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> Rettet das DNT
blaustrumpf
Beitrag 28.Nov.2006 - 17:02
Beitrag #21


Ich will Durchblick! Darum ist meine Brille von MrsM!
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Hallo, blue_moon

Du findest in mir eine sehr "eventkritische" Verfechterin der so genannten "Hochkultur". Der tatsächliche künstlerische (oder auch kulturell bedeutende, da gibt es ja Unterschiede) Gehalt vieler ziemlich "gehypter" Events ist für mich oft schlicht und einfach nicht gegeben. Für mich ist ein Event eben genau das: Die Veranstaltung ist oft genug nicht mehr als ein Sichselberfeiern. Was in Bayreuth auf der Bühne geschieht, ist unabhängig davon, ob Frau Merkel vorher am Defilée teilgenommen hat.

Ich frage mich, was im dritten Jahrtausend eigentlich das spezielle der deutschen Kultur sein könnte. Die dem Massengeschmack kompatiblen Musicals (musikalisch oft genug aus einer Oper geklaut und mit sehr viel allenfalls lauwarmem Wasser auf Konsumationsstärke herabgesetzt)? Multikulturelle Quartiersfeste, in denen die internationale Gemeinsamkeit genauso lange anhält wie der individuelle Sättigungsgrad dank der exotischen Speisen?

Für mich ist "die Kultur" jedenfalls keine Verpflichtung, Vergangenes, Abgeschlossenes zu bewahren, kein Opernmuseum mit bewegten Bildern jeweils nach dem Mittagsläuten. Sie ist die Plattform, auf der die Zukunft stattfinden kann. Natürlich ist es verlockend, Theater, die nicht mehr "gebraucht" werden, zu schließen und dort beispielsweise Parkhäuser für Einkaufspassagen zu bauen. Marketing und Eventveranstalter reiben sich schon die Hände.

Aber hier liegen gleich mehrere Trugschlüsse. Zum Einen tritt an die Stelle des Wegrationalisierten ja nichts, das es auch nur ansatzweise ersetzen könnte. Statt des Musentempels kommt wohl kaum ein alternatives Jugendzentrum, in dem die politisch korrekte Pogoparty etwaige ausländerInnenfeindliche Tendenzen durch vernünftiges, entspanntes, multikulturelles Händchenhalten per osmotischem Druck in Luft auflöste.

Zum anderen werden die Theater vielleicht nicht mehr intensiv genutzt. Aber das heißt ja nun beileibe nicht, dass sie nicht mehr gebraucht würden. Ich bin für den Erhalt der Musiktheatersparte des DNTs. Auch, damit Oper als solche nicht mit den Bayreuther Festspielen sowie der alljährlichen Übertragung einer Luxusproduktion aus der MET abgefrühstückt wird, sondern die Chance hat, in jeder Generation neu ihr Publikum zu überzeugen und zu begeistern. Ich bin für Opernalltag. Und der war in Weimar der schlechteste nicht.

Grüssli von blaustrumpf
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Gilgamesch.Miner...
Beitrag 29.Nov.2006 - 02:22
Beitrag #22


Satansbraten
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Ät Lady Godiva
Ich glaub, wir reden grad ein wenig aneinander vorbei.
Ich habe nicht von öffentlich kulturellen Leben gesprochen, sondern dem Interesse an Kultur.
Dennoch möchte ich zuerst auf dein Geschriebenes kurz eingehen.
Ich sprach vom nahezu bestmöglichen Zugang zur allgemeinen Wissensbildung – von Bibliotheken und Internet beispielsweise – eben von Informationsbeschaffung und ermöglichtem Umgang mit Material, in bisher nie in derart da gewesenem Transfer und der Digitalisierung von Wissen und Texten.

