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> Akzeptanz der Behinderung
shark
Beitrag 23.Jan.2009 - 22:15
Beitrag #121


Strösenschusselhai
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Gruppe: Admin
Beiträge: 21.898
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Der Ort, in dem ich arbeite, ist auch einer, in welchem geistig und körperlich behinderte Menschen zum Stadtbild gehören. Auch dort gibt es Schulen und Werkstätten, einen Bauernhof und einen Kindergarten für behinderte Menschen. Sie haben am Gemeindeleben teil und werden als MitbürgerInnen wahrgnommen.

Mir ist der Umgang gerade mit den geistig Behinderten anfangs schwer gefallen - viele kamen mir so "unberechenbar" vor. Ich konnte ihre Aktionen und Reaktionen, die sich oft eben so gar nicht an den sonst üblichen "Codes" orientieren, nicht einschätzen und hatte wirklich Berührungsängste. Dazu kommt, dass ich grosse Mühe damit habe, mich von Fremden berühren zu lassen und es extrem unangenehm finde, wenn jemand beim Sprechen oder Essen spuckt, was einige, deren Mundmotorik schwach ist oder die eine grosse Zunge haben, tun. Ich habe mich deshalb möglichst "unsichtbar" gemacht, um den Kontakt zu beschränken.
Aber viele Menschen, die kognitiv Einschränkungen haben, haben sensitiv grosse Begabungen. Und so "entkam" ich nicht.
Inzwischen hat sich der Kontakt verbessert; ich habe begonnen, meine Massstäbe zu verändern - nicht, weil es für meine Arbeit notwendig wäre, sondern weil ich überzeugt wurde von den besonderen Talenten dieser Menschen, mir auf den Weg zu helfen.
Ich mag es immer noch nicht, wenn ich Spucke abkriege, wenn jemand spricht, aber jetzt ist mir klar, dass ich auch zu einem geistig behinderten Menschen sagen kann "Du, schluck mal zwischendurch. Du spuckst mich an und das mag ich nicht!" Das hätte ich mich früher nie getraut.

shark

Der Beitrag wurde von shark bearbeitet: 23.Jan.2009 - 22:16
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Nordseefrau
Beitrag 24.Jan.2009 - 08:46
Beitrag #122


Regenbogenkerzenproduzentin
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ich arbeite, seit ich 17 bin, mit behinderten Menschen - erst in einem Schülerwohnheim für Körperbehinderte, später mit geistigbehinderten Kindern und Jugendlichen.
Berührungsängste hatte ich nie - und ich hab´ auch solche Dinge wie den erhöhten Speichelfluß u.ä. nie so stark wahrgenommen.
Mich interresiert einfach der Mensch hinter der "Fassade" und seine Entwicklungsmöglichkeiten
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Peggyperplex
Beitrag 24.Jan.2009 - 09:26
Beitrag #123


Gut durch
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Gruppe: Members
Beiträge: 1.690
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Ich bin quasi mit behinderten Kindern aufgewachsen, da meine Mutter ein Heim leitete. Da sie alleinerziehend war, war ich mehr dort, als zu Hause. Berührungsängste kenne ich daher so garkeine. Als ich später jedoch in einer Psychiatrie arbeitete, hatte ich schon manchmal etwas Angst. Hier gab es nicht die Behinderten Menschen im eigentlichen Sinne. Die Unberechenbarkeit des Handelns machte mir ziemlich zu schaffen. Und mir fehlte das besonders Liebenswerte, was ich von früher kannte.

Um jedoch auf die Frage zurück zu kommen, ob ein Leben mit einer behinderten Partnerin vorstellbar wäre, kann ich ganz klar mit JA antworten. Meine Frau ist gesund, aber was wäre, wenn es plötzlich anders wäre? Sie bliebe die, die ich liebe. Sicher ist nicht eine Behinderung, wie die andere und dennoch muß Frau doch immer damit rechnen, dass so etwas geschehen kann. Nun, es wäre für mich kein Grund zu gehen, auch wenn ich Schwerstpflege leisten müßte. Letztlich habe ich das ja auch gelernt.
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pandora
Beitrag 26.Jan.2009 - 11:09
Beitrag #124


auf dem Hochseil des Lebens balancierende Wölfin
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Gruppe: Members
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Userinnen-Nr.: 22



ich finde es gut, dass dieser thread wieder ausgegraben wurde, weil die fragestellung ansich immer wieder neue aspekte und fragen aufwirft. (IMG:style_emoticons/default/flowers.gif)

wie soll ich sagen, ich arbeite seit 15 jahren im pflegerbereich, erst gerontopsychiatrisch und nun im bereich, behinderund durch krankheit/unfall.
durch eben diesen beruf weiß ich, dass es "mitunter" sehr schwer ist, mit menschen mit behinderung umzugehen.
denn die art der behinderung ist meines erachtens sehr entscheidend.
ich finde es wesentlich entspannter, mit menschen die behinderungen wie queerschnittslähmung, beinamputation, muskeldystrophie oder *contergan haben *wird offiziell als "schädigung" bezeichnet*, als mit menschen die zB. multiple sklerose, o.ä haben.
warum, weil sich die psyche eines menschens der multiple sklerose hat in ganz anderer weise verändert, als die eines menschens der seine beine bei einem unfall verlor.
ich arbeite tagtäglich, sowohl mit der einen, als auch mit der anderen clienteel zusammen und sehe dort ganz klare/gravierende unterschiede.

