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> Leaving the life, Vorsicht, kann triggern!
malene
Beitrag 30.Oct.2011 - 12:30
Beitrag #1


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« Leaving the life » von Ann E. Menasche handelt nicht, wie es der Titel auf den ersten Blick nahe legt, vom Freitod. Es handelt sich um Interviews von Lesben, die zur Heterosexualität (zurück)gefunden haben.

Das Buch, mir zufällig in die Hände geraten, interessierte mich nicht besonders, nach kurzem Durchblättern wollte ich es schon aus der Hand legen, als mich die Besitzerin des Buches, eine Bekannte, darauf aufmerksam machte, dass 72% der befragten Ex-Lesben als Grund für ihre „Bekehrung“ NICHT die Anziehung zu Männern als Grund angegeben haben. Nein, der überwältigende Teil der Frauen behauptete, es sei der Druck der Umwelt gewesen, die Norm der Gesellschaft, die sie zur Aufgabe ihrer Identität bewogen hat.

Ich schwankte zwischen Ungläubigkeit und Entsetzen. Immerhin waren die Interviews in den 90er Jahren geführt worden, und nicht etwa in den obskuren fünfziger oder sechziger Jahren, und es handelte sich bei den Interviewten um Amerikanerinnen. Mir als Sandkastenlesbe, die ihre Sexualität immer frei und sehr glücklich ausgelebt hat, kam es immer absolut unverständlich und absurd vor, wie jemand seine Gefühle von seiner Umwelt reglementieren und kontrollieren lassen konnte.

Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, lehnte ich es ab, mir das Buch auszuleihen. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, ich war im beruflichen Stress und wollte lieber etwas Vergnüglicheres lesen. Und überhaupt war all dies zu seltsam und zu weit weg, es betraf niemanden, den ich kannte.

Einige Wochen später erfuhr ich vom Selbstmord einer meiner Exen. Ich hatte seit Ewigkeiten keinen Kontakt mit ihr, wusste, dass sie vor paar Jahren einen Mann geheiratet hatte und hatte damals darüber kopfschüttelnd gelacht. Es sah ihr nicht ähnlich, aber ich hatte mir darüber keine Gedanken gemacht. Menschen können sich ändern, ich hatte keinen Kontakt mehr mit ihr und überhaupt… das Leben ist eben kein gerader, ruhiger Fluss.

Die Details ihres Freitods waren schockierend. Weder ihr Mann noch ihre Freunde wussten, dass sie depressiv war. Alle schienen von allen Wolken zu fallen, als sie erfuhren, dass er lange und sorgfältig im Voraus vorbereitet worden war. So sorgfältig, dass sie erst zwei Wochen nach ihrem Tod gefunden wurde, vom Hund eines Spaziergängers.

Sie hatte mich immer angerufen, als es ihr schlecht ging. Als wir uns aus den Augen verloren, schien diese Rolle niemand übernommen zu haben. Nachdem ich das genaue Datum ihres Todes rekonstruiert hatte, erinnerte ich mich, dass ich in den Wochen zuvor öfter seltsame Anrufe erhalten hatte. Wenn ich mich meldete, hörte ich jemand am anderen Ende der Leitung atmen und dann rasch auflegen. Es ging Wochen lang so und schließlich hob ich nicht mehr ab, wenn die Nummer unterdrückt war. War sie es? Höchstwahrscheinlich, meine Festnetznummer ist seit Jahren die gleiche geblieben, und niemand sonst hatte Anlass zu diesem seltsamen Verhalten.

Nun, ich konnte nichts Näheres über die letzten Jahre und Monate ihres Lebens erfahren, außer dass sie ihrem Mann und ihrer Umgebung in der heimatlichen Kleinstadt fremd geblieben war. So fremd, dass sie niemandem einen Brief hinterlassen hatte. Ich hatte auch erfahren, dass ihre Mutter schon lange auf eine standesgemäße und heterosexuelle Heirat gedrängt und sie mit ihrer (eingebildeten?) Krankheit erpresst hatte. Dass meine Ex meinen Weggang (dies ist mehr als zwei Jahrzehnte her) nie verwunden und dass ihre Mutter mich als das Paradebeispiel weiblicher Wankelmütigkeit hingestellt und dagegen die männlich Standhaftigkeit gelobt hatte.

Nun, ihr sagt euch vielleicht, wozu noch über all dieses vergeudete Leben schreiben.

Ich weiß es selbst nicht. Schuldig fühle ich mich nicht, oder zumindest nicht wirklich. Es schmerzt mich aber, dass sie, eine intelligente, interessante Frau, sich derartig von den herrschenden Normen verbiegen, am Ende sogar von ihnen hatte brechen lassen.

Und im Zusammenhang mit „Leaving the life“ frag ich mich, ob sie jemals als offizielle Hete glücklich gewesen war. Und wenn diese 72% der unglücklichen Ex-Lesben auf Deutschland (zum Beispiel) übertragbar sind, sind vielleicht viele der jetzt so hoch gepriesenen freien Bisexuellen oder Neu-Heten viel weniger frei, als wir denken.

Dies nur als Gedanke, nachdem hier öfter mal über die intoleranten Lesben und über die universale Bisexualität, die ganz bestimmt in jedem von uns schlummern müsse, geschrieben wurde.

Das Schreiben hat nun doch gut getan.

edit: -zig Fehler

Der Beitrag wurde von malene bearbeitet: 30.Oct.2011 - 13:19
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dandelion
Beitrag 30.Oct.2011 - 13:00
Beitrag #2


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ZITAT(malene @ 30.Oct.2011 - 12:30) *
Nun, ihr sagt euch vielleicht, wozu noch über all dieses vergeudete Leben schreiben.