Auch in „beschäftigungsarmen Zeiten“ ist hier ein Zugang gegeben.
Nein, ich bezweifle nicht die vorhandene Härte von Armut, und dass einem dadurch manche Wege versperrt oder zumindest erschwert sein können. Aber dies als Grundausrede für Bildungslosigkeit oder einem Unwillen gegen Hochkultur?
Tut mir leid, aber Bildung hängt eben nicht einfach immer nur am Geld. Du bekommst als ein Beispiel gute Bücher über Antiquariate manchmal hinterher geschmissen, ehemals 190 Bücher (Forschungsliteratur) für 10 Euro, von1-2 Euro Klassikern ganz zu schweigen. Reclam-Heftchen second Hand… Mangelexemplare, Lagerräumungen, Versteigerungen im Internet. Man muss sich nur die Mühe machen. Nur die Bereitschaft dazu und das benötigte Interesse kann man nicht erkaufen. Daran hapert es meiner Einschätzung nach eigentlich. Nicht an der Geldfrage. Die wird meines Erachtens immer inflationär als halbe Entschuldigung eingeworfen.

Und Eintrittspreise von Opern als Luxusgut in „beschäftigungsarmen Zeiten“ sind für mich ebenfalls inflationär eingesetzte Kritiken, denen man mit ebenengleicher Gegenreaktion beisteuern kann: Punkt a- Opern waren nie so preisgünstig. Ja natürlich, 12 Euro können existentiell sein. Nur soll die Oper auch ein besonderer Anlass sein, kein allmorgendlicher Stuhlgang zur Toilette. Und da kann man sparen, denn Punkt b -12 Euro, heißt ebenso sparen wie auf einen Kinoabend mit Cola und Popcorn, die Zigarettenansammlung der Woche… Nein, im Konsumkreislauf in Deutschland lässt sich das „Wir haben kein Geld“ nicht gleich erkennen. (Und da ich im beschäftigungsärmsten Stadtteil Deutschlands wohne, kann ich dir spätestens an der Kasse im Lidl oder Aldi versichern, dass Geld der Öfteren falsch eingesetzt wird, als wie bejammert stets zu fehlen.)

Liegt dies also am Bildungssystem? Dort werden die arbeitstechnischen Grundlagen wie Übersichten vermittelt, die einem die Aneignung weiterer Kenntnisse ermöglichen. Dies in unterschiedlicher Vertiefung, je nachdem, welchen Schultyp man besucht und welche Richtung man einschlägt. Das kann es nicht sein.
Die Lehrer, die Eltern, die Gesellschaft? Man könnte überall nach Verantwortung und Antwort suchen. Man würde überall ein Stückchen Wahrheit finden und doch nie sagen können „Das ist es.“
Anders gesagt – den Zustand eines größer angelegten allgemeinen Desinteresses an Hochkultur sehe ich durch die Geschichte hindurch als normal an. Es fällt einem nur in jeder Zeit anders und fast wie auf´s Neue auf.

Die Verantwortung der Mandatsträger will ich dadurch nicht schmälern. Im Gegenteil. Man sollte nur vielleicht auch die Initiativen, die von Ihnen durchgeführt werden, nicht gleich ignorieren. Auch nicht die im kleinen Stil: Womit ich noch mal auf den Anlass dieses Threads verweise: Die Petition zum Erhalt des Deutschen Nationaltheaters in Weimar. Welches keine Bürger-, sondern eine Politikerinitiative ist.
http://dnt-retten.preme.de/
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Gilgamesch.Miner...
Beitrag 29.Nov.2006 - 02:57
Beitrag #23


Satansbraten
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Nachtrag:
Ein Aspekt in der Angabe, die Kulturpartizipation würde unter Geldmangel und ungenügender Bildung leiden, stößt mir bitter auf:
Viele von denen, die es sich leisten könnten, gehen trotzdem nicht.
Diese können mittlere Reife haben oder an ihrer Doktorarbeit schreiben, im Supermarkt arbeiten, oder ihre Wertpapiere pflegen. Mangelndes Interesse, fehlende Motivation, das kannst du auch nicht erzwingen - anregen, ja - und an diesem Punkt kann man auch unter anderem (nicht nur) auf die Verantwortlichkeit von Institutionen zurückkommen.
Um es offen zu sagen - die Resonanz allein für diese Petition zeigt, dass man es nicht einfach auf Geldmangel und Bildungslosigkeit schieben kann und darf. Interesselosigkeit ist weitaus weniger "klassengebunden", als behauptet wird.
Weder sieht man Menschen (auch mit durchaus angemessenem finanziellen Hintergrund) in Opern stürmen, noch für Opern eine verpflichtungsfreie Unterschrift geben, die andernorts leichtfertig genug vergeben wird.
Darin begründet sich also in der Tat meine Enttäuschung, die mir des Weiteren eine kulturpessimistische Sicht aufzwingt.
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kruemelchen
Beitrag 29.Nov.2006 - 04:24
Beitrag #24


Immer mal wieder...
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QUOTE (borracha)
Und wundern sich,wenn sich die Menschen dafür dann auch net mehr interessieren.

QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath)
Was mich aufregt sind weniger "die Politiker" oder "die Wirtschaft", als eher fehlendes Engagement und Interesse eines großen Teils " der Bevölkerung".


Vielleicht liegt das aber auch gar nicht an mangelndem Interesse, sondern vielmehr daran, dass die meisten Menschen heutzutage Ihr Geld einfach mehr zusammenhalten müssen. Ein Besuch in der Oper ist nicht für jeden einfach mal so erschwinglich. Kunst und Kultur kostet.

Viele müssen sich entscheiden zwischen dem Einkauf von Dingen des täglichen Lebens und einer Eintrittskarte für die Oper. Die günstigste Opernkarte kostet in Frankfurt um die 12,- € - davon kann eine Person locker eine Woche leben :gruebel:

Mein Kunstgeschichte-Professor hat mal gesagt: Lieber mit einem gesättigten Magen einschlafen als mit gesättigtem Geist.


QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath)
Die Möglichkeiten an weitere Informationen und Bildung zu kommen, sind unerschöpflich - und ohne Klassen bildende Kosten.
Bibliotheken, Internet, Zeitungen, Radiosendungen, Fernsehdokumentationen...

Da muss ich Dir auch widersprechen. All diese von Dir aufgezählten Dinge kosten Geld. Geld, dass manche Familien eben nunmal nicht haben.
Jahresbeitrag in der Bibliothek: 10,- €, Internet: 540,- €, Tageszeitung: 213,- € ......



QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath)
Liegt dies also am Bildungssystem?

Zum Teil lässt sich das wohl nicht bestreiten. Bildung und gerade Schulbildung ist nunmal nach Klassen unterteilt, teilweise nur bestimmten Kreisen zugänglich. Meine Schulbildung z.B. hat meine Eltern mehrere Tausend Euro pro Schuljahr gekostet - ich hatte das Glück, dass sie sich das leisten wollten und vor allem auch konnten. Ich wage mal zu behaupten, dass meine Schulbildung um einiges besser war, als so manch andere und ich bin dankbar dafür, denn ich habe in meinen ersten Schuljahren auch die andere Seite erlebt: 20 Jahre alte Schulbücher (wenn überhaupt vorhanden), dreckige Klassenräume, kaputtes Mobiliar, ausgefallene Stunden und die gänzliche Abwesenheit von Tafelkreide sind da nur einige Beispiele. Woran, wenn nicht am Geld hat das wohl gelegen? Ich spreche hier übrigens nicht von einer Hauptschule in einem sozialen Brennpunkt, sondern von einer ganz normalen Realschule mitten in Frankfurt. Die Zustände dort sind auch heute noch so.


QUOTE
Viele von denen, die es sich leisten könnten, gehen trotzdem nicht.
Diese können mittlere Reife haben oder an ihrer Doktorarbeit schreiben, im Supermarkt arbeiten, oder ihre Wertpapiere pflegen. Mangelndes Interesse, fehlende Motivation, das kannst du auch nicht erzwingen - anregen, ja - und an diesem Punkt kann man auch unter anderem (nicht nur) auf die Verantwortlichkeit von Institutionen zurückkommen.
Um es offen zu sagen - die Resonanz allein für diese Petition zeigt, dass man es nicht einfach auf Geldmangel und Bildungslosigkeit schieben kann und darf. Interesselosigkeit ist weitaus weniger "klassengebunden", als behauptet wird.
Weder sieht man Menschen (auch mit durchaus angemessenem finanziellen Hintergrund) in Opern stürmen, noch für Opern eine verpflichtungsfreie Unterschrift geben, die andernorts leichtfertig genug vergeben wird.
Darin begründet sich also in der Tat meine Enttäuschung, die mir des Weiteren eine kulturpessimistische Sicht aufzwingt.

