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> Vor Schmerz schützen?, Ausweichen, annehmen, mitnehmen..?
sonnenstrahl
Beitrag 21.Jun.2008 - 15:38
Beitrag #61


verboden vrucht
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Beim Weiter-Drübernachdenken ist mir aufgefallen, dass es zwei Ur-Negativ-Vorbilder für mich gibt, was den Umgang mit seelischem Schmerz angeht:

1. Mein Vater, ein von seinen Gaben her poetischer, musischer, sinnlicher, sehr intelligenter, sensibler Mensch, der mit sehr wenig Liebe und sehr viel Überheblichkeit aufgewachsen sein muss. Nach einer Reihe von stolzverschraubten Schwierigkeiten im Laufe seines Lebens ist er zum dauergekränkten, zurückgezogenen Zyniker geworden, der vorgibt, ihm sei eh alles wurscht - Mensch sein ist doof. "Nie wieder fühlen müssen = nie wieder Schmerz erfahren" scheint seine traurige Devise zu sein.

2. Meine Mutter, naturliebend, ehrgeizig, wissbegierig und früh mit zu viel Verantwortung beladen, in einem mütterlicherseits unterkühlten, väterlicherseits schwärmerisch-grenzüberschreitendenden (wenn nicht abwesenden) Umfeld aufgewachsen, hat sich in einem Harnisch aus Dominanz und Manipulation eingerichtet, aus welchem heraus sie die Gefühle, Bedürfnisse, Ansichten und Eigenheiten anderer, ohne sich dessen bewusst zu sein, mit engelsgleicher Miene herunter spielt. So versucht sie, ihre Art von schmerzbefreiter Harmonie zu erzwingen. Ihre Devise könnte lauten: "Ich bestimme, was sein darf. Und wer sich dem widersetzt, den ignoriere ich sanft aber deutlich."

Beide ersticken nach und nach an ihren verdrängten Anteilen.
Bei ihm äußert sich das in chronischer (Weg-Raucher-)Bronchitis, sie ist am Dauer-Räuspern.
Sie behauptet meistens, es gehe ihr blendend - alles in Butter.
Er knallt, wenn er aus der Versenkung seiner Gartenlaube auftaucht, mit den Türen, um wenige Minuten später wie ein Känguruh wieder herein zu hopsen, und ein wutgeschlucktes "Guten Abend" zu krähen, als sei nichts gewesen. Habt ihr mich so infantil vielleicht eher lieb?

"Der ganz normale Wahnsinn", werden wahrscheinlich viele von euch denken. Die meisten von uns haben ähnlich grotesk-tragische Vorbilder, die sie dennoch (mehr oder weniger offen eingestanden) lieben.

Schwer, sich aus solch einem fatalen Gestrick zu befreien.
Doch ich erfahre (nicht nur an mir selbst), und bin überzeugt davon: Es lohnt sich, zu lernen, dem Schmerz aufmerksam und freundschaftlich zu begegnen, anstatt sich lebendig einzumauern, oder ignorant über ihn hinweg zu brettern (um sich dabei, wie jüngst meine Mutter, mal eben mit dem Rasenmäher den großen Zeh abzusäbeln. Körperliche Schmerzen als Ventil für uneingestandene, gut eingemachte seelische Schmerzen.).

Ich denke, niemand, weder man selbst, noch irgendein anderer Mensch, noch das Schicksal trägt die "Schuld" an dem Schmerz, den wir spüren. Denn er gehört zu uns und ist wichtig - als sowas wie ein Mahner, der uns aufzeigt, wo es gesund wäre, unsere Art, über die Dinge und Geschehnisse zu denken, nochmal (und nochmal, und nochmal ... ) zu überprüfen.

Je mehr ich diese Aufgabe meines Schmerzes sehe, und in mir zu würdigen weiss, desto leichter wird mir mein Leben. Und desto weniger muss ich andere verteufeln oder zu manipulieren trachten.


edit: ein "z" wie Zorro :)

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 21.Jun.2008 - 15:49
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mandelbäumchen
Beitrag 21.Jun.2008 - 17:45
Beitrag #62


Naschkatze
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QUOTE (sonnenstrahl @ 21.Jun.2008 - 16:38)
... Es lohnt sich, zu lernen, dem Schmerz aufmerksam und freundschaftlich zu begegnen, anstatt sich lebendig einzumauern, oder ignorant über ihn hinweg zu brettern (um sich dabei, wie jüngst meine Mutter, mal eben mit dem Rasenmäher den großen Zeh abzusäbeln. Körperliche Schmerzen als Ventil für uneingestandene, gut eingemachte seelische Schmerzen.).


Das unterschreib' ich.

Bauchschmerzen ;) macht mir manchmal die zu enge Verknüpfung von Schmerz und Kreativität, die in der Auffassung gipfelt, Künstlerinnen müssten gelitten haben, um wirklich gute Kunst machen zu können. Eine, wie ich finde, ausbeuterische Haltung. Vielmehr sehe ich einen Zusammenhang zwischen Lebendigkeit und Kreativität.
Um lebendig zu bleiben muss ich alles zulassen, auch den Schmerz.

@Mausi
QUOTE
Sport ist ein unheimlich gutes Mittel, den Schmerz und die damit zusammenhängenden Gefühle raus zu lassen - frei zu laufen, frei zu schwimmen oder eben sich einfach davon zu befreien.


Das ist für mich ein wichtiger Grund, Sport zu treiben, aber nicht der einzige.
Für mich ist Sport auch eine Möglichkeit, den Umgang mit Schmerz zu üben, d.h. gelegentlich auch an meine Schmerzgrenze und darüber hinaus gehen. Und dann eben nicht aufhören, auch wenn's richtig weh tut, sondern die Zähne zusammenbeißen und durchhalten (gelegentlich gibt's dann am Ende eine Medaille zur Belohnung).

