt fleissiges volk! nein, wir waren nicht nur 100% gut, wir waren sogar 110%ig!!!

dabei fallen mir noch diese pioniereinsätze ein. einsätze bei der lpg (landwirtschaftliche produktionsgenossenschaft... :lol: dass ich das noch zusammenkriege!). auf einem riesen feld...mit dem auge eines pioniers kaum zu erfassen...fuhren traktoren in reih und glied (selbst traktoren mussten dass!) und wir pioniere mussten links und rechts von den anhängern nebenher laufen und die steine von den feldern sammeln und auf die anhänger schmeissen! :unsure:
für diesen knochenjob gab es immer geld für die pionierkasse! das war das sparschwein für die geplante klassenfahrt!!!

oh meine güte, der thread wird wohl ellenlang!!!

Der Beitrag wurde von two-hearts bearbeitet: 22.Aug.2007 - 13:30
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Alfalfa
Beitrag 22.Aug.2007 - 13:34
Beitrag #70


Gut durch
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macht doch nichts wenn er sehr lang wird.

So lernen wir anderen DDR Internes wo nicht in der Zeitung oder Fernsehen gezeigt wurde sondern DDR-persönlich.
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Gentian
Beitrag 22.Aug.2007 - 14:03
Beitrag #71


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QUOTE
nun, ich dachte eher daran, wie ihr das als kinder und jugendliche, gar nicht mal als " betroffene" erlebt habt, ob darüber gesprochen wurde und wie darüber gesprochen wurde, ob homomosexualtiät überhaupt in irgerndeiner weise thematisiert wurde, z. B. in der jugendliteratur, der schule oder bei den pionieren


Also, ich kann natürlich nur aus meiner Sicht berichten (als Kind und Teenager), ich habe z.B. hinterher (nach Mauerfall und "Wende") auch einiges erfahren, was ich vorher zu DDR-Zeiten so nicht wahrgenommen hatte.

Das Thema Homosexualität wurde öffentlich nirgendwo thematisiert, weder in der Schule/Pionierorganisation oder in Jugendliteratur, Aufklärungsbüchern oder sonstigem. Es schien so, als gab es das gar nicht.
Dementsprechend kannte ich als Kind bis Teenager solche Wörter, wie Hetero- und Homosexualität, Schwule und Lesben, gar nicht und wäre auch nie auf die Idee gekommen, das es eine Alternative zur Heterosexualität oder dieser Norm: Mann + Frau heiraten und kriegen Kinder, gäbe.

Als Kind wurde ich manchmal vor einer bestimmten Kneipe oder Bar gewarnt. Ich sollte mich nicht in der Nähe dort aufhalten, weil dort seltsame Männer verkehren sollten, die sich auch in den Gebüschen daneben aufhielten. Auf meine neugierigen Nachfragen, warum diese Männer denn seltsam sind, wurde nur gesagt, dass die auch Frauenklamotten tragen. Ich konnte damit als Kind nichts anfangen, für mich war das dann also eine seltsam-gefährliche Kneipe, bei der ich in der Nähe nicht spielen sollte.

Als ich mit Eintritt der Pubertät feststellte, das bei mir irgendwas anders ist (alle meine Freundinnen begannen sich für Jungs zu interessieren, verabredeten sich, flirteten auf der Kinder- oder Pionierdisco, wohingegen ich keinerlei Interesse an Jungs verspürte, was mir natürlich Gerede und Verkupplungsversuche meiner Klassenkameradinnen (= DDRisch für Mitschülerinnen) einbrachte; alle Mädchen schwärmten für männliche Stars, wohingegen ich das nicht nachvollziehen konnte und eher für Cindy Lauper und Nina Hagen schwärmte; alle Mädchen erzählten nach den Ferien von Jungs, die sie im Urlaub kennen lernten, ich dagegen fand an einem Ferienort ein Mädchen ganz toll, das ich unbedingt küssen wollte ....), konnte ich das nicht benennen, hatte keine Wörter dafür. Aufgrund des Druckes (ständige Verkupplungsversuche, Gerede der anderen Mädchen, "ging" ich auch erstmal mit Jungs, was ich aber total langweilig fand).