Da hast Du wohl Recht. Aber müssen sich denn Deiner Meinung nach alle Menschen für die Oper (oder Kunst im allgemeinen) interessieren? Ich finde nicht. Die Oper ist nicht überlebenswichtig, genausowenig ist es Dichtung oder die Bildende Kunst. (Und das sage ich als Studentin der Bildenden Kunst)

Nebenbei bemerkt: Schon eine Comiczeichnung oder auch einfach nur ein Musikstück ist Kunst. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass sich ein Großteil der Bevölkerung wohl doch dafür interessiert. Kunst ist so vielfältig wie es die Menschen eben auch sind.
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Sägefisch
Beitrag 29.Nov.2006 - 11:36
Beitrag #25


Schlaudegen.
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Mangelndes Interesse an Hochkultur – wenn man dies denn als Mangel verstehen will.

Ist sicher vielschichtiger als die Frage nach der Haushaltskasse..

Meine Grossmutter wuchs mit 7 Geschwistern in karger Armut auf – und war dennoch kundig wie begeistert von klassischer Musik, Oper, Theater, Geschichte, obwohl sie nie so recht über Verhältnisse hinaus kam, in denen sie sich den Besuch solcher Veranstaltungen weiterhin verkneifen musste.

Vielleicht, weil sie Kultur als etwas gemeinsames begriff, von dem auch sie zumindest träumen durfte. Vielleicht auch, so paradox es ist, weil die gleichzeitige Akzeptanz von Kunst als einer eben nicht egalitären Sache die weniger privilegierten mit ihr versöhnte? Keine Erwartungen, die Kunst habe mich zu repräsentieren. Oma wollte gar nicht ihre eigene Misere auf der Bühne sehen, so wurde der elitäre Kern der Hochkultur nicht als zurückweisende Geste empfunden. Kunst war Entrückung – Zuflucht.

Wann ging nun dieses Interesse auf breiter Front zurück? Im Krieg? In schlechten Zeiten? Wohl eher in den guten. Wirtschaftswunder, Studentenrevolte. Individualisierung.

Bräsige Selbstgenügsamkeit im Reihenhaus. Peter Alexander kommt zu mir, was soll ich da ins Theater gehen. Unterhalten-lassen statt ein-.

Was interessiert mich das? Ich will a.) jeden Tag Fleisch essen und den Abteilungsleiter für mich denken lassen oder b.) struppig rumlaufen, wild und gefährlich spielen und dafür gefälligst einen Soundtrack haben. Ich ich ich.

Maulhelden und schweinsäugige Kochwurstjunkies in überfressen-friedlicher Koexistenz gegen eine komplizierte Welt . Die Verflachung wurzelt in der soliden Vorstadt, selbst wenn sie gelegentlich nach Kreuzberg auswandert.

Und die Kunst – wird Egoprojekt. Anale Phase, guck mal was ich kann. Ganz ohne üben. Ich mach die Schauspieler nackig und hau Goethe seinen Sandkuchen kaputt. Nicht mehr armer Poet – Lofts werden schick, Künstler kriegen jetzt auch Mädchen ab, wer sonst kommt ohne 8-Stunden-Tag auf Staatskosten nach Rom oder New York?

Alldieweil die Herrlichkeit in Bonn mit vollen Händen verteilt wird und sich die Hochkultur daran gewöhnt, von einer desinteressierten Bevölkerung kommentarlos durchgefüttert zu werden. Zu dieser Zeit auch gern mal ein herbeiphantasiertes unterdrücktes Massenproletariat repräsentierend, gegen einen spiessigen Mittelstand verteidigend - der aber eben die tatsächliche Masse ist, und ausserdem die Hand die einen natürlich immer noch gerne füttern darf – und sich somit endgültig vom Volk verabschiedend.

Dass eine solche gemischte Saat besonders üppig spriesst, wenn nun viele Menschen tatsächlich wieder die berühmten anderen Sorgen haben – nicht verwunderlich. Aber wo Oma eben noch auf Kultur zurückgriff und dort inneren Halt fand… warum bleiben die Abonnentenplätze denn heute eigentlich leer? Wirklich weil die, die heute verarmen nicht mehr hingehen? Oder kommen die vielleicht schon seit 35 Jahren nicht mehr, und es sterben bloss die Senioren weg, für die Kultur auch zum kleinen Wohlstand dazugehörte?

