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> "Von geträumten Maccaroni wird man nicht satt.", Albträume,Aufwachen und ein neuer Morgen
LadyGodiva
Beitrag 01.Sep.2005 - 08:57
Beitrag #1


Strøse
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Gruppe: Admin
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Hielten wir unsere Zukunft tatsächlich in unseren Händen, müssten wir vermutlich an dieser Lebensaufgabe scheitern.
Wir können sie vielleicht beeinflussen, indem wir versuchen, wenigstens nicht von uns abzulassen. Aber wir halten sie nicht. Sie gehört uns nicht, lediglich der Traum von ihren bunten Bildern.
Manchmal aber gewinnt man diese Bilder nur allzu lieb, ja verliebt sich gar so in sie, um ein wenig kurzsichtig zu sein für das, was jetzt ist, nur um dann im Schatz der Vergangenheit zu verschwinden; mal mehr, mal weniger gut sortiert und archiviert.
Hin und wieder wird es auch Zeit, in diesem Archiv eine Art Inventur zu veranstalten, Kisten voller Erinnerungsfragmente umzustapeln, die ein oder andere absichtlich in den Tiefen abgestellte Kiste wieder heraus zu fischen und nach kräftigem Durchatmen und zwei langen, ermattenden Nächten die Angst vorm Öffnen zu verlieren.
Manchmal erweist sich der befürchtete Schachtelteufel als pure Pappatrappe. Doch es kann ebenso gut geschehen, dass einer schon beim Anheben des Deckels alle Atemluft geraubt wird, durch den Sog, der in die Kiste und in die Vergangenheit führt. Dieses vakuuminöse Einsaugen von Kraft, Gefühlen und dem damit verbundenen Einbrechen mühsam selbst errichteter Lebensrettungsgerüste vor dem alltäglichen Wahnsinn lässte eine erst einmal recht perspektivenlose, heimatlose und unruhige Körperhülle zurückt. Vermeindliche Stabilität, aus reinem Pragmatismus errichtet, erweist sich als wenig tragfähiges Konstrukt und Entsetzen keimt auf, wie lange man selbst sein ganzes Vertrauen darauf nur setzen konnte.
Plötzlich Halbwaise, mit dem Wunsch als Vater aller Gedanken; mutterlos, weil die Vorsicht überwunden werden konnte.
Ich bin gerade dabei, mein Lager umzusortieren. Und habe Angst, auf Kisten zu stoßen, von deren Existenz ich zwar weiß (meine Buchhaltung ist perfekt deutsch), deren vermuteter Inhalt aber eine Ambivalenz in mir auslöst - will ich ihn überhaupt je wiedersehen? Saugen sie die Substanz für meine Träume leer?
Wie viel Geduld habe ich eigentlich mit mir?

Was ich mir wünsche, von diesem Thread erhoffe:
Ich möchte von Euch erfahren, wie ihr mit vermutlich eher belastendem "emotionalen Archivmaterial" umgeht. Ob es Euch eher lähmt, antreibt, abschreckt?
Ob Ihr was gegen die zu befürchtende Leere tun könnt, woraus für Euch eine neue Kraft wachsen kann. Wie viel Raum bleibt in einer Partnerschaft für Inventur in den Untiefen des eigenen Lagers, was kann geteilt werden?
Rien ne va plus?

edit: das Zitat, mit dem ich mir erlaubt habe, den Beitrag zu beginnen, stammt meines Wissens aus der Feder H. Heines

Der Beitrag wurde von LadyGodiva bearbeitet: 01.Sep.2005 - 09:00
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zevva
Beitrag 01.Sep.2005 - 09:40
Beitrag #2


Köschken Fan
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Weil deine Frage eine komplexe Antwort erwartet ist mein folgender Beitrag nicht als vollständig, alle Aspekte berührend oder gar klärend zu verstehen.