Natürlich ist dabei auch die Dosis wichtig, und wie oft ich mich dem aussetze. Aber das ist mit jeder Art von Schmerz so. Zuviel unbegleiteter Schmerz wirkt zerstörerisch.

Ich sehe den seelischen Schmerz übrigens gar nicht so weit weg vom körperlichen. Gefühle äußern sich immer körperlich.

QUOTE
...der Satz jedoch hörte sich so "lax" an, eben wenn man nicht in der Situation ist sozusagen.


Welche Situation?

Der Satz ist etwas knapp, aber kein Telegramm von der fernen Insel der Schmerzfreiheit, davon kannst du ausgehen ;)

Mandelbäumchen

Edit: kleine Ergänzung

Der Beitrag wurde von mandelbäumchen bearbeitet: 21.Jun.2008 - 17:49
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sonnenstrahl
Beitrag 21.Jun.2008 - 18:05
Beitrag #63


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QUOTE (mandelbäumchen @ 21.Jun.2008 - 17:45)
Bauchschmerzen ;) macht mir manchmal die zu enge Verknüpfung von Schmerz und Kreativität, die in der Auffassung gipfelt, Künstlerinnen müssten gelitten haben, um wirklich gute Kunst machen zu können. Eine, wie ich finde, ausbeuterische Haltung. Vielmehr sehe ich einen Zusammenhang zwischen Lebendigkeit und Kreativität.
Um lebendig zu bleiben muss ich alles zulassen, auch den Schmerz.


So ist das, was meine Verknüpfung von Kreativität und Schmerz angeht, auch gemeint. Natürlich fließt in das, was ich neu erschaffe, meine ganze innere Welt des Erfahrens, Empfindens und Denkens ein. Vielleicht mit dem Unterschied, dass Schmerz von den meisten Menschen mehr aktive Auseinandersetzung erfordert als Freude, Begeisterung, Glücksgefühle. Schmerz verlangt von mir immer wieder, infrage zu stellen, was mir bis dahin fraglos richtig erschien, und dadurch erlebe ich diese Prozesse oft deutlicher und bewusster und als persönlich bahnbrechender - und mich selbst als kreativer im Umgang damit, was dann gerne nach künstlerischer Freisetzung verlangt :) .

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 21.Jun.2008 - 18:07
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mandelbäumchen
Beitrag 21.Jun.2008 - 18:16
Beitrag #64


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QUOTE (sonnenstrahl @ 21.Jun.2008 - 19:05)
So ist das, was meine Verknüpfung von Kreativität und Schmerz angeht, auch gemeint...

Eigentlich habe ich es auch so verstanden :).

Und es grummelte trotzdem, lag vielleicht an der gedanklichen Nachbarschaft.
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DerTagAmMeer
Beitrag 21.Jun.2008 - 19:56
Beitrag #65


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QUOTE (mandelbäumchen @ 18.Jun.2008 - 19:26)
Auch mein Bestreben ist es, mich von Schmerz fernzuhalten. Ich nehme eine Schmerztablette, wenn ich Migräne habe, lasse mir bei der Zahnärztin ein Spritze geben, wenn es wahrscheinlich wehtun wird.

Da ich ja meist Deiner Meinung bin ;), hat mich hier ein Unterschied zwischen uns stutzen lassen. So beruhigend es nämlich für mich ist, Schmerzmittel "im Haus" oder die Option auf eine Spritze beim Zahnarzt zu haben - so ungern nutze ich sie. Betäubungen machen mir Angst - weil ich nicht einschätzen kann, wie stark der einsetzende Schmerz sein wird, wenn sie nachlassen. Darum versuche ich lieber, unvermeidbare Schmerzen auszuhalten und so eine gewisse Kontrolle über sie zu haben als auf die abnehmende Wirkung einer Narkose zu warten.
Bei seelischen Schmerzen reagiere ich ähnlich - ich halte es einfach nicht aus, hilflos auf ein Unglück zu warten. Also tue alles, was in meinen Möglichkeiten liegt, um es zu packen. Als ich damals ahnte, dass mich meine erste große Liebe betrog, hab ich sie die halbe Nacht gesucht, bis ich beide schließlich eng umschlungen in irgendeinem Hauseingang fand - natürlich tat es trotzdem höllisch weh - aber ich hatte die Situation unter Kontrolle, konnte entscheiden, ob ich eine Szene mache oder mich still umdrehe und wieder nach Hause fahre. In gewisser Weise habe ich solche Trennungsszenarien meist herausgefordert, um dem Schmerz wenigstens seinen Zeitpunkt zu diktieren.
Darum provoziere ich auch schmerzende "Bekenntnisse", um endlich zu wissen, woran ich bin, um den Schmerz auszumessen, abzuschreiten, von jeder äußeren Einflussnahme abzukapseln und mir in einem eigenen Tempo einzuverleiben. Bissen für Bissen, Stück für Stück ... bis er vollständig verdaut ist und mir nichts mehr anhaben kann.
Für mich ist die Angst vor dem Schmerz tatsächlich viel viel schlimmer als der Schmerz selbst.
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dandelion
Beitrag 21.Jun.2008 - 20:44
Beitrag #66


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QUOTE (DerTagAmMeer @ 21.Jun.2008 - 20:56)
Darum provoziere ich auch schmerzende "Bekenntnisse", um endlich zu wissen, woran ich bin, um den Schmerz auszumessen, abzuschreiten, von jeder äußeren Einflussnahme abzukapseln

:gruebel: gute Erklärung...
wenn ich aus subjektiven Gründen "durchdrehe", dann ist meistens sehr viel Ungewißheit im Spiel, insofern kann ich das sehr gut nachvollziehen...
vielleicht fehlt mir fürs "eigene Tempo" einfach noch die hinreichende Menge an Erfahrung mit Schmerz... auch wenn ich sie ehrlich nicht vermisse.

