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> Definitionsprobleme, "Bist du jetzt lesbisch?"
nico
Beitrag 26.Dec.2007 - 18:59
Beitrag #41


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QUOTE (Weissdorn @ 26.Dec.2007 - 18:51)
Die Definition "Feminismus ist eine Theorie und Lesbianismus ist eine Praxis" sollte doch heute sich selbst entwachsen sein. Es ist ein Paradox für mich, wenn eine frauenliebende Frau Frauen, die anders fühlen, denken und handeln, von ihrem Leben abtrennt. Verständnis entwickeln und Akzeptanz für die Lebensweise der Anderen, die Andersartigkeit nicht als trennend und/oder bedrohend, sondern als Ergänzung entdecken, ist für mich Ausdruck von Liebesfähigkeit.

Wenn Lesbianismus die Praxis vom Feminismus ist, dann wäre das nur eine Flucht.
Ich denke da ähnlich ... aber die Zeiten waren früher eben rauher, eine Flucht schien sicherlich schmerzfreier und verheißungsvoller ...
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Weissdorn
Beitrag 26.Dec.2007 - 19:15
Beitrag #42


Naschkatze
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QUOTE (nico @ 26.Dec.2007 - 18:55)
Nach meiner Ansicht sind Lesben nicht die besseren Feminstinnen, aber die mit der Möglichkeit zu tieferen Reflektion.

Nach meiner Ansicht und damit nach meiner Definition sind Lesben nicht die besseren Feministinnen und auch nicht die wahrhafigeren Frauen. Die Möglichkeit zur tieferen Reflexion ist vielleicht deshalb gegeben, weil das Eingeständnis lesbisch zu sein während des CO zu individuell verschiedenen inneren Auseinandersetzungen führt. Denn die wahrgenommenen Differenzen sind nicht einfach Differenzen und Spaltungen in der Familie, unter Freunden und in der Gesellschaft, sondern, und das ist ebenso wichtig, auch Differenzen und Spaltungen in den Frauen selbst...
Jede Frau hat Möglichkeiten zur tiefen Reflektion, doch nicht jede läßt sich darauf ein. Dies ist für mich kein Grund mich von ihr als getrennt zu erleben.

Der Beitrag wurde von Weissdorn bearbeitet: 26.Dec.2007 - 19:16
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nico
Beitrag 26.Dec.2007 - 19:21
Beitrag #43


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QUOTE (Weissdorn @ 26.Dec.2007 - 19:15)
Denn die wahrgenommenen Differenzen sind nicht einfach Differenzen und Spaltungen in der Familie, unter Freunden und in der Gesellschaft, sondern, und das ist ebenso wichtig, auch Differenzen und Spaltungen in den Frauen selbst...
Jede Frau hat Möglichkeiten zur tiefen Reflektion, doch nicht jede läßt sich darauf ein. Dies ist für mich kein Grund mich von ihr als getrennt zu erleben.

Die Differenzen und Spaltungen sind zwar "in" den Frauen im CO, aber sie sind doch eher das Produkt mit der Auseinandersetzung mit der Außenwelt.
Aber lassen wir meine Haarspalterei ...

Und doch, ich erlebe mich von ihr getrennt, um in Deinen Worten zu bleiben.
1. aufgrund der Distanz und 2. aufgrund der Möglichkeit, mich nicht in ein Gegenüberverhältnis zum Mann stellen zu müssen.
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Weissdorn
Beitrag 26.Dec.2007 - 20:20
Beitrag #44


Naschkatze
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QUOTE (nico @ 26.Dec.2007 - 19:21)

Und doch, ich erlebe mich von ihr getrennt, um in Deinen Worten zu bleiben.
1. aufgrund der Distanz und 2. aufgrund der Möglichkeit, mich nicht in ein Gegenüberverhältnis zum Mann stellen zu müssen.