Entkoppelt haben sich Volk und Hochkultur schon viel früher – gegenseitig. Weil das eine das andere nicht mehr nötig hatte, zu haben glaubte? Will man denn wirklich das Volk in der Oper haben, in jeder Hinsicht?

Oder will man bloss dass das Volk Karten kauft und Subventionen zahlt, und der eigentliche Austausch findet weiterhin mit dem ”richtigen” Publikum statt, dessen Lebenswirklichkeit man eher teilt? Das (und da wirds dann eventuell doch wieder eine soziale Frage) keine gesellschaftlichen Bezüge vermisst, weil es selber keinen nötig hat? Das Musse hat den hehren, angeregten Kunstgenuss im Auge spiegeln zu haben , so dass hier eben die angenehmere, interessantere Gesellschaft für die Premierenfeier oder Vernissage zu finden ist, als in jemandem dem anzusehen ist, dass man eben nicht die künstlerische Kraft hat (welch peinlicher Gedanke), eine Hartz IV – Existenz auch nach dem Vorhang aufzuhellen?

Will das Volk nach jahrzehntelanger Verflachung zur Vertiefung zurück und wieder genau hingucken lernen? Was würde es dann wohl alles zu sehen bekommen?

Und will die Hochkultur eine Auseinandersetzung mit einem breiteren Publikum, für das eben keine Entrückung mehr reicht (die gibt´s im Fernsehen mundgerechter), und von dem man sich ja im Grunde tunlichst unterscheiden will? Würde man das Volk am Ende bloss wütend machen wenn man ihm inhaltlich Rechnung trüge?

Wenn aber das Volk der Kultur inhaltlich Nische wird, und die Kultur dem Volke finanziell – ist´s vielleicht Gesundungszeit?

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LadyGodiva
Beitrag 29.Nov.2006 - 12:47
Beitrag #26


Strøse
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Als eine, die auch schon mal in 7/8Hosen frisch vom Pipettieren im Foyer aufschlägt, der eine nüchterne Zemlinsky-Inszenierung mit Bühnenstaub lieber ist als blitzgelichtertes Wagner-Spektakel im TeVau und die sich jahrelang mangels Zugangsmöglichkeiten in der Provinz mit (übrigens teuer fernentliehenen) Videobändern einigermaßen über RTL-NN halten musste, sehe ich wie Blaustrumpf keinen Bedarf am Festhalten an einem
QUOTE (blaustrumpf)
Opernmuseum mit bewegten Bildern jeweils nach dem Mittagsläuten.

Inszenieren bedeutet für mich, möglichst viele Menschen in ein Werk zu bringen, was sich weniger auf die Anzahl der bestuhlten Buchstaben bezieht. Was schreckt? In meinen Augen die Chronifizierung der Wahnvorstellung, Oper gefiele nur, wenn sie entweder seicht-melodiös für die immer weniger zahlungskräftige paläontologische Abogeneration oder (leider dann seltenst genug selbstironisch) aufrüherisch-provokativ für das wenig profillierte neue Publikum ist. Den Staub aus Figaros Perücke, Aufrüttelung ohne Skandalabsicht, Rührung ohne Polemisierung - ein Anfang.
Kulturpolitik ist Form und Ausdruck ihres Sujets zugleich, in unserem Staat nach Möglichkeit für alle - dass der schichtspezifische Hebel nicht erst bei den Kartenpreisen ansetzt, sondern die Hege eines wertschätzenderen, selbstbewussteren Begriffs weniger televisionärer Anregung gefordert ist, habe ich vorab zu skizzieren versucht.
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Sandra Wöhe
Beitrag 29.Nov.2006 - 13:00
Beitrag #27


Gut durch
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Unterschrieben! Ohne auf die Gegenargumente eingehend, die teilweise echt bedenkenswert sind und mich sogar überzeugen.

