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> Über die Natur von Vorurteilen, Ein Weg zu (mehr) Selbstakzeptanz?
miriam
Beitrag 11.Aug.2008 - 10:59
Beitrag #21


Gut durch
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@robin

ich denke nicht, daß alle Menschen erst einmal rassistisch sind! Beobachtest Du kleine Kinder beim Spielen, so wirst Du da kaum Rassismus finden.

Außerdem bin ich mir sicher, daß ich diese Art Vorurteile nicht habe! :D (Meine Partnerin z,.B. ist Angehörige einer anderen Rasse)


@Geneviéve

jetzt beginnt mein Arbeitsalltag wieder, daher habe ich leider keine Zeit mehr für gar so ausführliche Antworten :( Also in Kürze:

Ich verstehe nicht ganz, warum Du immer von Wertigkeit sprichst im Hinblick auf Emotionen/Intellekt. Es sind einfach zwei verschiedene "Dinge", die idealerweise miteinander Hand in Hand gehen, wie Du ja auch schreibst. Noch einmal: kannst Du eine Matheaufgabe mit Emotionen lösen? Und so gibt es neben der Schnittmenge eben auch Kompetenzbereiche beider Faktoren.


Was nun die Herangehensweisen an unser Problem oder psychische Probleme überhaupt betrifft, so scheinst Du mir, soweit ich als Nicht-Psychologin bescheid weiß, verschiedene Verfahren der Psychotherapie bzw. Analyse anzusprechen.

Nach der klassischen Psychoanalyse nach Freud muß alles gedeutet, analysiert, ins Bewußtsein gebracht werden, anders sei eine Auflösung nicht möglich.
Eine solche Analyse dauert Jahre und ihr Erfolg ist mittlerweile umstritten.

Im Gegensatz dazu setzt die Systemische Therapie, vereinfacht gesagt, am Status quo an, d.h. sie läßt Gründe weitgehend Gründe sein und kümmert sich um die konkrete Lösung des aktuellen Problems, ohne endlos nach dem Wieso, Weshalb, Warum in der Vergangenheit zu forschen.
Diese Therapieform scheint schneller und besser zu Erfolgen zu führen.

Gleiches gilt für die Verhaltenstherapie, Golemans Ansatz würde wohl zu ihr gehören.

Was nun Deine Änderungsvorschläge bezüglich meiner (nicht Golemans!) Punktformulierungen betrifft, so habe ich gegen die Zusätze nichts einzuwenden.

Was Punkt 1 betrifft: zu akzeptieren ohne zu Hinterfragen spart ganz einfach Zeit. (S.o.)

Goleman und ich haben nicht gesagt, daß die Auflösung von Vorurteilen ohne Intellekt stattfinden muß! Es wurde vielmehr gesagt, daß sie nicht nur auf intelektuellem Weg stattfinden kann, soll sie zu Erfolg führen!

Vielleicht hast Du lust, das Buch zu lesen? Dann wird Dir vielleicht einiges klarer als es durch meine knappen Ausführungen geworden ist.

Vielleicht magst Du einen Thread über die Entstehung von Vorurteilen eröffnen?

Gruß, Miriam

Der Beitrag wurde von miriam bearbeitet: 11.Aug.2008 - 11:02
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sonnenstrahl
Beitrag 11.Aug.2008 - 16:33
Beitrag #22


verboden vrucht
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QUOTE
Ihr Lieben,

ich muß noch einmal zurückführen auf's eigentliche Thema: es geht mir nicht um das Entstehen bzw. Nicht-Entstehen von Vorurteilen und die Gründe dafür (oder dagegen), sondern um den Umgang mit bestehenden Vorurteilen, speziell um Vorurteile Homosexueller gegen die eigene Sexualität also darum, was man, Frau oder wer auch immer tun kann, um mit ihnen fertig zu werden, wenn man nun einmal leider das Pech hatte, nicht von ihnen verschont geblieben zu sein, warum auch immer.


Liebe Miriam - ich hätte wohl unter meinen ersten Beitrag schreiben sollen: Fortsetzung folgt ;) .
Natürlich hast du recht - nach der langen Einleitung über meine Vorstellung, welchen Weg viele ganz alte, ganz tief sitzende Vorurteile wohl nehmen, fehlen meine persönlichen Erfahrungen und mein Umgang mit speziell den herangetragenen wie verinnerlichten Vorurteilen bzgl. Homosexualität, ...

