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Beitrag
#21
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Schlaudegen. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 4.102 Userin seit: 25.08.2004 Userinnen-Nr.: 71 ![]() |
Ich möchte den Thread noch mal aufgreifen und weiterspinnen, wie man überhaupt zu einer klaren Position gelangt - oder ob man auf selbige ganz bewusst verzichtet.
Die klassischen Lager ziehen bestenfalls punktuell an, kaum noch jemand verschreibt sich mit Haut und Haar dem Konservatismus, der Sozialdemokratie usw. Eher scheint man auf der Basis individueller Anschauungen und Ethik einen Abgleich vorzunehmen, der nur ungefähr passen soll und der nicht auf Dauer gilt. Ob das dazu beiträgt dass Politik keinen breiten Ausblick mehr bietet sondern in Einzelfragen zerfasert? Ich frage mich gerade ob die viel vermissten "Visionen" ein Fundament aus innerer Verpflichtung an eine Überzeugung voraussetzen die der Individualwähler so nicht mehr beibringen kann. Schlichter gesagt: man bekommt die Politiker die der Wählerschaft entsprechen: taktisch statt strategisch, wendig statt gefestigt, bestenfalls pragmatisch. Damit nicht unterstellt dass die klassischen Flügel die Antwort auf heutige Fragen wären. Für die Fragen ihrer Zeit versuchten sie es aber zumindest dort, wo sie Sammelpunkt und Identifikation boten, wo Leute sich einig wurden. Wie aber kommt nun der Einzelne zu seiner Position? Der Verwirrungen scheinen viele, sich so gut wie ausschliessende Ideen spuken nicht selten in ein und derselben Meinung herum, je nachdem ob man den Menschen gerade ethisch, politisch, in seiner Vorteilssuche oder sonstwie anspricht. Braucht es also Leitlinien und verbindliche Begriffe? Woher nehmen in einer Welt in der dies von aussen nicht mehr automatisch auf einen zukommt? Mir verspricht Bildung viel, Begriffsklärung und der Versuch, Dinge zu Ende zu denken. Phasenweise vielleicht tatsächlich weniger Meinung, zumindest bis sie sich an etwas ausrichten kann. Und weil man sich dabei leicht ziemlich unfertig vorkommen kann, habe ich durchaus auch Sympathien für diejenigen, die eine Verortung konsequent verweigern. Der Beitrag wurde von Sägefisch bearbeitet: 10.Jun.2010 - 17:31 |
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Beitrag
#22
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Schlaudegen. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 4.102 Userin seit: 25.08.2004 Userinnen-Nr.: 71 ![]() |
Und irgendwann wacht man auf, die Würfel sind längst gefallen und die eigene Integrität in einen diffusen Kuhhandel verstrickt. Ist echte Integrität wirklich leichter wenn man noch nicht festgelegt ist? Sie ist vielleicht (grob gesagt) billiger zu haben, wenn man noch nicht über die Schlammbahn verbindlicher Lebensentscheidungen musste; was sich ja heute durchaus bis jenseits der 30 strecken lässt. Und wie integer ein Jungsporn ist, der attac-Herzblut pumpt und sich gleichzeitig von Papas Aktiengewinnen nen Golf schenken lässt...allenfalls würde ich sagen dass man ihm das nicht vorwerfen kann, aber integer? Dieser Widerspruch findet sich ja bei fast allen westlichen Wohlstandskindern (auch weniger krassen Beispielen (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) ), während die weniger privilegierten sich mit politischen Meinungen und Engagement eher zurückhalten. Mir kommt Integrität eher wie etwas vor was gerade mit dem ausreifen und umreissen der eigenen Persönlichkeit erwächst. Oder eben nicht. Die damit verbundene Verzichtsfähigkeit (auch ideell gesehen) wird ja nun nicht gerade gefeiert. |
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Beitrag
#23
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verboden vrucht ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 2.903 Userin seit: 16.07.2005 Userinnen-Nr.: 1.862 ![]() |
Und irgendwann wacht man auf, die Würfel sind längst gefallen und die eigene Integrität in einen diffusen Kuhhandel verstrickt. Ist echte Integrität wirklich leichter wenn man noch nicht festgelegt ist? ..... ..... Mir kommt Integrität eher wie etwas vor was gerade mit dem ausreifen und umreissen der eigenen Persönlichkeit erwächst. Oder eben nicht. ... Ich schätze, das Spektrum der Möglichkeiten ist da recht breit. Wo sich das bei der/dem Einzelnen während unterschiedlicher Lebensphasen einpendelt, hängt sicherlich vom Typ, und außerdem sowohl von sich wandelnden äußeren als auch von inneren Faktoren ab. Mit Anfang zwanzig hatte ich z.B. kein Problem damit, monatelang auf einer alten Matratze in einer schrabbeligen, zugigen Mansardenküche zu schlafen, und mich tagaus tagein von (in unserem Fall eher wässriger) Gemüsesuppe (Caldo gallego) und Tortilla española zu ernähren. Ich war durch und durch idealistisch, durch und durch abenteuerlustig, voller Sehnsucht nach Freiheit und Harmonie, sehr belastbar, manchmal sehr mutig, sehr unerfahren - und ( v.a. auf dem ganz neuen Terrain der Partnerschaft mit all seinen