Es gibt selbst redend Kiste, auch weil ich wie LG ein sehr gutes Gedächnis habe, das ich manchmal lieber nicht hätte. Diese sind oft halb geöffnet wenige aber doch sorgfälltig verklebt. Die Letzteren sollen aber auch in diesem Zustand verbleiben, denn ich habe sie Winterfest gemacht. Nun könnte ich diese auch auf den Sperrmüllstellen, aber dazu bin ich bedauerlicherweise eine zu leidenschaftliche Sammlerin und gerade zu ein Speicherfass.
Die Dinge in den halb geöffneten, weiter oben stehenden kommen von Zeit zu Zeit in Erzählungen von damals zu Tage, sind auch die über die sich am ehesten sprechen lässt. Für die in den verschlossenen gibt es, wenn ich es genauer betrachte auch nicht den Adressaten, der in Kommunikationsfähiger Umgebung wären, abgesehen von kommunikativen Fähigkeiten und Bedürfnissen. Weil es so ist wie es ist, finde ich mich damit ab und deshalb können die Kisten da im Keller stehen, nicht vergessen werden, aber lagern ohne (gewollte) Chance auf eine Öffnung.

Päckchen, die eigentlich nur an mich adressiert sind, lasse ich zwar lieber zu, weiß aber dennoch ganz genau was drin ist. Dies sind die Schätze die mein Verhlten von heute beeinflussen sollen und "Fehler" vermeiden helfen sollen.

Andere Päckchen sind viel kleiner, liegen ganz oben und bei der erst besten Gelegenheit hole ich sie ran und mache sie auf...anders kann ich kaum. Lange lagern diese nicht mehr, denn das habe ich aus den verschlossenen Kartons gelern, keine neuen von ihnen anlegen zu müssen zu sagen was "umtreibt" oder "belastet".

so weit...
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LadyGodiva
Beitrag 01.Sep.2005 - 09:54
Beitrag #3


Strøse
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Ich weiß, dass mein Beitrag ungemein kryptisch anmutet.
Habt bitte Verständnis, dass ich nicht vordergründiger werden kann - vor allem aber Dank für's Lesen und für's vielleicht trotzdem oder gerade weil Antworten :morgens:
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two-hearts
Beitrag 01.Sep.2005 - 10:23
Beitrag #4


Doppelherzchen mit Knutschchügeli
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Beiträge: 5.218
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QUOTE (LadyGodiva @ 01.Sep.2005 - 09:57)
Was ich mir wünsche, von diesem Thread erhoffe:
Ich möchte von Euch erfahren, wie ihr mit vermutlich eher belastendem "emotionalen Archivmaterial" umgeht. Ob es Euch eher lähmt, antreibt, abschreckt?
Ob Ihr was gegen die zu befürchtende Leere tun könnt, woraus für Euch eine neue Kraft wachsen kann. Wie viel Raum bleibt in einer Partnerschaft für Inventur in den Untiefen des eigenen Lagers, was kann geteilt werden?

ein wirklich schweres thema...

ich hatte 25 jahre lang einen schwarzen fleck auf meiner seele. ich schreibe bewusst "hatte", weil vor wenigen jahren etwas geschah, was diesen fleck von schwarz ins grau erblassen liess. es war eine schwere zeit. sowohl die 25 jahre, als auch die zeit der umwandlung von schwarz in grau.
ich möchte es mal so umschreiben. ich liess es jahrelang zu, dass "es" mich lähmte, mich in meinem leben einschränkte...ja, sogar in meiner damaligen partnerschaft enorm einschränkte.
ich versuchte es immer und immer tiefer zu begraben, zu vergessen...was mir phasenweise auch gelang und dennoch merkte ich auch, dass die lähmung mich immer weiter einschränkte.

dann kam der tag...oder besser die nacht, in der sich alles ändern sollte. ein schmerzhafter prozess, der nochmals viel kraft brauchte, aber dennoch meinem "emotionellen archivmaterial" einen anderen platz in meinem leben einräumte....eben einen grauen und keinen schwarzen mehr!

in meiner jetztigen partnerschaft hat meine frau einen schlüssel zu meinem "archivmaterial" und das lässt mich ruhiger und gelassener im umgang mit eben solchen material werden. sie ist meine "hängematte", in der ich mich schaukelnd beruhigen kann und vor allem nicht mehr alleine "kämpfen" muss!