Ich weiß es selbst nicht. Schuldig fühle ich mich nicht, oder zumindest nicht wirklich. Es schmerzt mich aber, dass sie, eine intelligente, interessante Frau, sich derartig von den herrschenden Normen verbiegen, am Ende sogar von ihnen hatte brechen lassen.

Und im Zusammenhang mit „Leaving the life“ frag ich mich, ob sie jemals als offizielle Hete glücklich gewesen war. Und wenn diese 72% der unglücklichen Ex-Lesben auf Deutschland (zum Beispiel) übertragbar sind, sind vielleicht viele der jetzt so hoch gepriesenen freien Bisexuellen oder Neu-Heten viel weniger frei, als wir denken.

Ich glaube, dass wir alle deutlich weniger frei sind, als wir denken. Dass manche mehr zur Unabhängigkeit geführt/geboren sind als andere. Und dass diese anderen es schwer haben.

Das muss sich nicht auf die Partnerwahl beziehen, kann es aber. Ich bin unsicher, inwiefern das tatsächlich ein lesbisches Problem ist. Es gibt so viele junge Menschen, denen auf ähnliche Weise die Berufswahl, der Wohnort, die Partnerschaft (nicht nur die Partnerwahl, sondern auch die konkrete Ausgestaltung), der Freundeskreis und und und... kanalisiert wird.

Es könnte, glaube ich, auch sein, dass es bei Lesben, denen eine Partnerschaft mit einem Mann "nahegelegt" wird, weniger allgegenwärtig ist, als wenn einem begeisterten angehenden Koch "nahegelegt" wird, den Schreinerbetrieb vom Vater zu übernehmen oder einem Kind gesagt wird, dass "die Mama ganz traurig ist", wenn es mit den Kindern spielt, die an "den falschen Gott" glauben.

All diese Dinge können, wenn die falsche Person sie ertragen muss, Leben zerstören.
ZITAT(malene @ 30.Oct.2011 - 12:30) *
Das Schreiben hat nun doch gut getan.

das wünsche ich dir von Herzen (IMG:style_emoticons/default/troest.gif)
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shark
Beitrag 30.Oct.2011 - 23:05
Beitrag #3


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Wenn das wirklich wahr sein sollte, dass noch in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts mehr als zwei Drittel der amerikanischen Frauen, die von einer lesbischen Lebensweise zu einer heterosexuellen "gewechselt" haben, das nicht getan haben, weil sie es selbst so wollten, sondern weil sie sich gesellschaftlichem Druck gebeugt haben, dann wäre das schockierend.
Aber nicht wirklich ganz überraschend, wenn ich es näher bedenke....

Vermutlich werden es inzwischen weniger sein - aber ich kann mir schon vorstellen, dass manche Menschen es einfach nicht dauerhaft aushalten, sich "anders" zu fühlen und dass unter sogar denselben oder vergleichbaren Umständen die Einen ganz fröhlich sie selbst sein können und die Anderen das nicht schaffen.

Und unter wirklich schlimmen Umständen, unter viel Druck, unter Gewalt vielleicht oder aufgrund der restriktiven Haltung "wichtiger" Menschen mag sich diese Last noch deutlich schwerer anfühlen.

Am Allermeisten hat das aber wohl gar nicht mit den Erfahrungen in einer heteronormativen Gesellschaft zu tun, sondern mit dem eigenen, ganz persönlichen Empfinden dafür, ob es OK ist, zu sein wie mensch eben ist. Ob das Berechtigung hat, ob "anders" gleich auch als "schlechter" wahrgenommen wird oder ob klar ist, dass alle Menschen "gleich und anders zugleich" sind.

Frauen mit einem positiven Selbstbild und Selbstbewusstsein werden vermutlich weniger stark auf negative Erlebnisse reagieren als solche, die sich eh schon als "verkehrt" wahrnehmen und denen das Gefühl dafür fehlt, dass sie ein Recht darauf haben, so zu sein und zu leben wie sie es wollen und fühlen.

Deine Exfreundin könnte zu diesen Frauen gehört haben - und es ist sehr traurig, dass in ihrem nahen Umfeld niemand ihre Not bemerkt hat...


shark

Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 30.Oct.2011 - 23:06
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svan
Beitrag 31.Oct.2011 - 13:57
Beitrag #4


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Dass die Frauen sich für Männer entscheiden, weil das der gesellschaftliche Druck ist, finde ich schlimm. Wenn sie sich wirklich in einem Mann verlieben würden, sich damit wohl fühlen würde, dann ist es etwas anderes.
In den USA schätze ich den gesellschaftlichen Druck noch als wesentlich stärker ein als hier.
Außerdem spielen dort die Fundamentalisten und ihre Vorstellungen eine nicht unbedeutende Rolle in der Gesellschaft, sie machen etwa 20-25% aus und je nach Region sind sie vorherrschend.
Ich glaube, dass es sich nicht trennen lässt, wie das Selbstbild in uns und draußen ist.
Was nützt es sich selbst anzunehmen, wenn die Gesellschaft mitteilt, dass es unerwünscht ist.
Selbst hier bringen sich Jugendliche heute auf dem Land immer noch um, wenn sie merken, dass sie homosexuell sind.
Wenn sie es schaffen, gehen sie in Städte, wo sie Gleichgesinnte finden.
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malene
Beitrag 31.Oct.2011 - 14:27
Beitrag #5


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ZITAT(dandelion @ 30.Oct.2011 - 13:00) *
das wünsche ich dir von Herzen (IMG:style_emoticons/default/troest.gif)

Danke. (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)

ZITAT(shark @ 30.Oct.2011 - 23:05) *
Frauen mit einem positiven Selbstbild und Selbstbewusstsein werden vermutlich weniger stark auf negative Erlebnisse reagieren als solche, die sich eh schon als "verkehrt" wahrnehmen und denen das Gefühl dafür fehlt, dass sie ein Recht darauf haben, so zu sein und zu leben wie sie es wollen und fühlen.