Punkt 2. kann ich nachvollziehen und verstehen. Ich sehe sie mal schmerzhaft, mal beruhigend als Puffer zwischen mir und dem Mann und gelegentlich als Mittlerin.
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DerTagAmMeer
Beitrag 26.Dec.2007 - 20:24
Beitrag #45


Adiaphora
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QUOTE (nico @ 26.Dec.2007 - 18:55)
Ich weiß noch nicht so genau, ob es tatasächlich der Akt der Differenzierung ist, der wirklich der Ursprung der Ungleichheit ist (das angesprochene doing gender/race etc. = doing inequality).

Es würde sich lohnen, darüber zu diskutieren ... es verheißt die Quelle aller Ungleichheiten und somit aller Diskriminierungen/Rassismen etc. zu sein. Mich düngt, das sei ein wenig einfach ...?

Selbst wenn dem so ist, sind wir damit keinen Schritt weiter. Es findet sich keinen Satz, kein Gedanke, keine Gestalt, die keine Differenz erzeugt. Unser Denken und Fühlen ist nicht "equal", es baut auf Kontrasten.
Sprachliche Vertuschung mag einfach sein, aber sie ändert nichts an unserem Blick AUF "Andersfähige".

Julia Kristeva erklärt es so: Der Fremde entsteht, wenn in mir das Bewusstsein meiner Differenz auftaucht, und er hört auf zu bestehen, wenn wir uns alle als Fremde erkennen.

Robin signiert ihre Beiträge seit Langem mit Vilém Flusser: Wir Migranten sind die Fenster, durch die die Einheimischen die Welt sehen können.

Ihnen gemein ist die Erkenntnis, dass der Splitter im Auge des Anderen uns helfen kann, den Balken im eigenen zu erkennen.

So ganz nebenbei schreibst Du:
QUOTE (nico)
Ganz sicher gibt es hetereos. Beziehungen, in denen die Geschlechtergrenzen verschwimmen, von dieser absoluten Minderheit lohnt sich nicht zureden

Hallo? Es lohnt sich nicht? Weil sie in der Minderheit sind? Weil die Ausnahme nivelliert werden darf, wenn die These eine gute ist?

Nebenbei tappe ich in dieselbe Definitionsfalle, wenn ich mich zum Spiegel Lady Godivas Feminismusdefinition stilisiere. Es ist mein Problem, nicht ihres.
Auch wenn mir das bewusst ist, bleibt ein unterschwelliger Vorwurf der Intoleranz, der meinen eigenen Balken meint und sich dennoch an jedem Splitter gleichen Holzes stört.

2007 war wohl das Jahr an dem ich aufgehört habe daran zu glauben, dass Solidarität eine Tugend ist. Mit den Gewerkschaften hat es begonnen und scheint mit dem Feminismus zu enden. Auch Abschied ist nicht immer einfach.

Und jetzt tut mir leid, die Eingangsfrage von Teetrinkerin über eigenen Interessen beinahe vergessen zu haben. Auch wenn's jetzt nicht mehr passt:

@Teetrinkerin: Vielleicht ist Deine Freundin ja deshalb so interessiert an Deiner Definition, weil das Thema sie selbst beschäftigt?
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nico
Beitrag 26.Dec.2007 - 20:40
Beitrag #46


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QUOTE (DerTagAmMeer @ 26.Dec.2007 - 20:24)
Selbst wenn dem so ist, sind wir damit keinen Schritt weiter. Es findet sich keinen Satz, kein Gedanke, keine Gestalt, die keine Differenz erzeugt. Unser Denken und Fühlen ist nicht "equal", es baut auf Kontrasten.
Sprachliche Vertuschung mag einfach sein, aber sie ändert nichts an unserem Blick AUF "Andersfähige".


Eben!
Wir bauen nicht nur auf Kontrasten, wir leben schlechthin vom Dualismus. Gut-Böse, Schwarz-weiß, Himmel-Hölle, Frau-Mann, Gefühl-Verstand ...
Du sagst, es gibt nichts dessen außerhalb. Aber warum ist das so?
Und auch die Frage, ist das nicht die Grundlage, Legitimationsgrundlage aller Herrschaftsverhältnisse?