sorry lady, wenn mein beitrag etwas schwammig erscheint. ich muss zugeben, dass ich nicht weiss, ob ich korrekt auf deinen beitrag geantwortet habe und dennoch spüre ich die tränen auf meiner wange!
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Wilma1967
Beitrag 01.Sep.2005 - 13:57
Beitrag #5


Salzstreuerin
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Für mich ist dies ein sehr zweischneidiges Schwert. Die letztjährigen Erfahrungen haben mir gezeigt, dass ich tatsächlich stark genug bin für Erinnerungen. Andererseits brauchte ich lange um damit umzugehen. Ich wollte sie immer bekämpfen und geriet so in eine Depression. Seit ich die Erinnerung aber in Ruhe lasse, sie ist einfach da und ich lebe mein Leben von heute, geht es mir sehr viel besser. Seltsam ist allerdings, dass manche Leute in meinem Umkreis nicht damit klar kommen. Mir wird mein Weigern, über meine Vergangenheit zu reden, als Verdrängen angesehen. Der Meinung bin ich nicht, ich leugne ja nichts, ich finde nur, dass genug darüber geredet wurde und ich nun vorwärts schaue und gucke, dass mein Leben in der Gegenwart klappt.
Sicher, trage ich diese beiden Päckchen mit mir rum und manchmal gibt es auch den einen oder anderen Albtraum, aber ich fühle mich lang nicht mehr so belastet und krank wie vorher. Das einzige, was mich manchmal stört an mir selber, ist meine Wut, die in gewissen Situationen wieder hochkommt, besonders wenn meine Mutter etwas über früher sagt. Dann könnte ich einfach nur laut schreien. Aber was würde das bringen? Eine Mutter die noch depressiver wäre, noch mehr Schuldgefühle hätte? Da bin ich ratlos..
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Sägefisch
Beitrag 01.Sep.2005 - 16:51
Beitrag #6


Schlaudegen.
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Ich gehe mittlerweile eigentlich lieber an diese "Kisten" ran als sie zu meiden - weil ich mir genau dieses (mich selbst?) Meiden viel zu lange selbst auferlegt habe und rueckblickend sehe dass es sowieso nicht funktioniert.

Irgendwo brodelt der ganze Mist vor sich hin und ist ein Verhinderer der sich gewaschen hat.

Sicherlich hilft mir dabei die Tatsache dass ich gelegentlich ein bisschen dazu neige mir selbst allerhand vorzuwerfen, was es paradoxerweise "ertraeglicher" macht sich mit seinen Schattenseiten auseinanderzusetzen, als wenn man eine sehr hohe Meinung von sich hat. Mutmasse ich mal.

Was nicht selbst verschuldete, also einem in irgendeiner Form zugefuegte Dinge angeht, bin ich das was auch Wilma schon erwaehnt hat: oft ratlos wohin mit dem Schmerz; aber auch hier wieder der Meinung, lieber ehrlich traurig sein und eine Viertelstunde heulen als dauerhaft vom Oberstuebchen her vergiftet werden.

EDIT: Ich habe manchmal sogar schon gedacht, ob ich nicht deshalb manchmal so anstrengend fuer mich selbst bin, weil ich es geradezu nicht ausstehen kann wenn ich mich dabei erwische wie ich mir was vormache.

Der Beitrag wurde von Sägefisch bearbeitet: 01.Sep.2005 - 16:57
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alba
Beitrag 01.Sep.2005 - 17:03
Beitrag #7


Gut durch
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Auch ich mag mich anschließen: Ein schwieriges Thema..

Aufgrund meiner derzeitigen Situation, die ich ja auch schon im Forum angesprochen habe (Therapiebeginn), rücken einige dieser Kisten plötzlich wieder in den Vordergrund und im Moment weiß ich noch nicht genau, welche von den noch verschlossenen ich öffnen mag und welche von den geöffneten ich vielleicht lieber schließen würde. Das mag sich in der nächsten Zeit vielleicht auch verdeutlichen. Grundsätzlich fällt es mir schwer, Kisten, die besonders schwer wiegen, wirklich zu verschließen, ohne nicht vielleicht doch ein Fitzelchen des Inhalts mir anhaften zu lassen. Was ich meine: Es gibt diese schwarzen Flecke, von denen two-hearts gesprochen hat, auf meiner Seele. Nun hoffe ich, dass ich es mit einiger Hilfe schaffe, zumindest einige davon ergrauen zu lassen, mich nicht mehr von ihnen be- und verhindern zu lassen.
Man wird sehen. Und vielleicht kann ich sogar einige Kisten irgendwann gänzlich schließen, auch das letzte bisschen Inhalt in ihnen verschwinden lassen, sie herunterreißen von meiner Seele. Manche Erinnerungen mag ich nicht ewig mit mir herumtragen, weil ich das Gefühl habe, sie sollten vielleicht besser keinen Teil meiner Persönlichkeit ausmachen.
Aber ob das funktioniert....?
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Sägefisch
Beitrag 01.Sep.2005 - 17:05
Beitrag #8