Ausläufern) überraschend verletz- und manipulierbar (was ich gleichermaßen schmerzhaft wie spannend fand). Ich erlebte mich damals als wesentlich weniger vielschichtig und widersprüchlich als heute, war entsetzt vom Zynismus, der Raffgier und der Verantwortungslosigkeit die ich erstmals bewusst im Außen wahrnahm, wollte auf keinen Fall zu "denen" dazugehören, nicht mitmachen, ich wollte eine bessere Welt, ich war bereit, mich dafür einzusetzen - und den Golf hätte ich ganz ganz vielleicht trotzdem genommen, wäre er mir gesponsert worden. Eher aber nicht, denn über eine lange Zeit war es mir extrem wichtig, alles ganz alleine hinzukriegen. Mich nicht "kaufen" zu lassen. Vielleicht hätte ich ihn genommen, wenn er mir von jemand ganz anderem als von meinen Eltern geschenkt worden wäre ... Stattdessen bin ich x mal zwischen Nordspanien und der schwarzwälder Heimat, zwischen der brennend-beflügelten Liebe und den erdschweren Wurzeln, später zwischen Hamburg und irgendwelchen Groß- und Kleindemos und Festivals und Liebschaften europaweit hin- und hergetrampt. Dergleichen Anstrengungen wäre ich heute nicht mehr gewachsen. Auch ist meine Lust auf derartige Abenteuer gesunken. Aber muss das, was ich zu leben versucht habe, im Namen der Freiheit und der Liebe zum Leben, weniger ernst gemeint gewesen sein, nur weil ich ein Kind nicht ganz unwohlhabender (wenngleich finanziell fürchterlich gestresster) Eltern war, noch frischer im Saft stand als heute, vor jugendlicher Vitalität und Hummeln im Hintern und einer gewissen Naivität nur so strotzte, und eine lange Reihe von Lebenserfahrungen noch nicht gemacht hatte? Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 10.Jun.2010 - 18:15 |
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#24
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Schlaudegen. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 4.102 Userin seit: 25.08.2004 Userinnen-Nr.: 71 ![]() |
Weniger ernst nehmen würde ich nicht sagen. Integrität zeigt sich aber meiner bescheidenen Meinung nach durch Prüfungen, denen man sich eher nach dem Erwerb von wirklich konsequenzbehaftetem Entscheidungsspielraum stellen muss. Ob das nun der ökonomische Spielraum ist, Befugnisse oder es durch externe Risiken auf einen zukommt.
Je mehr in der Waagschale liegt, desto interessanter wird es. |
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Beitrag
#25
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Adiaphora ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 1.987 Userin seit: 14.10.2004 Userinnen-Nr.: 596 ![]() |
sorry, doppelpost
Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 12.Jun.2010 - 09:11 |
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#26
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Adiaphora ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 1.987 Userin seit: 14.10.2004 Userinnen-Nr.: 596 ![]() |
Und irgendwann wacht man auf, die Würfel sind längst gefallen und die eigene Integrität in einen diffusen Kuhhandel verstrickt. Ist echte Integrität wirklich leichter wenn man noch nicht festgelegt ist? Sie ist vielleicht (grob gesagt) billiger zu haben, wenn man noch nicht über die Schlammbahn verbindlicher Lebensentscheidungen musste; was sich ja heute durchaus bis jenseits der 30 strecken lässt. Wir liegen nicht weit auseinander. Wenn ich Wikis Definition von Integrität übernehme ... ZITAT(Wikipedia) Integrität ist [...] die Übereinstimmung zwischen idealistischen Werten und der tatsächlichen Lebenspraxis ... dann leuchtet ein, dass die Chancen auf Übereinstimmung besonders gut stehen, wenn zumindest eines von beiden sehr schmal bemessen ist.Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem Übereinstimmung nicht mehr verlustfrei zu haben ist. Wiki übersetzt "Integritas" übrigens mit "unversehrt", "intakt", "vollständig". Somit markiert dieser Punkt auch einen nicht mehr rückgängig zu machenden Einschnitt. Moralische Unversehrtheit ist hernach nicht mehr zu haben, ein moralisch einwandfreier Weg nicht mehr möglich. Die Welt ist nicht mehr schwarz oder weiß, sondern eine graue, widersprüchliche Gemengelage. Trotzdem ist es ganz und gar nicht einerlei, wo wir stehen. Ich finde auch, dass es dann beginnt wirklich spannend zu werden. Entweder gebe ich meine Ideale einfach auf, weil ich ihnen nicht gerecht werden kann. Oder ich gebe die Welt auf, verschließe meine Augen vor der Realität und ziehe mich in eine klar begrenzte Enklave zurück, in der meine Werte und Regeln weiterhin Geltung beanspruchen können. Oder ich gebe meine Integrität auf. Entweder als schmerzhafte Zerreißprobe oder als abgeklärten Zynismus. Und als Mischung dieser drei gibt es sicher noch viele pragmatische Strategien: überall ein wenig zu kürzen und ein bisschen aufrechterhalten (im sicher traurigsten aller Fälle von allem nur noch den äußeren Schein). Mein eigener Weg schwankt derzeit ja bekanntlich zwischen Zerreissprobe und Weltflucht. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer fühle ich, dass es für mich persönlich die Integrität ist, die ich am ehesten aufzugeben bereit bin. Ich möchte wohl lieber täglich scheitern als permanent leugnen müssen, was ich sehe und fühle. Wahrscheinlich ist das ein Rest christliche Prägung in meinem Unterbewusstsein und diese intuitive Wahl somit absolut zufällig: Eher Maria Magdalena als selbstgerechter Pharisäer oder Pontius Pilatus. Und bloß nicht Paulus! Wer mit historischen Vergleichen groß geworden ist, hängt möglicherweise zwischen Johanna von Orléans, Maria Stuart und Heinrichs Gang nach Canossa fest oder kämpft von ganz anderen Bildern umgeben um die eigene Würde. ? Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 12.Jun.2010 - 12:31 |