Apropos Sprache, sie vertuscht nichts, ganz im Gegenteil!! Sie ist das das konstruierende Element überhaupt. Oder habe ich Dich da falsch verstanden?

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nico
Beitrag 26.Dec.2007 - 20:46
Beitrag #47


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QUOTE (DerTagAmMeer @ 26.Dec.2007 - 20:24)
So ganz nebenbei schreibst Du:
QUOTE (nico)
Ganz sicher gibt es hetereos. Beziehungen, in denen die Geschlechtergrenzen verschwimmen, von dieser absoluten Minderheit lohnt sich nicht zureden

Hallo? Es lohnt sich nicht? Weil sie in der Minderheit sind? Weil die Ausnahme nivelliert werden darf, wenn die These eine gute ist?





Ich wollte das Herrschaftsmodell verdeutlichen. Und fand es dabei erwähnenswert, dass Geschlechterbilder in Praktiken (dazu zählt auch unsere) zunehmend verschwimmen. Ohne Zweifel haben queere (auch heteros.) Praktiken einen Einfluss auf das herrschende Modell, doch das war nicht mein Thema ...
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DerTagAmMeer
Beitrag 28.Dec.2007 - 20:01
Beitrag #48


Adiaphora
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QUOTE (nico @ 26.Dec.2007 - 20:40)
Eben!
Wir bauen nicht nur auf Kontrasten, wir leben schlechthin vom Dualismus [...] es gibt nichts dessen außerhalb. Aber warum ist das so?
Und auch die Frage, ist das nicht die Grundlage, Legitimationsgrundlage aller Herrschaftsverhältnisse?

Ich habe keine Antwort auf das Warum. Vielleicht beißt sich hier die abendländische Katze in ihren sprichwörtlichen Schwanz.

Im Zen-Buddhismus birgt die Einheit des Paradoxen Erleuchtung. "Sich finden heißt sich verlieren" - Eine andere Art, mit Differenzen umzugehen, als wir es gewohnt sind, oder?
Vielleicht wäre es manchmal weise über unser Verhältnis zu unseren Gegenspielern in dieser Weise zu meditieren, anstatt unsere Gedanken dem Wettkampf zu opfern.

Aber auch auf unsere Kultur begrenzt glaube ich nicht, dass eine jede Differenzierung mit einem Werturteil verknüpft sein muss.
Die Differenz der physikalisch messbaren Wellenlänge markiert beispielsweise einen Unterschied zwischen rotem und blauem Licht - es mag persönliche Vorlieben, assoziierte positive oder negative Stimmungen geben - ein universelles Werturteil ist mit dieser Differenz aber nicht verbunden: die Stimmen zum Thema Farbe sind polyphon genug um sich gegenseitig zu neutralisieren.

Anders wäre es, wenn Herrschaftsverhältnisse den Diskurs kontrollieren würden, wenn sich Liebhaber der blauen Stunde nicht mehr äußern dürften, das Radio nur noch Lieder über die Abendsonne spielte, das Phänomen der "Frühaufsteherin" als Krankheitsbild verhandelt würde, blaue Flecken als "schlechtes Omen" und Blutschwämmchen als Glücksbringer gölten* ...

Klar ist diese Entwicklung möglich - aber sie ist nicht zwingend.

Ein dritter (unabhängiger) Schritt wäre dann die Legitimation von Herrschaft.
Der geht sich allerdings sehr bequem, solange Herrschaft durch sich selbst legitimiert werden kann.
Warum herrschten die Römer über die Provinzen? Na, weil die Römer über die Provinzen herrschten - wären sie nicht überlegen, würden sie wohl kaum herrschen, oder?

Hier ging es aber (glücklicherweise) nicht um Herrschaft - sondern lediglich um eine (durchaus wertende) Gegenüberstellung von lesbischen und "anderen" Beziehungskisten hinsichtlich ihrer Reflexions- und Emanzipationsmöglichkeit.