Schlaudegen.
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Erinnerungen wird man nicht los, man kann nur veraendern was sie mit einem machen.

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alba
Beitrag 01.Sep.2005 - 17:19
Beitrag #9


Gut durch
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..vielleicht meinte ich so etwas in der Art: Dass sie mich irgendwann nicht mehr in meinem Handeln deckeln..
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shark
Beitrag 01.Sep.2005 - 18:09
Beitrag #10


Strösenschusselhai
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Erst gestern habe ich in einem Gespräch meine unerfreulichen Erinnerungen mit einer Szene in einem - eher kitschigen - Steven Spielberg-Film der 80-er Jahre verglichen..."Poltergeist 1".
Da steht eine ganze Siedlung auf einem Friedhof; manche wissen das, viele nicht. Aber allen ist es egal: schließlich steht kein Grabstein, kein Kreuz und die Vorgärten sind herrlich "aufgeräumt".. Doch eines Tages verschaffen sich die eigentlichen "Bewohner" des Gebietes "Zugang" zur Oberwelt...hässliche Zombies werden über die Grasnabe geschwemmt; mit langen haaren und Krallen und bösem, zahnlosen Grinsen...Erinnert Ihr Euch an den Film?

Mit den vergrabenen Kisten/Särgen meiner Vergangenheit war es lange ähnlich: ich habe mein Leben "ordentlich" eingerichtet und sorgsam verdrängt, dass ich nur wenige Meter über dem Friedhof (wobei:"fried..."??) mein schönes Lager aufgeschlagen habe. Nicht mal einen großen Baum hätte ich zu pflanzen gewagt; das Loch, das ich dazu hätte graben müsen, wäre vielleicht zu tief geraten...

Doch eines Tages - nach vielen "Triggern", noch mehr mutwilliger Verdrängung und runtergeschluckten "Angstklößen" - gab es ein "Erdbeben"...Und mein hübscher, netter Garten wurde umgepflügt - keine Chance, neben den Rosenrabatten nicht auch die vermoderten Kisten zu sehen...Keine Chance, nicht beim ersten Schritt aus dem Haus in einen der Gräben zu stürzen...
Solchermaßen in die Enge gedrängt habe ich die Entscheidung getroffen - die erste wirkliche Entscheidung seit langem; vielleicht überhaupt DIE erste...? - , hinunterzusteigen und jeden Sarg und jede Kiste anzusehen, den Inhalt in die Hände zu nehmen, zurückzuspüren. Manchmal hat mir der Ekel, manchmal die Angst schier den Atem genommen; mit Herzklopfen, das aber mit jeder Kiste weniger wurde, habe ich mich durchgekämpft; mit aller Kraft die "Gegenstände" ans helle Tageslicht geholt, zu einem großen Haufen getürmt und angezündet.
Ein großes, heißes Feuer loderte tage- und nächtelang zwischen den Blumenbeeten; einige der Blüten vertrockneten in der Hitze, verloren ihre Farbe...

Als das Feuer ausgebrannt war, blieb ein Berg weißer Asche zurück, warm und irgendwie rein.
Ich habe sie auf den Blumenbeeten verteilt und nach einem großen Regen wurde sie zu "neuer Erde", hat den Boden neu befruchtet und schöner und leuchtender als je zuvor entfaltete mein Garten seine Pracht.
Und morgen pflanze ich einen ersten großen Baum...


edit: weiß Göttin kein vollständiger Bericht und ein "happy end" mit Rückschlägen, aber mein "Garten" gibt mir Kraft, zu "entzaubern", was mir weh tut...


Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 01.Sep.2005 - 18:16
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skritti
Beitrag 01.Sep.2005 - 20:34
Beitrag #11


zartbesaitete Vollzeitkölnerin
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Dieser Thread hat mich zum Weinen gebracht.

Leider habe ich jetzt gerade nicht die Ruhe und die Zeit, mich damit und mit meinen Empfindungen und Gedanken dazu auseinander zu setzen. Bei mir geht sowas leider nicht so schnell.
Aber ich werde mich damit auseinandersetzen und wohl auch eines Tages einen Beitrag dazu schreiben.
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kahikatea
Beitrag 02.Sep.2005 - 02:11
Beitrag #12


Reisefreudige Nacht-zum-Tag-Macherin
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QUOTE (LadyGodiva)
Ich möchte von Euch erfahren, wie ihr mit vermutlich eher belastendem "emotionalen Archivmaterial" umgeht. Ob es Euch eher lähmt, antreibt, abschreckt?
Ob Ihr was gegen die zu befürchtende Leere tun könnt, woraus für Euch eine neue Kraft wachsen kann.

Den gravierendsten schwarzen Fleck in meinem emotionalen Archiv hatte ich 20 Jahre lang mit mir herumgetragen, bis ich Anfang 20 war. Trotz mehrerer Jahre recht intensiver Selbst-Auseinandersetzung bin ich, im Nachhinein betrachtet, ständig um diese "Kiste" herumgelaufen, ohne mir darüber klar zu sein, daß sie da steht. Als mir schließlich innerhalb recht kurzer Zeit umso heftiger aufging, was da "lagerte", war ich vollkommen verunsichert und erschreckt, aber gleichzeitig auch angetrieben, mich damit auseinanderzusetzen. Bei allem Schock war es wie ein zentrales Teil eines Puzzles, das ich vorher nicht zusammenbekam. Von dem Zeitpunkt an, wo mir klar war, daß ich mich da mit etwas auseinandersetzen muß, hatte ich auch die Hoffnung, daß es eigentlich nur besser werden könnte.

Leer habe ich mich vorher gefühlt, vermutlich gerade weil mir die Gefühle nicht bewußt waren. Das ständige Bogen-um-etwas-machen lähmte, ohne daß mir das zu diesem Zeitpunkt klar gewesen wäre. Persönlich neige ich mittlerweile dazu, wirklich essentielle Themen/Probleme, wenn sie sich abzeichnen, möglichst direkt zu konfrontieren, und habe dies bisher nicht bereut.

Edit: Typo

Der Beitrag wurde von kahikatea bearbeitet: 02.Sep.2005 - 11:42
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marietta
Beitrag 02.Sep.2005 - 07:28
Beitrag #13


Gut durch
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Liebe LG, Du weisst, dass ich gerade dabei bin, alte Kisten in mir anzuschauen. Gar nicht mal, weil ich das BEWUSST will, sondern weil der Inhalt mit Macht raus wollte und die ganze Kiste explodiert ist.

Ich meine, dass frau/man nicht unbedingt jede Kiste anschauen muss/soll. Ich bin mir aus eigener Erfahrung sicher, dass es eine richtige Zeit dafür gibt. Wenn die Seele bereit ist, wird sie dafür sorgen, dass der Deckel gelüftet wird. Vielleicht ist die Seele für manche Kisten niemals bereit. Auch das ist gut.

Wenn es bei Dir Kisten gibt, die quasi dabei sind, sich selbst zu öffnen, dann solltest du sie anschauen. Vielleicht magst Du Dir dafür professionelle Unterstützung holen. Freundinnen/ Partnerinnen sind ab einem gewissen Punkt überfordert.

Vor allem: bitte zwing Dich zu nichts. Lasse die Dinge geschehen. Wie sie geschehen, ist gut. Es hat alles einen Sinn.