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#27
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verboden vrucht ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 2.903 Userin seit: 16.07.2005 Userinnen-Nr.: 1.862 ![]() |
Wiki übersetzt "Integritas" übrigens mit "unversehrt", "intakt", "vollständig". Ich frage mich gerade, ob es nicht zumindest dieser Definition entspricht, wenn mensch lieber täglich an seinen hehren Idealen scheitert als permanent leugnen zu müssen, was sie/er wahrnimmtund fühlt. Integrität als In-Resonanz-sein mit sich und seiner Umwelt, wie schräge und unendlich verquickt sich das auch alles gerade entwickeln mag. Ohne sich in die Tasche zu lügen, gerade auch hinsichtlich der Tatsache, dass mensch auch mal Rückzug braucht vom Mitschwingen und Kommunizieren mit dem Außen. Wir können nicht immerzu nur offen und zupackend sein. Indem ich das anerkenne, bin ich im höchsten Maße integer, d.h. befinde mich in ehrlichem, verantwortungsvollem Zugewandtsein zu mir selbst - also zu dem Teil des Gesamtsystems, auf den ich wirklich Einfluss habe. Und verschaffe mir dadurch erst die Kraft und die Muße, langfristig im Kleinen was zu tun. Was ich im Übrigen im höchsten Maße vorbildlich finde ...: "Mensch, sei gut zu dir selbst und zu dem, was dich unmittelbar umgibt. Übernimm dich nicht. Halt Zwiesprache mit der Natur. Gieß die Pflanzen, wenn es nicht regnet. Verzichte auf Wegwerfmüll. usw." ... Würde derartiges Handeln um sich greifen, kämen wir meinem Ideal von Miteinander schon ziemlich nahe. Und damit auch der Wikipedia-Definition von Integrität. |
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Beitrag
#28
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Adiaphora ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 1.987 Userin seit: 14.10.2004 Userinnen-Nr.: 596 ![]() |
Ich frage mich gerade, ob es nicht zumindest dieser Definition entspricht, wenn mensch lieber täglich an seinen hehren Idealen scheitert als permanent leugnen zu müssen, was sie/er wahrnimmt und fühlt. Integrität als In-Resonanz-sein mit sich und seiner Umwelt, wie schräge und unendlich verquickt sich das auch alles gerade entwickeln mag. Begrifflich sehe ich das nicht so. Deinen lebenspraktischen Folgerungen schließe ich mich trotzdem gerne an. Ohne eine gehörige Portion Nachsicht und Milde (auch sich selbst gegenüber) geht es ganz sicher nicht. In einem ungerechten System zieht es die lebensnotwendige gesellschaftliche Teilhabe unweigerlich nach sich, dass wir uns die Hände dreckig machen. Wir sind zwangsläufig an Strukturen beteiligt, die unserem eigenen Wertesystem höchstwahrscheinlich widersprechen und tragen mit an der Verantwortung der Gemeinschaft. Insofern wäre mein persönliches Ideal ohnehin nur in einer idealen Welt lebbar und ich geißel mich auch nicht regelmäßig vor meinem vollen Kühlschrank, weil ich weiß, dass täglich 25 000 Menschen verhungern. Dennoch führt dieses Wissen dazu, dass ich gar nicht erst auf die Idee komme, mein Wohlstand stünde mit zu. Er ist und bleibt unverdiente Gnade, Glück, Zufall, Privileg. Ich hätte deutlich weniger, wenn globale Verteilungsgerechtigkeit verwirklicht würde. Auch direkt vor meiner Tür in unmittelbarer Nähe gibt es genug Menschen, die mehr arbeiten und weniger verdienen als ich. Und natürlich gibt es auch solche, die viel viel mehr erwirtschaften und obendrein noch mehr Schaden dabei anrichten. Dadurch wird mein eigenes Leben aber keinen Deut "gerechter". Ich kann lediglich mit dem Finger auf sie zeigen, um von mir selbst abzulenken. Ich kann sie lautstark beschimpfen und dafür verurteilen, dass sie dasselbe tun wie ich: das subjektiv Beste aus ihren Möglichkeiten. Moral und Ethik fragen hingegen stets nach dem objektiv Besten, dem Glück Aller (oder der Ehre Gottes, wenn sie religiös begründet sind, was praktisch keinen großen Unterschied macht, solange dieser Gott als ein gerechter Gott vorgestellt wird). Wo liegt also mein Problem, wenn wir am Ideal gemessen ohnehin alle gleich, grau und unzureichend sind? Tatsächlich ist eine moralische Wertung gar nicht meine Baustelle. Ich glaube weder an ausgleichende Gerechtigkeit durch Wiedergeburt noch an ein jüngstes Gericht. Es geht mir lediglich um den ganz