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> Monique Truong - Das Buch vom Salz, Rezension
regenbogen
Beitrag 04.Oct.2004 - 18:51
Beitrag #1


a.D.
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Monique Truong - Das Buch vom Salz

QUOTE (Kurzbeschreibung von Amazon)
Ein Satz aus dem "Alice B. Toklas Cook Book" inspirierte Monique Truong zu ihrem Roman über den vietnamesischen Koch von Gertrude Stein und Alice B. Toklas in Paris. Fünf Jahre hat er als Koch in der berühmten Wohnung Rue de Fleurus 27 gelebt, wo Alice B. Toklas und Gertrude Stein die Helden der Lost Generation zum Tee empfangen, hat ihre Rituale und Gewohnheiten beobachtet, ihre Verrücktheiten und ihre Genialität. Monique Truong erzählt in einem reichen, klugen und sinnlichen Stil, intelligent und spannungsreich verwoben, die Geschichte von Binh und den "Steins", sie führt uns zurück zu Binhs Jugend im kolonialen Vietnam, seiner Zeit auf See, seinen Versuchen, in Paris Fuß zu fassen. Eingewoben in den Text sind neben den liebevoll-ironischen Portraits von Alice B. Toklas und Gertrude Stein auch bemerkenswert originell gezeichnete historische Gestalten wie Paul Robeson und Ho Chi Minh. Dabei ist Binh, der Erzähler, ein Fremder, eine verlorene Seele, dessen Liebe zu Männern ihn seine Heimat fliehen ließ, ein ebenso anrührender wie nicht ganz zuverlässiger Berichterstatter. Wunderschön und doppelbödig geschrieben, wie Kazuo Ishiguros Butler-Roman "Was vom Tage übrigblieb", ist "Das Buch vom Salz" - dem Salz in den Speisen, im Meer, in den Tränen, im Schweiß gewidmet - ein Fest der Sinne und des Erzählens.


QUOTE (Rezension © regenbogen)
"Oysters, Lovey, there will always be oysters."

Die Frau, der dieser Satz in den Mund gelegt wird, ist Alice B. Toklas. Sie sagt ihn zu ihrer lebenslangen Liebsten, Gertrude Stein.

Und diese Auster enthält eine Perle.

Überliefert ist nur, dass die beiden Fahnenträgerinnen der lesbischen Pariser Avantgarde in den 1930er Jahren per Zeitungsanzeige einen neuen Koch fanden, der aus Indochina stammte.

Monique Truong, Amerikanerin vietnamesischen Ursprungs, denkt sich eine Lebensgeschichte für ihn aus. "Binh" wird in der französischen Kolonie Vietnam geboren und erlernt im Hause des Generalgouverneurs in Saigon die Kochkunst. Später heuert er auf einem Frachter an, kocht mehrere Jahre auf den Weltmeeren und findet schliesslich in Paris seine "Mesdames", die er “Miss Toklas” und “GertrudeStein” nennt. Fünf Jahre lang sorgt er für ihr kulinarisches Wohl.

Während Binh uns seine Geschichte erzählt, zaubert er seinen beiden “Mesdames” Speisen auf den Tisch, die ihresgleichen suchen, motiviert durch seinen eigenen Ehrgeiz ebenso wie durch die unnachgiebigen Ansprüche von Alice B. Toklas, die ihrerseits Gertrude Stein jeden Wunsch von den Augen abliest.

“Lovey” und “Pussy” nennen die beiden Frauen einander. Das literarische Genie und ihre Muse. Zwei Frauen, die fest mit beiden Beinen auf der Erde stehen und dennoch ihre Marotten liebevoll pflegen. Denen ihre beiden verzogenen Schosshündchen ebenso am Herzen liegen wie der künstlerische Nachwuchs der Pariser Moderne. Jeden Samstagnachmittag kommen junge Männer zu ihnen zum Tee. Einer von ihnen wird Binhs “Sweet Sunday Man”. Seinen richtigen Namen kann Binh nicht aussprechen. Aber an seinen freien Sonntagen kocht er fortan nur noch für ihn. Liebe? Binh nennt es so, wohl wissend, dass etwas Besseres noch schwerer zu finden ist.

Binh ist schwul. Und nicht die Abenteuerlust eines jungen Heranwachsenden hat ihn aus seinem Heimatland vertrieben, sondern die verbotene Lust an den Körpern anderer Männer, ans Licht gekommen durch seine Affäre mit dem Küchenchef des Generalgouverneurs.

Wenn Binh, der Koch, aus seinem Leben erzählt, spricht er in der Sprache, die er am besten kennt: Mit Hilfe von Rezepten, von Ingredienzien, von Geschmacks- und Geruchseindrücken schildert er seine Empfindungen, seine Erlebnisse, seine Begegnungen. Seine Sprache fliesst wie süsser Wein, hüllt ein in betörende Düfte, verlockt zum Weiterlesen, zieht einen beim Lesen ganz in sich hinein.

Sie zieht einen auch in die schweren Momente in Binhs Leben hinein. Wenn man bei einigen Kapiteln schlucken muss, dann nicht nur deshalb, weil einem bei den Schilderungen köstlicher Speisen das Wasser im Munde zusammenläuft, sondern auch deshalb, weil Binh als schwuler Mann, als verstossener Sohn auch Schweres durchgemacht hat und das in der gleichen assoziativen, nun erschreckend deutlichen Sprache beschreibt.

Und Monique Truong fabuliert und formuliert wahrlich meisterinnenhaft. Fast immer gelingt es ihr, eine Tugend daraus zu machen, dass hier eine Schriftstellerin im 21. Jahrhundert einen Roman schreibt und nicht tatsächlich ein Ausländer im Paris der dreissiger Jahre seine Lebensgeschichte erzählt. Bisweilen wählt sie einen nüchterneren Stil – das ist dann nicht das üppige, feine Festmahl der übrigen Gänge, doch immer noch fein abgeschmeckte Hausmannskost, die nie fade wird. An ganz wenigen Stellen ist ihr die Würzbüchse ausgerutscht, eine Spur zu viel Kitsch hineingeraten. Und manchmal weiss “Binh” Dinge über seine “Mesdames” zu erzählen, die der Koch der “Steins” vermutlich nie erfahren hätte. Doch diese kleinen Schönheitsfehler sind so sparsam dosiert wie in Binhs Speisen das Salz, das dem Buch seinen Namen gegeben hat.

Diese Rezension basiert auf dem englischen Original. Inzwischen gibt es von Binhs Geschichte auch eine deutsche Übersetzung; ich hoffe, dass sie in liebevolle Übersetzerinnenhände geraten ist. Das Original jedenfalls empfehle ich wärmstens. Dafür sollte aber euer Englisch gut genug sein, damit ihr euch diesen sprachlichen Genuss ebenso auf der Zunge zergehen lassen könnt, wie es die beiden amerikanischen Ladies und ihre Gäste mit Binhs Kochkunst tun.


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