Deine Exfreundin könnte zu diesen Frauen gehört haben - und es ist sehr traurig, dass in ihrem nahen Umfeld niemand ihre Not bemerkt hat...


Dass sie den gesellschaftlichen Druck immer als sehr lastend, manchmal kaum erträglich fand, habe ich schon immer gewusst - und dies hat mich letztendlich auch zum Bruch mit ihr bewogen. Aber dass sie bei weitem nicht die Ausnahme war, finde ich besonders bestürzend.

Denn selbst wenn "nur" 40 oder 50% der Befragten sich der gesellschaftlichen Norm gebeugt hätten, fände ich es immer noch entsetzlich viel.

Ich will hier keine Leidenskala aufstellen und behaupten, Lesben würden als einzige oder ganz besonders stark unter der Erwartungshaltung und dem Druck der Umgebung leiden. Mich erstaunt nur, dass dieser immer noch so gegenwärtig und den Betroffenen durchaus klar bewusst ist (ihrer Umgebung dagegen überhaupt nicht.)

Der Beitrag wurde von malene bearbeitet: 31.Oct.2011 - 14:30
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shark
Beitrag 31.Oct.2011 - 19:39
Beitrag #6


Strösenschusselhai
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ZITAT(svan @ 31.Oct.2011 - 13:57) *
Was nützt es sich selbst anzunehmen, wenn die Gesellschaft mitteilt, dass es unerwünscht ist.


Oh, das "nützt" eine ganze Menge - weil auch der "Auftritt" draußen ganz anders ist.
Und erfahrungsgemäß hat dieser große Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Anderen und auch auf die Akzeptanz.
Ich will nicht behaupten, dass es keine Diskriminierung, keine deutliche Ablehnung oder keinen Druck mehr auf Lesben gäbe - ganz sicher nicht!
Im Gegenteil: es gibt nach wie vor genug Leute, die Homosexualität für "krank, abartig, unnatürlich" oder wasweißichwas halten - und nicht alle gehen mit dieser Haltung nach außen hin "dezent" um.
Befinden sich solche Menschen im nahen sozialen Umkreis, dann wird es auch für Frauen, die selbstbewusst so leben, wie sie wollen, unangenehm oder gar richtig schwer.
Ganz besonders schlimm ist das für "Abhängige"; zum Beispiel für Jugendliche, die auf die Gunst ihrer Eltern wirklich und ganz real angewisen sind.
Nicht umsonst ist nach wie vor die Suizidrate unter homosexuellen Jugendlichen größer als die unter heterosexuellen.

Aber ein Gutteil der Schwierigkeiten, auf die erwachsene Lesben "draußen" treffen können, verschwinden in dem Moment, in dem die einzelne Frau selbstsicher ausstrahlt, dass sie mit ihrem Leben im Reinen ist, fast von selbst.

Ich selbst zum Beispiel lebe in einer katholischen Kleinstadt - jedeR kennt jedeN hier und es wird getratscht, was das Zeug hält.
Trotzdem hatte ich nach der ersten Sensation meines ComingOuts keine Probleme damit, so offen lesbisch zu leben wie ich das wollte.

Aber weg von mir (ich bin ja nun auch nicht repräsentativ)...
Nicht alles, was wir befürchten, muss auch so eintreten. Und ganz oft ist das, was wir erwarten, fürchten und in unserer Angst zusammenphantasieren, nicht deckungsgleich mit dem, was real passieren würde, wenn wir einfach und deutlich dazu stehen würden.
Aber es macht Angst. Und Angst macht unfrei. Und wenn ein Mensch unfrei ist, wirkt er auch angreifbar. Und wird angegriffen, womit sich der Kreis wieder schließt, weil das Gefürchtete eingetreten ist und die Angst bestätigt hat.

Es kann also angenommen werden, dass sich der reale Druck der Gesellschaft gerade für diejenigen bis zur Unerträglichkeit potenziert, die mit sich selbst in Bezug auf ihre Lebensweise nicht im Frieden sind.
Und ein Stück weit ist dieser Mangel an Selbstbewusstsein immer noch eher ein "Frauending"; weil Mädchen viel zu oft immer noch so erzogen werden, dass sie die Anforderungen von "außen" wichtiger nehmen und höher bewerten als ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Träume.

Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 31.Oct.2011 - 19:41
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dandelion
Beitrag 31.Oct.2011 - 20:44
Beitrag #7


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ZITAT(shark @ 30.Oct.2011 - 23:05) *
Vermutlich werden es inzwischen weniger sein - aber ich kann mir schon vorstellen, dass manche Menschen es einfach nicht dauerhaft aushalten, sich "anders" zu fühlen und dass unter sogar denselben oder vergleichbaren Umständen die Einen ganz fröhlich sie selbst sein können und die Anderen das nicht schaffen.

Und unter wirklich schlimmen Umständen, unter viel Druck, unter Gewalt vielleicht oder aufgrund der restriktiven Haltung "wichtiger" Menschen mag sich diese Last noch deutlich schwerer anfühlen.

Am Allermeisten hat das aber wohl gar nicht mit den Erfahrungen in einer heteronormativen Gesellschaft zu tun, sondern mit dem eigenen, ganz persönlichen Empfinden dafür, ob es OK ist, zu sein wie mensch eben ist. Ob das Berechtigung hat, ob "anders" gleich auch als "schlechter" wahrgenommen wird oder ob klar ist, dass alle Menschen "gleich und anders zugleich" sind.

Frauen mit einem positiven Selbstbild und Selbstbewusstsein werden vermutlich weniger stark auf negative Erlebnisse reagieren als solche, die sich eh schon als "verkehrt" wahrnehmen und denen das Gefühl dafür fehlt, dass sie ein Recht darauf haben, so zu sein und zu leben wie sie es wollen und fühlen.