Leider finden diese Spekulationen in einem Forum statt, in dem es prinzipiell unerwünscht ist, Erfahrungen jenseits lesbischen L(i)ebens einzubringen.

Bitte nicht falsch verstehen - ich habe keinerlei Interesse Euch mit Hetera-, Bi- und Trans-Themen zu verärgern.

Mir geht es lediglich darum, dass dieses "Tabu" auch umgekehrt gilt: Was hier nicht zum Thema gemacht werden soll, möge bitte auch nicht als Negativfolie für orthodox-lesbisches Selbstverständnis genutzt werden. Das wäre jedenfalls konsequent und ausgesprochen kreislaufschonend für die diesbezüglich stumme Randbevölkerung "auf den Schwellen" der Lesbenforen.


* gälten? oder doch gölten?

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 28.Dec.2007 - 20:04
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McLeod
Beitrag 28.Dec.2007 - 20:55
Beitrag #49


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QUOTE (nico @ 26.Dec.2007 - 20:40)
Wir bauen nicht nur auf Kontrasten, wir leben schlechthin vom Dualismus. Gut-Böse, Schwarz-weiß, Himmel-Hölle, Frau-Mann, Gefühl-Verstand ...

Ich versuch mich mal: Hetero - bi - homo. Mist, das ist schon nicht mehr dual. Schwäbisch - sächsisch - hanseatisch (usw.) ist poly-dingens. Mann - Frau - zweigeschlechtlich ist nicht mal biologisch dual, soziologisch ist das Geschlecht allemal poly-naduweißtschon. Himmel - Hölle - Erde! Hell - dunkel - dämmrig. Schwarz - weiß - rot - grün - lila... Selbst ja - nein - vielleicht ist nicht dual. Erlaubt - verboten - geduldet.

Ich schreib das nur, weil ich die Leier von der Dualität nicht mehr hören / lesen kann. Ich stimme zu, dass es Kontraste sind, die wir am besten sehen und spüren. Doch Kontraste entstehen hauptsächlich nicht durch Dualität, das ist ein Mißverständnis (behaupte ich ganz frech), sondern durch die Auswahl von zweien aus mehreren/vielen, die dann zueinander in ein Verhältnis gebracht werden. Der Kontrast entsteht durch die scharfe Abgrenzung, nicht durch die scheinbare Dualität der beiden Elemente.

Insofern, um einen Schwenk zur Urfrage zu versuchen, ist eine Frage nach der Selbstdefinition oft genug eine Frage nach den Gemeinsamkeiten oder (neuen) Grenzen.

Das Wissen darum soll Sicherheit geben. Beiden Seiten, bestenfalls. Also: Mut zum Standpunkt. Es kann auch der Standpunkt "derzeit noch unklar" sein. ;)

McLeod

Der Beitrag wurde von McLeod bearbeitet: 28.Dec.2007 - 20:57
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nico
Beitrag 28.Dec.2007 - 21:54
Beitrag #50


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QUOTE (McLeod @ 28.Dec.2007 - 20:55)
QUOTE (nico @ 26.Dec.2007 - 20:40)
Wir bauen nicht nur auf Kontrasten, wir leben schlechthin vom Dualismus. Gut-Böse, Schwarz-weiß, Himmel-Hölle, Frau-Mann, Gefühl-Verstand ...

Ich versuch mich mal: Hetero - bi - homo. Mist, das ist schon nicht mehr dual. Schwäbisch - sächsisch - hanseatisch (usw.) ist poly-dingens. Mann - Frau - zweigeschlechtlich ist nicht mal biologisch dual, soziologisch ist das Geschlecht allemal poly-naduweißtschon. Himmel - Hölle - Erde! Hell - dunkel - dämmrig. Schwarz - weiß - rot - grün - lila... Selbst ja - nein - vielleicht ist nicht dual. Erlaubt - verboten - geduldet.