In der 5.Klasse bekamen wir einen neuen Klassenlehrer. Dieser Lehrer war vorher an einer anderen Schule und war von dort "geflogen", warum wusste keiner von den Schülern (das er geflogen war, wussten wir von den Schülern der anderen Schule). Eines Tages (ich weiß nicht mehr in welcher Klassenstufe) kam er in den Unterricht und verkündete, dass er heute Aufklärungsunterricht betreiben möchte. Das war erstmal schon seltsam, denn normalerweise wurde in der Schule kein Aufklärungsunterricht betrieben, höchstens im Fach Biologie in der 8.Klasse wurde Sexualität angesprochen (was aber nur so verlief, dass die Geschlechtsorgane und der Geschlechtsakt, Schwangerschaft und Geburt beschrieben wurden, das wars).
Der Lehrer begann also mit seiner Aufklärung und erklärte uns dabei, das es auch Homosexualität, also Schwule und Lesben gibt, dass diese aber genauso "normal" wie alle anderen sind. Als das einige Schüler nicht so recht glauben wollten (bzw. blöde Sprüche kamen), nannte er Beispiele von schwulen Prominenten. Das war v.a. für die weiblichen Fans von Erasure, Pet Shop Boys und Jimmy Sommerville ein Schock. Als dann Sprüche kamen, dass eben nur ein paar Künstler so sind, outete er sich selbst als schwul und erzählte von seinem Coming Out, seinen Schwierigkeiten dabei und plädierte für Toleranz.
Am nächsten Tag beschwerten sich einige Eltern in der Schule. Einige Tage danach wurde der Lehrer auch von unserer Schule entlassen. Den Entlassungsgrund haben wir nicht erfahren, die Lehrer schwiegen sich dazu aus. Die Gerüchteküche brodelte natürlich und plötzlich hieß es, das er von der anderen Schule wohl gefeuert wurde, weil er die Jungs im Unterricht bevorzugte, anmachte und all son Kram, und es wurde ziemlich schlecht über Schwule und Lesben geredet.

Für mich brachte dieser Aufklärungsunterricht, dass ich mein "anders-sein" nun benennen konnte, mich nicht mehr ganz so seltsam oder anders empfand, wenn doch so viele Stars aus den Achtzigern auch "so waren" (schade fand ich, dass er keine lesbischen Stars benannte, aber zumindest Annie Lennox als Bisexuelle nannte, ich wurde dann sogleich Fan von ihr), andererseits schockierte mich der Umgang mit dem Lehrer und das schlechte Gerede über das Thema hinterher, so dass ich meine Erkenntnis lieber für mich behielt.
Diesen Lehrer sah ich später dann mal aus oben genannter Kneipe kommen, mit zwei Männern, die tatsächlich Frauenkleidung trugen, das war natürlich nochmal sehr erschreckend für mich, da dass ja die Kneipe war, vor der ich als Kind immer gewarnt wurde und die in meiner kindlichen Vorstellung ein schlimmer gefährlicher Ort war!

Mit der Erkenntnis, das ich wohl wahrscheinlich lesbisch bin, wusste ich dann nicht wohin, also mit wem ich hätte darüber sprechen können. Ich suchte nach Infos in Aufklärungsbüchern, fand aber nichts. Lesben-Beratungsstellen gab es auch nicht. Cafes oder Treffpunkte für Schwule und Lesben fand ich auch keine (es war natürlich aber auch schwierig sowas herauszufinden, offiziell gab es jedenfalls sowas nicht).

