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> Die Früchte ernten: Bedingungsloses Grundeinkommen!, Realistische Lösung, Utopie oder Unsinn?
nico
Beitrag 21.Jan.2009 - 22:54
Beitrag #1


Gut durch
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Werte Gemeinde,

mich, als Verfechterin des bedingungslosen Grundeinkommens, interessiert Eure Meinungen zu diesem zukunftsorientierten Modell.
Ich selbst bin aufgrund eines Interviews mit dem Gründer von dm drogeriemarkt Götz Werner im DLF auf das Thema gestossen.

Was ist das überhaupt?
Stellt Euch vor - so könnte eine Version des Modells aussehen:

Jede/r bekommt einen Betrag von geschätzten 800,- ausgezahlt, ohne Bedürftigkeitsprüfungen, ohne andere Bedingungen. Keine Rente, kein ALG I, kein ALG II, kein Sozialgeld; dementsprechend keine Abzüge auf den Bruttolohn für deren Versicherungen. Weiter wird nicht mehr das Einkommen besteuert, sondern der Konsum. Durch eine Konsumsteuer können Produkte nach ihrem Wert besteuert werden, eine Flasche Champagner spült demnach mehr Geld in die Staatskasse als eine Flasche Bier. Menschen, die sogenannte Luxusgüter kaufen, unterstützen den Staat, die Gemeinschaft, stärker als derjenige, welcher einfachere Waren kauft, unabhängig von seinem realen Einkommen.
Der Lohn wird also zum reinen Nettolohn. Von diesem wird allerdings eine negative Einkommenssteuer erhoben, Bürgerinnen mit höherem Einkommen zahlen das Grundeinkommen quasi wieder zurück.

Ein kurzer Abriß, aber hier gibt es mehr Infos:

Zum Thema Finanzierbarkeit
Netzwerk Grundeinkommen - Einblicke in die Lobbyarbeit
Die Seite von Götz Werner - bed. GE verständlich erklärt


Warum habe ich den Beitrag mit "Die Früchte ernten" betitelt?
Nun, deshalb:
Seit Anbeginn der Menschheit ist diese darauf bedacht, ihr Leben einfacher zu gestalten. Ob es die Axt aus Stein war oder später die Bearbeitung von Metalllen, heute die der von Kunststoffen jeglicher Art, immer war das Ziel den Menschen die Arbeit zu erleichtern, um mehr freie Zeit zu erwirtschaften. Die Industrialisierung (Stichwort Fließband) ist der Höhepunkt dieser Entwicklung: In immer kürzerer Zeit, mit immer weniger Menschenkraft (Maschinen), immer mehr Produkte herstellen (stete Produktivitätserhöhung) war und ist die Prämisse. Ziel allen Fortschritts ist eine Zunahme von arbeitsfreier Zeit für den Menschen. Damit er sich beispielsweise der Muße hingeben kann oder der Philosophie oder dem zwischenmenschlichen Miteineinander oderoderoder.
Was aber macht unsere Gesellschaft?
Anstatt anzuerkennen, daß die klassische Erwerbsarbeit (Stichwort Vollbeschäftigung) zu einem Relikt geworden ist, wird an ihr festgehalten. Unsere Gesellschaft, das gesamte System fußt weiterhin auf der abhängigen Erwerbsarbeit. Sie hinkt ihrer Zeit hinterher.
Dabei enstehen neue Probleme, vor allem das Versorgungsproblem der Alten. Während die kl. Erwerbsarbeit abnimmt, tauchen anderernorts neue Betätigungsfelder auf, wie zB. und insbesondere die Pflege. Die freien Kapazitäten, die der Mensch sich mühevoll erarbeitet hat, sollten dazu genutzt werden, neuen Problemen zu begegnen.

Arbeit ist längst nicht mehr das, was es mal war - das ist kein Grund zur Trauermine, sondern so gewollt und so wie es ist, ist es progressiv!
Das Grundeinkommen ist die Antwort auf die sich verändernde Arbeits - Gesellschaft.

Zu diesem Argumentationsstrang gibt es einen sehr lesenswerten Artikel in der brandeins.
Götz Werner führt in seinen Buch Einkommen für alle noch einen weiteren interessanten Argumentationsstrang an, den ich bei Interesse gerne noch darlegen kann.