QUOTE
@Robin und Sonnenstrahl

Seid froh, daß Ihr, aus was für Gründen auch immer, von den hier thematisierten belastenden Vorurteilen verschont geblieben seid!



.... denn ich bin davon keineswegs völlig verschont geblieben.

Jetzt gerade habe ich für die Fortsetzung allerdings keine Zeit *vertröst*. Aber sie kommt :) .
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robin
Beitrag 11.Aug.2008 - 16:44
Beitrag #23


I lof tarof!
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QUOTE (miriam @ 11.Aug.2008 - 11:59)
@robin

ich denke nicht, daß alle Menschen erst einmal rassistisch sind! Beobachtest Du kleine Kinder beim Spielen, so wirst Du da kaum Rassismus finden.

Außerdem bin ich mir sicher, daß ich diese Art Vorurteile nicht habe! :D (Meine Partnerin z,.B. ist Angehörige einer anderen Rasse)



Es kommt ganz darauf an wie man rassismus definiert - ich bin weiterhin der meinung, dass auch kinder rassistisches gelernt haben ... erwachsene sowieso, ganz egal, wie intim sie mit anderen 'rassen' verkehren -_-
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Geneviève
Beitrag 11.Aug.2008 - 18:00
Beitrag #24


Vorspeisenexpertin
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Hallo Miriam,

ich bin ebenfalls Nicht-Psychologin und habe ehrlich gesagt keine große Ahnung von verschiedenen Psychotherapieformen.
Daher sprach ich keineswegs auf diese an.
Ist nur mein persönliches Weltbild und das, was meiner Erfahrung mit mir selbst nach bei mir am besten funktioniert. Nicht mehr, nicht weniger. Du hattest ja gefragt, was wir von deinen Ausführungen halten und darauf habe ich geantwortet.

Warum ich so auf diesem Emotion-Intellekt-Thema herumreite, liegt einfach daran, dass es mir persönlich nichts bringt, etwas so Komplexes wie das hier angesprochene Thema in einer Weise zu lösen, die mir unvollständig und daher (für mich, wie gesagt, ist keine allgemeine Aussage, daher kann das bei dir durchaus anders sein, natürlich) nicht Erfolg versprechend scheint. (Was dann allerdings eine nicht weniger spannende Frage danach aufwirft, ob es überhaupt möglich ist, einen annähernd allgemeinen Weg zu finden.)

Kann gut sein, dass es dir reicht, etwas (in Bezug auf Punkt 1) nur zu akzeptieren, ohne es genau zu erinnern.
Ich weiß von mir, dass mir das nichts bringt, weil dann immer Reste übrig bleiben und mich unbewusst „lenken“.
So wie ich von mir auch weiß, dass es mir nicht reicht, mich einfach neuen Situationen auszusetzen, damit sich etwas in mir verändert.

Was deine Frage in Bezug zur Matheaufgabe angeht, habe ich die nicht beantwortet, weil sie mir in diesem Zusammenhang nicht aussagekräftig scheint. So wenig wie ich versuche, eine Gleichung mit einem Gefühl zu lösen, so wenig versuche ich, unter rationalen Gesichtspunkten zu beurteilen, ob mich ein Gemälde berührt oder nicht.
Aber wenn ich Menschen betrachte und das Thema Vorurteile und deren Abbau, dann ist das wesentlich komplexer.
Und was ich wann und wie anwende, entscheide ich üblicherweise nach dem „Gegenstand“, auf den sich meine Aufmerksamkeit bezieht. Und das sind in diesem Falle Menschen und keine Matheaufgaben, daher gehe ich an beide Aufgabenstellungen anders heran.


Mir scheint der Austausch gerade wenig fruchtbar.
Ich versuche hier nicht, dir meine eigenen Überzeugungen aufzudrücken. So wenig wie ich es begrüßen würde, wenn du versuchtest, mir deine aufzudrücken. Ich finde es spannend, über verschiedene Auffassungen zu diskutieren.
Mag sein, dass ich eine gewisse unterschwellige Genervtheit hineininterpretiere, ich kenne dich ja überhaupt nicht und kann dich nicht einschätzen und Schreiben entbehrt ja immer wichtigen anderen Ausdrucks-/Eindrucks-komponenten.
Momentan habe ich nur das Gefühl, mit dem, was ich schreibe, nicht anzukommen und eine Genervtheit/Gefühl des Angegriffenseins hervorzurufen.
Und das ist nichts, das ich will.