(IMG:style_emoticons/default/thumbsup.gif) Mir fällt dazu das Frauenpaar ein, das in einem kleinen, hochkonservativen Dorf im Sauerland völlig geoutet ist und einen Laden für Nutz- und Haustierbedarf führt. Der Laden wird angenommen, trotz Alternativen. Da die beiden mit ihrer Partnerschaft in einer Weise umgehen, die der Dorfgemeinschaft als "völlig normales Paar" vorkommt, werden sie akzeptiert. Vielleicht tuschelt der eine oder andere, aber sie haben dadurch, soweit ich sehe, weder einen gravierenden wirtschaftlichen noch sozialen Nachteil.

Und dann war da noch die Mitschülerin, die seit zehn Jahren fröhlich im Schrank lebt, obwohl sie ansonsten eigentlich immer recht laut ihre Dinge vertreten konnte... Und sich damit langsam, aber sicher in eine mittelschwere Depression manövriert, sofern sich das aus der Ferne wahrnehmen lässt.

ZITAT(svan @ 31.Oct.2011 - 13:57) *
Was nützt es sich selbst anzunehmen, wenn die Gesellschaft mitteilt, dass es unerwünscht ist.

Man entwickelt mit der Zeit eine verbissene Freude an dem, was eine glücklich macht. Man wird unabhängiger. Man entwurzelt zwar ein wenig, findet aber recht einfach Gleichgesinnte - irgendwo bestimmt. Allein dieses Gefühl "wir gegen den Rest der Welt" - man könnte danach süchtig werden.
Ein Stück weit habe ich das so erlebt, weil nicht nur mein lesbisches, sondern auch mein modefernes, Mathe-affines und comicbegeistertes Selbst mich in ziemliche Nischen getrieben haben. An einem gewissen Punkt war es seltsam, in einem Aspekt zum Mainstream zu gehören... Man gewöhnt sich daran (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)

ZITAT(shark @ 31.Oct.2011 - 19:39) *
Nicht alles, was wir befürchten, muss auch so eintreten. Und ganz oft ist das, was wir erwarten, fürchten und in unserer Angst zusammenphantasieren, nicht deckungsgleich mit dem, was real passieren würde, wenn wir einfach und deutlich dazu stehen würden.
Aber es macht Angst. Und Angst macht unfrei. Und wenn ein Mensch unfrei ist, wirkt er auch angreifbar. Und wird angegriffen, womit sich der Kreis wieder schließt, weil das Gefürchtete eingetreten ist und die Angst bestätigt hat.

(IMG:style_emoticons/default/thumbsup.gif) Nichts ist so schlimm wie Angst, und manche erleben die Aussonderung, die Anderssein mit sich fühlt, als schwerwiegende Katastrophe. Manche verstehen sie als Abschied von den Menschen, die nicht mit einer klarkommen, und dem Freiwerden von Kapazitäten für andere Menschen, die mit einer klarkommen. Höchstwahrscheinlich eine Frage des Typs, aber auch der rechtzeitigen und passenden Initialzündung.
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svan
Beitrag 01.Nov.2011 - 09:52
Beitrag #8


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Dandelion, ich kenne auch in manchen Dörfern Schwulenpaare oder Lesbenpaare.
Sogar Familien in denen sich ein Elternteil hat zu einem anderen Geschlecht umoperieren lassen und sie leben weiter zusammen als Familie. Bisher habe ich noch nicht erlebt, dass deshalb jemand in Deutschland gemieden worden wäre, eher besteht ein gewisses Interesse und Neugier. Und in Bezug auf Frauenpaare erlebe ich eine höhere Toleranz als bei Männerpaaren.
Es kommt sogar vor, dass ältere Frauen sagen, dass sie heute keinen Mann mehr nehmen würden, weil sie keine Lust mehr haben, ihn ständig zu versorgen.
Etwas anderes ist es, allein zu sein und keine Familie oder Beziehung zu haben. Alleinstehende Lesben werden von Männern nicht gemocht, weil sie nicht als potentielle Beute zur Verfügung stehen. Und bei vielen Frauen werden Ängste geweckt, weil sie es sich schon oft gewünscht haben, es mal mit einer Frau zu probieren, aber dann trauen sie sich nicht.
Während schwule Männer von vielen Frauen als Frauenversteher gesehen werden, Männer, die ihnen mal nicht an die Wäsche wollen. Und die Männer sehen sie nicht als Bedrohung an, da sie ihnen keine Weibchen wegschnappen werden.
Und die amerikanische Gesellschaft ist in weiten Teilen weniger aufgeklärt als hier.
Wenn ein Homosexueller sich outet und die Familie weint, weil sie der festen Überzeugung sind, dass er nun von Satan besessen ist, ist die Situation eine andere.
Ich hab in USA eine ganz andere Massivität von Vorurteilen erlebt.
Es gibt dort immer noch Menschen, die glauben, dass Juden Hörner haben und in die Hölle kommen werden.
Homosexuelle sind auf der Liste der Feinde ganz oben anzusiedeln, direkt hinter Islamisten oder noch davor.
Da nutzen innere Überzeugungen nicht, wenn man es mit solchen Leuten zu tun hat. Im Zweifelsfall werden sie Homosexuelle ermorden. Das kommt dort immer noch vor. Allerdings hab ich noch nicht davon gehört, dass Lesben ermordet werden, da ist eher die Vorstellung, dass die durch den richtigen Mann geheilt werden.
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Lucia Brown
Beitrag 01.Nov.2011 - 13:12
Beitrag #9


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Ja das ist ja mal ein spannendes Thema. Mich wundern die statischtischen Zahlen im Hinblick auf mein persönliches Umfeld gar nicht. Vor etwas 10 Jahren war es gerade zu "modern", wieder oder zum ersten Mal, eine Beziehung zu einem Mann einzugehen. Oft nach jahrelanger Beziehung zu einer Frau. Dass der Hintergrund allerdings hierfür der Druck der Umwelt, die Norm der Gesellschaft zur Aufgabe ihrer Identität bewogen ist mir neu und es erschreckt mich.