Natürlich gibt es viele Pros und Contras.
Lasst uns diese doch zusammentragen!
Ich bin gespannt auf Eure Meinungen!



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DerTagAmMeer
Beitrag 22.Jan.2009 - 07:26
Beitrag #2


Adiaphora
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Hab' leider grad kaum Zeit (die Erwerbstätigkeit drängt (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) ) ... wollte darum nur kurz beitragen, dass es in Afrika einige Dörfer gibt, in denen Social Cash Transfer praktiziert wird:
Wo das Geld vom Himmel fällt
Afrika traut sich

... und sagen, dass ich die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gut und realisierbar finde. Auch mit den Menschen, die da sind.
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McLeod
Beitrag 22.Jan.2009 - 09:51
Beitrag #3


mensch.
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ZITAT(DerTagAmMeer @ 22.Jan.2009 - 07:26) *
Hab' leider grad kaum Zeit (die Erwerbstätigkeit drängt (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) ) ... wollte darum nur kurz [...]
... und sagen, dass ich die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gut und realisierbar finde. Auch mit den Menschen, die da sind.


Also mein persönlicher Pessimismus erahnt Menschen, die am jetzigen System festhalten und es manifestieren und behalten möchten. Irgendjemand muss doch seinen oder ihren Nutzen daraus ziehen, dass arbeitssuchende Hartz IV-Beziehende schnellstmöglich in der Spirale "Sie dürfen arbeiten, aber verdienen Sie bloß nicht zuviel, sonst müssen wir Ihnen was wegnehmen" landen und am Ende lieber Ehrenamtler/innen werden und damit Arbeitsplätze für 435 Euro kompensieren. So weit weg von 1€-Jobs und Hartz IV sind 800 Euro Grundeinkommen ja nun nicht. Irgendjemand hängt da sehr am geschaffenen Regeldschungel-Bestand.

Und dafür sehe ich Energiebedarf. In einem Land, das großflächig wenig Energie für "Gesellschaft" und "Miteinander" aufbringt. (Natürlich auch nur meine persönliche und enttäuschte Wahrnehmung.)

@shark: Danke für den Link. Der Buchbeschreibung konnte ich entnehmen, dass es um ein Phänomen geht, dass ich sogar schon selbst ab und zu durchdacht habe. Sicherlich nicht auf dem intellektuellen Niveau des Verfassers und die in dieser Viel-Seitigkeit (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) Nun ist es so, dass ich Kartoffelanbau schon seit langem nicht mehr in meiner Familie erlebe. Ehrlich gesagt hab ich es persönlich nie erlebt. Wir sind und waren alle Lohnarbeiter/innen und Dienstleistende. Ich glaube zwar nicht, dass das Informationszeitalter die Lohnarbeit abschaffen wird (es sei denn die Menschen führen das bedingungslose Einkommen ein) - aber ich sehe schon die Notwendigkeit, es großflächiger wie Volkswagen zu machen: gutes Geld bei einer paarunddreißig-Stundenwoche. Dort ist tatsächlich das Versprechen der Industrialisierung, dass Maschinen uns die Arbeit erleichtern (verkürzen) und uns zu Reichtum (oder zumindest guter Entlohnung) verhelfen, eingelöst worden. Gleichzeitig stelle ich (persönlich / subjektiv / empirisch) fest, dass selbst die objektiv guten Arbeitsbedingungen bei VW nicht automatisch glückliche Menschen hervorbringen. Die Kultur des Miteinanders wäre noch etwas, das zwischen den Maschinen und Bändern zu fördern wäre...

Was mich wieder zurück bringt zur Frage (die ich bislang noch nicht ausdrücklich gestellt habe): reicht es das System zu verändern, um das Miteinander fruchtbarer und menschlicher zu machen? Oder ist der derzeitige Zustand auch einfach nur menschlich und ich bin eine Frau mit zu hohen Ansprüchen?