alltäglichen Umgang mit der Verantwortung, die ich für meine Entscheidungen trage. Täglich und praktisch. Ich möchte mich bewusst entscheiden, statt blind nach dem Nächstliegenden zu greifen. Ich will mich nicht rückblickend rechtfertigen, sondern denke gerade an all die Entscheidungen, die noch vor mir liegen. Ich denke auch an gegenwärtige Chancen, die ich vielleicht übersehe, wenn ich nicht achtsam, informiert und aufmerksam bin. Dazu gehört es (glaube ich) auch, in regelmäßigen Abständen nach der "Theorie" zu sehen. Die eigene Position zu hinterfragen und Werte zu überprüfen. So habe ich diesen Thread zumindest verstanden. Nicht, um sich für die persönliche Graustufe zu rechtfertigen, sondern um wieder ein bisschen mehr Klarheit in dieses unbestimmte Unwohlsein in der Gewissensgegend zu bringen und der praktischen Vernunft ein Update zu gönnen. Edit frei nach Max Weber: Jede findet früher oder später ihren eigenen Dämon, dem sie folgt. Für das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft kommt es darauf an, dass aus diesen Dämonen keine Tyrannen werden. Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 12.Jun.2010 - 12:47 |
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#29
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Schlaudegen. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 4.102 Userin seit: 25.08.2004 Userinnen-Nr.: 71 ![]() |
Entweder gebe ich meine Ideale einfach auf, weil ich ihnen nicht gerecht werden kann. Oder ich gebe die Welt auf, verschließe meine Augen vor der Realität und ziehe mich in eine klar begrenzte Enklave zurück, in der meine Werte und Regeln weiterhin Geltung beanspruchen können. Oder ich gebe meine Integrität auf. Entweder als schmerzhafte Zerreißprobe oder als abgeklärten Zynismus. Und als Mischung dieser drei gibt es sicher noch viele pragmatische Strategien: überall ein wenig zu kürzen und ein bisschen aufrechterhalten (im sicher traurigsten aller Fälle von allem nur noch den äußeren Schein). Nichts davon klingt besonders erspriesslich. Die Lesart "ich streife die Geissel (wahlweise Hybris) einer Globalverantwortung ab und erkenne meinen reellen Entscheidungsbereich" finde ich weiter unten in den lebenspraktischen Ausführungen - und doch immer noch mit diesem Überbau aus Dilemma. Fragt sich, wie menschlich denn eine Moral ist die alles an sich gemessen sehen will, obwohl man ihr nur im luftleeren Raum das Silbertablett voller Integrität kredenzen kann. Mag sein dass Du was anderes meinst, aber kennen tu ich schon Leute die sich so eine mäkelnde Diva halten. |
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Beitrag
#30
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Adiaphora ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 1.987 Userin seit: 14.10.2004 Userinnen-Nr.: 596 ![]() |
Nichts davon klingt besonders erspriesslich. [...] Fragt sich, wie menschlich denn eine Moral ist die alles an sich gemessen sehen will, obwohl man ihr nur im luftleeren Raum das Silbertablett voller Integrität kredenzen kann. Mag sein dass Du was anderes meinst, aber kennen tu ich schon Leute die sich so eine mäkelnde Diva halten. Das Bild der mäkelnden Diva hab ich nicht verstanden; darum kann ich nicht sagen, ob ich sie gemeint habe. Allerdings sehe ich die Problematik der praktischen Vernunft derzeit weder in einer Hybris der Globalverantwortung noch in der Notwendigkeit eines Silbertabletts im luftleeren Raum. Die Theorie hat sich seit der Aufklärung nicht sonderlich verändert - ihr Gegenstand hingegen schon. Die Welt ist komplexer, unsere Entscheidungsprozesse sind es auch. Weltumspannende, feinmaschige Informationssysteme sind so hoch entwickelt, dass sie uns sogar das Entscheiden selbst abnehmen können; weil wir ohnehin nicht mehr verstehen, was wir alles wissen. Das Ideal des freien Willens ist mehrdeutig, mehrstimmig, widersprüchlich und eine Last geworden. Des Menschen Welt ist schon lange keine großartige, größenwahnsinnige Schöpfung mehr. Und der Mensch ist nicht mehr ihre Krone, sondern ihr Fluch. Es ist eine Welt, der wir misstrauen, weil wir uns selbst als Gattung nicht mehr trauen. Und das ist in der Tat wenig ersprießlich. Dafür ist es UNSERE Zeit. Die einzige, in der wir mitspielen dürfen und mit uns selbst ins Reine kommen können. Wir können aus der Geschichte lernen. Vieles von dem, was unsere Vernunft überwunden glaubte, ist heute wieder gegenwärtig. Wir können wachsam und aufrichtig sein. Auch in einer korrupten und globalisierten Welt. Mehr erwarte ich nicht von mir. Und das ist keine Geißel, sondern meine Hoffnung, dass jedes Leben einen Wert hat. Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 14.Jun.2010 - 22:00 |
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Beitrag
#31
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verboden vrucht ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 2.903 Userin seit: 16.07.2005 Userinnen-Nr.: 1.862 ![]() |