Ich kenne doch auch sehr viele Lesben, die versteckt leben und den Zusammenhang mit depressiver Erkrankung kann ich gerade deshalb nachvollziehen.

@ Malene - das ist sehr traurig, was du da mit deiner Ex-Freundin erleben musstest. (IMG:style_emoticons/default/troest.gif)
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Mausi
Beitrag 01.Nov.2011 - 14:17
Beitrag #10


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Hm, ich finde es schockierend und traurig, dass es in den 90er Jahren noch soviel Druck gab.
Svan, Deine Schilderungen finde ich nur gruselig - und bin da wirklich froh, dass ich in D lebe - wo eben die (in meinem Umfeld nur wenig verbreitete) Intoleranz mir nicht sonderlich viel ausmacht.

Ich weiß nicht, ob ich jmd. wäre, die sich dem öffentlichen Druck beugen würde - ich kann nur vermuten, dass ich dann eben (wie ich es dann mache, wenn ich wo -wg. etwas, was ich nicht ändern kann- nicht akzeptiert werde) gehen würde und mir eben "Nischen" suchen würde.

In meinem Lesbischen Leben bin ich schon auch Intoleranz begegnet - aber wirklich beeinflusst/gestört hat es mich nicht und ich habe mich auch (zu Beginn meines lesb. Lebens) auch dem Druck oder tw. der Gewalt dann nicht gebeugt.

Nichtsdestotrotz weiß ich eben auch, dass es tw. schwer war und ich schon auch verstehen kann, wenn Andere einen anderen Weg gehen. Es ist aber nochmal was anderes, dass ich eben Anfang 30 bin und die Frauen - die in den 90ern befragt wurden - in ganz anderen Zeiten aufgewachsen sind und evtl. nochmal ganz andere Erfahrungen machten.

Die Gefahr der Depressionen sehe ich bei ungeouteten (auf Dauer ungeoutet) auch - aber auch da - jede muss sich entscheiden. Ich finde es nur sehr schade, wenn sich dann unglücklich gemacht wird *sfz* - aber ich weiß nicht, ob daran viel geändert werden kann von Außen (außer Unterstützung geben) wenn eben die entsprechende Person es einfach nicht kann/zuviel Angst hat.

@malene - das mit Deiner Ex-Freundin tut mir auch aufrichtig leid!
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Mineau
Beitrag 01.Nov.2011 - 19:35
Beitrag #11


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ZITAT(svan @ 01.Nov.2011 - 09:52) *
Ich hab in USA eine ganz andere Massivität von Vorurteilen erlebt.
Homosexuelle sind auf der Liste der Feinde ganz oben anzusiedeln, direkt hinter Islamisten oder noch davor.
Da nutzen innere Überzeugungen nicht, wenn man es mit solchen Leuten zu tun hat. Im Zweifelsfall werden sie Homosexuelle ermorden. Das kommt dort immer noch vor.


Ich weiß nicht, in welchen Kreisen du in den USA verkehrt bist/verkehrst, svan, aber die Menschen, die du hier beschreibst, gehören zweifelsohne einer nahezu verschwindend geringen Minderheit der US-amerikanischen Bevölkerung an. Es gibt diese Minderheit, ja leider, aber sie ist zum Großteil dem äußersten Flügel (dem wirklich gewaltbereiten Flügel) des amerikanischen Rechtsextremismus zuzurechnen - und dieser Flügel hat in den USA gesellschaftspolitisch nicht viel zu melden.

Im Gegenteil: Die USA steuern gesellschaftlich immer mehr auf eine Lockerung schwulen- und lesbenfeindlicher Politik zu, was sich gerade in der Aufhebung der Don't ask, don't tell-Regelung manifestiert. Zudem ist die Zahl der hate crimes - gerade auch an Homosexuellen - rückläufig.

Als Homosexueller muss man/frau also nicht permanent Angst haben, verurteilt oder gar Mordopfer zu werden. Letzteres ohnehin nicht, da man/frau im alltäglichen Leben nicht allzu viel mit "solchen Leuten" aus dem lunatic fringe zu tun hat.

Und ich bin beileibe kein großer Fan der USA... (IMG:style_emoticons/default/rolleyes.gif)
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shark
Beitrag 01.Nov.2011 - 21:39
Beitrag #12


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@Mineau, Deine Beschreibung deckt sich recht genau mit dem, was meine amerikanischen FreundInnen berichten.
Ich selbst war nie in den USA, deshalb kann ich aus eigener Erfahrung nichts beisteuern, aber alles, was ich höre, klingt längst nicht so bedrohlich wie das, was svan berichtet.

Übrigens steigt auch die Zahl der Evangelikalen in Deutschland. Die tatsächliche Bedrohung für mich als Lesbe allerdings wird davon kaum beeinflusst.
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malene
Beitrag 02.Nov.2011 - 19:20
Beitrag #13


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ZITAT(shark @ 31.Oct.2011 - 19:39) *
Es kann also angenommen werden, dass sich der reale Druck der Gesellschaft gerade für diejenigen bis zur Unerträglichkeit potenziert, die mit sich selbst in Bezug auf ihre Lebensweise nicht im Frieden sind.
Und ein Stück weit ist dieser Mangel an Selbstbewusstsein immer noch eher ein "Frauending"; weil Mädchen viel zu oft immer noch so erzogen werden, dass sie die Anforderungen von "außen" wichtiger nehmen und höher bewerten als ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Träume.


Da kann ich weitgehend zustimmen.