:troest:
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Lisabeth
Beitrag 02.Sep.2005 - 08:15
Beitrag #14


auf Entdeckungsreise
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Solche Kisten hat wahrscheinlich jede von uns irgendwo stehen, ganz hinten in einem Schrank, im Keller, wo auch immer. Und manchmal kommen sie raus, gehen unvermutet auf und man ist gezwungen, sich damit auseinander zu setzen.
In den letzten Jahren hab ich für mich die Erfahrung gemacht, dass es mir leichter fällt, die Fragen, die da auftauchen, die Erinnerungen, Ungereimtheiten, recht direkt anzugehen.
Und ich hab immer wieder das Gefühl, es gibt so etwas wie einen richtigen Zeitpunkt dafür, einen Moment, in dem ich die Kraft hab und die Möglichkeit, es mir genau anzuschauen.

Wirklich loswerden kann man sie wahrscheinlich nicht. Zumindest hab ich bei mir das Gefühl, dass sie schon da bleiben. Aber sie verlieren diese Bedrohlichkeit.
Ich weiß nicht recht, wie ich es beschreiben soll - manchmal hab ich das Gefühl, erst sind es Dinge, die wild in dieser Kiste rumtoben und so immer wieder dafür sorgen, dass der Deckel aufgeht, recht unkontrolliert und zufällig.
Wenn ich es aber geschafft hab, mich mit ihnen auseinander zu setzen, sie mir in Ruhe anzuschauen, manche Teile auch mal rauszuholen, von allen Seiten zu betrachten, und am Ende alles besser sortiert einpacken kann, dann ist Ruhe in der Kiste.
Dann ist der Moment gekommen, sie weg zu stellen - und sie wird mich nicht mehr "überfallen".

Schwieriger finde ich den Umgang mit den Kisten, von denen ich gar nicht wusste, dass sie da sind. Erinnerungen, die so schmerzhaft sind, dass ich sie einfach jahrzehntelang verdrängt hab.
Und in dem Moment, in dem sie wieder auftauchen, so präsent werden, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie ich DAS so völlig aus meinem Gedächtnis verbannen konnte.
Allerdings waren solche Erlebnisse oft die Puzzleteile, die fehlten, um andere Kisten so zu verpacken, dass ich meinen Frieden damit machen konnte.

Schwieriges Thema.. Ich wünsch allen viel Erfolg und liebevolle Begleitung beim Kisten Öffnen!
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LadyGodiva
Beitrag 02.Sep.2005 - 08:58
Beitrag #15


Strøse
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Erst mal danke an alle, die hier im sonnigen Spätsommer bereit sind, mit mir Probleme zu wälzen, in vielerlei Hinsicht "auszupacken". :wub: Es bedeutet mir so viel.

Solange ich nicht den Eindruck habe, mein Leben findet nur noch im Archiv statt, schwere Kisten schleppend, wie Sisyphos, nur um sie kurz bei Lichte zu betrachten und sie daraufhin wieder in ein noch dunkleres Eck zu verbannen, glaube ich noch an meine mir so wichtige eigene Steuerungsmacht; so lange ich das Gefühl habe, ich bestimme über die Kisten und nicht deren Inhalt über mich, habe ich noch nicht so wirklich das Bedürfnis nach konkreterer "Fremdhilfe" als Ihr sie hier zB im Moment möglich macht - obwohl diese trotz der kargen Information durch mich nahezu bedingungslose Empathie, die ich hier spüre, unglaublich gut tut, das muss ich Euch jetzt auch einfach mal so sagen.
Was ich momentan nicht fassen kann - der Gedanke, dass Kisten einfach "vergessen" werden können, weil sie so zugeschlichtet wurden und eben ganz weit hinter den bunten Kartons stehen. Ob bei mir, bei anderen...
Mich lehrt Eure Offenheit viel, trotz oder vielleicht gerade wegen unserer eher abstrakten Weise, uns diesem Thema zu nähern.
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pandora
Beitrag 02.Sep.2005 - 09:29
Beitrag #16


auf dem Hochseil des Lebens balancierende Wölfin
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QUOTE (LadyGodiva @ 02.Sep.2005 - 09:58)

Was ich momentan nicht fassen kann - der Gedanke, dass Kisten einfach "vergessen" werden können, weil sie so zugeschlichtet wurden und eben ganz weit hinter den bunten Kartons stehen. Ob bei mir, bei anderen...
Mich lehrt Eure Offenheit viel, trotz oder vielleicht gerade wegen unserer eher abstrakten Weise, uns diesem Thema zu nähern.