Wenn ich es richtig verstanden habe, zielt auch das bedingungslose Grundeinkommen letztlich auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen? Würde das Abschaffen von Hartz IV-Kontrolleuren dafür sorgen, dass sie sich respektvoller verhalten und dass sie einem Zeitvertreib oder einer freiwilligen Arbeit nachgehen, in der sie mit Menschen anders umgehen? Würde RTL dann Sendungen produzieren, die nicht nur deswegen gesehen werden, weil sie unsere niederen Instinkte der römischen Belustigung und des Voyeurismus bedienen, sondern die edlere Gefühle in uns provozieren? Sind wir bereit für Paradigmenwechsel? Wer sagt denn hier aus voller Brust "yes we can" und bekommt eine multimillionenfache Resonanz? Gibt es im neuen System noch Leader und Nachfolgende? Kommunistische Ideen lassen sich im kleinen Rahmen ja auch ganz nett umsetzen, oder freie Busfahrten für Stadtbewohner in belgischen Kleinstädten, bürgersteig- und schilderfreie Verkehrszonen in deutschen Kleinstädten, es gab sogar mal eine Gruppe (vielleicht gibt es sie noch), die die Ideen von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard ohne Repression und Geldbeutelschneiderei zum Wohle aller Beteiligten verfolgte.

Im derzeitigen Globalismus liegen die Fäden meiner Wahrnehmung nach in den Händen von Menschen, die nicht bereit sind, loszulassen oder etwas in Richtung bedingungsloses Einkommen zu verändern. Und mir persönlich fehlt jemand, dem oder der ich das zutraue. Vielleicht, weil ich es mir selbst nicht zutraue. Vielleicht bin ich so kleinkariert und altbacken, weil ich mich gerade im derzeitigen System positioniert habe und es so mühsam fand, ergo einen großen Erfolg einfach ins Schächtelchen zu legen hätte. Ich bin ja auch nur ein Mensch. Und wenn schon ich noch nicht bereit bin (halte ich mich doch für insgesamt progressiv und etwas über dem Durchschnitt Mainstream-kritisch), wo kommen dann die Menschen her, die die Welt für Zauderer wie mich zum Guten verändern?

Göttin... ich glaub ich war noch nie so pessimistisch, wie hier und gerade jetzt.

McLeod, nachdenklich
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nico
Beitrag 22.Jan.2009 - 20:49
Beitrag #4


Gut durch
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ZITAT(McLeod @ 22.Jan.2009 - 09:51) *
Im derzeitigen Globalismus liegen die Fäden meiner Wahrnehmung nach in den Händen von Menschen, die nicht bereit sind, loszulassen oder etwas in Richtung bedingungsloses Einkommen zu verändern.



Da liegt die Crux!
Denn was losgelassen werden muss, ist ein Arbeitsethos, der uns die Erwerbsarbeit so hochschätzen läßt. Du hattest ja schon Arbeit gleichgesetzt mit "Selbstverwirklichung, Anerkennung, sozialer Aufstieg".
Aber: das wurde nur nachträglich draufgelegt.
Der berühmte Soziologe Max Weber hat in seinem Werk Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus einen Ethos ausgemacht, der im Zuge der Reformation, später im Laufe der Industrialisierung die Arbeit als Heilsbringer für die Zeit auf Erden entwickelt wurde. Arbeit wurde gleichgesetzt mit Anerkennung und sozialen Aufstieg, der ein vorgeschobener Aufstieg in den Himmel gleichen sollte.
Unsere westliche Gesellschaften sind nach Weber - und das behauptete er schon vor 100 Jahren - durchdrungen von einem protestantischem Geist, der uns das (kapitialistische) Anhäufen von (monetären) Gütern durch Arbeit, Fleiß und Tugend so hochschätzen lässt. Der Grund war u.a. die Mobilsierung von Arbeitskräften. Man denke nur an die Zeit, in der die ersten Eisenbahnstrecken in den Staaten gebaut wurden.

Hm, das war jetzt ziemlich verkürzt - das Buch läßt sich aber leicht und schnell lesen und öffnet einer die Augen, warum wir immer noch an unserem Regelsystem festhalten.
Deshalb ist auch nicht die Frage der Menschlichkeit relevant, sondern was wir verpassen, wenn wir nicht auf die Zeichen der Zeit achten.


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