übrigens nehme ich meistens auch keine Schmerzmittel, was ich allerdings eher dem Wunsche zurechne, stark genug zu sein, es ohne auszuhalten - und der Enttäuschung, daß sie so langsam wirken, daß es bis dahin von allein erträglich gewesen wäre.
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robin
Beitrag 22.Jun.2008 - 10:32
Beitrag #67


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QUOTE (DerTagAmMeer @ 21.Jun.2008 - 20:56)
...
Für mich ist die Angst vor dem Schmerz tatsächlich viel viel schlimmer als der Schmerz selbst.

Oh das kenne ich so gut! Auch der umgang mit med. betäubungsmitteln war mir immer verhasst und kam nur bei unausweichlichen vollnarkosen zum einsatz ... bis ich davon die nase voll hatte!
In den letzten 15-20 jahren meines lebens hat diese einstellung begonnen sich zu verändern - inzwischen habe ich kaum noch hemmungen eine schmerztablette einzuwerfen, wenn ich spüre, dass der tag mir sonst von kopf- oder bauch- oder zahnschmerzen ruiniert wird.
Das gleiche gilt für meine schmerzvollen erfahrungen - ich muss es wirklich nicht mehr wissen, im gegenteil! ich spüre immer stärker das verlangen, mich mit der freude und dem glück ... auseinanderzusetzen :) mit den wegen dorthin zu gelangen, und sei es auch nur annährend.
Weitere wirklich heftige schmerzvolle erfahrungen brauche ich im leben nicht mehr, sie würden mir eher zeigen, dass ich - schon wieder! - nicht gut auf mich aufgepasst habe, dass ich mich von meiner kraft entfernt habe, von meinen wichtigsten, tiefsten wünschen. Wozu sollten sie noch gut sein? Um zu wachsen? Wohin denn? :wacko:
In der letzten jahren versuche ich immer mehr im einklang mit meinem ganz persönlichen credo zu leben: sinngemäß nach einem irgendwo irgendwann gelesenen chinesischen sprichwort "ich kann nicht vermeiden, dass die kummer/schmerz/sorgen-vögel über meinem kopf kreisen. Dass sie aber ihre nester in meinem haar bauen, das kann ich verhindern."

Vielleicht weil ich katholisch geprägt bin ... ich lehne immer mehr diese erlösung-durch-schmerz-kultur ab. Sie widert mich nur noch an.
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sonnenstrahl
Beitrag 22.Jun.2008 - 11:16
Beitrag #68


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QUOTE (robin @ 22.Jun.2008 - 10:32)
"... ich kann nicht vermeiden, dass die kummer/schmerz/sorgen-vögel über meinem kopf kreisen. Dass sie aber ihre nester in meinem haar bauen, das kann ich verhindern."


Schönes Sprichwort!

QUOTE
Vielleicht weil ich katholisch geprägt bin ... ich lehne immer mehr diese erlösung-durch-schmerz-kultur ab. Sie widert mich nur noch an.


Ich nehme an, du meinst damit sowas wie "Leiden als Schlüssel zum Paradies - wenn wir dieses armselige Erdenleben hinter uns gebracht haben"? Da zieht´s mich auch so gar nicht hin.

QUOTE
... das verlangen, mich mit der freude und dem glück ... auseinanderzusetzen  mit den wegen dorthin zu gelangen, und sei es auch nur annährend.


Ja, gerne. ... Meiner Erfahrung nach gelingt das allerdings nur bedingt, indem wir alles meiden, was weh tun könnte.

Was Schmerzen beim Zahnarzt angeht, kann ich das gut verstehen. Da hab ich das Heldin-Sein-Wollen meiner Jugend längst hinter mir gelassen, und lass mir gerne ´ne Spritze geben (deren Gift ich nach überstandener Prozedur homöopathisch auszuleiten trachte).

Wenn mir etwas voraussichtlich Schmerzen bereiten würde, von dem ich eh das Gefühl hätte, es würde mich in meiner Entfaltung keinesfalls weiter bringen, sondern eher bremsen, ginge ich ganz sicher einen Umweg. Solch einem Schmerz wider besseren Wissens in die Arme zu rennen, halte ich für selbstzerstörerisch.

Geht es jedoch darum, Schmerz in Kauf zu nehmen, wenn ich meinen ganz eigenen, für andere manchmal sicherlich schwer nachvollziehbaren Weg weiter gehen will, dann bin ich bereit.

Und hat jemand mehrfach meinen Schmerz berührt, der mir für mein weiteres Leben/meinen Weg wichtig erscheint, dann werde ich diesen Menschen garantiert nicht aus meinem Herzen und meinem Leben zu verbannen versuchen, sondern setze mich immer wieder damit auseinander.

Ein für mich sehr interessanter Gedanke in diesem Zusammenhang: "Ich will, dass meine Partnerin/meinE FreundIN/Mutter/Schwester/mein Vater/NachbarIN etc. will, was sie/er will. Sie/er tut was sie/er tut. Das ist es, was ich liebe." Alles andere wäre nur ein Funktionalisieren auf meine (vermeintlichen) Bedürfnisse hin.
Wenn nur all diese kindlichen Anteile in mir sich nicht so gerne weigern würden, überhaupt darüber nachzudenken, warum es sie zu bestimmten - z.T. wirklich unkonstruktiven -Verhaltensweisen drängt! Da wünsch ich meinen erwachsenen Anteilen doch mitunter noch mehr klare, ruhige Autorität gegenüber diesen aufmüpfigen Blagen ...