Viele Grüße,

Geneviève
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sonnenstrahl
Beitrag 11.Aug.2008 - 20:32
Beitrag #25


verboden vrucht
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So, da bin ich.
Nicht nur spannend, das Thema, sondern v.a. auch sehr komplex. Nun gut, ich werde mich bemühen, einen Strauss aus meinen Vorurteils-Erfahrungen, mit "ein wenig" *hust* Kontext-Grün drumrum, zu binden, der in diesen Thread passt.
Alsdann.

Ich beginn dann mal mit den relevantesten Botschaften meiner Kindheit und Jugend, die da waren:

1. Sei kein Mädchen

2. Unsere Familie ist etwas Besonderes, woraus folgt

3. Du bist was Besonderes - wie alle anderen zu sein, ist doof und spießig

4. Umgib dich nicht mit Proleten, die sind primitiv (im Gegensatz zu uns)

5. Dein Vater ist hochsensibel, hochintelligent, sinnlich, poetsch, musikalisch - und ein
verantwortungsloser Taugenichts. Sei nicht wie dein Vater.

6. Du BIST genau wie dein Vater

7. Es gibt Frauen, Männer, Mannweiber und Schwuchteln.
Menschen der beiden letztgenannten Kategorien sind lächerlich.

8. Du kannst mit jedem nach hause kommen - nur nicht mit einem Kommunisten

9. Sei se.uell befreit

10. Du bist irgendwie komisch

11. Hauptsache, du bist glücklich

12. Hauptsache du bist gesund

(Ich hoffe, ich habe nichts vergessen, was zu meiner allgemeinen Verwirrung beigetragen hat.)

Sehr kurz, nachdem ich bemerkt hatte, dass es eine Welt ausserhalb von mir gibt, d.h. so ungefähr ab 3, begann ich mit all meiner kindlichen Inbrunst ein Junge sein zu wollen.
Mit 4 wollte ich meine kleine Schwester heiraten.
In der ersten Klasse verliebte ich mich zum ersten Mal heftig in ein weibliches Wesen, das weder meine Mutter noch meine Schwester war: In meine Klassenkameradin Susanne. Ich schwärmte allen, die es wissen oder nicht wissen wollten stundenlang von ihr vor.
Meiner schwesterlichen Ex-Frau erzählte ich, dass ich Susanne "hier unter meiner Decke" habe, und wir uns Küsschen gäben.

Meine Mutter kaufte mir eine Lederhosen mit Herz-Taschen, und OHNE die begehrte aufknöpfbare Klappe - und ich war unglücklich.
Mein Opa nannte mich Burkhard, und kaufte mir eine Lederhose MIT Klappe - und ich war glücklich.

Wenig später zogen wir weit weg.

Es folgten unzählige weitere schmachtende Verliebtheiten in andere Mädchen.
Auf die Idee, dass an meiner jeweiligen Wahl irgendetwas nicht in Ordnung sein könnte, bin ich nicht gekommen.

Ich sehnte mir verzweifelt und immer wieder hoffnungsvoll dieses baumelnde Teil zwischen meine Beine herbei. In meine Badehose stopfte ich vorne einen dicken Wattebausch. Meiner Mutter war das vor den anderen Müttern peinlich.
Immer öfter hörte ich sie zu ihren Freundinnen sagen, das mit meinem Jungeseinwollen sei "nur eine Phase".

Die Pubertät nahte herbei mit bedrohlichen Schritten.
Mit 11 schlief ich bäuchlings auf einem Brett, das ich mir quer unter den Brustkorb geschoben hatte: Diese "Hubbel" sollten bittebitte nach innen wachsen statt nach aussen. Oder am Besten gar nicht.
Ich war verzweifelt.

Und verliebt. In Eva. Wir tanzten engumschlungen auf einer Schullandheimfete und gingen Hand in Hand spazieren. Es wurde getuschelt - und ich war stolz. "Bist du verliebt?" :bounce: "Ja!" Die anderen Mädchen mochten mich weiterhin, und manche flirteten ein bisschen mit mir.
Das war 2 Wochen bevor wir aus der bunten, lebendigen Unistadt in ein Provinzstädtchen im Schwarzwald zogen.
Ich stürzte in das erste tiefe Loch meines Lebens.