Weniger ernst nehmen würde ich nicht sagen. Integrität zeigt sich aber meiner bescheidenen Meinung nach durch Prüfungen, denen man sich eher nach dem Erwerb von wirklich konsequenzbehaftetem Entscheidungsspielraum stellen muss. Ob das nun der ökonomische Spielraum ist, Befugnisse oder es durch externe Risiken auf einen zukommt. Je mehr in der Waagschale liegt, desto interessanter wird es. Ist es deiner Ansicht nach denn erst ab einem gewissen Alter überhaupt möglich, sich einem Integersein ansatzweise anzunähern? Und siehst du es entsprechend als einen unzulässigen (bzw. naiven oder vermessenen?) Vorgriff an, wenn ein junger Mensch sich, bei aller möglichen Aufrichtigkeit, obendrein auch noch um Integrität bemüht? ... Um dann, in späteren Jahren, feststellen zu müssen, dass sich die ersehnte Deckungsgleichheit damals, mit weniger "in der Waagschale", wahrscheinlich deutlich weniger weltfremd und illusionär angefühlt hätte? Gesetzt den Fall, er hätte sich weiterhin getraut, an genau dem Punkt zu sein, an dem er eben war (inklusive seines Glaubens an die Lebbarkeit der Ideale). Auch trotz derjenigen der älteren Besserwisser, die so viel Spaß an ihrem wohlverdienten Gegenwindgebläse haben, dass sie es bei jeder Gelegenheit anknipsen müssen ... Da dreht sich das Konzept der Integrität dann selbst ´ne Nase, finde ich. Wir können wachsam und aufrichtig sein. Auch in einer korrupten und globalisierten Welt. Mehr erwarte ich nicht von mir. Und das ist keine Geißel, sondern meine Hoffnung, dass jedes Leben einen Wert hat. Das Wort Aufrichtigkeit gefällt mir - auch - in diesem Zusammenhang sehr gut. Ebenso wie Wachsamkeit. Oder lieber noch: Wachheit - das klingt für mich entspannter. Zusammen machen sie nach meinem Verständnis zwar keine verschmelzende Dauerumarmung, aber doch ganz feine, kommunizierende Berührungen zwischen "idealistischen Werten und tatsächlicher Lebenspraxis" möglich, und umfassen wohl das, was ich oben versucht habe, im Begriff "Integrität" unterzubringen. Einschließlich des liebevollen Immer-wieder-neu-Auslotens meiner derzeitigen Position, und des Versuches, meine Werte mit immer wieder frischem Blick zu betrachten. edit: ein "b" ... und etwas Umsortieren Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 15.Jun.2010 - 18:17 |
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Beitrag
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Adiaphora ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 1.987 Userin seit: 14.10.2004 Userinnen-Nr.: 596 ![]() |
Weniger ernst nehmen würde ich nicht sagen. Integrität zeigt sich aber meiner bescheidenen Meinung nach durch Prüfungen, denen man sich eher nach dem Erwerb von wirklich konsequenzbehaftetem Entscheidungsspielraum stellen muss. Ob das nun der ökonomische Spielraum ist, Befugnisse oder es durch externe Risiken auf einen zukommt. Je mehr in der Waagschale liegt, desto interessanter wird es. Ist es deiner Ansicht nach denn erst ab einem gewissen Alter überhaupt möglich, sich einem Integersein ansatzweise anzunähern? Und siehst du es entsprechend als einen unzulässigen (bzw. naiven oder vermessenen?) Vorgriff an, wenn ein junger Mensch sich, bei aller möglichen Aufrichtigkeit, obendrein auch noch um Integrität bemüht? Ich nehme die Frage mal als "allgemein gestellt" (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) und werfe meine zwei Cent dazwischen. Zunächsteinmal glaube ich nicht, dass sich die Problematik so bereits mit 7 oder 8 Jahren stellt. Bei "alterstypischen" Loyalitätskonflikten, Zwickmühlen oder dem ersten Unbehagen gegenüber der Doppelmoral von Autoritäten leidet ein Kind ja vornehmlich unter der Unvereinbarkeit seiner Außenwelt. Ich stelle immer wieder fest, dass Kinder in solchen Situationen äußerst selbstlos agieren. Sie sind ganz selbstverständlich bereit, sich selbst mit Haut und Haar zu opfern, um "ihre Welt" zu retten. Ihr "Selbsterhaltungstrieb" scheint also noch ganz darauf fokussiert zu sein, das direkte Lebensumfeld zu erhalten. Ein von den Bezugspersonen unabhängiges "Selbst" ist allem Anschein nach noch nicht etabliert. Droht also die Familie zu zerbrechen, steht einfach alles auf dem Spiel. Erwachsene unterschätzen leider oftmals, welche Existenzängste das auslöst. Nach einer (geglückten) Pubertät scheint es hingegen ein Bewusstsein für diesen eigenen weitgehend autonomen Kern zu geben, der mein "ich" ausmacht. Aus dem Unbehagen gegenüber der Doppelmoral von Autoritäten sind offene Konflikte und berechtigte Kritik geworden, die bestenfalls zur ethischen Auffrischung der Erwachsenen beigetragen haben und das Jungvolk auf die folgenden Bewährungsproben der noch frischen "Moralität" vorbereiten konnten (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) . Auch wenn der Pubertät bei mir noch unzählige "Prüfungen" der Integrität gefolgt sind (und sicher noch folgen werden), haben sie alle ihre Wurzeln in diesem Geschehen und arbeiten an der "Vollendung" dieses Ablösungsprozesses. Ich bin meinen Eltern heute sehr dankbar für