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mandelbäumchen
Beitrag 22.Jun.2008 - 11:26
Beitrag #69


Naschkatze
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QUOTE (DerTagAmMeer @ 21.Jun.2008 - 20:56)

Da ich ja meist Deiner Meinung bin ;), hat mich hier ein Unterschied zwischen uns stutzen lassen. So beruhigend es nämlich für mich ist, Schmerzmittel "im Haus" oder die Option auf eine Spritze beim Zahnarzt zu haben - so ungern nutze ich sie. Betäubungen machen mir Angst - weil ich nicht einschätzen kann, wie stark der einsetzende Schmerz sein wird, wenn sie nachlassen. Darum versuche ich lieber, unvermeidbare Schmerzen auszuhalten und so eine gewisse Kontrolle über sie zu haben als auf die abnehmende Wirkung einer Narkose zu warten.

Ich habe einfach die Erfahrung gemacht, dass der Schmerz danach nicht sehr groß ist. Meist ist gar keiner da.
Früher war das anders. Diese Schmerzfreiheit nach OPs hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt. Ich habe eine Reihe kleiner OPs und Punktionen unter örtlicher Betäubung hinter mir. Das übt auch für die Zahnärztin (Bohren finde ich aber viel schlimmer als eine kleine OP z.B. am Fuß :shudder:)

Unmittelbar vor einer OP nach einem Fahrradunfall habe ich der OP-Schwester gesagt, ich sei froh, dass die OP nun endlich losging. Ich hatte mir den Arm ausgekugelt und dazu noch einen Oberarmbruch und höllische Schmerzen. Die mitfühlende OP-Schwester versicherte mir daraufhin, dass ich auch nach der OP noch schlimme Schmerzen haben würde.
Sie hatte Unrecht. Ich hatte hinterher überhaupt keine Schmerzen, weder kurz nach der OP noch irgendwann später.
Vielleichtr lag's an dem guten Schmerzmittel in meinem Tropf, vielleicht aber auch mit daran, dass ich die OP-schwester nicht wirklich Ernst genommen habe. Ich habe keine Schmerzen erwartet, weil ich wusste, dass ich in der Regel nach OPs keine Schmerzen habe. Ich glaube, wie stark ein Schmerz wird hat auch viel damit zu tun, wieviel Schmerz ich erwarte. Gibt's dazu nicht auch Studien?

Eine Migräne kriege ich mit Aspirin und kalter Cola gut in den Griff. Letzten Donnerstag durfte ich mal wieder die Erfahrung machen, wie es ist, wenn ich kein Aspirin im Haus habe. Ich lag bis in den Nachmittag im Bett, mir war speiübel und in meiner Stirn pulsierte der Schmerz, und es wurde einfach nicht besser. Dann kam meine Liebste mit Aspirin und Cola und nach einer knappen Stunde ging's mir schon wieder richtig gut. Placebo-Effekt? Ich weiß es nicht. egal, ich hab jetzt wieder eine Hunderterpackung im Haus.

Ansonsten stimmen wir mal wieder überein ;). Auch für mich ist die Angst vor dem Schmerz meist schlimmer als der Schmerz selbst. Deshalb führe ich dann auch lieber eine schmerzhafte Entscheidung herbei statt ewig zu warten und zu hoffen oder mich mit Ängsten rumzuquälen (obwohl ich auch das gut kann).

Bei der Verarbeitung verwende ich dann allerdings häufig ein Brecheisen. Dann sauf ich mir die Hucke voll und lebe den Schmerz so richtig aus. Am nächsten morgen geht dann meistens schon wieder die Sonne auf.
Das soll jetzt aber keine Empfehlung sein ;)


Edit: Fehler

Der Beitrag wurde von mandelbäumchen bearbeitet: 22.Jun.2008 - 11:29
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robin
Beitrag 22.Jun.2008 - 11:41
Beitrag #70


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QUOTE (sonnenstrahl @ 22.Jun.2008 - 12:16)
...
Ja, gerne. ... Meiner Erfahrung nach gelingt das allerdings nur bedingt, indem wir alles meiden, was weh tun könnte.
...

Geht es jedoch darum, Schmerz in Kauf zu nehmen, wenn ich meinen ganz eigenen, für andere manchmal sicherlich schwer nachvollziehbaren Weg weiter gehen will, dann bin ich bereit.

Und hat jemand mehrfach meinen Schmerz berührt, der mir für mein weiteres Leben/meinen Weg wichtig erscheint, dann werde ich diesen Menschen garantiert nicht aus meinem Herzen und meinem Leben zu verbannen versuchen, sondern setze mich immer wieder damit auseinander.

Ein für mich sehr interessanter Gedanke in diesem Zusammenhang: "Ich will, dass meine Partnerin/meinE FreundIN/Mutter/Schwester/mein Vater/NachbarIN etc. will, was sie/er will. Sie/er tut was sie/er tut. Das ist es, was ich liebe." Alles andere wäre nur ein Funktionalisieren auf meine (vermeintlichen) Bedürfnisse hin.
Wenn nur all diese kindlichen Anteile in mir sich nicht so gerne weigern würden, überhaupt darüber nachzudenken, warum es sie zu bestimmten - z.T. wirklich unkonstruktiven -Verhaltensweisen drängt! Da wünsch ich meinen erwachsenen Anteilen doch mitunter noch mehr klare, ruhige Autorität gegenüber diesen aufmüpfigen Blagen ...

Aber wie sollen wir denn alles meiden, was uns schmerz bereitet? (uns bereiten könnte)??? DAS kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, allerdings finde ich, es ist genauso wichtig zu wissen, was ich selber will, um meinem glück näher zu kommen, bevor ich mich um das wohlergehen anderer bemühe.
Erwachsenen fluggästen wird auch gesagt, zuerst die sauerstoffmasken aufzusetzen, bevor sie es mit den kindern tun ...