Und berappelte mich schnell wieder.
In der neuen Stadt packte ich die Gelegenheit beim Schopfe, etwas Neues auszuprobieren - und wurde von Anbeginn an ein Mädchen.
Ich erzählte allen, in der alten Stadt habe ich "na klar!" einen Freund gehabt.
Hechtsprung in bis dato fremde Gefilde.
Flaschendrehen, Jungsküssen, Fummeln, Gespräche über Schaumzäpfchen.
Verliebt war ich weiterhin ausschließlich in Mädchen, aber eine zeitlang nicht mehr so richtig doll.
Ich schrieb Eva verlogene Briefe. Dann schrieben wir uns nicht mehr.

Mit 14 begann ich, die Sitzungen unserer Ortsgruppe der "Liga gegen den Imperialismus" zu frequentieren, und die "Rote Fahne" nach hause zu bringen - wenn schon keinen Kommunisten B)

Mit 17 brach wieder eine große Liebe über mich herein: Astrid. Ich betete sie 3 Jahre lang an, wir wurden beste Freundinnen, übernachteten laufend beieinander, und als ich ihr endlich gestand, dass ich mehr wollte, sagte sie "Nein, das kann ich mir für mich nicht vorstellen", und ich durfte mich in ihren Armen ausheulen.

Mit 20 hatte ich eine "Beziehung" zu einem lieben, lustigen, breitschultrigen Klassenkameraden, der mir, als ich ihn mit der Begründung verließ, ich würde nun mal nicht ihn lieben, sondern immer noch Astrid, wünschte, mir würde auch mal jemand so wehtun. Keine Schmähungen.

Nach dem Abi verliebte ich mich während einer Spanienreise in die spanische Freundin meines Klassenkameraden, mit dem ich unterwegs war, schnappte sie ihm sozusagen weg, und blieb für zwei Jahre dort.
Er war einfach nur traurig - aber kein Stück abfällig.
Keiner durfte von meiner Geliebten aus wissen, was wir verstohlen, oft und gerne miteinander taten. Bei jedem S.x sagte sie "Das ist jetzt aber das letzte Mal. Gott wird mich sonst strafen, ich weiss es genau." Es gab ein Drama um das eventuell nicht mehr intakte Jungfe.nhäutchen. Sie legte sich einen offiziellen Verlobten zu (der selbstverständlich auch nichts wissen durfte), ich durfte ihnen allnächtlich beim Stöhnen lauschen, und wir führten eine schräge Menage a trois. Als sie erfuhr, dass ich auch mit ihm ... riss sie mir ungefähr ein Pfund Haare vom Kopf, und sagte sich "bis in alle Ewigkeit" von mir los.

Auf Umwegen landete ich zum Studium in Hamburg.
Bis dahin hatte ich in MIR nichts Homophobes vernommen. Ich hatte meine Sehnsucht nach dem Körper und der Liebe einer anderen Frau immer als "mein zutiefst wahres Ich" und als absolut okay empfunden, erst recht nach meinen Ausflügen ins Mal-kucken-wie-es-ist-als-Frau-hetero-zu-sein (bei denen ich übrigens keinerlei schlechte Erfahrungen gemacht habe).
Dann begegneten mir die ersten Butches (ohne dass mir der Begriff damals geläufig gewesen wäre). Und da tauchte er auf, aus den Untiefen meiner verinnerlichten Geschichte: Der abwertende Begriff "Mannweib".
Ich mochte diese Frauen zunächst gar nicht, empfand sie als höchst unattraktiv - und zu allem Überfluss auch noch als Konkurrentinnen. Doppelte Scheisse! Sie waren wie ich. Ich war nichts Besonderes mehr. Und ausserdem taxierten sie mich (wie wahrscheinlich ich sie), und kuckten mich grimmig an. Wie abtörnend!

Dennoch nannte ich mich zur selben Zeit zum ersten Mal Lesbe. Da war ich 23.
Ich war also eine verunsicherte Soft-Butch, ungefähr se.uell so befreit wie ein feucht gewordenes Tischfeuerwerk, und von anderen offenkundigen Lesben abgetörnt.
Ich sehnte mich nach der weichen, zärtlichen Frau an meiner Seite, die ich lieben, achten und ehren durfte bis ans Ende unseres Daseins, und darüber hinaus, und für die ich ebenfalls die Eine wäre.