Als ich in die Lehre kam, war eine Kollegin im Kollektiv (= DDRisch für Kollegenkreis) lesbisch. Über diese Frau wurde so dermaßen schlecht geredet und sie von allen geschnitten. Da ich von mir selbst nicht preisgab, das ich wahrscheinlich auch lesbisch bin, bekam ich natürlich alles Gerede auch zu hören, es war sowas von schrecklich, was da alles geredet wurde, teilweise total abgedrehte Phantasien von den Leuten, die sie zum besten gaben. Es gab sogar Aussagen, dass einige Kolleginnen mit ihr nicht zusammenarbeiten wollten und auf keinen Fall mit ihr allein in einen Raum sein wollten, wer weiß, was "diese Lesbe" dann mit ihnen machen würde. Einige Kolleginnen sagten sogar, dass sie sich ekeln würden, wenn sie Arbeitsmaterial, welches sie vorher benutzt hat, danach auch anfassen sollten. Dieses üble Gerede war ständig massiv vorhanden. In so einem Umfeld wagte ich es natürlich nicht, mich auch zu outen, es erschreckte mich auch sehr und so blieb es weiterhin mein Geheimnis. Dann kam aber schon der Mauerfall (und in Folge der Abbruch meiner Lehre dort).

Hinterher erfuhr ich, das es sehr wohl Treffs oder Cafes für Schwule und Lesben gab. In Ostberlin soll es schon den Sonntagsclub gegeben haben, in unserer Stadt soll es auch ein Cafe gegeben haben, was natürlich nicht offiziell als Schwulen- und Lesbentreffpunkt bekannt war. Über die Situation von Lesben in der DDR hatte ich auch mal ein Buch gelesen, von welchem ich den genauen Titel nicht mehr weiß und das ich auch bei amazon nicht finde, ich glaube es hieß "Lesben in der DDR". Und es gab auch einen DDR-Film über einen schwulen jungen Mann "Coming Out", diesen Film hatte ich zu DDR-Zeiten aber nicht gesehen (denn er wurde am Tag des Mauerfalls zum ersten Mal gespielt).
http://de.wikipedia.org/wiki/Coming_Out_(Film)


Lieben Gruß
k.d.

edit: schon wieder Rechtschreibfehler,
irgendwie klappt das auch mit Firefox und Quotentags und Smilies nicht ...

Der Beitrag wurde von k.d. bearbeitet: 22.Aug.2007 - 14:12
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Fledi
Beitrag 22.Aug.2007 - 16:40
Beitrag #72


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QUOTE (two-hearts @ 22.Aug.2007 - 14:28)
an den wehrunterricht erinnere ich mich auch! das war doch wohl der hammer!
alle anderen klassen haben aus dem fenster gehangen, wenn wir mädels da in uniform, mit käpi und koppel (hiess das so?) über den schulhof im gleichschritt maschierten! ja und die jungs waren im wehrlager...die armen!!!

Ich weiß noch, dass ich als Nachmittagsunterricht irgendwann Schießen hatte. Dazu kamen die von der NVA zu uns in die Schule und rekrutierten Kinder, die die Hände besonders still halten konnten (im waffenkundigen Sinne). Und so stand Mini-Fledi irgendwann mit Pistole und Luftgewehr, das so groß war, wie ich selbst und ballerte auf Schießscheiben.

Gott sei Dank musste ich nicht zu Two-Hearts' beschriebenen Pioniereinsätzen. Stadtkind eben. Aber gestern Abend kam mir in einer Unterhaltung noch eine Erinnerung...

Kuchenbasar :wacko:, Fettbemmenbasar, Spielzeugbasar und und und...
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Mausi
Beitrag 22.Aug.2007 - 18:26
Beitrag #73


Mama Maus
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Aber das mit der Kinderbetreuung hätte dann Gesamtdeutschland definitiv weiterführen können *brummel!* - *grmpf* - das erstmal nie neutral über Sachen nachgedacht werden kann sondern von vorneherein alles verteufelt werden muss *brummeltmehr*.