Aus eigner Erfahrung kann ich sagen, dass besagte Kisten nicht "einfach vergessen" werden...
Vielmehr glaube ich, dass sie für eine unbestimmte Zeit zum Reifen ins Dunkle gestellt werden, wie ein guter Wein...
Erst dann, wenn der Reifeprozess abgeschlossen und der Wein sein volles Bukett entfalten kann, sollte man die Flasche öffnen...

ein sehr sensibles Thema, tiefgreifend und zu tiefst berührend...schön zu sehen wie vorsichtig und zart damit umgegangen wird :blumen2:

Der Beitrag wurde von pandora bearbeitet: 02.Sep.2005 - 10:07
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sophialein
Beitrag 02.Sep.2005 - 09:40
Beitrag #17


Gut durch
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Ich mag mich meinen Vorschreiberinnen anschließen - ein schwieriges Thema


Viele Jahre über habe ich gelebt, ohne mir meiner Kisten im Keller bewußt zu sein. Ich hatte eine dunkle Ahnung - mehr aber auch nicht. Irgendwann explodierte eine erste Kiste - ich war überwältigt und geschockt! Ich war unfähig, damit umzugehen. Ja, und so verschloß ich fast zwanghaft die Tür zum Keller wieder. Aber das ging nicht "gesund". Mir war ja bewußt geworden, dass die Kisten da sind. Und dass diese Kisten mich nicht zur Ruhe kommen ließen. Ich griff zu einem ungesunden Mittel, um alles wegzupacken - es wegzumachen. Damit lebte ich einige Jahre ganz gut. Immer wenn eine Kiste drohte sich zu öffnen, versuchte ich, zumindest die Kellertüre zuzuhalten mit aller Macht.

Doch jetzt, seit einigen Wochen verändert sich das. Durch Gespräche, Therapie, durch Lesen spüre ich etwas Neues in mir - die Gewißheit, dass ich selbst bestimme, welche Kiste ich anschauen mag und welche nicht. Doch erst muß/möchte ich diese "ungesunde Angewohnheit" loswerden. Ich habe begriffen, dass ich mich damit kaputtmache - und dass die Kisten doch keine Ruhe geben.

Vielleicht ist es gar nicht wichtig, alle Kisten aufzumachen. Vielleicht mag ich manche nur betrachten, hinspüren. Es wird sicherlich auch einige geben, die ich sofort wegpacke. Vielleicht gibt es auch einige, die mir persönlich nicht mehr wichtig sind.
Ein guter Freund sagte zu mir, ich solle "verzeihen". Dieses Wort - dieses Handeln schien für mich bisher undenkbar. Allmählich jedoch verändert sich diese Haltung in mir.
Mein Ziel ist es, so wie two-hearts es beschrieb, die schwarzen Flecken - die großen Kisten - in ihren Dimensionen erblassen- verblassen lassen zu können. Das wäre ein großer Lebensgewinn für mich!

Ich bin sehr sehr berührt - über eure Worte - auch über meine. Die Tränen fließen -endlich.
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AveMaria
Beitrag 02.Sep.2005 - 09:49
Beitrag #18


mein eigner titel! :)
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Auch ich habe eine archivierte Erinnerungskiste...wenn ich mich emotional stark fühle, öffne ich jene, um neu auszusortieren...manchmal treten Dinge zum Vorschein, die befremdlich wirken...letztendlich haben auch negative Erfahrungen geprägt und mich zu der gemacht, die ich bin...doch ist es auch kathartisch, die einen oder anderen Dinge aus der Kiste zu verbannen...(weil sie diese "beschmutzen?") :gruebel: ...vergessen kann man sie dennoch nicht, aber ihnen wird so ein zentraler Platz genommen, an deren Stelle andere Dinge treten
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Kraeuterhexe
Beitrag 02.Sep.2005 - 09:53
Beitrag #19