Du nennst die Zwischentöne von weiß und schwarz, oder Mann und Frau.
Und offenbarst dich damit als Kind des 20/21. Jahrhundert, indem Du diesen schon immer Dagewesenen eine Bedeutung zugestehst. Es gab schon immer Lesben und Schwule - nur, hatten sie auch die Macht, die sie heute haben?
Zwischentöne gab es immer - aber ist es nicht vielmehr eine Folge der Demokratisierung?

Dennoch bleibt das Dualismusdenken hegemonial. Meine stützende These ist, dass sich (jegliche) Herrschaft im Zuge der Demokratisierung weniger absolut begreifen musste, sozusagen etwas "vom Kuchen" abgeben musste, um nicht ihre Vorherrschaft zu verlieren. (Das kann man auch Befriedung nennen, es gibt unendliche Vorgänge in der Geschichte, die so gedeutet werden können.) Das bedeutete letztendlich auch eine Öffnung, für Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen. Unter anderem eben auch die Ambivalenz der verschiedenen Sexualitäten.
Die von Dir angesprochene "Enstehung von Kontrasten durch Auswahl von zweien aus meheren/vielen" ist daher zwar heute obligatorisch, aber eben eine "Neuerscheinung" ohne momentan garvierende systemverändernde Kraft - dafür sollte sie über weitere Grenzen gehen, um Kraft zu entfalten. Nenn mich Kulturpessimistin ...

Du siehst, ich sehe es vielmehr von dem Standpunkt der Hegemonie aus. Die Vorherrschaft besitzt immer noch das Modell der Heterosexualität, nicht umsonst. Daher kann ich Deinem Einwand zwar Folge leisten (auch ich bin ein Kind meiner Zeit), aber nicht vor meinem argumentativen Hintergrund.
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nico
Beitrag 28.Dec.2007 - 22:20
Beitrag #51


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QUOTE (DerTagAmMeer @ 28.Dec.2007 - 20:01)
QUOTE (nico @ 26.Dec.2007 - 20:40)
Eben!
Wir bauen nicht nur auf Kontrasten, wir leben schlechthin vom Dualismus [...] es gibt nichts dessen außerhalb. Aber warum ist das so?
Und auch die Frage, ist das nicht die Grundlage, Legitimationsgrundlage aller Herrschaftsverhältnisse?

Ich habe keine Antwort auf das Warum. Vielleicht beißt sich hier die abendländische Katze in ihren sprichwörtlichen Schwanz.

Im Zen-Buddhismus birgt die Einheit des Paradoxen Erleuchtung. "Sich finden heißt sich verlieren" - Eine andere Art, mit Differenzen umzugehen, als wir es gewohnt sind, oder?
Vielleicht wäre es manchmal weise über unser Verhältnis zu unseren Gegenspielern in dieser Weise zu meditieren, anstatt unsere Gedanken dem Wettkampf zu opfern.

Aber auch auf unsere Kultur begrenzt glaube ich nicht, dass eine jede Differenzierung mit einem Werturteil verknüpft sein muss.
Die Differenz der physikalisch messbaren Wellenlänge markiert beispielsweise einen Unterschied zwischen rotem und blauem Licht - es mag persönliche Vorlieben, assoziierte positive oder negative Stimmungen geben - ein universelles Werturteil ist mit dieser Differenz aber nicht verbunden: die Stimmen zum Thema Farbe sind polyphon genug um sich gegenseitig zu neutralisieren.

Anders wäre es, wenn Herrschaftsverhältnisse den Diskurs kontrollieren würden, wenn sich Liebhaber der blauen Stunde nicht mehr äußern dürften, das Radio nur noch Lieder über die Abendsonne spielte, das Phänomen der "Frühaufsteherin" als Krankheitsbild verhandelt würde, blaue Flecken als "schlechtes Omen" und Blutschwämmchen als Glücksbringer gölten* ...

Klar ist diese Entwicklung möglich - aber sie ist nicht zwingend.