Sandra
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Sägefisch
Beitrag 29.Nov.2006 - 13:00
Beitrag #28


Schlaudegen.
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QUOTE (LadyGodiva @ 29.Nov.2006 - 12:47)
dass der schichtspezifische Hebel nicht erst bei den Kartenpreisen ansetzt, sondern die Hege eines wertschätzenderen, selbstbewussteren Begriffs weniger televisionärer Anregung gefordert ist, habe ich vorab zu skizzieren versucht.

Wobei über die Kartenpreise und soziale Traditionen aber genau die das Parkett der Hochkultur bevölkern, denen aus Verteilungsgesichtspunkten noch nie viel daran lag, für breitere Schichten das zu befördern was einen solchen Begriff einbetten müsste und ihm als Konsequenz folgen würde - eben jenes Selbstbewusstsein.

Nicht nur deswegen ist es vielleicht auch ein erster Schritt, ehrlich auszusprechen dass die Kunst lieber nicht zu nah an seichtes und zunehmend unschickes wahres Leben andocken will, und das Volk sich nicht sonderlich für Kunst interessiert und deshalb auch die Rechnung zunehmend widerwillig zahlt.

Dann wäre wenigstens eine offene Grundlage da.

Der Beitrag wurde von Sägefisch bearbeitet: 29.Nov.2006 - 13:01
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Gilgamesch.Miner...
Beitrag 29.Nov.2006 - 14:11
Beitrag #29


Satansbraten
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@Krümelchen
Ein Jahresabo für 10 Euro in der Bibliothek ist ein Irrwitz. Dort erhält man auch Magazine. Internetanschlüsse haben die meist ebenfalls. Und 50cent wird man auch im Internetcafe locker machen können. Mal abgesehen davon, dass es Ermäßigungen für viele Kulturveranstaltungen gibt. Oder Karten im Internet preisreduziert versteigert werden. Das sind für mich alles schnell eingeworfene Selbstläuferargumente, die nicht wirklich vom eigentlichen Problem reden: Engagement. Punkt.
Wie ich schon vorhin sagte -
"Und Eintrittspreise von Opern als Luxusgut in „beschäftigungsarmen Zeiten“ sind für mich ebenfalls inflationär eingesetzte Kritiken, denen man mit ebenengleicher Gegenreaktion beisteuern kann: Punkt a- Opern waren nie so preisgünstig. Ja natürlich, 12 Euro können existentiell sein. Nur soll die Oper auch ein besonderer Anlass sein, kein allmorgendlicher Stuhlgang zur Toilette. Und da kann man sparen, denn Punkt b -12 Euro, heißt ebenso sparen wie auf einen Kinoabend mit Cola und Popcorn, die Zigarettenansammlung der Woche… Nein, im Konsumkreislauf in Deutschland lässt sich das „Wir haben kein Geld“ nicht gleich erkennen. (Und da ich im beschäftigungsärmsten Stadtteil Deutschlands wohne, kann ich dir spätestens an der Kasse im Lidl oder Aldi versichern, dass Geld der Öfteren falsch eingesetzt wird, als wie bejammert stets zu fehlen.)"

Zum Zweiten - mag sein, dass deine Schulbildung im Jahr mehrere tausend Euro gekostet haben mag. Dann warst du aber auf einer ausgewählten Schule. Dennoch ist Bildung an sich allen "Klassen" zugänglich. Manchen in anderem Maße. Dennoch sollte dies nicht der Kritikpunkt sein (buhu, die war auf einer Eliteschule und ich nicht) - denn auch wenn man nicht auf ausgewählten Schulen war, nicht tausende Euro in den Allerwertesten gesteckt bekommen hat, wird einem Bildung, ja gute Bildung, vermittelt. Entschuldige, aber willst du behaupten, du hättest ein größeres Maß an Bildung, weil deine Eltern viel bezahlt haben? Das ist der falsche Ansatz. Sorry, aber ich kenne jemanden, der mehrere Jahre im Brauereiwesen gearbeitet hat, der mir Platon, Aristoteles, den Koran, die Bibel und... rezitieren konnte. Selten so ein durchdachtes Gespräch gehabt. Er hat seine elf (!) Wartesemester mit Arbeiten und Nachtlektüre verbracht. Weil er sich dafür interessiert hat.
Man mag nicht alle Möglichkeiten offen haben , wenn man weniger Geld hat. Aber es liegt wohl eher daran, überhaupt die Möglichkeiten zu nutzen, die einem dafür bereit liegen.
(Und: Wer studiert, ist nicht unbedingt gebildet. Das ist ein Irrtum.)