*gespannt weiter mitliest und garnix dagegen hätte, wenn der Thread Ellenlang - und noch länger - werden würde :) *
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Nordlicht
Beitrag 23.Aug.2007 - 06:21
Beitrag #74


Inselreifes Träumerschäfchen
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QUOTE (Mausi @ 22.Aug.2007 - 19:26)
*gespannt weiter mitliest und garnix dagegen hätte, wenn der Thread Ellenlang - und noch länger - werden würde :) *

Moin Mädels :morgens:

da kann ich Mausi nur :zustimm: zustimmen (IMG:http://www.cosgan.de/images/midi/froehlich/d025.gif) Hab im Augenblick zwar massiven Stress und kann deshalb nicht oft hier sein, aber ich lese aufmerksam diesen Thread mit und bin gespannt auf mehr :D

Schon mal jetzt DANKE allen, die hier ihre Erinnerungen und Erlebnisse preisgeben und so spannend erzählen. Was frau hier so alles über die ehem. DDR erfährt, steht in keinem Buch *freu* :blumen2:

Der Beitrag wurde von Nordlicht bearbeitet: 23.Aug.2007 - 06:31
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pandora
Beitrag 23.Aug.2007 - 10:03
Beitrag #75


auf dem Hochseil des Lebens balancierende Wölfin
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hallo zusammen,

leider habe ich zu diesem thread nicht die bohne beizutragen, da ich im rheinland geboren wurde ;)
nichts desto trotz finde ich eure geschichten hochinteressant, und es zeigt mir mal wieder, dass frau lange nicht alles glauben soll, was sie in den medien zu hören und in der presse zu lesen bekam/bekommt :ph34r:
ich dachte eigentlich immer, ich sei recht gut informiert was den alten tätäräää-staat angeht, aber was ihr hier zu erzählen habt, ist mir schlichtweg unbekannt.
was hatte es wohl für einen sittlichen nährwert, 6-8 jährigen kinder im schiessen zu unterrichten :wacko: :gruebel:
wirklich interessant, bitte weiter so :blumen2:

edit..."zu lesen" eingefügt

Der Beitrag wurde von pandora bearbeitet: 23.Aug.2007 - 10:04
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Gentian
Beitrag 23.Aug.2007 - 15:33
Beitrag #76


Vorspeisenexpertin
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Hallo,

in der Unterstufe kamen uns ja auch Soldaten besuchen. Zum Tag der NVA sollten wir Glückwunschkarten schreiben, in denen wir uns bedanken (ob wir wollten oder nicht) und diese den Soldaten überreichen. Es wurde dann auch ein Lied gelernt ("Soldaten sind vorbeimarschiert..." Liedtext: http://ingeb.org/Lieder/soldates.html ), das wir ihnen vor sangen. Überhaupt die ganzen Pionier- und Arbeiterlieder. Es gab ein Lied, welches wir in der Unterstufe lernten und was mich als Kind ziemlich erschreckte bzw. was ich sehr traurig fand, das Lied vom kleinen Trompeter, dem Rotgardistenblut, der von einer feindlichen Kugel getroffen mit einem Lächeln auf dem Lippen fiel. Hier ist der Liedtext: http://ingeb.org/Lieder/vonallun.html

Ich hatte auch mal so ein Pionier-Amt "Polit-Agitator" oder wie das hieß. Das war so schrecklich, ich hab als Kind noch gar nicht verstanden, worum es eigentlich ging. Einmal sollte ich die Nachrichten (Aktuelle Kamera) verfolgen und am nächsten Tag den Kindern in der Schule vortragen und erklären. Setzte mich also mit Stift und Zettel vor dem Fernseher und wollte mitschreiben. Aber: ich hatte kein Wort verstanden, es wurde so schnell gesprochen, lauter Fremdwörter. Ich konnte nichts, überhaupt nichts von den Nachrichten wiedergeben und hätte am nächsten in der Schule fast geheult.


QUOTE
ja esp und pa-unterricht! grusel grusel. pa ging ja noch, aber esp war ja voll der schreck!
ich habe damals in berlins grösster glühbirnenfabrik geschufftet!