Ein dritter (unabhängiger) Schritt wäre dann die Legitimation von Herrschaft.
Der geht sich allerdings sehr bequem, solange Herrschaft durch sich selbst legitimiert werden kann.
Warum herrschten die Römer über die Provinzen? Na, weil die Römer über die Provinzen herrschten - wären sie nicht überlegen, würden sie wohl kaum herrschen, oder?

Hier ging es aber (glücklicherweise) nicht um Herrschaft - sondern lediglich um eine (durchaus wertende) Gegenüberstellung von lesbischen und "anderen" Beziehungskisten hinsichtlich ihrer Reflexions- und Emanzipationsmöglichkeit.


Ja, ein Blick über den eigenen Kulturkreis eröffnet ganz sicher den Horizont. Bei Deinem Beispiel über den Umgang mit Differenzen dachte ich daran, dass dahinter sogar ein völlig anderes Identitätskonzept steht. Sich zu verlieren ist mit unserem psychologischen Konzept kaum zu vereinbaren, dass vorsieht, ganz bei sich zu sein, um ganz sich selbst zu sein. Wer sich ihrer/seiner sicher ist, kann über Grenzen gehen, andernsfalls gerät man durcheinander. Ich fühlte mich durch einen älteren Beitrag zum Thema Intersexualität daran erinnert, bei dem interessanterweise deutlich wurde, wie sehr sich Intersexen etwas "festes" wünschten. Das wäre sozusagen dann das Sicherheitselement für alle Interaktionen.


Ich finde im übrigen, immer, wenn es um etwas "wertendes" geht, geht es auch um Herrschaft ... manchmal subversiv, manchmal augenscheinlich.

Wohl richtig - hier http://de.wiktionary.org/wiki/gelten
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McLeod
Beitrag 29.Dec.2007 - 07:42
Beitrag #52


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QUOTE (nico @ 28.Dec.2007 - 21:54)
[...] Dennoch bleibt das Dualismusdenken hegemonial.
[...] Die von Dir angesprochene "Enstehung von Kontrasten durch Auswahl von zweien aus meheren/vielen" ist daher zwar heute obligatorisch, aber eben eine "Neuerscheinung" ohne momentan gravierende systemverändernde Kraft - dafür sollte sie über weitere Grenzen gehen, um Kraft zu entfalten.
[...]Du siehst, ich sehe es vielmehr von dem Standpunkt der Hegemonie aus. Die Vorherrschaft besitzt immer noch das Modell der Heterosexualität, nicht umsonst. Daher kann ich Deinem Einwand zwar Folge leisten (auch ich bin ein Kind meiner Zeit), aber nicht vor meinem argumentativen Hintergrund.

Hallo nico,

was hat die Hegemonie (Vorherrschaft und Macht eines Elements über andere) mit der "Predigt von Dualismus" zu tun? Ich widerspreche Dir ja gar nicht, dass die Heterosexualität als Lebensentwurf immer noch viel zu viel Macht besitzt, denn wenn ich mir die anschaue, die jetzt in ihrer Pubertät und Coming-out-Hochzeit stecken, gibt es immer noch viel zu viel Angst, viel zu viel Scheu, viel zu viel Verdrängung ab jenem Moment, indem der Gedanke aufblitzt "hey... könnte es sein, dass ich mich verliebt habe und es ist auch ein Mädchen?".

Hegemonie hat mit Dualismus nichts zu tun. Es sei denn, die Herrschenden nutzen sie. "Es gibt uns und es gibt die Anderen. Inländer - Ausländer. Heteros - Homos. Gut - Böse." Das macht das "regieren" in der Tat einfacher. Und zeigt auch, warum es manche Gruppen des Ganzen noch schwerer haben, als die duale Minderheit. Ihre schlichte Inexstenz in der Argumentation (oder das Abtun als "Zwischenton") entmachtet sie vollends. Sie können nicht einmal David sein, sie können sich nicht neu- oder umdefinieren. Inländer/innen mit Migrationshintergrund (wie es so schön heißt heutzutage), Bisexuelle, Transidente... Frag die mal... ;) Wenn es eine aktuelle Strömung gibt, dann die, dass diese Mitmenschen zum Teil derzeit mehr PR machen oder bekommen, im 21. Jahrhundert. Ob es gravierend und systemverändernd wirkt, wage ich nicht mit absoluter Sicherheit zu behaupten. Es kommt mir so vor. Aber ich bin ja auch nicht im hegemonialen Teil der Gesellschaft, in so vielen Dingen nicht, deswegen kann es sein, dass sich die Auswirkung auch (erstmal?) nur im unterlegenen Teil der von den Hegemon/inn/en propagierten Dualität fühlen lassen. Wie gesagt: mir fehlt so ein bißchen das Messinstrument.