ihre Kritikfähigkeit, die es mir leicht gemacht hat, später meiner eigenen Urteilsfähigkeit zu vertrauen. Dennoch waren (und sind) sie immer wieder erschrocken, wenn ich meine Position anschließend ganz selbstverständlich "nach außen trage", offen zu mir stehe und Akzeptanz bzw. eine ehrliche Auseinandersetzung mit meinem Standpunkt erwarte. Und ich bin immer wieder erschrocken, wenn ich feststelle, wie perfide unsere Gesellschaft tatsächlich gestrickt ist und wie widerstandlos sich meine Lieblingslaster (Bequemlichkeit und Konfliktvermeidung) in ihr verführen lassen. So gibt es gewiss einige Bewährungsproben, deren Termin ich verpasst habe: Entscheidungen, die ich vertagt oder Konsequenzen, die aufgeschoben habe. Daher stammt wohl ein gewisser Argwohn meiner eigenen Trägheit gegenüber, der mich "Wachsamkeit" statt "Wachheit" hat texten lassen (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 16.Jun.2010 - 08:00 |
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verboden vrucht ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 2.903 Userin seit: 16.07.2005 Userinnen-Nr.: 1.862 ![]() |
wie widerstandlos sich meine Lieblingslaster (Bequemlichkeit und Konfliktvermeidung) in ihr verführen lassen. So gibt es gewiss einige Bewährungsproben, deren Termin ich verpasst habe: Entscheidungen, die ich vertagt oder Konsequenzen, die aufgeschoben habe. Daher stammt wohl ein gewisser Argwohn meiner eigenen Trägheit gegenüber, der mich "Wachsamkeit" statt "Wachheit" hat texten lassen (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) Nur ganz kurz und spontan, da ich bereits startklar zum Abflug Richtung (Espressobaraufenthalt mit Lektüre vor der) Arbeit bin: ... und dabei kann Wachheit bei gleichzeitiger Trägheit soooo köstlich sein ... *reck* und *streck* ... Ich jedenfalls möchte auf mein periodisches, bewusstes, süßes Nichts- bzw. Wenig- und Langsamtun, mein tägliches Mich-(zwischendurch auch mal ausgiebig-)Treibenlassen, in der Gewissheit, dass die Welt sich auch ohne mich und mein Auf-dem-Kiwief-sein weiterdrehen wird, nie und nimmer verzichten müssen ... Selbst wenn dabei der eine oder andere Termin fuchtelnd an mir vorbeizieht *gähn*. (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) |
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#34
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Schlaudegen. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 4.102 Userin seit: 25.08.2004 Userinnen-Nr.: 71 ![]() |
Ist es deiner Ansicht nach denn erst ab einem gewissen Alter überhaupt möglich, sich einem Integersein ansatzweise anzunähern? Nein, gar nicht. Streben soll man immer. Aber die Gelegenheit, wirklich gewichtige Vorteile zugunsten von Überzeugungen auszuschlagen bieten die meisten Lebensverläufe doch erst nach dem Jugendalter. Und ja, natürlich kenne ich auch Gegenbeispiele. Meine Idee war wohl eher, dass echte Integrität irgendwo bewiesen werden muss. Will sagen: wenn (bzw. solange) mich sowieso keiner bestechen will, kann ich mir dann was darauf einbilden keiner von den Korrumpierten geworden zu sein? |
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Adiaphora ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 1.987 Userin seit: 14.10.2004 Userinnen-Nr.: 596 ![]() |
Sich was einzubilden, ist ohnehin meist heikel. Gut also, bereits in jungen Jahren darauf verzichten zu lernen (IMG:style_emoticons/default/biggrin.gif)
Unabhängig von selbstgerechter Eitelkeit glaube ich aber schon, dass es "schöne Seelen" gibt, die nie ernsthaft in Versuchung geführt wurden und einfach aus persönlicher Neigung zum Guten ein freundliches, faires und friedliches Leben im Einklang mit sich und ihrem unmittelbaren Umfeld führen. Und ich finde nicht, dass das irgendwie weniger "echt" ist als eine durch Entsagung errungene und auf die Probe gestellte Integrität. Das mag nicht recht weiter helfen, wenn man beispielsweise gerade selbst zwischen der Entscheidung steht, für ein paar magere Euronen auf einem Biohof Disteln zu zupfen oder eine gut dotierte Stelle inklusive Reputation in einem Forschungskolleg anzunehmen, das großzügig von Monsanto unterstützt wird. Eine solche Entscheidung kann einem aber ohnehin niemand abnehmen. Man kann nur selbst wissen, womit man besser und zufriedener leben kann. Und falls der "politisch korrekte" Job nur erträglich ist, wenn man täglich exzessiv den eigenen Heiligenschein poliert und anschließend die Autoreifen mutmaßlicher Genmafiabosse zersticht, ist das kein Zeichen für Integrität sondern für Scheinheiligkeit. Oder? Die ganze Geschichte mit dem "guten Leben" funktioniert langfristig ja nur, wenn man selbst Befriedigung daraus ziehen kann. Für irgendwelche Erwartungen oder den Applaus anderer Leute lohnt sich der Aufwand doch eh nicht. Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 18.Jun.2010 - 21:26 |
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Beitrag