Mein beitrag war übrigens nicht provokativ gemeint, ich will die erfahrungen anderer mit ihren schmerzen in keiner weise herabsetzen, ich bin überzeugt, jeder mensch ist eine welt, die nur jeder einzelne beschreiben kann - das universum des einzelnen nicht zu respektieren, bedeutet für mich die diktatur billigen.
Was die katholische ausprägung angeht, nein, so meinte ich das nicht, es ging mich eher darum, den stellenwert des leidens zu relativieren - und (im einklang mit beethoven) die hymne an die freude besser zu erlernen!
:)
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sonnenstrahl
Beitrag 22.Jun.2008 - 12:05
Beitrag #71


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QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 11:26)
Ich glaube, wie stark ein Schmerz wird hat auch viel damit zu tun, wieviel Schmerz ich erwarte. Gibt's dazu nicht auch Studien?

Ich kenne zwar keine Studien dazu, aber ich erfahre das meistens auch so.

QUOTE
@robin  ...allerdings finde ich, es ist genauso wichtig zu wissen, was ich selber will, um meinem glück näher zu kommen, bevor ich mich um das wohlergehen anderer bemühe.
Erwachsenen fluggästen wird auch gesagt, zuerst die sauerstoffmasken aufzusetzen, bevor sie es mit den kindern tun ...

Da gebe ich dir absolut recht.
Es geht mir auch nicht darum, mich selbstlos-muttertheresalike um das Wohlergehen der anderen zu bemühen, und mich selbst zu vernachlässigen. Sondern darum, es anzunehmen, damit es mir gut geht. Weil ich z.T. keine andere Wahl habe (außer mich zu verschließen oder die anderen zu nötigen, was sich im Endeffekt als noch leidbringender erweisen könnte - nicht nur für die Anderen).
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davvero
Beitrag 22.Jun.2008 - 12:05
Beitrag #72


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QUOTE (DerTagAmMeer @ 21.Jun.2008 - 20:56)
So beruhigend es nämlich für mich ist, Schmerzmittel "im Haus" oder die Option auf eine Spritze beim Zahnarzt zu haben - so ungern nutze ich sie. Betäubungen machen mir Angst - weil ich nicht einschätzen kann, wie stark der einsetzende Schmerz sein wird, wenn sie nachlassen. Darum versuche ich lieber, unvermeidbare Schmerzen auszuhalten und so eine gewisse Kontrolle über sie zu haben als auf die abnehmende Wirkung einer Narkose zu warten.
Bei seelischen Schmerzen reagiere ich ähnlich - ich halte es einfach nicht aus, hilflos auf ein Unglück zu warten. Also tue alles, was in meinen Möglichkeiten liegt, um es zu packen. Als ich damals ahnte, dass mich meine erste große Liebe betrog, hab ich sie die halbe Nacht gesucht, bis ich beide schließlich eng umschlungen in irgendeinem Hauseingang fand - natürlich tat es trotzdem höllisch weh - aber ich hatte die Situation unter Kontrolle, konnte entscheiden, ob ich eine Szene mache oder mich still umdrehe und wieder nach Hause fahre. In gewisser Weise habe ich solche Trennungsszenarien meist herausgefordert, um dem Schmerz wenigstens seinen Zeitpunkt zu diktieren.
Darum provoziere ich auch schmerzende "Bekenntnisse", um endlich zu wissen, woran ich bin, um den Schmerz auszumessen, abzuschreiten, von jeder äußeren Einflussnahme abzukapseln und mir in einem eigenen Tempo einzuverleiben. Bissen für Bissen, Stück für Stück ... bis er vollständig verdaut ist und mir nichts mehr anhaben kann.
Für mich ist die Angst vor dem Schmerz tatsächlich viel viel schlimmer als der Schmerz selbst.

Und genau diese Sicht zu Schmerzmitteln hatte ich auch mal. Ich habe alles, was irgendwie ging, ohne Schmerzmittel oder Spritze beim Zahnarzt tapfer ertragen.
Bis ich irgendwann lernen musste, dass bestimmte körperliche Schmerzen durch eine Schmerztherapie behandelt gehören, weil man sonst aus dem Kreislauf und der dadurch resultierenden Bewegungseingeschränktheit, der chronischen Schmerzen, kaum noch raus kommt. Das gilt natürlich nicht für den "normalen" Schmerz, bei dem der Zeitpunkt des Verschwindens bekannt, bzw. beeinflußbar ist.
Deshalb finde ich, Du hast ein sehr unterschiedlichen Umgang mit körperlichen, wie mit seelischen Schmerzen.
Die körperlichen läßt Du gewähren um ihre Intensität zu spüren und so eben eine Art Kontrolle über sie zu erlangen. Während Du bei den seelischen auf die heilende Schockwirkung der nackten Wahrheit setzt!
Oder habe ich das falsch verstanden?

Ich gehe anders mit Schmerzen um. Die körperlichen ertrage ich nur noch so lange, wie sie mir keinen seelischen Streß bereiten. Mit chronischen habe ich die richtige Umgehensweise erlernt und sie so besiegt. Das hat meine Angst davor deutlich reduziert!

Die seelischen machen mir die größere Angst! Ehrlich gesagt habe ich noch keinen guten Weg für mich gefunden, damit umzugehen. Meistens fühle ich mich erstmal so erstarrt, überrollt und gefangen von dem Schmerz, dass ich keine Möglichkeit sehe, da jemals wieder raus zu kommen. Ja, erstmal stecke ich bis zum Bauchnabel mit dem Kopf im Sand! :roetel:
Deshalb bin ich selten Deinen Weg gegangen, DTaM. Ich habe eher versucht, die Wahrheit auszublenden, weil ich mich durch diese überfordert gefühlt habe.
War froh, wenn ich der Konfrontation, die mir am Ende goßes Leid bringen würde, irgendwie ausweichen konnte.
Es ist einfach meine Unfähigkeit, mit diesen seelischen Schmerzen richtig umzugehen, die meine Angst schürrt.
So habe ich auch heute schon Angst vor dem Tag, an dem einer unserer Hunde geht. Einfach, weil ich so gar keine Ahnung habe, wie ich das aushalten und bewältigen soll? :(
Ja, ich habe mich sogar schon bei dem Gedanken erwischt, dass wir die Hunde besser gar nicht erst angeschafft hätten und mich dann sofort für diesen Gedanken geschämt. :roetel:
Aber das ist ein anderes Thema.