Darf ich mich auch noch kurz zur Buddhismus-Sichtweise einmischen? :blumen2: Ich glaube nicht, dass es dabei um ein der psychologischen Sicherheits-Denke widersprechendes Modell geht. Buddhistische Sichtweisen *sind* eigentlich ziemlich genau beobachtete Psychologie-Tipps, eingedampft um die (hierzulande hegemonielle ;o) ) wissenschaftliche Erläuterung / Rechtfertigung. Ja, alle streben nach Sicherheit, nach etwas Festem, Klaren - wie die Freundin von Teetrinkerin mit ihrer Frage, wie viele in bestimmten Phasen des (inneren) Coming-outs, wie Menschen bei der Frage "wer bin ich". Sich ihrer/seiner selbst wirklich sicher zu fühlen heißt dann wieder für viele: die Antwort ist gar nicht mehr so wichtig. Sie ist nicht das sicherheitgebende. Sich finden heißt also (oder könnte heißen), frei zu sein von allen Definitionszwängen. Was wiederum hieße, sich insofern verloren zu haben, als dass ohne Definition auch nichts mehr greifbar erscheint. Es hat nichts zu tun mit dem "sich verlieren" im psychologischen Sinne, das wäre ein Mißverständnis.

Wie immer ist die Krux bei buddhistischen Weisheiten, dass sie in Worte zu fassen versuchen, was (eben weil gefunden) eigentlich keine Worte hat. Die Sätze und Handlungsanweisungen (Lotussitz, stundenlang auf einen Punkt im ca. 40-Grad-Winkel schauen und dabei bitte nichts denken) sind ja nur Hinweise auf den Weg, den letztlich jede/r für sich finden muss. Für mich zum Beispiel ist bislang in meinem Leben meditieren so gar nichts gewesen. *smirk*

In diesem Sinne: guten Morgen!

McLeod
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Weissdorn
Beitrag 29.Dec.2007 - 11:31
Beitrag #53


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QUOTE (DerTagAmMeer @ 28.Dec.2007 - 20:01)
Hier ging es aber (glücklicherweise) nicht um Herrschaft - sondern lediglich um eine (durchaus wertende) Gegenüberstellung von lesbischen und "anderen" Beziehungskisten hinsichtlich ihrer Reflexions- und Emanzipationsmöglichkeit.

Leider finden diese Spekulationen in einem Forum statt, in dem es prinzipiell unerwünscht ist, Erfahrungen jenseits lesbischen L(i)ebens einzubringen.

Bitte nicht falsch verstehen - ich habe keinerlei Interesse Euch mit Hetera-, Bi- und Trans-Themen zu verärgern.

Mir geht es lediglich darum, dass dieses "Tabu" auch umgekehrt gilt: Was hier nicht zum Thema gemacht werden soll, möge bitte auch nicht als Negativfolie für orthodox-lesbisches Selbstverständnis genutzt werden. Das wäre jedenfalls konsequent und ausgesprochen kreislaufschonend für die diesbezüglich stumme Randbevölkerung "auf den Schwellen" der Lesbenforen.