Meine Liebschaften fand ich zunächst ausserhalb der "Szene". Beziehungskatastrophen. Frauen, die nicht gut oder überhaupt nicht damit klar kamen, eine Frau zu begehren. Von einer meiner damaligen Geliebten, die eine kleine Tochter hatte, bekam ich obendrein den Spruch zu hören: "Wer kein Kind geboren hat, ist keine richtige Frau" :wacko: .

Ich hatte freundliche Affären mit Männern, die mit dem Begehrendürfen wenigstens kein Problem hatten, und emotional unbefriedigende Affären mit Frauen. Irgendwie war´s das alles nicht.

Und wieder ein Hechtsprung in die Wogen des Ausprobierens: Hinein in die Szene.
Nun doch.
Eine Lesben-Basketballgruppe. Eine Lesben-Volleyballgruppe.
Mitorganisation einer Frauenwoche. Feminismus.
Die ersten offenen Lesben, die mich begehrten. Ich sie noch nicht so richtig.
Fühlte sich ganz ganz zu Anfang ähnlich komisch an wie meine Ausflüge zu den Jungs.
Ich verliebte mich in meine erste Butch.
Die ihrerseits auch lieber ein "Rasseweib" statt eines "Mannweibes" an ihrer Seite gehabt hätte :ph34r: . Und mich doch wiederliebte. Und die ebenso wie ich dabei war, ihre Weltbilder zu überdenken und ... ein bisschen zunächst nur ... zu revidieren. Dafür waren wir nach aussen umso tougher :finger: .
Wir sprachen manchmal drüber.
Es tat weh, in den Augen der Anderen keine "richtige", d.h. keine eigentlich begehrenswerte Frau zu sein. Uns beiden tat es weh.
Erstaunlich genug, dass wir uns dennoch durchaus auch sehr begehren konnten.
Gleichzeitig nicht wenige un-butchige Frauen, die mir schöne Augen machten. Das gefiel meinem lädierten Ego.
Weitere Affären.
Ich wollte "meine" Butch. Ich wollte, dass sie mich wollte. So, wie ich war.
Es ging in die Brüche.
...
Eine spätere Geliebte war zu Beginn unserer Beziehung ein Ausbund an "Ideal-Weib" für mein Ego und mich. Herzlich, feurig, üppig, oft mit geschminkten Lippen, und ein wunderbarer Mensch.
Irgendwann hatte sie eine Phase, in der sie lieber ein Mann sein wollte.
Einer, der Männer begehrt. Nachts im Park cruisen geht und so ... :blink:
Ich war wie vor den Kopf gestoßen - und verließ sie deswegen nicht.
Ich liebte sie, und ließ mich, so gut ich konnte, weiter auf diesen Menschen ein.
Kein Hechtsprung diesmal.
Trotzdem etwas Neues.
Mein Weltbild stand endgültig Kopf - und mit ihm meine Erotik.
Es war (sage ich so leicht im Nachhinein daher) gut so :) .
...
Undsoweiter.

Was ich im ersten Beitrag hier geschrieben habe, beschreibt in der Theorie das, was ich gelebt habe: Ein noch andauernder Prozess des ganz allmählichen Erwachsenwerdens.
Dass meine Vorurteile dabei eins ums andere den Bach runtergehen, und mein Spektrum der Möglichkeiten sich erweitert, ist ein wesentliches Indiz für mich, woran ich erkenne, dass ich "gewachsen" bin.
Ich bin eine, die so gut wie nichts Wesentliches allein über den Kopf verändert bekommt.
Aber Vorurteile sind Hindernisse, die eng machen, und das Wollen ist ein wichtiger Antrieb, weiter zu werden.
Ich bin eine Ausprobiererin, immer gewesen. Und ich bin es noch.
Das hat seine unbeschreiblich schönen, aufregenden, aufblühenden - und seine zutiefst schmerzlichen Seiten. Es bedeutet: Viele Schrammen und Beulen. Viel Achterbahn. Viel Kreisen ums Glück. Viel gelebtes Leben. Viel innerer Reichtum, der gewachsen ist.
Hinzugekommen ist eine immer größere Sehnsucht nach Ruhe. Nach So-stehen-lassen-können.
Und das Gefühl, wunderbarerweise heiler geworden zu sein, und mehr und mehr in mir und auf der Erde anzukommen.
Ich kann das vom Vorurteile-Loslassen nicht trennen - es gehört für mich zusammen wie Salz und Meer.