so versuche ich mir immer mal wieder vorzustellen, meine geliebte frau erkrankte an ms und stelle mir sehr ernsthaft die frage, was würde ich in diesem falle tun...
ganz klar, bei ihr bleiben, sie genau so lieben wie jetzt und versuchen ihr so gut wie möglich zur seite zu stehen.
der andere fall, lernte ich jetzt eine frau mit einer queerschnittslähmung, oder contergan kennen, würde mich verlieben...so denn, dann wäre dies so.
lernte ich eine frau mit ms im mittleren stadium kennen, würde ich mit ihr eine beziehung eingehen???
hier sage ich ganz klar, NEIN.
das mag hart, unsensibel und vielleicht sogar diskriminierend sein, dennoch entschiede ich mich dagegen, weil ich die verantwortung, die arbeit, aber vorallem auch die seelische belastung kenne, die da auf eineN partnerIN zukommt.

was ich damit sagen will, ich hätte entscheidungsspielraum, den ich, würde ich ein behindertes/krankes kind gebähren, würde meine partnerin während unserer beziehung krank oder hätte einen unfall, nicht, oder eine überlegung dagegen käme in diesem falle für mich nicht infrage.
anders ist dies, wenn ich einen menschen gerade kennenlerne, ihn sympatisch finde und merke ich könnte mehr empfinden.
in diesem falle würde ich mich höchst/wahrscheinlich dagegen entscheiden, weil ich wie gesagt die psychische belastung kenne, die partnerINNEN zu er/tragen haben.


im alltag sind und waren behinderte menschen, egal ob geistig oder körperbehindert, niemals eine problem für mich.
ich ärgere mich immer wieder über die ohnmacht, die ignoranz und das vielfach fast diskriminierende verhalten gesunder menschen gegenüber behinderten.
wie entspannt ist dies doch in den niederlanden, wo behinderte menschen zum alltag gehören.
in jedem restaurant, kneipeund auf jedem rummelplatz findet man sie, weil sie in tägliche miteinander integriert werden.
und göttin sei dank dürfte ich dies über 10jahre miterleben, dies gibt mir ein wenig hoffnung, dass sich diese unbeholfenheit in unseren landen eines tages etwas entspannt.

edit(h) : fügte einen satzteil zum besseren verständnis ein.

Der Beitrag wurde von pandora bearbeitet: 26.Jan.2009 - 11:12
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shark
Beitrag 26.Jan.2009 - 11:53
Beitrag #125


Strösenschusselhai
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Gruppe: Admin
Beiträge: 21.898
Userin seit: 10.11.2004
Userinnen-Nr.: 741



Es hat in Deutschland, nach den staatlich ermächtigten und durchgeführten Ermordungen behinderter Menschen, die für "lebensunwert" gehalten worden waren, viele Jahre gedauert, bis andere behinderte Menschen als die Kriegsversehrten in der Oeffentlichkeit wieder aufgetaucht sind - das hat viel mit dem negativen Bild zu tun, das die Menschen während des Dritten Reiches in Bezug auf Behinderung, besonders geistige und psychische Behinderung, verinnerlicht hatten.
Eltern versteckten zum Beispiel verschämt und mit Schuldgefühlen ihre Down-Kinder, es gab bis zu Beginn der 60-er Jahre auch kaum Unterstützung für Familien mit behinderten Angehörigen, geschweige denn mehr als "blosse Aufbewahrung" für die Behinderten selbst. Die "Lebenshilfe" wurde Ende der 50er von einem niederländischen Offizier gegründet und langsam, langsam begannen die Eltern behinderter Kinder mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln, verbargen ihre Kinder nicht mehr vor den Augen ihrer Mitmenschen, verlangten Förderung und Beschulung ihrer Kinder.
Gleichzeitig geriet "Behinderung" in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses durch den Contergan-Skandal. Es wurde geforscht, Stiftungen wurden gegründet und ganz allmählich öffneten die Anstalten, die Behinderte ausserhalb der Familien betreuten ihre Türen, nahmen deutlicher und sichtbar am Gemeindeleben teil, präsentierten ihre Einrichtungen und sorgten so mit dafür, dass Integration beginnen konnte und behinderte Menschen ihren Teil beitragen konnten im menschlichen Miteinander.

Und heute, durch viele Entdeckungen der Forschung in Bezug auf die Entstehung von Behinderungen, durch pränatale Diagnostik und vor allem die "Machbarkeit" von gesundem Leben, haben wir die Tendenz, Behinderung so gut wie möglich vermeiden zu wollen, was dazu führt, dass eine 37-jährige Frau, die auf eine Amniozentese während der Gravidität verzichtet und ein Kind mit Trisomie-21 geboren hat, sich zum Beispiel ganz offen anklagen lassen und rechtfertigen muss, weshalb sie dieses Kind hat zur Welt kommen lassen (wie es einer meiner Bekannten immer wieder passiert, die vor 3 Jahren einen Jungen mit dem Down-Syndrom geboren hat).




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Marekinia
Beitrag 26.Jan.2009 - 19:43
Beitrag #126


Gemüseputzi
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ZITAT(shark @ 26.Jan.2009 - 11:53) *


Und heute, durch viele Entdeckungen der Forschung in Bezug auf die Entstehung von Behinderungen, durch pränatale Diagnostik und vor allem die "Machbarkeit" von gesundem Leben, haben wir die Tendenz, Behinderung so gut wie möglich vermeiden zu wollen, color]


Als ich mit 37 schwanger wurde, habe ich auch eine Amniozentese abgelehnt. Meine Frauenärztin hat meine Weigerung sofort akzeptiert. Der Hausarzt meiner Mutter (!) hat meine Weigerung ihr gegenüber als "vollkommen verantwortungslos" bezeichnet und ihr richtiggehend Panik gemacht. Leider kein Einzelfall.
Der Begriff "Pränatale Diagnostik" - für mich nur dann positiv besetzt, wenn untrennbar verbunden mit ethischen Prinzipien.
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