edit: Eigentlich hatte ich eine ganz andere Richtung im Hinterkopf, als ich zu schreiben begann und mich dann aber irgendwie gedanklich verfahren. Nun bin ich angekommen, wo ich gar nicht hin wollte. Irgendwie hab ich heute einen Knoten im Kopf :wacko:

Der Beitrag wurde von davvero bearbeitet: 22.Jun.2008 - 12:24
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mandelbäumchen
Beitrag 22.Jun.2008 - 12:09
Beitrag #73


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QUOTE (robin @ 22.Jun.2008 - 12:41)
... es ist genauso wichtig zu wissen, was ich selber will, um meinem glück näher zu kommen, bevor ich mich um das wohlergehen anderer bemühe.
Erwachsenen fluggästen wird auch gesagt, zuerst die sauerstoffmasken aufzusetzen, bevor sie es mit den kindern tun ...


Es geht doch gar nicht darum, sich zuerst um das Wohlergehen anderer zu kümmern, sondern darum, nicht zu erwarten, dass andere ihre Entscheidungen nach meinem ausrichten.

Sie tun etwas, was unseren Wünschen und Bedürfnisssen entgegen steht, was uns schmerzt. Sie tun es, weil sie es tun müssen, weil es für sie richtig ist, weil sie s zu ihrem Glück brauchen, vielleicht auch nur weil sie in nicht anders können.

Das stellt mich vor die Entscheidung: Breche ich die die Beziehung ab, weil zu weh tut. Oder bleibe ich und setze mich auseinander.

Manchmal ist es besser zu gehen.

Manchmal lohnt es sich zu bleiben, vielleicht in der Erkenntnis, dass nicht die andere für mein Glück verantwortlich ist, sondern ganz allein ich selbst. Und dass es zu meinem Glück beiträgt, aktiv an einer Veränderung mitzuarbeiten, die ich ursprünglich gar nicht selbst gewollt haben.

Noch'n chinesisches Sprichwort: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen."






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sonnenstrahl
Beitrag 22.Jun.2008 - 12:14
Beitrag #74


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QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 12:09)
... vielleicht in der Erkenntnis, dass nicht die andere für mein Glück verantwortlich ist, sondern ganz allein ich selbst. Und dass es zu meinem Glück beiträgt, aktiv an einer Veränderung mitzuarbeiten, die ich ursprünglich gar nicht selbst gewollt habe.

Noch'n chinesisches Sprichwort: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen."

:blumen2:

Danke für das Sprichwort - das kannte ich noch nicht.
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davvero
Beitrag 22.Jun.2008 - 12:19
Beitrag #75


Stadtei
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QUOTE (mandelbäumchen @ 22.Jun.2008 - 13:09)


Das stellt mich vor die Entscheidung: Breche ich die die Beziehung ab, weil zu weh tut. Oder bleibe ich und setze mich auseinander.

Manchmal ist es besser zu gehen.

Manchmal lohnt es sich zu bleiben, vielleicht in der Erkenntnis, dass nicht die andere für mein Glück verantwortlich ist, sondern ganz allein ich selbst. Und dass es zu meinem Glück beiträgt, aktiv an einer Veränderung mitzuarbeiten, die ich ursprünglich gar nicht selbst gewollt haben.

Noch'n chinesisches Sprichwort: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen."

:zustimm:
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LadyGodiva
Beitrag 22.Jun.2008 - 12:22
Beitrag #76


Strøse
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Naja, gezwungenermaßen sehe ich schon einen Unterschied zwischen einer körperlichen Missempfindung (die durchaus psychische Ursachen haben darf, wie zB Spannungskopfschmerz) und der eher endogenen Pein der Unausweichlichkeit, Traurigkeit, Getriebenheit.
Gegen erstere stehen uns hochpotente Gegenmittel zur Verfügung - beginnend bei der Grande Dame Aspirin als Dauerbegleiterin im Pillendöschen und endend am Morphin-Perfusor. Mit vergleichsweise einfachen körperlichen Grundlagen. Eine schmerzverursachende Gallenblase wird entfernt. Gegen Migräne hilft Dunkelheit, Schlaf und ggf eine spezielle Ernährung.

Seelische Pein stelle ich mir ein wenig komplexer vor - sicherlich bahnt sie sich auch ihren Weg, in den Bauch, ins Herz, ins Gebein - besteht sie doch aus hochindividuellen Anpassungsschwierigkeiten an die Welt. Sei es, dass plötzliche Ereignisse traumatisieren, oder stetige Negativerfahrungen ein eigenes Verhaltensmuster bahnen. Immer ist es jedoch eine negative Selbstwahrnehmung in der Auseinandersetzung mit der Umwelt, die auf eigene Strategien trifft, damit umzugehen. Das, was wir Persönlichkeitsstruktur nennen, das uncharmantere Pendant zu Charisma vielleicht, die Negativliste der Big5. Fußend auf unserem ganz eigenen Nervenzellstoffwechsel.
Natürlich gibt es auch für diese Form des Leids recht wirksame Mittel, von deren Wirkweise nur ein Bruchteil gesichert ist - die therapieren aber tatsächlich nur rein symptomatisch: wer ängstlich ist, bleibt nach Injektion eines entsprechenden Mittels ganz ruhig, auch wenn der Löwe noch hinter ihm steht.
Dadurch werden möglicherweise die letzten Minuten wurschtiger, nicht aber die Situation an sich weniger bedrohlich.
Warum also nicht unsere Lernfähigkeit nutzen, die uns ermöglicht, andere Wege zu bahnen? Dazu muss man wissen, was Schmerz ist - und erkennen, wie bezwingbar er durch Hausmittel (zB Biofeedback, Hypnose) sein kann, bei ganz klarem Bewusstsein, ohne zugeführte Modulatoren. Dass der Körper eigene Strategien bereithalten kann, sich mit der Missempfindung mindestens zu arrangieren.


edit: einer meiner 10 liebsten Lieblingsfehler

Der Beitrag wurde von LadyGodiva bearbeitet: 22.Jun.2008 - 13:19
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DerTagAmMeer
Beitrag 22.Jun.2008 - 13:48
Beitrag #77


Adiaphora
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Ich glaub ja nicht wirklich, dass meine kleine Philosophie der Zahnschmerzen von allgemeinem Interesse ist :D ... vom Aufschieben ist in diesem Schmerzbereich allerdings grundsätzlich abzuraten ... darauf können wir uns wahrscheinlich einigen ... weitere Details erpare ich uns lieber.