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Unabhängig von selbstgerechter Eitelkeit glaube ich aber schon, dass es "schöne Seelen" gibt, die nie ernsthaft in Versuchung geführt wurden und einfach aus persönlicher Neigung zum Guten ein freundliches, faires und friedliches Leben im Einklang mit sich und ihrem unmittelbaren Umfeld führen. Und ich finde nicht, dass das irgendwie weniger "echt" ist als eine durch Entsagung errungene und auf die Probe gestellte Integrität. Das wollte ich auch nicht gesagt haben. Vermutlich würde so jemand sich ohnehin einen Weg suchen der an diesen Versuchungen eher vorbei- als darauf zu führt. Was wieder etwas anderes ist als vor eben diesen Entscheidungen zu stehen. Nebenbei meine ich damit nach wie vor auf das gesellschaftliche Aussen bezogene Haltungen. Es gibt natürlich noch ganz andere (Über)Prüfungen, die nicht weniger über einen Menschen aussagen. |
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Beitrag
#37
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verboden vrucht ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 2.903 Userin seit: 16.07.2005 Userinnen-Nr.: 1.862 ![]() |
Meine Idee war wohl eher, dass echte Integrität irgendwo bewiesen werden muss. Will sagen: wenn (bzw. solange) mich sowieso keiner bestechen will, kann ich mir dann was darauf einbilden keiner von den Korrumpierten geworden zu sein? Die Idee kann ich nachvollziehen. Ich denke allerdings, dass, ab dem ca. siebten Lebensjahr, jedes Alter, jede Phase der menschlichen Entwicklung reichlich Gelegenheit bietet, mit sich innerlich in Konflikt zu geraten, und damit, sich für die derzeitigen Ideale oder halt für den Eigennutz zu entscheiden. Sei es, dass der 7jährige den Freund nicht verpetzt, um selbst besser dazustehen; sei es, dass die 9jährige den Familienhund nicht schlägt, auch wenn sie gerade noch so wütend auf ihn ist, weil er ihre Lieblingspuppe zerfetzt hat; sei es, dass die 14jährige ein gefundenes, gut gefülltes Portemonnaie abgibt, obwohl der Inhalt das Christina Aguilera-Konzert finanziert hätte, das die Eltern nicht sponsern können und/oder wollen; sei es, dass die 21jährige nicht auf die Angebote der Loverin/des Lovers ihrer besten Freundin/ihres besten Freundes eingeht, auch wenn sie sie/ihn in manchen Momenten ganz und gar nicht unscharf findet; sei es, dass die 27jährige den machtmissbräuchlichen Einladungen ihres Profs mit Verve begegnet; ... Manche Themen mögen früher anders gelagert sein als später, manche bleiben erstaunlich gleich ... Wenn wir die Chancen dafür wahrnehmen, können wir mit zunehmendem Alter mehr Bewusstsein erlangen, was unsere persönliche Vielschichtigkeit und die Vielschichtigkeit der menschlichen Natur überhaupt angeht. Unsere Entscheidungen erscheinen uns angesichts dieser Erkenntnisse möglicherweise tiefer als die, die wir in jüngeren Jahren trafen. Aber auch wenn der Langstiellöffel im einen Fall durch Sahne über Champagnersorbet über Bisquit über Vanillecreme über Götterspeise, und im anderen Falle der Plastikstrohhalm einzig durch Karamell-Milkshake gleitet, heißt das ja noch nicht, dass die Strecke bis zum Grund des Glases unterschiedlich lang ist. Oder dass das eine Glas teurer oder älter oder besser abgespült war als das andere. Das Fundportemonnaie mit 72 Euro fuffzig drin kann die Gewissenswellen des Teenagers evtl. höher schlagen lassen als die Gewissenswellen eines gutverdienenden Mittvierzigers mit Ökobewusstsein angesichts der Überlegung, ob zum südlichen Urlaubsort vorzugsweise per Bahn oder per Billigflug zu gelangen sei. Womit allerdings noch gar nichts darüber gesagt ist, wie sehr der jeweilige Mensch sowieso von vorneherein in einen harmonischen Einklang mit sich und der Welt hineingeboren wurde - oder eben nicht, und wie schwer seine Herausforderungen sich gegen sein Ego in die berühmte Waagschale zu werfen belieben. ... glaube ich aber schon, dass es "schöne Seelen" gibt, die nie ernsthaft in Versuchung geführt wurden und einfach aus persönlicher Neigung zum Guten ein freundliches, faires und friedliches Leben im Einklang mit sich und ihrem unmittelbaren Umfeld führen. Ich überlege gerade ernsthaft, ob ich jemals eine in echt kennenlernen durfte ... (Womit ich nicht sagen will, dass ich nicht auch glaube, dass es sie gibt. (IMG:style_emoticons/default/gruebel.gif) Ob ich wohl eine solches Lichtwesen in Menschengestalt unbedingt "schöner" fände als eine Slalom, Hürden- oder x-ter-Anlauf-Seele voller Blessuren, die sich mehrfach aus allen möglichen Kurven hat tragen lassen, und es sich dennoch gestattet hat, peu a pe daran zu wachsen ... ? Ob ich einfach nur bezaubert wäre? Verzückt und glücklich und erleichtert? Und ob dann wohl was abfärbt auf mich, wenn ich mich ganz dicht daneben stelle? (IMG:style_emoticons/default/gruebel.gif) ) Hm ... wahrscheinlich letzte Inkarnationsstufe vor dem Nirvana oder so ... edit: Komma Der Beitrag wurde von sonnenstrahl bearbeitet: 18.Jun.2010 - 18:44 |
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Beitrag
#38