Ansonsten unterschreibe ich Sägefischs Beitrag.
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Gilgamesch.Miner...
Beitrag 29.Nov.2006 - 14:17
Beitrag #30


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Nachtrag:
Comics können Kunst sein. Müssen sie aber nicht.
Man sollte Kunst nicht einfach mit Unterhaltung gleichsetzen.
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kruemelchen
Beitrag 29.Nov.2006 - 14:29
Beitrag #31


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QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 29.Nov.2006 - 14:17)
Nachtrag:
Comics können Kunst sein. Müssen sie aber nicht.
Man sollte Kunst nicht einfach mit Unterhaltung gleichsetzen.

Wann sind Comics denn Deiner Meinung nach keine Kunst?
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Gilgamesch.Miner...
Beitrag 29.Nov.2006 - 14:35
Beitrag #32


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Wenn sie keinen Ausgangpunkt, keine Plattform zur Auseinandersetzung bieten. Wenn ihr einziger Anspruch und ihre Aufgabe allein darin bestehen, ein schneller Zeitvertreib zu sein, um sich zu unterhalten, nicht zu bilden oder damit zu beschäftigen.
Weißes Rauschen eben. :mellow:
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blaustrumpf
Beitrag 29.Nov.2006 - 14:38
Beitrag #33


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ät kruemelchen

Wenn ich da auch mal meine 20 Rappen einwerfen darf:
Comics sind für mich spätestens ab dem Moment keine Kunst, ab dem sie den Anspruch, solche zu sein, nicht haben.
Popart in allen Ehren, aber die Grenze zum Gefälligen, zum Kunsthandwerklichen sozusagen, die ist ja nun durchaus spärlich markiert.

Grüssli, blaustrumpf

(edit ON) mit anderen Worten: ich stimme Gilgamesch zu. Die war einfach schneller. (edit OFF)

Der Beitrag wurde von blaustrumpf bearbeitet: 29.Nov.2006 - 14:39
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Gilgamesch.Miner...
Beitrag 29.Nov.2006 - 14:49
Beitrag #34


Satansbraten
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Nachtrag:
Ebenso ist der Holocaust-Karikaturen Wettbewerb, der dieses Jahr von Teheran ausgerufen worden war, für mich keine Kunst - sondern Propaganda.
Es gibt Grenzen, die sollte man nicht übersehen.

Blaustrumpf: :zustimm:
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Gilgamesch.Miner...
Beitrag 29.Nov.2006 - 15:01
Beitrag #35


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QUOTE (Sandra Wöhe @ 29.Nov.2006 - 13:00)
Unterschrieben!

:blumen2:
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blue_moon
Beitrag 29.Nov.2006 - 16:27
Beitrag #36


strösen macht blau!
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die comic-frage... eine solche starke unterscheidung zwischen u(nterhaltsamen) kulturelementen und e(rnsthaften) macht doch kaum jemand so auffällig wie das volk der dichter und denker. und mit dieser unterscheidung geht eine wertung hand in hand. je höher die kulturellen ziele, desto höher auch die erwartung, das ganze möge auch von all denen mitfinanziert werden, die den nutzen nicht begreifen oder spüren können. dieses ansinnen mag ja heeren zielen gelten, warum aber setzen sich kulturschaffende anscheinend so gar nicht damit auseinander, dass die schere so weit auseinandergeht? ist das gar gewollt? warum - zumindest ist das mein eindruck - ist der schritt so schwer, auf die menschen zuzugehen, die sich ja durchaus fragen, warum nun ausgerechnet abgeschlagene prophetenköpfe in einer mozart-aufführung auftauchen müssen etc.? ist denn der schritt zum dialog schon gleich auch ein schritt zum seichten? ein schritt hin zur konsumorientierung? und damit schlicht zu verpönen? warum ist es offenbar undenkbar, hemmschwellen zu senken? den zugang zur hochkultur kann sich sicher jede erarbeiten - auch über bildung, wie gilgamesch gezeigt hat. aber dazu muss es doch auch einen grund geben...
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blaustrumpf
Beitrag 29.Nov.2006 - 16:38
Beitrag #37


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QUOTE (blue_moon @ 29.Nov.2006 - 16:27)
(…) je höher die kulturellen ziele, desto höher auch die erwartung, das ganze möge auch von all denen mitfinanziert werden, die den nutzen nicht begreifen oder spüren können.