:zustimm:

ich bewundere gerade Deine klare und gut beschreibende Ausdrucksweise dessen, was mich in dieser Diskussion unangenehm berührte, DerTagAmMeer, danke Dir dafür.

weissdorn
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DerTagAmMeer
Beitrag 29.Dec.2007 - 13:28
Beitrag #54


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Mahlzeit! :)

Danke Euch dreien fürs Mit- und Weiterdenken! An zwei Stellen habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt.
Zum einen der Begriff der Differenz. Ich meinte damit eine zunächst willkürliche Unterscheidung innerhalb der Kommunikation. Unter Dualismus versteht man (gemeinhin) eine "naturgegebene" Paarigkeit.
QUOTE (Mc-Leod)
Der Kontrast entsteht durch die scharfe Abgrenzung, nicht durch die scheinbare Dualität der beiden Elemente.

Genau. Es ging mir also nicht um das Wesen der Elemente, sondern um diese Praxis der scharfen Angrenzung.

Als Beispiel war wohl auch der Koan etwas unglücklich gewählt. Vielleicht hätte ich zu "Der Berg ist nicht schwer, der Himmel nicht oben, der Vogel in Ruhe." o. Ä. greifen sollen. Wichtig war mir, dass er sich nicht wie ein Rätsel analytisch "knacken" lässt, sondern für einen anderen Umgang gedacht ist und in einer anderen "Kommunikationssituation" stattfindet.
Ich bin keine Zen-Schülerin. Ich habe lediglich die Erfahrung gemacht, dass man Fremde besser kennt lernt, wenn man gemeinsam mit ihnen kocht und zu Abend isst als wenn man Bücher über sie liest oder gar schreibt.

In jedem Universum gibt es "kalte Sterne". In meinem bestand die Verbindung zu verschleierten Muslima bis vor Kurzem ausschließlich aus "Sekundärquellen": ein wenig Emma-Rezeption, Kommentare der taz-Redakteur(inn)e(n), befreundete Lehramtlerinnen, ein paar Vorlesungen an der Uni und meine ganz persönlichen Vorurteile, genährt an den Kopftüchern russlanddeutscher Baptistinnen.

Vor ein paar Wochen, saß ich dann im Bus zwischen 4 Mädchen so um die 16/17 Jahre. Alle aus demselben Stadtteil aber äußerlich völlig verschieden. Eine trug Kopftuch und war ungeschminkt, zwei jugendlich overstyled im sexy Girlie-Look, bei der vierten meldete mein Gaydar "Babybutch"!
6 Haltestellen Smalltalk der Vier haben dann alles über den Haufen geschmissen, was ich mir über das Selbstbewusstsein junger Frauen "mit muslimischem Migrationshintergrund" zusammengereimt hatte. Es war ein wenig wie Persepolis - und müsste hier wohl bis zur Unlesbarkeit zerspoilert werden.

Also: Spätestens wenn mir kalte Sterne dazu dienen, mich selbst zu positionieren, halte ich es für gewinnbringend, mich mit ihnen an einen gut gedeckten Tisch zu setzen und sie zu Wort kommen zu lassen - wahrscheinlich lerne ich dabei nämlich auch etwas über mich selbst.

edit: aus zwei mach drei, das kommt davon, wenn frau fast zwei Stunden für einen Beitrag braucht ...

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 29.Dec.2007 - 14:00
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nico
Beitrag 05.Jan.2008 - 16:26
Beitrag #55


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QUOTE (McLeod @ 29.Dec.2007 - 07:42)
Hegemonie hat mit Dualismus nichts zu tun. Es sei denn, die Herrschenden nutzen sie. "Es gibt uns und es gibt die Anderen. Inländer - Ausländer. Heteros - Homos. Gut - Böse." Das macht das "regieren" in der Tat einfacher.

Es macht das regieren nicht nur einfacher, es ist Legitimationsgrundlage. Ich behaupte, und da wären wir alle im Konsens, dass sich Dualismus als eine historische und kulturelle Konstante zeigt, aber keine naturgegebene Tatsache ist. Vielmehr wurden/werden "Zwischentöne" übertönt, was so alles Dazwischen als unnatürlich, nicht existenzwürdig, erscheinen lässt. Das nennt man Herrschaftssicherung.



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