Nur eine Bemerkung noch zu meiner Exfreundin: sie hatte als Studentin etwas weniger Probleme damit, ihre Homosexualität auszuleben. Sie behauptete, es läge an mir, aber ich bezweifle es, sie hatte vor mir andere Frauen und war durchaus glücklich mit ihnen.

Erst im Berufsleben, als sie Karriere machen wollte, wurde der Druck übermächtig und ich sah, wie ihre Selbstsicherheit fast übergangslos zusammen stürzte, fast als hätte sie einen Schock erlitten (Konfrontation mit der Wirklichkeit, nachdem sie den Kokon der Uni verlassen hatte?). In gewissen beruflichen Milieus - und in gewissen Kleinstädten - ist Homosexualität anscheinend immer noch eine Behinderung und manche, deren Selbstverständnis auf wackeligen Beinen steht, wird alles tun, um diese in sich auszumerzen. Dass nur 4% der Befragten in "Leaving the life" als einzigen Grund heterosexuelle Anziehung für ihren gewandelten Lebenswandel angaben, spricht auch für sich (ich zitiere hier aus einer Buchbesprechung, wie gesagt, ich habe das Buch nicht gelesen und werde es nun wohl auch nicht mehr tun.)



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dandelion
Beitrag 02.Nov.2011 - 19:49
Beitrag #14


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ZITAT(svan @ 01.Nov.2011 - 09:52) *
Dandelion, ich kenne auch in manchen Dörfern Schwulenpaare oder Lesbenpaare.
Sogar Familien in denen sich ein Elternteil hat zu einem anderen Geschlecht umoperieren lassen und sie leben weiter zusammen als Familie. Bisher habe ich noch nicht erlebt, dass deshalb jemand in Deutschland gemieden worden wäre, eher besteht ein gewisses Interesse und Neugier. Und in Bezug auf Frauenpaare erlebe ich eine höhere Toleranz als bei Männerpaaren.
Es kommt sogar vor, dass ältere Frauen sagen, dass sie heute keinen Mann mehr nehmen würden, weil sie keine Lust mehr haben, ihn ständig zu versorgen.

Verzeih die Frage, aber warum sprichst du mich damit an? (IMG:style_emoticons/default/gruebel.gif) Da du ansetzt, das von mir Gesagte zu widerlegen, erscheint es mir unsinnig, wenn du stattdessen unterstützende Beispiele aufzählst (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)
Ich hatte Beispiele genannt, um die Vermutung zu stützen, dass Gesellschaftsdruck nicht der eine einzige alles andere dominierende Faktor sein kann. Sonst käme unter vergleichbaren Bedingungen nicht so verschiedenes raus.
ZITAT(svan @ 01.Nov.2011 - 09:52) *
Etwas anderes ist es, allein zu sein und keine Familie oder Beziehung zu haben.

Und es gibt Workaholics, die damit vollkommen glücklich sind. Auch schwule und lesbische Workaholics. Es ist eine Typfrage.
ZITAT(svan @ 01.Nov.2011 - 09:52) *
Alleinstehende Lesben werden von Männern nicht gemocht, weil sie nicht als potentielle Beute zur Verfügung stehen.

Auch hier kann ich mich als Gegenbeispiel anführen. Von meinen männlichen Freunden werde ich geschätzt, weil ich als Gesprächspartnerin die Perspektive der "Frau in der Beziehung" und die der "Person, die eine Beziehung mit einer Frau führt", alternativ vertreten kann und somit manchmal Verwirrendes etwas luzider formulieren kann, als es eine Frau könnte, die um ihre Attraktivität bangen muss.
ZITAT(svan @ 01.Nov.2011 - 09:52) *
Und bei vielen Frauen werden Ängste geweckt, weil sie es sich schon oft gewünscht haben, es mal mit einer Frau zu probieren, aber dann trauen sie sich nicht.

Gegenbeispiel in diesem Falle wäre eine Arbeitskollegin, bei der es zwei frauenliebende Frauen im Kollegium brauchte, um überhaupt mal den Mund aufzukriegen (was sie bei ihren sonstigen Problemen kaum tut)...
ZITAT(svan @ 01.Nov.2011 - 09:52) *
Während schwule Männer von vielen Frauen als Frauenversteher gesehen werden, Männer, die ihnen mal nicht an die Wäsche wollen. Und die Männer sehen sie nicht als Bedrohung an, da sie ihnen keine Weibchen wegschnappen werden.

Ein Dasein als prinzipiell geschlechtsloses Szene-Accessoir ist garantiert super fürs Selbstwertgefühl. Ehrlich gesagt, das wäre für mich schlimmer als konsequent dumme Sprüche zu kassieren.

Gesellschaftlicher Druck allein reicht dank der Individualisierung der Gesellschaft wohl nur noch selten zu einer realen Hexenverfolgung aus. Mensch ist oftmals einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich mit der Ortsgemeinschaft gegen Andersartige zusammenzurotten; nicht gerechnet rechtsradikale Gruppierungen, die das Gemeinschaftsgefühl zu Rekrutierungszwecken missbrauchen und besagtes Zusammenrotten von oben organisieren.
Die Gefahr für Leib und Leben ist also sehr unwahrscheinlich.
Dennoch sollen die Quoten so hoch sein. Das passt nicht. Daher tendiere ich zu sharks Ansatz, dass es auf das individuelle Selbstbewusstsein und dessen Stabilität gegenüber Änderungen in der Außenwahrnehmung ankommt.
Dass das nämlich bei allen Menschen gleich sein soll, halte ich für ein Gerücht, seit eine Bekannte auf "Was werden die Leute sagen?" mit Entsetzen reagierte, während ich mich schon auf das Feuerwerk freute und wieder andere die Frage wohl mit einem Schulterzucken in den Papierkorb geschubst hätten.

von Amerika habe ich absolut keine Ahnung, deshalb halte ich mich dazu lieber zurück
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svan
Beitrag 02.Nov.2011 - 19:59
Beitrag #15


Gut durch
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Weil du oben von einem Frauenpaar im Sauerland gesprochen hast, hab ich dich angesprochen.
Das genannte Buch handelt von den USA und die Gesellschaft dort ist streckenweise sehr anders als hier.
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dandelion
Beitrag 02.Nov.2011 - 20:09
Beitrag #16


don't care
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Zur Erklärung einige Stellen aus dem Eingangsposting.