Auch beim Herzschmerz steht man ja selten vor der Enscheidung "Leiden oder Glück". Und bleibt lediglich die Wahl zwischen einem Ende mit Schmerzen oder den (gedämpften) Schmerzen ohne Ende, hat die erste Variante nicht zu leugnende Vorteile.

Schwieriger ist der Umgang mit die Angst vor dem Schmerz, wenn das Glück im Zenit steht und uns zu Bewusstsein kommt, dass es vergänglich ist.
Meine geliebte Großtante hat sehr häufig von ihrem Tod gesprochen ... als sie starb war ich in gewisser Weise vorbereitet ... es hat mir gut getan so viele Jahre Zeit zu haben zum Abschiednehmen.

Und je älter unser Glückskater wird, desto häufiger sticht mich der Gedanke, ihn einmal begraben zu müssen - dann bin ich traurig und sehr dankbar, dass ich jetzt noch die Chance habe, mein Gesicht in sein Fell zu vergraben und eine Träne zu verdrücken. Wenn er nicht mehr da ist, wird das wohl nicht mehr so einfach sein mit dem Weinen.

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 22.Jun.2008 - 13:49
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Mausi
Beitrag 22.Jun.2008 - 14:06
Beitrag #78


Mama Maus
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@mandelbäumchen
QUOTE
Welche Situation?
Der Satz ist etwas knapp, aber kein Telegramm von der fernen Insel der Schmerzfreiheit, davon kannst du ausgehen ;)


Nein, ich ging nie davon aus, dass Du Schmerzfrei lebst oder gelebt hast - im Gegenteil.
Nur der Thread, un die Situation, in der dieser Satz fiel "Verheiratete Nachbarin" - hörte sich "lax" an - dass es von Dir nicht so gemeint war, ist mir durchaus bewusst.

Was die Körperlichen Schmerzen angeht - ich ertrage davon - außer es geht um Kopfschmerzen und eben Unterleibsschmerzen (dumpfer Art) - dann wird es schwierig. Bei Kopfschmerzen nehme ich recht schnell ne Ibu - da ich sonst weiß, dass sie sich stetig steigern und zu einer Migräne heran wachsen - jahrelang getestet, probiert und auf Arbeit sind Kopfschmerzen nicht förderlich, Unterleibsschmerzen - ja gut - da gibt es auch "Mittelchen".

Die Schmerzen, die "eben mal so" vorkommen, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen - ja sowas halt ich aus - das ist ok, das geht irgendwann wieder weg. *ganz furchtbar finde ich ja die Werbung von Aspirin, wo 2 Damen vom Sport kommen und die eine sagt "Ich hab so Muskelkater" "dann nimm ne Aspirin" "Ich hab keine Kopfschmerzen, sondern Muskelkater" "Ja, nimm ne Aspirin" und dann eben erklärt wird, das Aspirin an allen Rezeptoren ansetzt - stimmt ja durchaus, tat es ja vorher, aber der Umgang mit Schmerzmitteln ist dann schon sehr - äh - ja! der da vermittelt wird!)

Seelische Schmerzen empfinde ich aber anders - diese kann ich händeln, sind soweit kontrollierbar - und sie können eingedämmt werden und ausgepackt, je nach Situation (wenn man gelernt hat mit ihnen umzugehen).
Körperliche Schmerzen sind insofern lieber, weil sie schneller vorbei gehen.
Seelischer Schmerz kann Jahre anhalten - und eben erst wenn wirklich was gegen ihn gemacht wurde, wird er erträglich.
Diese Konfrontation ist - ja - heilsam.

Und innerhalb von Beziehungen
QUOTE (mandelbäumchen)
Das stellt mich vor die Entscheidung: Breche ich die die Beziehung ab, weil zu weh tut. Oder bleibe ich und setze mich auseinander.

Manchmal ist es besser zu gehen.

Manchmal lohnt es sich zu bleiben, vielleicht in der Erkenntnis, dass nicht die andere für mein Glück verantwortlich ist, sondern ganz allein ich selbst. Und dass es zu meinem Glück beiträgt, aktiv an einer Veränderung mitzuarbeiten, die ich ursprünglich gar nicht selbst gewollt haben.

Noch'n chinesisches Sprichwort: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen."

Bin ich froh, dass ich inzwischen genau dahin gelangt bin - nach langen Jahren.
Ich könnte gehen, wenn der Schmerz zu bleiben zu groß ist.

Und ich kann mich entscheiden zu Bleiben, wenn ich es händeln kann.

Und ich bin froh, dass ich die Schmerzvollen Erfahrungen nutzen konnte, um mir ein großes Maß an Lebenserfahrung anzuhäufen, was mir mein weiteres Leben leichter macht - einfach in der Kenntnis meiner selbst und meiner Stärke.