Ja, ESP (= Einführung in die sozialistische Produktion) - ich weiß bis heute nicht, was da eigentlich gelehrt wurde, da ich diesem trockenen langweiligen Stoff unmöglich folgen konnte und immer kurz vor'm Einschlafen war.
Und PA fand ich genauso schrecklich. Einmal kamen wir frühmorgens in die Fabrik, ein Arbeiter gab uns eine Kiste mit Ausschuss (ich weiß nicht mehr, was für Teile das waren, irgendwelche Gewinde oder sowas). Wir feilten und sägten daran stundenlang herum. Am Ende des PA-Tages kamen diese Teile dann wieder in den Ausschuss, also völlig unnütze Arbeit!

Erinnerungen an den Wehrunterricht habe ich keine mehr, wahrscheinlich total verdrängt.

Solche Pioniereinsätze hatte ich zum Glück nicht (auch Stadtkind) und ich war auch nicht im Wehrlager. Dafür in Pionierlagern und einmal in der Pionierrepublik Wilhelm Pieck. Das war eine kleine abgeschottete "Republik" für sich in der Nähe von Berlin. Wir schliefen mit mehreren Kindern in einem Zimmer, gingen dort in die republikseigene Schule, hatten ständig irgendwelche Apelle, marschierten herum und hatten Kampfmanöver und wurden politisch geschult. Täglich wurde die Pionieruniform getragen. Wir wurden früh morgens mit einer Sirene geweckt und mussten dann erstmal zum Appell antreten, danach Frühsport machen (bei Wind und Wetter unter freiem Himmel), danach erst waschen gehen und dann zum Frühstück marschieren. Danach zur Schule. Nachts gab es manchmal Sirenenalarm und wir mussten aus den Betten springen, uns draußen einfinden und in Reih und Glied aufstellen. Beim Essen bekamen wir Sachen, die es "draußen" selten oder gar nicht gab, z.B. Bananen. Ich war 10 Jahre alt, hatte furchtbar Heimweh und fand es sehr schrecklich dort. U.a. auch deshalb, weil ich da furchtbare Zahnschmerzen hatte und zum Zahn-Notdienst musste. Da fällt mir ein:

Zahnarzt in der DDR - Horror!!

Ich weiß nicht, warum die so mit den Betäubungen gespart haben? Waren die zu teuer? War das böses "Westzeugs" oder warum gab es seltenst nur Betäubungen? Jedenfalls gab es beim Bohren keine Betäubungsspritzen, nur beim Zahn ziehen und dann auch sehr sparsam dosiert. Ich habe da als Kind wirklich Horror-Erlebnisse beim Zahnarzt gehabt, was dazu führte, dass ich nicht mehr zum Zahnarzt ging und Zahnschmerzen verheimlichte. Leider kamen ja regelmäßig auch Zahnärzte in die Schule und untersuchten dort alle Kinder (der Zahnarzt saß im Klassenraum, alle Kinder stellten sich in einer Reihe an und er schaute allen nach und nach in den Mund) und bei Bedarf wurde dann ein Zahnarzt-Termin ausgemacht, der den Eltern mitgeteilt wurde. So kam ich um den Zahnarzt nicht drumherum.
In der Pionierrepublik musste ich dann auch zum Zahn-Notdienst. Da ein Backenzahn gezogen werden musste, bekam ich ausnahmsweise mal eine Betäubungsspritze. Diese wirkte aber überhaupt nicht, ich merkte noch alles. Das teilte ich dem Zahnarzt auch mit, was ihm aber nicht interessierte und hebelte mir den Zahn raus. Ich habe geschrien vor Schmerzen, es wurde aber natürlich nicht nachgespritzt.

In den internationalen Pionierlagern hatten wir auch ständig irgendwelche Appelle, spielerische Kampfmanöver und es wurde dazu animiert, mit den Pionieren der sozialistischen Bruderstaaten Freundschaft zu schließen. Am Ende des Aufenthalts sollten wir Adressen austauschen, um zukünftig mit den Pionieren Brieffreundschaft zu pflegen, natürlich in russischer Sprache.