ZITAT(malene @ 30.Oct.2011 - 12:30) *
Das Buch, mir zufällig in die Hände geraten, interessierte mich nicht besonders, nach kurzem Durchblättern wollte ich es schon aus der Hand legen, als mich die Besitzerin des Buches, eine Bekannte, darauf aufmerksam machte, dass 72% der befragten Ex-Lesben als Grund für ihre „Bekehrung“ NICHT die Anziehung zu Männern als Grund angegeben haben. Nein, der überwältigende Teil der Frauen behauptete, es sei der Druck der Umwelt gewesen, die Norm der Gesellschaft, die sie zur Aufgabe ihrer Identität bewogen hat.

[...]
Einige Wochen später erfuhr ich vom Selbstmord einer meiner Exen.

[...]

Nun, ich konnte nichts Näheres über die letzten Jahre und Monate ihres Lebens erfahren, außer dass sie ihrem Mann und ihrer Umgebung in der heimatlichen Kleinstadt fremd geblieben war.
[...]
Und im Zusammenhang mit „Leaving the life“ frag ich mich, ob sie jemals als offizielle Hete glücklich gewesen war. Und wenn diese 72% der unglücklichen Ex-Lesben auf Deutschland (zum Beispiel) übertragbar sind, sind vielleicht viele der jetzt so hoch gepriesenen freien Bisexuellen oder Neu-Heten viel weniger frei, als wir denken.


Davon abgesehen steht jedem Menschen frei, sich aus einem unterdrückenden Umfeld zu lösen. Ob man lieber allein als unterdrückt lebt - nach meinem Dafürhalten nach wie vor eine Typfrage; schließlich gibt es seit Jahrhunderten Pioniere, die sich zu neuen Horizonten aufmachen, auch aus sippengesteuerten, abergläubischen und streng kodifizierten sozialen Entitäten. (IMG:style_emoticons/default/wink.gif)
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kahikatea
Beitrag 02.Nov.2011 - 23:48
Beitrag #17


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ZITAT(Mineau @ 01.Nov.2011 - 19:35) *
Zudem ist die Zahl der hate crimes - gerade auch an Homosexuellen - rückläufig.

Frage am Rande: Nach welchen Quellen denn? Mir scheint nämlich, das kommt sehr darauf an, wen man fragt, und was dazu gezählt wird.

Laut FBI hate crime statistics sind anti-gay hate crimes von 2008 auf 2009 tatsächlich leicht gesunken. Laut National Coalition of Anti-Violence Programs gab es dagegen 2010 gegenüber 2009 einen merklichen Anstieg gewalttätiger anti-LGBTQ hate crimes.

Was Berichte amerikanischer Freunde/Bekannte angeht, würde ich vermuten, was jemand dort persönlich erlebt oder eben nicht erlebt, dürfte auch sehr davon abhängen, wo und in welcher Kultur in diesem riesigen, heterogenen Land jemand lebt.




Der Beitrag wurde von kahikatea bearbeitet: 02.Nov.2011 - 23:48
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Lucia Brown
Beitrag 03.Nov.2011 - 10:14
Beitrag #18


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ZITAT(svan @ 02.Nov.2011 - 20:59) *
Das genannte Buch handelt von den USA und die Gesellschaft dort ist streckenweise sehr anders als hier.


Danke, dass du USA noch eingegrenzt hast, denn dieses Land ist sehr groß und so was von unterschiedlich. Ich war zunächst in Michigan und konnte dort die pure Frauenpower from Wymon all over the World erleben. Ein Festival der Superlative und ich habe bisher noch in keinem anderen Land so ein super, achtsame, respektvolle Organisation erlebt. Das war, wie mir gesagt wurde, allerdings ein Highlight der USA. Wobei ich danach dann nach Kalifornien reisen durfte und in San Francisco das nächste Highlight erlebte. Ich reiste als Frau alleine und ich war immer und überall herzlich willkommen.

Wobei ich anmerken möchte, niemals nie nicht nach Florida oder Dallas oder so was reisen zu wollen. Ein Teil meiner Verwandtschaft lebt in Kansas City und auch da möchte ich nicht unbedingt hinreisen. Wie mir viele hinter sagten, war ich wohl in einem eher europäischeren Teil der USA. Und hauptsächlich bewegte ich mich in einem sozusagen "Lesben-Schwulen-Schonraum", daher kann ich den anderen Teil der USA, der hier in diesem Buch beschrieben wird, nicht beurteilen. Wobei ich ihn mir vorstellen kann und dass verletzt mich und macht mich sehr traurig.

Der Beitrag wurde von Lucia Brown bearbeitet: 03.Nov.2011 - 10:15
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Mineau
Beitrag 03.Nov.2011 - 15:21
Beitrag #19


Koalabold
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ZITAT(kahikatea @ 02.Nov.2011 - 23:48) *
ZITAT(Mineau @ 01.Nov.2011 - 19:35) *
Zudem ist die Zahl der hate crimes - gerade auch an Homosexuellen - rückläufig.

Frage am Rande: Nach welchen Quellen denn? Mir scheint nämlich, das kommt sehr darauf an, wen man fragt, und was dazu gezählt wird.

Laut FBI hate crime statistics sind anti-gay hate crimes von 2008 auf 2009 tatsächlich leicht gesunken. Laut National Coalition of Anti-Violence Programs gab es dagegen 2010 gegenüber 2009 einen merklichen Anstieg gewalttätiger anti-LGBTQ hate crimes.

