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> Jenseits von Emden -, Eine Begegnung zur Mittagszeit
sonnenstrahl
Beitrag 19.Jun.2009 - 07:29
Beitrag #1


verboden vrucht
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Jenseits von Emden
- eine Begegnung zur Mittagszeit


Hab heut einer Scholle ins Auge geblickt.
Im Schaubassin vor ´nem Speiselokal
lag sie in bleiche Kiesel gedrückt
und harrte ihres Endes als Mahl.

Sie sah mich an, und sie zog mich aus,
sie sog mich aus meiner Frauenhaut,
sie machte meiner Distanz den Garaus,
und hat tief hinter mein Menschsein geschaut.

Ich wusste nicht, wo ich mich plötzlich befand.
Statt graugrünen Lichtspiels war alles leer.
Mir fehlten die Wogen, mir fehlte der Sand.
Ich war nackt wie ein Felsen ohne mein Meer.

Und so lag ich nun da, ein plattes Getier,
an diesem trostlosen, fremden Ort.
Ich sehnte mich fort in mein trautes Revier,
in die Nordsee hinter Emden dort.

In meiner Sehnsucht stieß ich mich ab,
durchschwamm die geschmacklose Brühe,
bis mir das Glas zu verstehen gab:
Vergebens ist all deine Mühe.

Matt sank ich zurück in den fahlen Kies,
ließ verzagt meine Flossen hangen.
Wie soll ich aus diesem öden Verlies
je wieder nachhause gelangen?

Aus Scholles Auge glotzte ein Tier,
auch Mensch genannt, auf Tische.
Dem Werbefritzen an Tisch vier
war´s nach fangfrischem Fische.

"Nun geh!" Das Fischauge ließ mich los,
"Du haariges Viech mit rotem Geblüt.
Nimm mit in deiner Kehle als Kloß
mein stummes Schollensterbelied."

Jenseits von Emden fehlt ein Fisch.
Diesseits der Scheibe trinkt man Kaffee.
Ein Häuflein Gräten liegt auf dem Tisch.
Und Wellen schlägt in der Ferne die See.

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dandelion
Beitrag 19.Jun.2009 - 08:12
Beitrag #2


don't care
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böse. bitter bitter böse. (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif)

ein bißchen bin ich durch die Perspektiven gestolpert, aber ich finde, es liest sich großartig (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif) (okay, die vorletzte Strophe hat ein bißchen den Eindruck gemacht, als habe sie sich besonders dagegen gesträubt, ins Gedicht zu passen. aber der trockene, knappe Ton in den anderen Strophen kaschiert das recht schön (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) )

Der Beitrag wurde von dandelion bearbeitet: 19.Jun.2009 - 08:13
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sonnenstrahl
Beitrag 19.Jun.2009 - 12:17
Beitrag #3


verboden vrucht
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ZITAT(dandelion @ 19.Jun.2009 - 09:12) *
böse. bitter bitter böse. (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif)

ein bißchen bin ich durch die Perspektiven gestolpert, aber ich finde, es liest sich großartig (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif) (okay, die vorletzte Strophe hat ein bißchen den Eindruck gemacht, als habe sie sich besonders dagegen gesträubt, ins Gedicht zu passen. aber der trockene, knappe Ton in den anderen Strophen kaschiert das recht schön (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) )


Danke Dandi. Ich kann dein Sträubgefühl bezüglich der vorletzten Strophe gut nachvollziehen.

Ursprünglich sollte sie lauten:

"Nun geh!" Das Fischauge ließ mich los,
"Du dummes Viech mit rotem Geblüt."
Weh schnürt der Hals sich mir zum Kloß
aus stummem Schollentotenlied.

... aber irgendwie war mir danach, es etwas sperriger klingen zu lassen - vielleicht weil eine todgeweihte Scholle sich ´ne Panade auf schönen Reim backt, oder so ...

Ich überleg mir mal, ob ich doch die alte Fassung zur offiziellen erkläre ... (IMG:style_emoticons/default/smile.gif)

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 19.Jun.2009 - 12:26
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sonnenstrahl
Beitrag 30.Jun.2009 - 15:12
Beitrag #4


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Überarbeitete, nun offizielle Fassung:


Jenseits von Emden
- eine Begegnung zur Mittagszeit



 Hab heut einer Scholle ins Auge geblickt.
Im Schaubassin vor ´nem Speiselokal
lag sie in bleiche Kiesel gedrückt
und harrte ihres Endes als Mahl.

 
Sie sah mich an, und sie zog mich aus,
sie sog mich aus meiner Frauenhaut,
sie machte meiner Distanz den Garaus,
und hat tief hinter mein Menschsein geschaut.

 
Ich wusste nicht, wo ich mich plötzlich befand.
Statt graugrünen Lichtspiels war alles leer.
Mir fehlten die Wogen, mir fehlte der Sand.
Ich war nackt wie ein Felsen ohne mein Meer.

 
Und so lag ich nun da, ein plattes Getier,
an diesem trostlosen, fremden Ort.
Ich sehnte mich fort in mein trautes Revier,
in die salzige See, hinter Emden dort.

 
In meiner Sehnsucht stieß ich mich ab,
durchschwamm die geschmacklose Brühe,
bis mir das Glas zu verstehen gab:
Vergebens ist all deine Mühe.

 
Matt sank ich zurück in den fahlen Kies,
ließ verzagt meine Flossen hangen.
Wie soll ich aus diesem öden Verlies
je wieder nachhause gelangen?

 
Aus Scholles Auge glotzte ein Tier,
auch Mensch genannt, auf Tische.
Dem Werbefritzen an Tisch vier
war´s nach fangfrischem Fische.

 
"Nun geh!" Das Fischauge ließ mich los,
"Du Haargetüm voll Warm-Geblüt."
Und trag in deiner Kehle Kloß
mein stummes Schollensterbelied.

 
Jenseits von Emden fehlt ein Fisch.
Diesseits der Scheibe trinkt man Kaffee.
Ein Häuflein Gräten liegt auf dem Tisch.
Und Wellen schlägt in der Ferne die See.


 

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 09.Oct.2010 - 16:59
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robin
Beitrag 02.Jul.2009 - 19:11
Beitrag #5


I lof tarof!
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Wow, tolles gedicht! (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)
Ich habe kein bisschen gefühl für deutsche metrik (heißt die so?), aber ich finde, es "schwimmt" wunderschön!
Noch nie habe ich sowas ähnliches empfunden, wenn ich fische im aquarium betrachtet habe...
vielleicht weil ich sie so wahnsinnig gerne verspeise? (IMG:style_emoticons/default/eek.gif)
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Rafaella
Beitrag 02.Jul.2009 - 19:26
Beitrag #6


Freies Vögelchen
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Ich bin auch sehr beeindruckt! (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)

Vor allem das lakonische "Jenseits von Emden fehlt ein Fisch."
Das ist im besten Sinne brechtsch-da tun sich Abgründe auf. Wow!!!!
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