Hallo, blue_moon

Tut mir leid, aber die Hoffnung, der Staat, der fiese, möge nun doch mal bitte prontissimo mit der Staatsknete rüberkommen, ist nicht unbedingt gebunden an hehre kulturelle Ziele.

Zu was brauche ich als bekennende Nichtsportlerin Sportarenen, auf dass denn der internationale Wettkampf auch bitteschön mal in Deutschland Station machen möge? Tut das wirklich Not, WM-tugliche Stadien zu haben, wenn gleichzeitig Deutschlands Jugend vor dem Computer verfettend verharrt?
Tut das wirklich Not, die A44 auszubauen, für die gesamte Nation, inklusive aller, die den Verkehr sowieso lieber auf der Schiene sähen?
Tut das wirklich Not, auch noch im letzten Kaff beheizte Schwimmbäder zu betreiben, wenn sowieso der Kult viel viel schöner ist, rund um den Baggersee die Party zu machen?

Ich wiederhole die Frage: Was ist das Spezifische an der deutschen Kultur und wieso ist sie nötig?

Grüssli, blaustrumpf
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Gilgamesch.Miner...
Beitrag 29.Nov.2006 - 16:52
Beitrag #38


Satansbraten
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QUOTE (blue_moon @ 29.Nov.2006 - 16:27)
die comic-frage... eine solche starke unterscheidung zwischen u(nterhaltsamen) kulturelementen und e(rnsthaften) macht doch kaum jemand so auffällig wie das volk der dichter und denker.

OT
Das ist eine deutsche Selbstzuschreibung.
In anderen Ländern gilt Deutschland als das Land der Denker (Freud, Kant) und Komponisten (Wagner, Beethoven), keineswegs der Dichter. Die deutsche Literatur wird im Ausland reichlich wenig beachtet.

QUOTE
und mit dieser unterscheidung geht eine wertung hand in hand. je höher die kulturellen ziele, desto höher auch die erwartung, das ganze möge auch von all denen mitfinanziert werden, die den nutzen nicht begreifen oder spüren können.

Nein. eine Klassifizierung impliziert noch keine Wertung, sie ist reine Unterscheidung. Und braun oder grün beeinhaltet noch keine Hierarchie oder Wertung. Die wird erst durch ein überstehendes Programm gesetzt.

Insofern kann ich auch gut und gerne äußern, dass je höher die kulturellen Ziele gehen, desto höher ist nicht unbedingt die Erwartung, sondern die Erfahrung, dass sich der Rezipientenkreis verkleinert.
Und ja, in dem man den Anspruch erhöhrt, selektiert man auch. Man selektiert nach Bereitschaft zur Aufmerksamkeit und Auseinandersetzung. Ja und worin liegt hier die Ungerechtigkeit?
Dass ich nicht an Veranstaltungen teilnehmen könnte, an denen ich gar nicht teilnehmen will?

Es gibt durchaus Initiativen, um auf ein größeres Publikum zuzugehen. Aber "auf einander zukommen" zeigt auch, dass es nötig ist, dass der andere sich nicht wegdreht.
Und:
Braucht Kultur einen Grund?
Einfach die falsche Frage.
Oder gibt es einen Grund, mit dem Rauchen anzufangen, der in dieser Konstellation überzeugender ist?
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blaustrumpf
Beitrag 29.Nov.2006 - 16:54
Beitrag #39


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QUOTE (Gilgamesch.Minerva-ath @ 29.Nov.2006 - 16:52)
Oder gibt es einen Grund, mit dem Rauchen anzufangen, der in dieser Konstellation überzeugender ist?

einen einzigen: die friedenspfeife.
B)
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Gilgamesch.Miner...
Beitrag 29.Nov.2006 - 16:57
Beitrag #40


Satansbraten
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Um den zu kennen, braucht es aber einer gewissen Bildung. :morgens:
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