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Hallo Lady Godiva,
vergiß bitte nie, diese Kisten haben über dein hier und jetzt nur soviel Macht, wie du ihnen zugestehst. So schwer wie sie dir auch vorkommen mögen, sie sind Vergangenheit, die sich nie mehr verändern läßt. Leben kannst und mußt du aber ausschließlich in der Gegenwart. Die Emotionen, die beim Betrachten in dir aufsteigen gehören ebenso in diese Vergangenheit. Sie waren Ausdruck deines damaligen Lebens. Du bist auch durch sie zu dem gereift und gewachsen, die du heute bist.
In der Bibel gibt es eine Menge hilfreicher Lebensweisheiten. Eine davon habe ich mir bei der Auseinandersetzung mit meinen "dunklen Kisten" der Vergangeheit immer wieder ins Gedächtnis gerufen: Lass die Toten ihre Toten begraben (Matth.8, 22).

Alles Gute
Kräuterhexe

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Rehauge
Beitrag 02.Sep.2005 - 09:56
Beitrag #20


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Liebe Lady,

zunächst haben Deine Worte mich an eine erlebte und mitgelebte Geschichte erinnert, die sich im Rahmen meiner Ausbildung ereignete: In unserer Gruppe war eine Frau, die sich verzeifelt davor fürchtete noch tiefer in sich hinein zu blicken, aus Angst dort noch irgendwelche Leichen im Keller zu entdecken. Sie hatte innerlich schon viel aufgeräumt und sortiert, doch diesen Keller mied sie. Nun, an diesem Tag stand sie vor der Stiege hinab und es wollte sie etwas hinunterziehen, um endlich Klarheit, Ordnung und Ruhe zu bekommen - sie wollte aufräumen - und zeitgleich ahnte sie, dass es sie selbst umbringen und zu einer weiteren Kellerleiche werden lassen könne, was sie zurückschrecken ließ... Wir alle kannten bereits viele ihrer Geschichten, Lebensereignisse und Erlebnisse mit den verschiedensten Akteuren ihres sozialen Atoms und dieses mal war es so deutlich, dass es nicht um das naheliegenste ging. Sie hatte eine verzweifelt diffuse Ahnung, dass es etwas mit ihrer Mutter zu tun haben musste und wir machten uns auf die Reise in die Kindheit ihrer Mutter, die als kleines Mädchen im Krieg auf dem Gelände einer gro0en Familiengärtnerei aufgewachsen war. Es gab die Eltern und Großeltern, Tanten, Onkel, Geschwister, die Guten, wie Bösen, es gab die Soldaten, die Bomben, die Kriegsverletzten und Flüchtlinge, die versorgt wurden, die Blumen und Schmetterlinge... eine ver - rückte Welt. Überleben für dieses kleine Mädchen, die spätere Frau und deren Tochter schien nur möglich in einem ver-rückten Wunderland. Als wir wieder in die Gegenwart traten, war dieses Verstehen da. Es nahm die bedrohliche Anziehungs- und Wegstoßenskraft des Kellers mit den in ihm verborgen vermuteten Leichen.
Sie konnte die Kellertreppen entstaubend hinabsteigen und in der Folgezeit Raum für Raum, Nische für Nische, Winkel für Winkel aufräumen. Leichen musste sie dabei keine einzige bergen.
Danke, dass du mich daran erinnert hast.

Bei mir selber war es so, dass ich, nachdem ich meine Kisten und Kistchen entmagisiert hatte, genau das Gegenteil von dem erlebte, was ich befürchtete. Nicht Lähmung und Leere, sondern Lebendigkeit, Kreativität, Freude, Lebenslust traten in mein Leben ein. Es gab und gibt sowohl Momente, in denen es hilfreich war und ist, dass mich jemand anstupst bzw . den ersten Schritt tut, ebenso, wie es Momente gab und gibt, in dennen gerade solch ein Vorgreifen fatal für mich war und ist. Und ja, ich habe auch erfahren, dass es anvisierte Zukunftsblder ent-täuscht. Durch den Spiegel zu gehen, kann auch bedeuten Liebgwonnenes zurück zu lassen. Doch auf der anderen Seite entbehrt es der Tragik.
Wie immer Du dich jetzt entscheiden wirst, es wird das richige sein.

Rehauge
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Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 08.07.2025 - 05:32