Ja und meine Kindheit war total durchstrukturiert. Das Pionierhalstuch symbolisierte ja schon mit seinen drei Ecken: Elternhaus - Schule - Pionierorganisation. Daraus bestand auch mein gesamtes Leben. Vormittags Schulunterricht, Nachmittags Pionierveranstaltungen oder - einsätze, oder an Pionier-Mal- und Gedichtwettbewerben teilnehmen (ich schrieb ein Gedicht über Ernst Thälmann, das ich dann im Pionierhaus der Stadt vortragen musste), oder als vorbildlicher Pionier natürlich auch Sport treiben, ich war im Leichtathletik- und Gymnastikkurs, turnte da mit dem Rhönrad und nahm an Wettkämpfen teil, oder an irgendwelchen Exponaten herumbasteln, die zur "Messe der Meister von Morgen" dann ausgestellt wurden, oder irgendwelche Aktionen, wie z.B. Subotniks (das waren "freiwillige" Säuberungsaktionen), oder Altpapier sammeln gehen, oder zu den Proben des Pionierchors gehen (ich spielte da Tom-Tom und es wurden Übungen für Märsche einstudiert). Und wenn mal wirklich nur Hort war, wurde auch da zu Solidarität angehalten und Lerngruppen gebildet, wo lernschwächeren Pionieren geholfen werden sollte. Und abends dann zu Hause die Haushaltspflichten und Lernen, um die besten Noten zu schreiben. Es gab kein Nachmittag, an dem ich hätte zu Hause bzw. vor dem Fernseher hätte abhängen können.

Lieben Gruß
k.d.
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two-hearts
Beitrag 23.Aug.2007 - 16:13
Beitrag #77


Doppelherzchen mit Knutschchügeli
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k.d., ich finde es einfach genial, wie du dich erinnern kannst! wenn ich deine beiträge lese, weiss ich mitunter nicht, ob ich heulen oder lachen soll!
deine berichte sind...irgendwie so nah! ich kann alles unterschrieben, von dem was du noch zu berichten weisst und dinge, die irgendwie schon längst vergessen waren, rücken wieder ein stück nach vorn!

mich wühlt das ganze gerade enorm auf, macht mich nachdenklich und trotzdem danke ich dir! vielleicht gerade deshalb!

ich möchte noch etwas zu mausis gedanken sagen! sicher, was das soziale system angeht, so hätte man sicher einiges übernehmen können.
dennoch, wenn ich heute so nachdenke, wie ich es früher erlebt habe, dann frage ich mich heute, für welchen preis??? der staat hat alles getan, wirklich alles...für seine kinder und für seine rentner! kinder waren die zukunft und den rentnern war man einfach dankbar!
es ist schon ein unterschied, ob man in der ddr gelebt hat, wie man es damals empfunden hat und wie man sich heute daran erinnert und eigentlich jetzt erst kapiert, was damals eigentlich alles abgelaufen ist!

*tief luftholt*

ich mag noch eine geschichte erzählen!