(IMG:http://www.cosgan.de/images/smilie/verschiedene/s010.gif)


edit: Kommata, ein 'r' weg, ein 'e' dazu ... und - Feminismus :D

Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 11.Aug.2008 - 20:49
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miriam
Beitrag 11.Aug.2008 - 21:13
Beitrag #26


Gut durch
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@Geneviéve

nein, ich bin keineswegs genervt von Dir und fühle mich auch nicht angegriffen, (wäre ich da empfindlich, so hätte ich den Beitrag gar nicht erst vom Stapel gelassen.) Ich habe jetzt nur leider nicht mehr allzuviel Zeit und Ruhe. :wacko:

@Sonnenstrahl

danke für die humorvolle Schilderung Deines bisherigen bewegten Lebens! :blumen2: (An manchen Stellen mußte ich herzlich lachen.)

Deine Beschreibungen zeigen für mich sehr gut das Wechselspiel zwischen Vorurteil und eigener Erfahrung.

Du warst immer mutig genug, etwas auszuprobieren (und sei's noch so schräg ;) ), Dich einzulassen und zu verändern. Du hast nicht im stillen Kämmerlein gesessen und vor Dich hingebrütet sondern das Leben, die Umstände und Dich selbst bei den Hörnern gepackt. Auch wenn Deine Wege manchmal etwas verschlungen anmuten, haben sie doch ihren Sinn erfüllt: Dich immer mehr zu der zu machen, die Du bist.

Das ist für mich gesund, lebendig!

Gruß, Miriam
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DerTagAmMeer
Beitrag 13.Aug.2008 - 20:43
Beitrag #27


Adiaphora
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QUOTE (miriam @ 10.Aug.2008 - 14:29)
PS. Verstehe ich das richtig, daß Deine Eltern homosexuelle Freunde (mehrere) hatten?

Das ist ja mal eine richtig schwierig zu beantwortende Frage.
Unter "homosexuellen Freunden" stelle ich mir Menschen vor, die offen im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen und moralischen Wertvorstellungen gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen leben. Solche Menschen kamen in der gottesfürchtigen Welt meiner Eltern nicht vor. Trotzdem ist ja nicht jedes Schaf zur Ehe berufen. Also stellten viele ihr Leben in den Dienst der Gemeinde, der Nächstenliebe, der Drogenarbeit oder der Seelsorge und machten aus der "Not" eine Tugend. Außerdem galt homosexuelles Begehren wie jede andere "Krankheit" als heilbar und die eheliche Liebe als Gottesgeschenk. Gerade bei Frauen in meinem Alter ließ wohl auch ein wachsender Kinderwunsch, viele Jahre der heimlichen Scham und der sicher auch im Schrank vorkommende LBD eine späte Vernunftehe mit einem guten Freund, dem die persönliche Problematik nicht fremd war und der sich ebenfalls eine Familie wünschte, zunehmend attraktiv erscheinen.
Ich selbst habe das Licht der Welt ja erst erblickt, nachdem "dieser rechte Weg" bereits beschritten und das eigene Leben "in trockenen Tüchern" war.
So feilschte ich vor dem Schlafengehen nie ums Vorlesen, sondern wollte immer nur "Geschichten von früher" hören. Und neben aller positiven wie negativen Verklärung, Prüderie und Bildhaftigkeit haben diese Erzählungen mein Weltbild nachhaltig geformt, haben mir das Leben aus einer queeren Perspektive gezeigt und mich mit einem so gut entwickelten Gaydar ausgestattet, dass ich noch heute deutlich heterosexuell geprägte und agierende Menschen schlicht übersehe oder ihnen intuitiv ausweiche. Sie müssen mir durch äußere Umstände schon sehr lang und bestimmt vor die Nase gebunden werden, bis ich bereit bin, mich mit ihnen zu beschäftigen. Ihnen gegenüber bin ich zudem unsäglich vorurteilsbelastet und tue mich dementsprechend schwer, meine eigene unorthodoxe und flatterhafte Sexualität zu respektieren.

Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 13.Aug.2008 - 21:09
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