Der Beitrag wurde von Mausi bearbeitet: 22.Jun.2008 - 14:06
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sonnenstrahl
Beitrag 22.Jun.2008 - 14:14
Beitrag #79


verboden vrucht
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QUOTE (LadyGodiva @ 22.Jun.2008 - 12:22)
Seelische Pein stelle ich mir ein wenig komplexer vor - sicherlich bahnt sie sich auch ihren Weg, in den Bauch, ins Herz, ins Gebein - besteht sie doch aus hochindividuellen Anpassungsschwierigkeiten an die Welt. Sei es, dass plötzliche Ereignisse traumatisieren, oder stetige Negativerfahrungen ein eigenes Verhaltensmuster bahnen. Immer ist es jedoch eine negative Selbstwahrnehmung in der Auseinandersetzung mit der Umwelt, die auf eigene Strategien trifft, damit umzugehen. Das, was wir Persönlichkeitsstruktur nennen, das uncharmantere Pendant zu Charisma vielleicht, die Negativliste der Big5. Fußend auf unserem ganz eigenen Nervenzellstoffwechsel.
Natürlich gibt es auch für diese Form des Leids recht wirksame Mittel, von deren Wirkweise nur ein Bruchteil gesichert ist - die therapieren aber tatsächlich nur rein symptomatisch: wer ängstlich ist, bleibt nach Injektion eines entsprechenden Mittels ganz ruhig, auch wenn der Löwe noch hinter ihm steht.
Dadurch werden möglicherweise die letzten Minuten wurschtiger, nicht aber die Situation an sich weniger bedrohlich.
Warum also nicht unsere Lernfähigkeit nutzen, die uns ermöglicht, andere Wege zu bahnen? Dazu muss man wissen, was Schmerz ist - und erkennen, wie bezwingbar er durch Hausmittel (zB Biofeedback, Hypnose) sein kann, bei ganz klarem Bewusstsein, ohne zugeführte Modulatoren. Dass der Körper eigene Strategien bereithalten kann, sich mit der Missempfindung mindestens zu arrangieren.

Ich schlage vor, zu unterscheiden zwischen Schmerz (egal ob körperlich und/oder seelisch) und Leid.

Letzteres entsteht nach meiner bisherigen Sicht der Dinge daraus, dass

1. Schmerz im Denken der Betroffenen Person keine Daseinsberechtigung hat, und zu nichts, aber auch gar nichts gut ist. So fruchtbare Fragen ignorierend wie "Gibt es evtl. auch gute Seiten daran, dass ... ?" "Ist es wirklich NUR schlecht, dass ...?, "Muss ich das überhaupt auf mich beziehen?" ... und, ganz wichtig: "Stimmt es TATSÄCHLICH, dass ich ohne/mit ... nicht leben/NIE wieder glücklich sein kann?"

2. dass wir unsere gewesene/momentane Schmerzerfahrung auf die Zukunft projizieren, nach dem Motto "Ich werde sie IMMER vermissen." "Der Schmerz wird NIE aufhören." "Es wird wieder so sein wie das letzte Mal/die Male zuvor." D.h., dass wir (vor uns selbst) in Gedanken dort zu sein vorgeben, wo wir gar nicht sein können, nämlich in der Zukunft. Was nur dann Sinn machen würde, wenn es freudig motivierend visionär wäre ...

oder

3. dass wir in einer so erinnerten Vergangenheit verweilen, und uns somit mit unserem Bewusstsein ebenfalls nicht an dem einzigen Ort aufhalten, der wirklich existiert, sprich: Im Hier und Jetzt. Frei nach dem beliebten Motto "Ich komm nicht drüber weg." oder, deutlicher: "Ich will auch gar nicht drüber weg kommen". Sprich: Irgendetwas gibt es mir, immer wieder zum Auslöser der schmerzhaften Erfahrung zurück zu kehren. Vielleicht ein "ich hab´s schon immer gewusst." Vielleicht das Gefühl, es kann keine echte, tiefe Liebe gewesen sein, wenn ich jetzt Spaß habe. Vielleicht ein Sich-Spüren. Vielleicht Treue zu einem gererationenalten Muster-Erbstück, das fett, klobig und vermottenkugelt mitten im Korridor unserer Lebensenergie rumsteht, vielleicht .... etc.

edit:

4. dass wir Personen überhöhen, Situationen, Orte, Zeitspannen idealisieren: "Jemanden wie ... finde ich NIE (da isses wieder) mehr". "Sie hat gemacht (!), dass es mir zum ersten und einzigen Mal gut ging.", "Das WAR die schönste Zeit meines Lebens." "NUR in ... kann ich glücklich sein."

Soviel erstmal zu Leid.

Schmerz hingegen sehe ich als etwas Momentanes (in chronischen Fällen immer wieder Momentanes ..., mit dem es immer wieder einen Umgang zu finden gilt, bis der neue Umgang ein selbstverständlicher Umgang geworden ist.)
In meiner psychosomatischen Arbeit habe ich viel Kontakt mit chronischen Schmerzpatienten - es ist immer wieder wunderbar, zu erleben, wie sie irgendwann sagen: "Der Schmerz ist zwar noch da - aber daneben gibt es so viel Schönes in meinem Leben. Er behindert mich nicht mehr. Ich nehme wieder am Leben teil."

.... spannend, spannend, spannend, das alles :)

... und es gibt bestimmt noch viel mehr dazu beizutragen ...

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 22.Jun.2008 - 14:43
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mandelbäumchen
Beitrag 22.Jun.2008 - 15:22
Beitrag #80


Naschkatze
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Mir fehlt da noch was:

5. dass wir unsere körperliche und psychische Unversehrtheit, ggf. unser Leben bedrohenden Situationen ausgesetzt sind, die unsere Möglichkeiten damit umzugehen weit übersteigen. Ohne die geringste Chance, diese Erfahrungen zeitnah und begleitet zu verarbeiten. Verschärft wird das ganze noch, wenn es sich um eine Situation handelt, die über viele Jahre besteht. Und/oder wenn das Umfeld leugnet, dass sie überhaupt besteht. Oder bestand.



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