ich war damals in der 7. klasse und von der schule wurde ein zeltlager in den sommerferien organisiert. ich werde das wohl mein lebtag nicht vergessen!
ein riesen gelände mit ich weiss nicht wie vielen nva-gruppen-zelten! (nva = nationale volksarmee). in jedem zelt standen 4 doppelstockbetten und in der mitte waren diese aluminiumschränke. schränke waren das nicht wirklich, sondern solche spints. es gab eine lagerordnung, die u.a. auch solche appelle, incl. frühsport, von denen k.d. oben schon berichtete, vorschrieben. ausserdem gab es einen lagerwettbewerb. wer gestaltete den schönsten vorgarten vor seinem zelt. :wacko:
zeltordnung wurde gross geschrieben. jeden morgen nach dem frühstück ging die lagerleitung von zelt zu zelt, kontrollierte die betten, die schränke und die sauberkeit im zelt. dafür gab es punkte, die an einer grossen tafel am haus (!!!) des lagerleiters angebracht wurde und dort konnte jeder lese, wie viele punkte es für die heutige zeltordnung gab!
wenn es warm war, MUSSTEN die zeltwände an den seiten hochgerollt werden. so waren die zelte für jederman einsehbar. an unserem zelt waren die schnüre für das hochbinden der seiten schon arg "morsch", so dass wir kinder mühe hatten, die zeltwände vorschriftsmässig hochzubinden.
wir hatten eine sehr strenge und ordnungsliebende erzieherin, die für uns 8 kinder verantwortlich war. sie hatte immer etwas auszusetzen, war nie zufrieden, scheuchte uns hin und her, wirbelte die betten wieder durcheinander, wenn sie nicht ihrer norm entsprachen, räumte mit einem schlag die schränke aus, wenn diese nicht normgerecht eingeräumt waren.
die krönung war, als sie die schnürsenkel all unserer schuhe rauszog, um diese für das hochbinden der zeltseiten zu benutzten.
es gab ein riesen gebrüll unter uns kindern.
ich war die "zeltälteste" und trug eine gewisse verantwortung.
es war der blanke horror. meine schwester und meine cosine waren mit dabei. meine schwester heulte ganze nächte, hatte heimweh...es war kaum auszuhalten!
post, die wir nach hause schrieben, wurde natürlich von der leitung "gefilzt" und wenn schlechte dinge über das lagerleben drin stand, wurde die post entfernt! sie kam nie zu hause an!

genug für heut´!

Der Beitrag wurde von two-hearts bearbeitet: 23.Aug.2007 - 16:14
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Mausi
Beitrag 23.Aug.2007 - 17:59
Beitrag #78


Mama Maus
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Ich finde es heftigst, wie die Politik eingriff - in das Privatleben.
Im Endeffekt war alles Leistungsorientiert, oder habe ich da einen falschen Eindruck?

Was wurde denn gemacht, wenn man mit dem Druck - der da war - nicht zu Rande kam?

Irgendwie erinnert es mich etwas an das Lied "Hier kommt Alex" von dem Toten Hosen - nur nicht eben mit Gewalt und so, sondern wenn man den Anforderungen nicht gewachsen war.
Was wurde denn gemacht, wenn Familien nicht besonders toll waren - eben die Kinder nicht gut haben erziehen können?

Was ich mit dem Übernehmen meinte war, dass das Grundgerüst hätte übernommen werden können - die Möglichkeit der Kinderbetreuung aber kein Muss war u.v.a. keinen Propagandazwecken unterliegt - eben so, wie die Kindergrippen, Kindergärten Horts hier sind, nur in größerer Zahl (Anzahl der Plätze) sozusagen. Ich denke das würde den Müttern hierzulande wirklich gut tun, da könnten sie dann frei entscheiden ob sie arbeiten gehen wollten.

Dieses Vorbestimmte "So hat ein Leben auszusehen" empfinde ich als - ja - ich kann es nicht anders ausdrücken - schrecklich - konnte man da irgendwie ausbrechen?

Hoffe ich frage nicht zuviel? Falls ja, bitte sagen und ich halte mich zurück und bin Mitleserin :) .

Liebe Grüsse
Mausi
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Rafaella
Beitrag 24.Aug.2007 - 23:50
Beitrag #79


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danke!! das ist imo der beste thread seit langem :blumen2:
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advocati
Beitrag 25.Aug.2007 - 16:04
Beitrag #80


Salatfee
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dem schließe ich mich gern und vorbehaltlos an, rafaella!

mich interessiert weniger die indoktrination, die sicherlich hüben wie drüben stattgefunden hat, sondern vielmehr interessieren mich die ddr-errungenschaften, mit denen es die ddr insbesondere den frauen leicht(er) gemacht hat, ihren weg zu finden.

zum beispiel krippen- oder kindergartenplätze. zum beispiel jobs für jedwede frau, die arbeiten wollte. dass dabei natürlich nicht alles gold ist, was glänzt, ist mir schon klar. ("Prima, ich hab nen Job! Ej, DEN Job will ich aber nicht! - Macht nix, du nimmst ihn trotzdem oder bekommst gar nix.")

vielen dank für die schilderungen all eurer erfahrungen und erinnerungen!
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