Was Berichte amerikanischer Freunde/Bekannte angeht, würde ich vermuten, was jemand dort persönlich erlebt oder eben nicht erlebt, dürfte auch sehr davon abhängen, wo und in welcher Kultur in diesem riesigen, heterogenen Land jemand lebt.



Eine gute Anmerkung, denn genau darauf zielte mein Beitrag ab: zu differenzieren, Sachverhalte mit einem kritischen und geschärften Blick zu betrachten und augenscheinliche "Wahrheiten" zu hinterfragen - und nicht alles über einen riesigen Kamm zu scheren. Dazu gehört etwa, soziale Verhaltensmuster und Ansichten in ihrem jeweiligen (spezifischen) Kontext zu verorten und zu untersuchen.

Insofern eine Statistik sozialpolitische und soziokulturelle Daten erfasst, ist es für mich besonders interessant, zu fragen, wann und wie genau sie eigentlich entsteht, welche Methodologie dahinter steckt und wie repräsentativ sie ist. In Bezug auf die Zahlen aus Leaving the Life habe ich mich, da ich das Buch selbst nicht gelesen habe, etwa unter anderem gefragt, wann genau die Interviews in den Neunzigern geführt wurden. Das Buch wurde 1999 - also erst Ende der 90er Jahre - veröffentlicht. Stammen die Interviews (zumindest zum Teil) aus den frühen Neunzigern, als noch George Bush Sr. das Land regierte, oder sind sie erst während Bill Clintons Präsidentschaft geführt worden, wie ich persönlich vermute? Damit verbunden ist die nächste Frage, die nach ähnlichem Muster gestellt werden kann: In welchem Jahr(zehnt) haben sich die Frauen "bekehrt", wie lange leben sie schon nicht mehr lesbisch? In welchem Bundesstaat (und welcher Stadt) leben und aus welchen Gesellschaftsschichten stammen die Frauen? Wurden nur weiße Frauen befragt? Haben sie womöglich eine Überschneidung verschiedener Diskriminierungsformen erlebt (Stichwort "Intersektionelle Diskriminierung")? Und und und. Man könnte zahllose Fragen stellen. Nur aus der Zusammenführung der vielen kleinen Antworten lässt sich ein stimmiges, möglichst repräsentatives Ganzes erstellen und die damalige Situation der Ex-Lesben angemessen beurteilen.


Da Leaving the Life die Situation von Ex-Lesben in den USA (und nicht in bestimmten Bundesstaaten) behandelt und wir in diesem Thread auch primär über weibliche (und in geringerem Maße männliche) Homosexuelle sprechen, habe ich in der Tat die von dir angeführte FBI-Statistik aus dem Jahr 2009 bemüht. Sie erscheint mir für unsere Diskussion insofern am geeignetsten als sie
1. eine jährliche, landesweite (ausgenommen Hawaii) Erfassung ist und damit nicht auf bestimmte Bundesstaaten beschränkt ist. Allein im Jahr 1997 haben die teilnehmenden Regierungsorganisationen bereits 97 Prozent der Bevökerung erfasst. Im Gegensatz dazu ist die Statistik der NCAVP wesentlich enger gesteckt: 17 Anti-Gewalt-Programme sammelten 2010 Daten aus nur 15 Bundesstaaten, von denen neun im Süden und Mittleren Westen liegen. Dort ist Homophobie (wie auch Rassismus) zweifellos am verbreitetsten und stärksten ausgeprägt.
2. in der entsprechenden Kategorie sexual orientation bias folgendes festhält: Von den 1482 Gewaltopfern (2008: 1706) waren nahezu alle, nämlich 96,8 Prozent homosexuell (also lesbisch oder schwul). Die NCAVP hingegen ermittelt unter den LGBTQ und den HIV-positiven communities, dass Transgender und HIV-positive Nicht-Weiße den größten Teil der 27 Mordopfer ausmachen. Angesichts der primären geographischen Verortung der Statistik im Süden und Mittleren Westen der USA würde ich vermuten, dass HIV-positive Nicht-Weiße eine mindestens genauso wichtige Rolle wie Transgender spielen.

Der Grad an Toleranz und Akzeptanz gegenüber Homosexuellen im Alltag hängt nach wie vor davon ab, in welchem Bundesstaat, welcher Stadt und welchem soziokulturellen Klima diese leben. San Francisco und New York City als Schwulen- und Lesbenhochburgen sind keineswegs mit Montgomery, Alabama, oder Baton Rouge, Louisiana, zu vergleichen.

Einen positiven Trend hin zu mehr Toleranz gegenüber Lesben und Schwulen in den USA untermauert aber auch eine Umfrage von Gallup vom 25. Mai 2011. (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)

Edit: Bezug

Der Beitrag wurde von Mineau bearbeitet: 03.Nov.2011 - 22:42
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svan
Beitrag 03.Nov.2011 - 18:23
Beitrag #20


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Wen es interessiert, dem sei der Film Brokeback Mountain empfohlen, der in den 60er Jahren spielt und von zwei schwulen Hirten erzählt.
Meine Erfahrung ist, dass es in Kalifornien und an der Ostküste sehr viel offener und europäischer ist, als im Inneren des Landes und in den sogenannten Cowboy-Gegenden, hat sich bis heute nicht so viel verändert.
Während es in Californien und an der Ostküste in den Städten bereits seit Jahren zB Synagogen für Homosexuelle gibt und seit neustem auch für Transmenschen. Das ist dort sehr unterschiedlich.
Während ich in Deutschland solche Art von Druck gegen Homosexuelle noch nirgends erlebt hab, in den letzten Jahren. Von Bekannten, die im Kölner Schwulenbereich arbeiten, höre ich allerdings, dass es auf dem Land anders sein soll für Jugendliche.
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