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Adiaphora ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 1.987 Userin seit: 14.10.2004 Userinnen-Nr.: 596 ![]() |
Ich überlege gerade ernsthaft, ob ich jemals eine in echt kennenlernen durfte ... (Womit ich nicht sagen will, dass ich nicht auch glaube, dass es sie gibt. [...] Ob ich einfach nur bezaubert wäre? Verzückt und glücklich und erleichtert? Und ob dann wohl was abfärbt auf mich, wenn ich mich ganz dicht daneben stelle? (IMG:style_emoticons/default/gruebel.gif) ) Hm ... wahrscheinlich letzte Inkarnationsstufe vor dem Nirvana oder so ... Lach* Vielleicht sind meine Ansprüche an schöne Seelen ja einfach weniger hoch? Ich stelle dabei übrigens fest, dass ich diesbezüglich selbst sehr wenig Ahnung habe. Wahrscheinlich weil mich im Kontakt mit Menschen die Abgründe und Schattenseiten einfach viel mehr reizen und interessieren als ein durch und durch aufgeräumtes, argloses Gemüt? Und ohne Dir zu nahe zu treten zu wollen, würde ich wohl vermuten, Du wärest eher gelangweilt denn verzückt (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 19.Jun.2010 - 07:52 |
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Beitrag
#39
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"Jeck op Sticker" ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 14.613 Userin seit: 18.10.2008 Userinnen-Nr.: 6.317 ![]() |
Ein möglicher weiterer Eklat
Schwere Kost. Für mich bahnt sich hier zwar nicht direkt ein Eklat an, aber es ist nicht ganz einfach mit dieser Schirmherrschaft. Einerseits kann ich verstehen, das hiermit der Versuch unternommen wird, zu zeigen: Seht her, hier ist ein offen schwuler Mann in einem der zweithöchsten Wahlämter der BRD (Vizekanzler/Außenminister). Andererseits hat er sein Amt und seine Stellung in der Gesellschaft aber – und da lasse ich mich gerne korrigieren – meines Wissens nach nie dazu benutzt, um Missstände innerhalb eines Landes gegen nicht hetero lebende Menschen aufzuzeigen oder aufzuheben. Ich persönlich hätte es – obwohl ich mich ihm jetzt nicht parteipolitisch verbunden fühle – eher verstanden, wenn diese Schirmherrschaft Volker Beck angetragen worden wäre. Er ist immerhin auch ein Bundestagsabgeordneter und jemand der seinen Status dazu benutzt, um z.B. die Missstände gegen nicht hetero lebende Menschen aufzuzeigen und dagegen anzugehen. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, als ob die CSD´s in Warschau und Moskau durch seien Teilnahme mehr mediale Aufmerksamkeit erhielten und der Umgang mit den teilnehmenden Menschen dadurch auch außerhalb Osteuropas publik wurde. Für mich zeigt sich durch den Blick auf diese beiden Politikern ein so unterschiedlicher Umgang mit ihrer Lebensweise und deren Einfluss auf ihr politisches Handeln, dass ich manchmal denke, ob diese zwei nicht für beiden unterschiedlichen, gesellschaftlichen Pole stehen, in deren Spannungsfeld sich die eigene Positionierung befinden könnte |
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Beitrag
#40
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Adiaphora ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Gruppe: Members Beiträge: 1.987 Userin seit: 14.10.2004 Userinnen-Nr.: 596 ![]() |
Ich kann mir ja kaum vorstellen, dass Herr Mronz tatsächlich nicht mit von der Partie sein wird, allein schon aus beruflichen Gründen.
Und - ja - auch ich hätte mich mit Dunja Hayali, Volker Beck, Maren Kroymann, Miriam Meckel, Balian Buschbaum, Birgit Prinz oder dem "geheimen schwulen Fußballer der Nationalmannschaft, dessen Namen keiner kennt" besser beschirmt gefühlt. Herr Westerwelle erscheint mir zudem auch gar nicht besonders sportlich oder sportinteressiert zu sein (IMG:style_emoticons/default/wink.gif) aber da mag ich mich täuschen. Trotzdem gehört er zur Community und ich finde es schwierig, ihm persönliches Engagement für die Community ausgerechnet mit dem Argument abzusprechen, er hätte sich ja bisher auch nicht für die Community engagiert. Die Idee eines schwul-lesbischen Doppelschirms finde ich dennoch gut, noch besser fände ich es aber, wenn Herr Westerwelle in dieser Aufgabe seine wahre Berufung fände und sich zukünftig nur noch als Schirmherr queerer Sportveranstaltungen und nicht mehr als Außenminister betätigen würde. Ohnehin ist die jüngste "Entwicklung Westerwelles" ja recht spannend. Erst regt die FDP eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes an, dann kritisiert sie die CDU bei ihren Plänen zur Abschaffung des Elterngeldes für Harz-IV-Empfängerinnen, weil die schließlich ebensowenig arbeitende Gattin eines Spitzenverdienders weiterhin 300 Euro bekäme, was ja nicht gerecht und im Sinne der Erfinder wäre ... *staun* Vielleicht kämpft sich ja gerade sich die lang verschüttete schöne Seele Westerwelles ans Licht und wir werden Zeuge einer spektakulären Wandlung vom Saulus zum Paulus. Der Beitrag wurde von DerTagAmMeer bearbeitet: 27.Jun.2010 - 07:14 |
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